Saints Row - Vorschau, Action-Adventure, XboxSeriesX, XboxOne, PC, PlayStation5, PlayStation4

Saints Row
18.05.2022, Matthias Schmid

Vorschau: Saints Row

Wenn ich groß bin, werd' ich GTA

Kohle klauen, Gangster plattmachen, Dinge in die Luft jagen. Mit schrillen Figuren, der eigenen Räuberhöhle und immer einem lockeren Finger am Abzug. Das neue Saints Row (ab 9,89€ bei kaufen) besinnt sich auf seine Kernkompetenzen und könnte gerade deswegen die übergroßen Fußstapfen von GTA erstaunlich gut ausfüllen – wir haben mittlerweile so viel vom Spiel gesehen, dass sich eine Vorschau geradezu aufdrängt.

Wenn der Cousin vom Hausmeister bei Rockstar North twittert, dass er gerade supergern Fortnite spielt, kommt am nächsten Tag bestimmt eine Gerüchte-News zum möglichen Battle-Royale-Modus in GTA 6. Verbunden mit der Aussage, dass Fans aktuell befürchten, dass das Spiel erst irgendwann im Jahr 2026 erscheinen könnte. Weil: Es ist halt GTA. Jeder kauft es, jeder spielt es, jeder redet darüber und jeder ist gespannt, wie der nächste Teil wohl so wird. Spoiler: Rechnet mit einem Open-World-Actiongame, das in einer fiktiven nordamerikanischen Großstadt spielt, die sich an einer US-Metropole orientiert. Man wird Autos klauen, Banken ausrauben und dutzende Nebenbeschäftigungen angehen; und natürlich wird das so erfolgreiche wie langlebige GTA Online irgendwie in GTA 6 integriert.

Eine Stunde mit Saints Row

Kleine Kostprobe: Mittels drolliger Emotes zieht ihr Albernheiten ab - spielt z.B. Gitarre für die NPCs der Stadt.
Wenn Saints Row hingegen nur noch drei Monate vom Release entfernt ist, neulich schon seinen absurd detaillierten Charakter-Editor vorgestellt hat und der Presse nun rund eine Stunde feinstes Ingame-Material gezeigt wird? Dann passiert zwar nicht Nichts, aber die allgemeine Aufregung hält sich doch ziemlich in Grenzen. Soll heißen: Mit dem, was mir letzte Woche von Saints Row gezeigt wurde – selbst zum Pad greifen durfte ich leider noch nicht –, ließen sich gleich mehrere Vorschauen füllen. Oder eben, auf Grand Theft Auto übertragen, GTA-News für die nächsten drei Jahrzehnte schnitzen. Ich will damit nicht sagen, der Trubel um die Marke GTA sei unverdient, doch der Unterschied in puncto Aufmerksamkeit zum doch ziemlich ähnlich gelagerten Saints Row ist erschütternd. Dabei hinterlässt der Reboot von Volitions Aushängemarke einen wirklich kompetenten Eindruck…

Die Spielebilanz des Studios aus Illinois, das heute unter dem Namen Deep Silver Volition firmiert, kann sich sehen lassen: Nach zwei starken Freespace-Titeln und dem gelungenen Rollenspiel-Ausflug Summoner stürzte sich das Studio aufs Shootergenre – Red Faction verblüffte mit damals erstaunlicher Level-Interaktivität (Stichwort: Geo-Mod). Ein extrem brutales Punisher-Spiel und ein Red Faction-Nachfolger später schoss sich Volition, trotz einer anstrengenden Entwicklungsphase beim ersten Saints Row, auf ein vergleichsweise junges Genre ein: das der Open-World-Action. Die Marke Saints Row, von Beginn an als eine Art Gang-Simulator konzipiert, wilderte vom Start weg einigermaßen erfolgreich im Revier der GTA-Serie. Rockstar hatte damals bereits drei beliebte 3D-Episoden veröffentlicht – GTA 3, Vice City und San Andreas –, doch Volition fand einen frischen Ansatz und schuf sich in der Folgezeit seine eigene Over-the-Top-Nische.

Sieht spaßig aus: Auf dem Dach der Fluchtkarre liegen und Blei auf die Polente regnen lassen.
Tester Mathias war bereits vom ersten Teil angetan (84%) und bescheinigte der „dreisten GTA-Kopie, dass sie das bekannte Spielprinzip an genau den richtigen Stellen aufbohrt, um kleine Details ergänzt und zu einem actionlastigen Gangsta-Ausflug vermischt, der durchweg gute Unterhaltung bietet“. Drei Nachfolger, reichlich Dildowaffen, unendlich viele Eimer der Farbe Lila und das wenig erfolgreiche Agents of Mayhem später, stehen Saints Row und damit Volition wieder an einer ähnlichen Position wie im Jahr 2006. Damals hatte Rockstar ein neues, extrem beliebtes Genre erschaffen, brauchte aber noch Zeit bis zum eigenen HD-Debüt – heute hat man mit GTA 5 diesen Erfolg auf ein komplett anderes Level gehoben, doch niemand kann absehen, wann eine neue Episode für PS5 und Xbox Series X auf den Markt kommt. Saints Row hingegen, runderneuert und auf links gedreht, steht parat, das Feld der locker-flockigen Open-World-Action mit Gangster-Attitüde zu bestellen.

Wie in unserer Vorschau vom letzten Sommer beschrieben, geht es im neuen Spiel um den Aufbau eines kriminellen Imperiums – vier Freunde machen sich daran, die Unterwelt von Santo Ileso aufzumischen. Die virtuelle Metropole wirkt wie eine unheilige Chimäre aus Los Angeles, Las Vegas und Acapulco. Aus Hollywood borgt man sich z.B. einen riesigen Schriftzug auf einem benachbarten Hügel, an die Spielerstadt Las Vegas erinnern die dekadenten Casinos. Und von Acapulco, der mexikanischen Stadt an der Pazifikküste, borgt man sich sackweise Mexikoflair und die ein oder andere kriminelle Inspiration. Denn natürlich gibt es in Santo Ileso gleich mehrere Banden, die den Aufstiegsplänen unserer Saints im Wege stehen: Zum Beispiel Los Panteros, eine Gruppe körperlich robuster Schläger, die unseren Helden bei der Schießerei in einer Autofabrik viel Widerstand leisten und bevorzugt mit Nahkampfwaffen anrücken.

Vier Freunde in der Unterwelt

Darf in kaum einem Open-World-Spiel mit modernem Setting fehlen: Heli-Rundflüge.
Geballert wird traditionell in entfernter Third-Person-Sicht oder auf Knopfdruck auch in einer näheren Über-die-Schulter-Kamera. Die Gefechte wirken druckvoll, die Waffensounds rattern und gefühlt alle paar Sekunden explodiert irgendetwas. In dem Autowerk zum Beispiel kann unser Saints-Charakter auf Plattformen feuern, auf denen Neuwagen stehen – die rasen dann wie ein aufgezogenes Hot-Wheels-Auto los und werden in der nächsten Gegnergruppe zu einem Flammenball. Ballermänner sind reichlich vorhanden – vom Snipergewehr bis zu allerlei MGs oder dem Raketenwerfer. Meine Spielfigur kann sich ducken, eine elegante Deckungsfunktion à la Gears scheint es jedoch leider nicht zu geben. Das erscheint in den uns vorgeführten Gefechten nicht weiter schlimm, im Spielverlauf könnte es sich jedoch als Manko erweisen, weil man ein gewisses taktisches Grundniveau anderer Shooter so wohl verfehlen dürfte.

Eine Spur hipper, wuseliger, aber im Infight schwächer als die Banderos sind die Idols, die mit lustigen Helmen und Kostümen irgendwo zwischen K-Pop-Sternchen und Lollipop Chainsaw-Heldin Juliet Starling rangieren. Die Idols sind uns zahlenmäßig meist deutlich überlegen, leisten aber individuell kaum Widerstand. Besonders übel spielen wir einem ihrer Chefs mit, als er sich einem Dixi-Klo verstecken will: Die mobile Toilette wird mit einem Stahlseil an der Anhängerkupplung unseres Wagens befestigt und so lange kreuz und quer über einen Campingplatz geschleudert, bis der Insasse singt wie ein Vöglelchen.

Ballern mit einer Prise Taktik: Eure Spielfigur lehnt sich zwar nicht an Deckungen, kann sich aber einen Polizeischild krallen und dahinter Schutz suchen.
Natürlich nehmen sich weder die Charaktere in den Zwischensequenzen selbst ernst, noch legt Volition Wert darauf, dass man als Spieler realistische Personen baut: Erlaubt ist, was gefällt! Körperfülle und Piercing-Schmuck, dumme Brillen und coole Hüte, Neon-Goth-Chick, Gangster-Clown und bärbeißiger Cowboy. Die Customization-Wut geht diesmal aber noch deutlich weiter: Ihr konfiguriert eure Gangster-Karre bis ins Detail (es gibt 80 Auto-Modelle im Spiel) – von der Unterbodenbeleuchtung bis zum Hecklicht. Zudem habt ihr auch Einfluss auf das Aussehen der Church: So heißt euer anfangs abgerocktes Hauptquartier, das sich in einer alten Kirche befindet. Im weiteren Spielverlauf wird sich dort ein High-Tech-Kartenraum mit virtueller Santo-Ileso-Map befinden, auf der ihr euren Stadt-Eroberungs-Fortschritt jederzeit einsehen könnt. Außerdem tauchen dort eure Bandenmitglieder zum lockeren Plausch auf und ihr stellt Statuen, Denkmäler & Co. an repräsentativen Stellen eures Domizils aus; und natürlich gibt es auch eine Garage für eure erbeuteten bzw. getunten Vehikel.

Ein Stück weit erinnern uns viele Spielszenen an unsere längst vergangenen Ausflüge mit GTA San Andreas: Wir shoppen neue Outfits in allerlei Läden oder rasen auf einem Motorrad von den Cops davon – raus aus der Stadt, rein ins wüstenähnliche Umland mit weiten Sprüngen und wilden Verfolgungsjagden. Die gibt es auch in der Stadt gleich bei der ersten Mission: Nach einem Raubüberfall flüchtet die Hauptfigur im Auto vor der anrückenden Polente, dabei werden Erinnerungen an Terminator 2 und Burnout wach. Terminator 2, weil die Verfolgungsjagd durch Abwasserkanäle führt, die uns frappierend an den Betonkanal des L.A. River erinnern, in dem John vor dem T-1000 türmte. Und Burnout, weil ein seitliches Ramm-Manöver dafür sorgt, dass die Polizeiautos in Saints Row gleich reihenweise in Flammen aufgehen oder effektvoll an der nächsten Mauer zerschellen – Criterions Crash-Raser lässt grüßen.

Wie einst in San Andreas

Bud und Terrence wären stolz: Eure Saints lassen schon mal die Fäuste sprechen.
Grundsätzlich hat die Action im neuen Saints Row weniger Over-the-top-Charakter als in vergangenen Serienteilen: Wir sehen viel ruppiges Geballer mit MG, Pistolen & Co. statt einen Dauereinsatz von Dildo-Kanone und Alienwumme. Zwar kann man allen Waffen im Editor einen individuellen, teils sehr albernen Touch verleihen (Schaumhand-Form, LED-Girlande, etc.), doch die Schießereien wirken generell geerdeter. Am abgehobensten ist eine Art Kopf-Hopser, wenn die eigene Spielfigur bei einer Wingsuit-Flugeinlage an Höhe gewinnt, indem sie sich von den Köpfen ahnungsloser Passanten abstößt. Neben Feuergefechten sind auch kernige Kneipenkeile eine Option, die Rivalitäten mit anderen Banden auszutragen – dabei erspähten wir sogar Finishing Moves und die Option, einem Feind eine Granate an den Leib zu heften und ihn dann mit einem kräftigen Wurf in einen Gegnerpulk zu schleudern. Kaboom!

Kleine Spritztour über den Camping-Platz mit Mobil-Klo an der Strippe - derbe Späße gibt es natürlich auch im neuen Saints Row.
An anderer Stelle übernimmt ein KI-Kollege das Steuern eines Fluchtwagens, während die Spielerfigur auf dem Autodach liegend auf Verfolger feuert – natürlich nicht ansatzweise in der grafischen Qualität wie in der Matrix-Demo der Unreal Engine 5, dafür ist das Geschehen dann doch noch eine Spur interaktiver. Generell macht Saints Row einen technisch sauberen Eindruck und wird mit Sicherheit der hübscheste Volition-Titel bisher, grafische Höchstleistungen solltet ihr trotzdem nicht erwarten. Die Entwickler sind stolz (und wir gespannt), dass sich das komplette Spiel kooperativ bestreiten lässt – ein zweiter Spieler kann jeder ein- bzw. aussteigen. Und fürs gemeinsame Dampf-Ablassen gibt es auch spezielle Modi wie Mayhem, wo es ganz banal darum geht, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Schaden in der Spielwelt anzurichten.

Ausblick

Ich oute mich: Weder bin ich ein glühender GTA-Anhänger noch habe ich alle bisherigen Saints-Row-Episoden verschlungen. Und trotzdem habe ich nach diesem ausführlichen Ausblick auf das fast fertige Spiel richtig Bock, mein eigenes Gangster-Imperium zu erschaffen. Weil das Spiel die absurden, teils peinlichen Elemente zurückfährt, weil die Gefechte Explosionen im Sekundentakt versprechen und ich es tatsächlich verlockend finde, mit meiner selbst getunten Prollkarre durch Santo Ileso zu kurven oder mit dem Heli einen Flug über die Stadt zu wagen. Für Abwechslung sollten das Einrichten diverser krimineller Outlets, die Ausflüge ins Umland, die schrägen anderen Banden und die eigene Räuberhöhle sorgen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das neue Saints Row durch die Rückbesinnung auf typische GTA-Tugenden, garniert mit mehr Customizing-Optionen und dem nach wie vor groben Humor genau der richtige Happen für Freunde von Open-World-Action ist. Natürlich kann die angepeilte Zielgruppe auch weiterhin einfach GTA Online zocken, aber Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Und diese Konkurrenz hier ist zwar nicht innovativ, dürfte ihre Sache aber wohl richtig gut machen.

Einschätzung: gut

Kommentare
Flux Capacitor

Könnte mein erstes Saints Row werden, gefällt mir bis jetzt was ich sehe!

vor 2 Jahren
Vin Dos

Ich weiß auch noch nicht was ich davon halten soll. Das Video von IGN fand ich, sah dann aber doch recht gut aus:

vor 2 Jahren
batsi84

Klingt so als sollte ich Teil 2 eine Chance geben

vor 2 Jahren
PixelMurder

Schon klar, aber das gilt für fast alle Games, selbst für diejenigen, die sich bemühen. Okay, der Arschgaul in Borderlands 2 war lustig, oder wenn sie in SR 4 die Romanzen in ME verarschen. Oder manche Dialoge in Bulletstorm.
Wobei in SR 2 selbst die ruckeligen Animationen zum Slapstick beitragen, während dich eine Oma aus der Karre zerrt und verprügeln möchte, während du an einer Verfolgungsjagd bist. Oder was passieren kann, wenn du den Cheerleadern den Vogel zeigst. Oder diese brachialen Verfolgungsjagden auf Hardcore Drogenhandel Level 6, während dich der bekiffte Hippie-Händler voll labbert. Ich kratze da noch und noch ab und es spielt überhaupt keine Rolle. Selbst wenn ich nicht ständig am Grölen vor Lachen bin, es ist zu jeder Zeit witziger als ein GTA 5. Nicht zu vergessen, die Touren mit dem Güllen-Wagen, um Häuser und Zuhälter abzuspritzen. Oder Versicherungsbetrug.

vor 2 Jahren
Sevulon

Ich habe da in jedem Durchgang mehr gelacht, als in meiner ganzen Gaming-Karriere, die mit Space Invaders begonnen hat.
Space Invaders war jetzt leider auch nicht so witzig, dass man da viel hätte lachen müssen.

vor 2 Jahren