Rally Championship - Test, Rennspiel, PlayStation2

Rally Championship
26.08.2002, Jens Bischoff

Test: Rally Championship

Rallye-Fans mit einer PS2 haben allen Grund zur Freude: nach V-Rally 3 und der Platinum-Edition unserer aktuellen Referenz WRC 2001 stehen mit Colin McRae Rally 3.0 und WRC II Extreme bereits zwei ganz heiße Titelaspiranten in den Startlöchern. Bis zum großen Duell im Herbst ist es allerdings noch ein Weilchen hin, in der auch weniger namhafte Konkurrenten um die Gunst der Käufer buhlen. So auch SCis Rally Championship (ab 29,90€ bei kaufen), das hierzulande von Codemasters (Colin McRae Rally) vertrieben wird. Ob es sich dabei lediglich um einen Lückenbüßer oder doch eine vollwertige Alternative zu WRC, McRae & Co. handelt, erfahrt Ihr in unserer Testfahrt…

Der Fuhrpark von Rally Championship macht zumindest einmal keine schlechte Figur, stehen einem doch knapp 30 Boliden namhafter Hersteller wie Audi, Ford, Mitsubishi, Peugeot, Subaru oder VW zur Verfügung. Zwar muss man die meisten Exemplare erst freispielen, aber dank des variablen Schwierigkeitsgrads können selbst Anfänger schnell erste Erfolge verbuchen. Dabei sind sämtliche Modelle in unterschiedliche Leistungsklassen eingeteilt, um stets Chancengleichheit zu bewahren.

Gute Voraussetzungen

Egal ob Einzelrennen, Arcade-Meisterschaft oder Karriere-Modus, man wird nie mit einem Impreza oder Lancer gegen einen Micra oder Saxo antreten können - zumindest nicht in den Ein-Spieler-Modi. Bei den Multiplayer-Duellen für bis zu vier Teilnehmer sind solche und ähnlich ungerechte Konstellationen zwar möglich, aber höchstens als Profi-Handicap reizvoll, denn während es mit menschlichen Rivalen direkte Positionskämpfe gibt, bekommt man CPU-Gegner einzig als Zwischenzeiten beim Passieren von Checkpoints zu Gesicht.

Die Spielmodi sind zudem alles andere als reichhaltig oder originell. Weder einzelne Rennen gegen Freunde, transparente Ghostcars oder CPU-Konkurrenten, noch die schnörkellosen Arcade-Meisterschaften oder der recht monotone Karriere-Modus bieten mehr als Standardkost. Abwechslung in Form einer Fahrschule, einem Challenge-Modus sowie verschiedener Mehrspieler-Varianten sucht man vergebens. Schade, dass auch das Streckenangebot nicht besonders üppig ausfällt.



Ungenutzte Chancen

Zwar klingen 24 Strecken ganz passabel, aber wenn man dabei stets nur in Großbritannien, Skandinavien, Ostafrika und den USA unterwegs ist, wünscht man sich schnell eine größere Vielfalt. Vor allem wenn Klassiker wie Korsika, Monte Carlo, Griechenland oder San Remo vermutlich aus Lizenzgründen völlig fehlen. So muss man sich eben mit weniger bekannten, aber wenigstens authentischen Schauplätzen zufrieden geben. Und dass man auf den einsamen Pisten keine Rivalen zu Gesicht bekommt, ist eben realistisch.

Alles andere als realistisch wirkt hingegen das lediglich optisch überzeugende Schadensmodell, das ansonsten völlig willkürlich scheint und kaum Einfluss auf das Fahrverhalten hat. Simulationsansprüchen wird Rally Championship aber sowieso nur bedingt gerecht. Die Steuerung ist zwar angenehm direkt und neben Gas- und Bremspedal wird sogar die Handbremse analog abgefragt, was recht feinfühliges Manövrieren erlaubt. Aber egal ob auf Gras, Schotter, Schlamm, Asphalt, Eis oder Schnee - die Fahrphysik ändert sich nur marginal. Die im Karriere-Modus zeitlich begrenzten Setup-Möglichkeiten sind zwar ausreichend, jedoch nicht gerade vielfältig, während Tuning-Möglichkeiten völlig fehlen und Reparaturen stets automatisch durchgeführt werden.

Beschränkung aufs Wesentliche

Hat man sich mit diesen Einschränkungen jedoch erst einmal abgefunden, erweist sich das unkomplizierte Gameplay als durchaus gelungen. Der Fahrspaß kommt jedenfalls nicht zu kurz und die Strecken wurden trotz ihrer Kargheit liebevoll umgesetzt. Zudem wird man bei guter Witterung mit einer exzellenten Weitsicht und einem äußerst geschmeidigen Spielfluss verwöhnt, der selbst im vierfachen Splitscreen nicht ins Stocken kommt. Auch die verfügbaren Perspektiven können überzeugen, was man von seinem Beifahrer leider nicht immer behaupten kann. Dieser ist nämlich eher wortkarg und träge, was dazu führt, dass manche Kurven oder Hindernisse zu spät und gar nicht angesagt bzw. angezeigt werden - angesichts des fehlenden Streckenradars teils ein wirkliches Handicap.

Zum Handicap können auch die zumindest im Arcade-Modus voluminösen Checkpoint-Einblendungen werden, die meist sekundenlang die Sicht versperren und sich nicht abstellen lassen. Auch die Dual-Shock-Effekte erweisen sich für ein Rallye-Spiel als unausgereift und tragen wenig dazu bei, dass man sich wirklich am Steuer fühlt. Ganz anders die je nach gewählter Perspektive unterschiedlich und überaus realistisch klingenden Sound-FX von Motor, Getriebe, Auspuff oder Kupplung. Selbst Besitzer von Force-Feedback-Lenkrädern kommen im Großen und Ganzen auf ihre Kosten, was ja auch nicht immer die Regel ist.



Lästige Schönheitsfehler

Dicke Abstriche muss man ansonsten nur noch bei der schlichten Präsentation hinnehmen. Von den spartanischen Menüs über die spärlichen Zwischensequenzen bis hin zu den zähen Ladezeiten werden Ästhetik und Komfort eher klein geschrieben. Auch musikalisch gibt sich Rally Championship eher unspektakulär. Dafür erwarten Euch auf den Pisten neben strömendem Regen, dichtem Nebel oder blendenden Sonnenuntergänge auch stetig verdreckende und verbeulende Karosserien, realistische Staubaufwirbelungen oder spiegelnde Wasseroberflächen. Zwar wird nichts wirklich Aufsehen erregendes geboten, aber das technische Niveau kann durchwegs überzeugen. Auch die manuell dirigierbaren Replays machen bis auf die fehlende Speicherfunktion eine passable Figur.

Fazit


Um die virtuelle Rallye-Weltmeisterschaft fährt Rally Championship zwar nicht mit, aber für 30 € bekommen Genre-Fans mehr als nur einen Lückenbüßer, um die Wartezeit auf Colin McRae 3.0 und WRC II zu überbrücken. Während Fahrverhalten, Streckendesign, Fuhrpark und Technik überzeugen, müssen bei Umfang, Schadensmodell, Präsentation und Simulationscharakter zwar teils deutliche Abstriche gemacht werden, Fahrspaß kommt aber dennoch auf - vor allem, wenn man sich für die realistische Cockpit-Perspektive entscheidet und ein Force-Feedback-Lenkrad sein Eigen nennt. Wer auf unkomplizierte Drift-Duelle gegen bis zu drei Freunde oder die Uhr steht und auf namhafte Original-Schauplätze verzichten kann, kommt bestimmt auf seine Kosten. Rallye-Puristen werden dem Titel hingegen eher wenig abgewinnen können - zumal die derzeitige Referenz WRC 2001 mittlerweile als günstige Platinum-Edition zu haben ist und wie auch Colin Mc Rae bereits im Herbst in die nächste Runde geht.

Pro

  • <li>günstiger Preis</li><li>enorme Sichtweite</li><li>Vier-Spieler-Modus</li><li>authentische Sound-FX</li><li>variabler Schwierigkeitsgrad</li><li>angenehm direkte Steuerung</li><li>Force-Feedback-Unterstützung</li><li>Original-Fahrzeuge & -Locations</li><li>überaus geschmeidiger Spielfluss</li>

Kontra

  • <li>kein Streckenradar</li><li>dürftige Präsentation</li><li>einfallslose Spielmodi</li><li>magere Streckenvielfalt</li><li>unqualifizierter Co-Pilot</li><li>läppisches Schadensmodell</li><li>schwache Dual-Shock-Effekte</li><li>geringer Simulationscharakter</li><li>keine direkten CPU-Kontrahenten</li><b>Vergleichbar mit:</b><i>WRC 2001, V-Rally 3, Pro Rally 2002, Paris-Dakar Rally, Colin McRae Rally 3.0</i>

Wertung

PlayStation2