F1 2002 - Test, Rennspiel, XBox, PlayStation2, PC, GameCube, GBA

F1 2002
26.07.2002, Mathias Oertel

Test: F1 2002

Nachdem bereits sowohl Xbox-Spieler als auch PS2-Jünger mit Bleifuß-Tendenz ihre Portion Formel Eins von Electronic Arts bekommen haben, sind nun die GameCube-Fahrer gefragt. Da beide bisherige Fassungen sich jedoch inhaltlich stark unterschieden haben, waren wir natürlich gespannt, ob sich die GameCube-Version eher Richtung Xbox oder PS2 entwickelt hat und ob es eventuell sogar ein paar exklusive Features gibt. Mehr dazu in unserem ausführlichen Abstecher in die GameCube-Formel Eins-Welt.

Und trotzdem müssen sich alle durch die Herausforderungen beißen, denn erst wenn man bestimmte Prozentzahlen erreicht, werden neue Spielmodi und Gameplay-Features freigeschaltet, so zum Beispiel Fahrzeugschäden, Reifenabnutzung oder das FIA-Regelwerk - alles Features, die normalerweise von Anfang an zur Verfügung stehen sollten.

Xbox als Vorbild

Schon bei den Menübildern und Ladebildschirmen wird klar, dass sich die Entwickler bei der GameCube-Version deutlich an der Xbox-Fassung orientiert haben und diese mit allen Vor- und vor allem Nachteilen im Prinzip 1:1 übernommen haben.

Ein definitiver Pluspunkt ist die aktuelle Lizenz, die es ermöglicht, mit allen Fahrern, Teams und Strecken der Saison 2002 an den Start zu gehen.

Doch vorher ist erst einmal Fahrschule angesagt. Während Fahranfänger sicherlich von den Einführungen in die technischen Möglichkeiten und fahrerischen Eigenheiten profitieren werden, sind Profis mit Ausnahme einiger Prüfungen wenig gefordert.

Das wurde bei der PS2 besser gelöst, denn zum einen sind alle wesentlichen Spielmodi von Beginn an zugänglich, zum anderen werden durch die abwechslungsreicheren Herausforderungen vollkommen neue Features freigeschaltet - selbstredend muss man auf dem GameCube dementsprechend auch auf die EA Sports-Karten verzichten.

Das hätte sicherlich nicht sein müssen und hinterlässt den Eindruck, dass die Spielzeit dadurch unnötig verlängert wird - selbst der Saison-Modus muss erst geöffnet werden.

Doch auch die anderen Standard-Spielmodi sind interessant - selbst, wenn man sie erst freispielen muss. Neben dem "Schnellen Rennen" -die einzige von Beginn an zur Verfügung stehende Option- warten die schon erwähnte aktuelle Saison, Einzel-Grand Prixs, die Möglichkeit, eigene Saisons auf die Beine zu stellen, die Team-Challenge und die Vorherrschaft auf Euch.

Da die meisten Spielmodi selbsterklärend sind, erläutern wir hier nur die beiden letzten Möglichkeiten: In der Team-Challenge startet Ihr in einem Vier-Runden-Rennen und müsst vor Eurem Stall-Kollegen ins Ziel kommen, um die nächste Etappe zu erreichen.

Die Vorherrschaft ist schließlich was für die hartgesottenen Fahrprofis unter Euch: Jedes Rennen muss gewonnen werden.

Für welchen Modus Ihr Euch auch entscheidet - bevor es richtig losgeht, muss ein wesentlicher Faktor festgelegt werden: ob Ihr die "Normal"- oder "Simulations"-Fahrweise bevorzugt. Je nach Wahl stehen Euch dann im Setup verschiedene Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung und der Wagen reagiert natürlich entsprechend anders auf die Lenkbewegungen.

Normal vs. Simulation

Während man getrost sagen kann, dass die "Normal"-Fahrweise als Arcade-Modus durchgeht -beim Setup habt Ihr zum Beispiel nur die Reifenwahl zu entscheiden-, fordert die Simulation alles. Denn hier habt Ihr zum einen ein breit gefächertes Spektrum an Setup-Möglichkeiten, zum anderen ist jede Setup-Entscheidung auf der Strecke spürbar. Selbst das Benzin-Gewicht macht sich bei Beschleunigung und Kurvenlage deutlich bemerkbar. Eine Tatsache, die man bei den Vorgängern auf anderen Systemen in diesem Maße getrost vernachlässigen konnte.

Auch bei den Schäden -die erst freigeschaltet werden müssen (!)- hat Electronic Arts Sorgfalt walten lassen: Fehlt zum Beispiel ein Flügel, ist es sauschwer, den Wagen in die rettende Box zu lenken, um die Nase austauschen zu lassen. Trotzdem sind EA haarsträubende Fehler unterlaufen.

Du hast doch ein Rad ab

Aber die Tatsache, dass bei Verlust aller vier Radaufhängungen der Wagen wie von Geisterhand repariert wird und vollkommen intakt auf die Strecke zurückkehrt, ist in keinem Fall positiv zu bewerten - wird dadurch doch der selbstgestellte Realitätsanspruch nahezu auf ein Minimum zurückgeschraubt.

Dass man sich bei einem fehlenden Reifen auf drei Rädern in die Box schaukeln kann, ist mit viel Wohlwollen sogar noch als zusätzlich motivierende Geste aufzufassen - immerhin kann man das Rennen fortsetzen.

Schade eigentlich, denn sonst hat EA penibel darauf geachtet, alles, was die Formel Eins ausmacht, haarklein umzusetzen. Die Rennwochenenden mit freiem Training, Qualifikation, Warm-Up und Rennen sind genau so gut umgesetzt wie das Flaggenreglement und die Durchsagen von der Boxencrew .

Fährt man daraufhin an die Box, ist das Rennen urplötzlich ohne erkennbaren Grund vorbei - da wäre es wesentlich sinnvoller und vor allem logischer gewesen, nach einem Totalschaden den Abschlussbildschirm anzuzeigen.

Auch die KI der Gegner lässt wenig zu wünschen übrig: Mal aggressiv auf Kampflinie fahrend, mal freundlich Platz machend, kommen die virtuellen Rennprofis ihren realen Vorbildern recht nahe. Selbst der obligatorische Fahrfehler und Ausflug ins Kiesbett ist integriert und sorgt so immer wieder für spannende Überraschungen.

Wenig zu mäkeln gibt es auch an der Steuerung, die sogar noch einen Tick besser ausgefallen ist als bei der Xbox-Version. Sehr gut reagierend hat man den Wagen jederzeit im Griff. Dass die Kontrolle in der Simulation erwartungsgemäß komplexer und dementsprechend schwieriger zu bewerkstelligen ist, liegt nie am Pad, sondern an der eigenen Fahrweise.

Besonderes Lob gebührt den Boxenstopps. Interaktiv gestaltet muss der Fahrer auf dem Weg zum Auftanken und Reifenwechsel bestimmte Reaktionsaufgaben lösen: Angefangen vom Runterbremsen in der Boxengasse bis zum Einlenken und dem abschließenden Beschleunigen.

Bei Ferrari in der Box

Natürlich bietet F1 2002 (ab 24,01€ bei kaufen) auch diverse Multiplayer-Modi an, die allesamt recht spaßig sind, jedoch ein wenig von ihrer Faszination verlieren, sobald man mit vier Spielern per Splitscreen seine Duelle ausfahren muss, da hier der Bildausschnitt einfach zu klein ist.

Sollten Euch dabei Fehler unterlaufen, werden diese grafisch durch Fehler der Boxencrew dargestellt: Mal geht zum Beispiel der Tankrüssel nicht raus, ein anderes Mal kriegt der Mechaniker den Reifen nicht fest.

Hier hat man erstmalig das Gefühl, aktiv den Boxenstopp beeinflussen zu können, was dem Spiel eine neue Dimension eröffnet.

Die menschliche Herausforderung

Im Bereich Sound herrscht natürlich das gut umgesetzte Motorendröhnen vor. Unterbrochen wird die ständige Beschallung nur vom ebenfalls gut in Szene gesetzten Boxenfunk, der Euch über Eure Position im Rennen genauso informiert wie über Unfälle, Gefahrenzonen auf der Strecke sowie an den anstehenden Boxenstopp erinnert.

Speed: ja - schön: nein!

Auch wenn die GameCube-Version ihrem Xbox-Bruder spielerisch wie aus dem Gesicht geschnitten ist, sind deutliche optische Unterschiede auszumachen.

Die Spielgeschwindigkeit ist zwar gut wie eh und je und vermittelt auch ein gutes Gefühl für die momentane Pace, doch in allen anderen Punkten muss der GameCube hinter der Xbox zurückstehen.

Zwar gibt es hier wie da gut aussehende Autos, doch das Bump-Mapping, das auf der Xbox -und vor allem auf der PS2- für Stimmung sorgen konnte, bleibt auf dem GameCube nur ein Schatten seiner selbst.

Die Animation der Fahrer und auch die der Boxencrew sind hingegen so gut gelungen wie auf PS2 und Xbox.

Wenigstens hat man auf dem GameCube keine Geschwindigkeits-Einbußen, wenn man das gesamte Fahrerfeld vor sich hat - das Spiel bleibt in jedem Moment flüssig.

Allerdings muss man dafür in Kauf nehmen, dass das gesamte Spiel einen groberen Eindruck macht als bei den PS2- und Xbox-Kollegen und auch mit fehlendem Anti-Aliasing glänzen kann.

Unverständlich bleibt für mich jedoch, dass man in der Cockpitsicht etwas tiefer liegt als auf der Xbox, wodurch eine sehr gute Streckenkenntnis von Nöten ist, da man die Kurven sehr spät sieht.

Allerdings gibt es auch optionale Fahrhilfen wie eine Kurvenanzeige und eine Streckenkarte, die vor Schikanen und Haarnadelkurven warnen, falls man die Strecke noch nicht im Schlaf fahren kann.

"Du liegst vier Sekunden zurück"

Einen Atmosphäre-fördernden Kommentar sucht man leider vergebens.

Die Musik, die man in den Menüs zu hören kriegt, ist zwar qualitativ gut, kann sich aber nicht so recht ins Trommelfell brennen.

Fazit

Anstatt sich schonungslos bei der exzellenten PS2-Fassung zu bedienen, wurde als Grundgerüst die nur durchschnittliche Xbox-Fassung gewählt. Da zudem noch die Mankos mit übernommen wurden und der GameCube grafisch deutlich hinter der Xbox zurückbleibt, drängt sich der Eindruck auf, dass es nur darum ging, mal eben ein Formel Eins-Spiel für den GameCube auf den Markt zu bringen. Dabei hätte mit nur ein wenig Feinarbeit ein exzellentes Spiel entstehen können. Geschwindigkeit, Steuerung und KI passen wunderbar und können F1 2002 auf jeden Fall davor retten, zu einem Desaster á la Driven zu werden. Mangels Konkurrenz kann sich der GameCube-Formel Eins-Zirkus dennoch an die Spitze der Rennspielfront setzen, ohne jedoch wirklich überzeugen zu können. Aber vielleicht wird ja mit der Fassung 2003 den zahlreichen F1-Fans, die einen GameCube ihr Eigen nennen, ein Spiel spendiert, welches das lauwarme Fahr-Erlebnis dieses Jahres vergessen lässt.

Pro

  • <li>aktuelle Lizenz</li><li>zwei Fahrmodi: Normal und Simulation</li><li>sehr gute Steuerung</li><li>exzellent in Szene gesetzter Boxenstopp</li><li>passender Boxenfunk</li><li>gute KI</li><li>zahlreiche Setup-Möglichkeiten</li><li>stets flüssige Grafik, die ein gutes Geschwindigkeitsgefühl vermittelt</li>

Kontra

  • <li>wesentliche Spielmodi und Gameplay-Features müssen erst freigespielt werden</li><li>grafisch schwächer als die Brüder auf PS2 und Xbox</li><li>kein Kommentar während der Rennen</li><li>fehlerhaftes Schadensmodell</li>

Wertung

GameCube