Super Mario Sunshine - Test, Geschicklichkeit, GameCube

Super Mario Sunshine
01.10.2002, Jörg Luibl

Test: Super Mario Sunshine

Klein, akrobatisch, entschlossen: Super Mario will seine Jump`n Run-Karriere auch auf dem GameCube fortsetzen. Nintendo erhofft sich von seinem populären Maskottchen steigende Konsolenverkäufe und die Genre-Fans sehnen sich nach dem fulminanten N64-Vorgänger auch auf der Next-Generation-Konsole nach einem Feuerwerk an Spielwitz und Grafikpracht. Kann Super Mario die hohen Erwartungen nach sechs Jahren Pause erfüllen?

Eigentlich hätte alles so schön sein können: Einfach mal abspannen und Urlaub machen auf Delfino Island. Aber kaum landet Mario mit seinen Freunden im Ferienparadies, gibt`s Probleme: Seltsame Schmierereien verunzieren die Strandpromenade und zähflüssiger Schleim macht sich samt fieser Monster auf der Insel breit. Und Mario? Der verdutzte Klempner wird doch tatsächlich als Übeltäter identifiziert und unter Arrest gestellt! Die Bewohner sind richtig sauer und verdonnern den Urlauber dazu, alle mysteriösen Graffities sofort wieder zu entfernen. Vielleicht lässt sich dabei ja herausfinden, wer tatsächlich dahinter steckt…

Mario war`s!

Während draußen der Herbst wütet, lässt Mario die Sonne rein: Seemöwen ziehen am azurblauen Himmel ihre Kreise, Strandpromenaden erstrahlen im gleißenden Licht und die Hitze lässt sich fast spüren, denn in der Ferne lodern herrliche Flimmer-Effekte. Wenn ein Spiel jemals die Essenz des Sommers eingefangen hat, dann ist es Super Mario Sunshine (ab 148,97€ bei kaufen). Schon nach wenigen Sekunden verbreiten sich ausgelassene Urlaubsstimmung und Südsee-Flair. Dazu trägt auch das einladende Meer bei, das mit seinen sanft wogenden Wellen und der von trüb bis glitzernd wabernden Oberfläche in der Realismus-Skala der Wasser-Fetischisten ganz weit oben stehen dürfte.

Sommer, Sonne, Sonnenschein

Das kunterbunte Level-Design scheint sich zwar zu Beginn optisch zu wiederholen, ist aber überaus abwechslungsreich und zeichnet sich durch eine große Freiheit aus: Ihr könnt jede der freigespielten Welten wieder aufsuchen, nur um erneut im Vergnügungspark zu stromern, Wasserski zu fahren oder am Hafengelände zu klettern. Überall warten versteckte Areale, die Euch mit Bonusmünzen oder gar Sonnensternen belohnen. Besonders ergiebig ist die Kanalisation: Zwar seht Ihr nur die schattenhaften Umrisse der Gänge und steuert Mario quasi aus der Vogelperspektive durch ein 2D-Labyrinth, aber dafür locken die engen Korridore mit vielen Schätzen.

Aber so stimmungsvoll die Atmosphäre auch ist, ist leider nicht alles Gold was glänzt. Vor allem im Figuren- und Texturenbereich wird Nintendo seiner eigenen Next-Generation-Hardware nicht gerecht: Manche Wände, Mauern und Böden trüben den guten Gesamteindruck mit einfachen, wenig detaillierten Strukturen, die höchstens N64-Qualität haben. Auch das Figurendesign der Bewohner und Gegner lässt ein wenig an Originalität und Detailverliebtheit vermissen - optisch wäre sicher mehr drin gewesen. Das PS2-Jump`n Run Jak&Daxter ist Mario in den erwähnten Bereichen z.B. deutlich überlegen. Daran können auch viele alte Bekannte wie Prinzessin Peach, Yoshi & Co nichts ändern.

Wolken am Horizont

Auf der Sommer-Insel finden sich zehn Welten, die immer einem anderen Thema gewidmet sind: Strandpromenade, Hafengelände, Vergnügungspark, idyllische Buchten, verwinkelte Dörfer und schließlich die Bergwelt um Corona Mountain, wo der geheimnisvolle Endgegner wartet. Mario sammelt auf seiner Säuberungstour goldene, blaue und rote Münzen sowie die kostbaren Sonnensterne. Insgesamt warten in den zehn Welten etwa 120 Sonnensternen auf Euch. Meist sind zwei davon besonders gut versteckt und einer lässt sich nur über das Sammeln von 100 goldenen Münzen erreichen. Auch für zehn blaue Münzen könnt Ihr einen Stern ergattern. Doch bevor das Münz- und Sternkonto steigt, ist harte Arbeit angesagt.

Weltenbummler

Aus dem Stand die Palme hoch, auf den Sonnenschirm, rüber zum Dach, auf dem Seil balancieren, ordentlich Schwung holen, zum Turm fliegen, dann ins Wasser springen, tief eintauchen, kurz schwimmen, auf die Surf-Qualle und wieder zum Strand düsen - Mario verfügt über ein beachtliches Bewegungsrepertoire. Neben einfachen Hüpfern, Klettereien und Rutscheinlagen kann der Klempner akrobatische Salti in alle Richtungen, Doppel- und Dreifachsprünge, Drehwirbel sowie spektakuläre Mauersprünge vollführen. Bei Letzteren springt er eine Wand quasi als Bande an, um dann den Schwung für einen oder mehrere noch höhere Sprünge zu nutzen - sehr ansehnlich und effektiv. Für den Angriff steht ihm neben dem Wirbel auch noch ein effektiver Body Slam zur Verfügung. Dabei reagiert Mario sehr präzise auf alle Steuerungsbefehle, die optimal auf`s Pad gelegt sind. Mit dem C-Stick lässt sich die Kamera drehen und zoomen, was angesichts der ab und an auftretenden Sichtprobleme nach wenigen Spielminuten zum Alltag gehört. Aber das Nachjustieren geht trotz gelegentlicher Fummelei schnell in Fleisch und Blut über. Da der Zoom nicht grenzenlos ist, müsst Ihr jedoch öfter in den 360-Grad-Modus wechseln, in welchem Ihr die Umgebung genau beobachten und zuvor nicht sichtbare Dinge ausmachen könnt - nur Bewegungen sind dann nicht möglich.

Zirkusreifer Klempner

Das Bewegungs-Highlight ist allerdings der Wasserstelzenlauf: Stellt Mario per Klick die Düsen seines Dreckweg-Spritzers nach unten, sorgen die beiden herausströmenden Strahlen für ordentlich Auftrieb. Auf diesen beiden Stelzen kann Mario für kurze Zeit breite Abgründe überwinden, von Hausdach zu Hausdach gleiten oder auch Schleim und Monster beseitigen.

Aqua-Power aus dem Dreckweg!

Im zweiten Modus wird nur eine Düse genutzt, die eine einzelne Wasserfontäne über Marios Kopf hinwegschießt. Dank der 360-Grad-Drehung lassen sich damit gezielt Schmierereien von Wänden oder fiese Monster wegspritzen - was allerdings auch einiges an Übung voraussetzt.

Je härter der rechte Schulterknopf gedrückt wird, desto stärker strömt das Wasser aus dem Rohr. Dank dieses Spielraums lassen sich während des Laufens per sanften Druck auch schwächere Fontänen abgeben - ideal, um bei einer Verfolgung das Ziel zu treffen. Im Laufe des Spiels kann Mario seinen Dreckweg noch aufrüsten: Mit dem Raketenantrieb sind z.B. selbst Turmspitzen nur noch ein Katzensprung.

Meist schließen spannende Boss-Kämpfe einen Level innerhalb einer Welt ab. Hier hat sich Nintendo einiges einfallen lassen: Freut Euch auf übergroße mutierte Pflanzen, glibbrige Tintenfische oder Bildschirm-füllende Riesengegner in Mech-Rüstung. Die richtige Taktik und gutes Timing führen hier zum Ziel. Außerdem solltet Ihr den Dreckweg spätestens jetzt optimal beherrschen. Besiegt Ihr die Monstren, wartet meist ein neuer Sonnenstern samt freigespieltem Abschnitt auf Euch.

Erst die Arbeit, dann der Sonnenstern!

Fordernder als die manchmal etwas zu leicht anmutenden Endgegner sind jedoch die herrlichen Geschicklichkeitsspiele, die ebenfalls am Levelende warten können: Jeder eingefleischte Jump`n Run-Fan wird hier auf seine Kosten kommen, denn das Level-Design bietet gehobenen Hüpf- und Springnervenkitzel samt klaffender Abgründe, gleitender Plattformen und Treibsand unter den Füßen. Der Schwierigkeitsgrad steigt hier stetig an, aber es kommt eigentlich nie zu unfairen Aufgaben. Leider kostet hier jeder Fehltritt ein Leben, weshalb man vorher speichern sollte - das ist löblicherweise überall möglich.

Die meisten Bewohner lassen sich ansprechen und versorgen Euch mit kleinen Aufträgen. Und hier offenbaren sich einige eklatante Schwächen des ansonsten bärenstarken Jump`n Runs: Die Geschichte um die verschmutzte Insel ist lediglich eine schnell zusammengeschusterte Rechtfertigung für den riesigen Abenteuerspielplatz und wird selten durch dramatische Wendungen, nie durch ansprechende Dialoge und kaum durch interessante Charaktere belebt. Ja, Mario ist kein Rollenspiel. Und sicher ist das Gameplay an sich faszinierend. Aber eben auch so beliebig und ungezwungen, dass man die Inselbedrohung manchmal gar nicht wahrnimmt. Nur das sporadische Auftauchen von Schatten-Mario erinnert an die eigentliche Gefahr. Genre-Konkurrenten wie Rayman 2 oder Jak&Daxter haben gezeigt, wie sympathisch Helden und ihr Schicksal wirken, wenn es eine ansprechende Story und glaubwürdige Figuren gibt.

Schwache Story, dürftige Akustik

Außerdem ist die Sprachausgabe der Figuren nicht nur spartanisch eingesetzt, sondern teilweise von sehr dürftiger Qualität. Hinzu kommt, dass die deutsche Version nicht komplett lokalisiert wurde: Alle Dialoge sind in Englisch gehalten, nur die Texte auf Deutsch, was insbesondere bei der jüngeren Zielgruppe bitter aufstoßen dürfte. Dass Nintendo gerade hier spart, ist unverständlich, zumal die wenigen Sätze wirklich keine große Übersetzerleistung gefordert hätten. Disney wird sein Kingdom Hearts z.B. komplett übersetzen - Sprache und Text. Und wenn wir schon beim Meckern sind: Die im Hintergrund dudelnden Melodien gehen zwar unbeschwert in den Gehörgang, hätten aber etwas mehr Abwechslung vertragen können. Und last but not least können auch die Soundeffekte nicht viel mehr beschwören als nostalgisches N64-Feeling.

Fazit


Auch nach sechs Jahren hat der Klempner noch keinen Rost angesetzt - im Gegenteil: Super Mario hüpft und springt wie geschmiert durch herrliche, sonnendurchflutete Levels. Tolle Flimmer- und Wassereffekte lassen schon nach wenigen Sekunden Südsee-Atmosphäre aufkommen. Akrobatisch wie nie und mit den coolen Wasserdüsen ausgerüstet, macht die Jagd nach Münzen, Sternen und Secrets einen Heidenspaß. Aber im Gegensatz zu N64-Zeiten kann sich keine grenzenlose Begeisterung breit machen: Die Grafik und insbesondere die Akustik zeigen neben den angesprochenen Glanzpunkten auch Schattenseiten, die der Next-Generation-Hardware nicht gerecht werden. Und irgendwie fehlt dem unbeschwerten Gameplay das gewisse Etwas, der letzte innovative Kick - gerade N64-Veteranen werden sich schnell, vielleicht zu schnell heimisch fühlen. Leider ist die magere Story nur liebloses Beiwerk für diesen ansonsten grandiosen, knallbunten Abenteuerspielplatz. Unterm Strich hat Mario dennoch ein tolles Comeback gefeiert, das sich kein Genre-Fan entgehen lassen sollte!

Pro

  • <li>viele Secrets</li><li>60 Hz-Modus</li><li>saubere Steuerung</li><li>zehn große Welten</li><li>überall speicherbar</li><li>sehr gutes Level-Design</li><li>spannende Boss-Kämpfe</li><li>akrobatische Bewegungen</li><li>tolle Wasserstrahl-Features</li><li>geniale Wasserdarstellung</li><li>herrliche Sommer-Atmosphäre</li><li>freies, ungezwungens Gameplay</li><li>schöne Spiegel- und Lichteffekte</li><li>fordernde Geschicklichkeitsspiele</li>

Kontra

  • <li>magere Story</li><li>eintönige Melodien</li><li>dürftige Soundeffekte</li><li>leichte Kameraprobleme</li><li>wenig originelle Figuren</li><li>keine deutsche Sprachausgabe</li><li>teils nur durchschnittliche Grafik</li>

Wertung

GameCube

Ein riesiger sonniger Abenteuer-Spielplatz für große und kleine Jump&Run-Fans!