1914 - The Great War - Test, Taktik & Strategie, PC

1914 - The Great War
14.08.2002, Bodo Naser

Test: 1914 - The Great War

Das rundenbasierte Strategiespiel 1914: The Great War von Publisher JoWooD könnte wohl gut als inoffizieller Nachfolger von History Line durchgehen, dem Weltkriegs-Ableger von Strategie-Klassiker Battle Isle. Im Singleplayer-Modus dürft Ihr auf Seiten der Alliierten oder Deutschen in je 15 schmucklosen 3D-Schlachten versuchen, den Kampf im Schützengraben der Westfront für Euch zu entscheiden. Ob die leider wenig historischen Gefechte wenigstens spannend und abwechslungsreich sind, erfahrt Ihr aus unserer Review.

Ihr findet Euch im August 1914 wieder, mitten in der kurzen Bewegungsphase des Ersten Weltkrieges, als kaiserliche Truppen in einem massiven Umfassungsgriff entlang der Kanalküste versuchten, so weit wie möglich in Richtung Paris vorzurücken. Der so genannte "Schliefen-Plan" ging jedoch aufgrund britischer und französischer Gegenwehr nicht auf, und beide Seiten fanden sich in einem jahrelangen, blutigen Stellungskrieg wieder, in dem sich das Kriegsglück ständig wendete. Der historische Verlauf des Krieges lässt sich in 1914: The Great War jedoch nicht beeinflussen - also kein Einmarsch der "Pickelhauben" in der französischen Hauptstadt. Am Ende des "Großen Krieges" 1918 verliert trotz all Eurer Siege immer das Deutsche Reich.

Weltkriegs-Szenario

Die Missionen sind fordernd und meist überschaubar. Zu Beginn müsst Ihr versuchen, mit wenigen Infanterie-Einheiten den Feind entscheidend zu schwächen. Die wirksamste Taktik ist, lokal ein Übergewicht herzustellen, mit dessen Hilfe Ihr isolierte Einheiten vernichten könnt. Im Großen ist defensives Vorgehen angesagt: Am besten lasst Ihr den meist zahlenmäßig überlegenen Feind erst einmal kommen, schlagt ihn zurück, um dann Eurerseits vorzurücken. Ein wenig Deckung im Gemetzel bieten die Schützengräben, die Ihr jedoch nicht selbst ausheben dürft. Erst später werden die Schlachtfelder größer und die Anzahl der verschiedenen Einheiten steigt - richtige Massenschlachten sind in 1914 jedoch selten. Eine Minimap hilft Euch dabei, den Überblick zu behalten.

Spielverlauf

Die Euch zu Verfügung stehenden Einheiten sind mehr oder minder historisch. Es gibt auf beiden Seiten verschiedene Arten von Infanterie wie Handgranaten schleudernde Sturmtruppen, Flammenwerfertrupps oder wassergekühlte Maschinengewehre. Die größten Schäden verursacht jedoch schwere Artillerie, von der die "Dicke Berta" der Deutschen in Wirkung und Reichweite besonders verheerend ist. Auf Seiten der Alliierten stehen hingegen zahlreiche stark gepanzerte Tanks - stählerne Ungetüme, gegen die es kaum ein Mittel gibt. Schließlich kommen später noch Flugzeuge wie Doppel- und Dreidecker hinzu, die in Bomber- und Jägerverbänden attackieren.

Einheiten

Daneben findet Ihr bei 1914: The Great War wenige Spezialeinheiten wie Pioniere, die besondere Fähigkeiten besitzen. Sie können z.B. Stacheldrahtsperren errichten, die den Feind wenigstens etwas aufhalten; Schützengräben ausheben dürfen auch sie nicht. Schwere Geschütze benötigen ständigen Nachschub an Munition, der durch ein Fahrzeug symbolisiert wird; Sanitätstrupps heilen Fußsoldaten. Zum Transport stehen Laster zur Verfügung, die jedoch weitgehend überflüssig sind, da die Infanterie im Spiel ohnehin unhistorisch beweglich ist.

Noch beweglicher werden die Fußtruppen, wenn deren Erfahrung steigt. Einheiten erhalten für Kämpfe Erfahrungspunkte und können schließlich Veteranen-Status erreichen, der ihnen bestimmte Boni bringt. Nach gewonnenen Schlachten können die Einheiten mit der meisten Erfahrung in einen Nachschub-Pool übernommen werden, aus dem sie bei der nächsten Mission wieder in die eigene Aufstellung gelangen. Doch Vorsicht: Anzahl und Typ der Einheiten sind begrenzt! Ein winziges Tutorial, das kaum diesen Namen verdient, ist übrigens in die ersten Missionen integriert.

Die Computergegner in 1914 verhalten sich oft unorganisiert: Zwar greifen sie konsequent Eure wichtigen Einheiten wie schwere Mörser oder Dreidecker an, die Attacken sind aber zu wenig koordiniert. So ist es oft nicht schwer, die viel zu zögerlichen Angriffe der KI auch in Unterzahl zurückzuschlagen. Auch nützen die von der KI kontrollierten Truppen die sich bietende Deckung der Schützengräben nicht aus, was vor allem gegen MG-Feuer ein Kardinalfehler ist. Wem die schwache KI nicht ausreicht, der kann im Mehrspieler-Modus per LAN oder Internet auch gegen menschliche Gegner antreten.

KI

Wie Entwickler TriNodE sein Weltkriegs-Spiel präsentiert, überzeugt nicht. Zum einen wegen der wenig gelungenen 3D-Optik, die zwar zweckmäßig ist, aber dem Auge kaum schmeichelt: Vor allem in der Nahansicht offenbart die Darstellung, wie grob und detailarm sie ist. Ferner kann man die Auflösung bei einigen Systemen nicht richtig verändern, was sogar dazu führt, dass sich das Spiel nicht mehr laden lässt. Beileibe kein Einzelfall - diesen Bug sollten die Entwickler schnellstens entfernen. Darüber hinaus sucht man ein Intro oder gar Videos zwischen den Missionen vergebens. Einige wenige Zeitungsausschnitte und Fotos müssen genügen. Insgesamt ist die Präsentation daher zu einfallslos.

Grafik/Sound

Auch die auf dramatisch getrimmte Hintergrund-Musik bedarf kaum der Erwähnung. Vor allem die Gefechtsgeräusche wie Rattern der Maschinengewehre, Explosionen von Granaten oder Todesschreie der Soldaten lassen stellenweise durchaus so etwas wie "Schützengraben-Feeling" aufkommen. Insgesamt macht das Spiel aber einen recht unfertigen Eindruck, ganz so als sei es vor seiner eigentlichen Entwicklungs-Reife auf den Markt geworfen worden. Kein Wunder, denn TriNodE hat mittlerweile infolge der Phenomedia-Pleite Insolvenz beantragen müssen: So musste der Entwickler wohl 1914 noch schnell vorher veröffentlichen.

Fazit

1914 - The Great War ist ein Paradebeispiel für eine gute Idee, die mangels richtiger Umsetzung leider verschenkt wurde. Das in PC-Spielen noch weitgehend unverbrauchte Szenario des Ersten Weltkriegs dient hier als bloßer Hintergrund für ein durchschnittliches, rundenbasiertes Strategiespiel mit zudem unansehnlicher 3D-Grafik, was wiederum der Tragik dieser blutigen Auseinandersetzung nicht gerecht wird. Gelungen ist das fordernde Niveau der 30 rundenbasierten Schlachten, die aber im Grunde genommen immer wieder ähnlich ablaufen. Ein wenig mehr Drumherum (Intro, Videos, Beschreibungen) hätte dem Spiel sicher auch nicht geschadet. Auch Hardcore-Strategen können keine rechte Freude an dem Spiel von Entwickler TriNodE finden, da es historisch viel zu ungenau ist, so ist z.B. die Darstellung der verlustreichen Schlacht von Verdun 1916 ein einziger Witz.

Pro

  • <li>Erster Weltkrieg als Hintergrund</li><li>30 fordernde Gefechte</li><li>60 verschiedene Einheiten</li><li>Einheiten gewinnen Erfahrung</li><li>Einheiten-Pool</li><li>Bestenliste mit Orden</li><li>Geräusche einer Schlacht</li>

Kontra

  • <li>wenig historische Genauigkeit</li><li>wenig abwechslungsreich</li><li>schwache Gegner-KI</li><li>unansehnliche 3D-Optik</li><li>schmucklose Präsentation</li><li>Auflösungs-Bug</li>

Wertung

PC