Archangel - Test, Action-Adventure, PC

Archangel
16.10.2002, Bodo Naser

Test: Archangel

Nach dem tödlichen Zusammenstoß mit einem Laster erwacht Protagonist Michael in einem mittelalterlichen Kloster und erfährt, dass er vom allerhöchsten Wesen erwählt wurde, um das Böse zu besiegen. In JoWooDs düsterem Action-Mix Archangel (ab 9,99€ bei kaufen) geht es aber vor allem darum, möglichst viele Geister und Untote unter Einsatz des gleißenden Schwert des Lichts platt zu machen. Ob das ähnlich viel Spaß bereitet wie beim großen Vorbild Soul Reaver, erfahrt Ihr aus unserem Test.

Leider hapert es schon an der entsprechenden Geschichte, denn die des Action-Adventures von Entwickler Metropolis kann nicht mit der verschnörkelten Story der Legacy of Kain-Reihe mithalten: Im Kloster aufgewacht, wird Michael von den Mönchen instruiert, gegen die Diener der Finsternis zu kämpfen. Dazu müssen, wer hätte es gedacht, drei magische Artefakte gefunden werden, mit deren Hilfe sich die Finsterlinge für alle Zeiten besiegen lassen. Über den Verbleib der Steine weiß die schöne Hexe Navaya etwas, die tief im nebeligem Sumpf lebt. Später verschlägt es Euch dann in die Zukunft, genauer ins Neu-Berlin des Jahres 2039. Wer glaubt, dass er als rächender Erzengel durch die Gegend schweben kann, ist auf dem Holzweg, denn die Handlung des Spiels hat nicht sehr viel mit dem Titel gemein.

Drittklassige Story

Auf den Einsatz als himmlischer Flattermann müsst Ihr noch eine Weile warten, denn zunächst sind teils öde Fußmärsche angesagt. Auch rein äußerlich sieht Michael ziemlich unengelhaft aus, eher schon wie der lang verschollene Bruder von Schwertschwinger Conan. Egal - solange wenigstens das Gameplay stimmt, denkt sich jetzt wohl mancher. Tut es aber leider nur bedingt: Beinahe alles dreht sich darum, dass der Held in Schulterperspektive durch die schlecht beleuchteten Spielabschnitte rennt, sklavisch die Story verfolgt und die paar vorhandenen Monster killt. Dafür erhält Michael Segenspunkte, die er für neue Fähigkeiten investieren kann, von denen einige wenig nützlich sind. Aber der Reihe nach...

Bodeneinsatz eines Engels

Obwohl Kämpfe einen Großteil des Actionspiels ausmachen, werden diese schnell monoton. Das liegt zum einen an den Waffen, die zwar in Vielzahl vorhanden sind, sich aber nicht wirklich voneinander unterscheiden. Ob Ihr nun mit Axt oder Schwert zuschlagt, ist daher eher eine Frage des persönlichen Geschmacks. Gegen die Dämonenwesen solltet Ihr das Pendant zum Soul Reaver einsetzen, das Schwert des Lichts, welches allerdings pro Schlag magische Energie verbraucht. Wirklich Abwechslung bringen nur die Fernwaffen wie Bogen, Armbrust oder Schusswaffen, für die Ihr aber Munition benötigt. Damit lassen sich endlich die lästigen Schützen abservieren.

Waffen und Kämpfe

Zum anderen gibt es nur wenig verschiedene Monster mit meist dürftiger KI. Zu Beginn sind das grad mal Zombies, Unholde, Gnome und die Bogenschützen. Magische Geschosse schleudern lediglich die wenigen zaubernden Gegner. Das Verhalten der Monster im Kampf ist gelinde gesagt lächerlich: Sie schaffen es kaum, Hindernisse zu umrunden, feuern ihre Zauber auf dazwischenliegende Bäume und können nicht mal Treppen hoch steigen. Wer also immer locker bleibt, die Deckung ausnützt und den Blitzen der Endgegner ausweicht, hat meist leichtes Spiel mit ihnen.

Tumbe KI

Zwischen zwei Pfaden dürft Ihr beim höchsten Wesen auswählen - Krieger oder Geist. Ersterer kann sich für Augenblicke in ein katzenartiges Kampfmonster verwandeln, Letzterer in ein transzendentes Wesen. Viel macht das nicht aus, da Ihr ja eh meist als Michael kämpft. Für abservierte Gegner erhält Euer Engel Erfahrungspunkte, die richtig investiert werden sollten. Wer einmal die Regenerationsfähigkeit erworben hat, kann auf die raren Erste-Hilfe-Koffer, die die Monster bisweilen abwerfen, getrost verzichten. Wichtig ist auch der magische Schild, der beispielsweise vor den Lähmungszaubern einiger Gegner schützt. Weniger sinnvoll ist etwa die Nachtsicht, denn in dunklen Dungeons kommt Ihr auch ohne zurecht. Zaubern während des Kampfes ist nicht möglich, hierfür fehlt es leider an Shortcuts. Insgesamt hält sich der Einsatz der Zauberei daher in überschaubaren Grenzen.

Magische Fähigkeiten

Zwar gibt sich Archangel wie ein Action-Mix mit Rollenspiel-Elementen, es ist aber nicht wirklich so. Das würde nämlich ein Mindestmaß an Interaktion voraussetzen, die das Spiel jedoch nicht besitzt: Die wenigen Dialoge werden meist automatisch abgespult, nur selten gibt es Auswahlthemen, deren Wahl dann aber keine Auswirkungen hat. Einmal angesprochene Figuren wiederholen ihr Sprüchlein auf Nachfragen einfach oder verstummen für immer. Dass ein gutes Spiel auch von einer gewissen Entscheidungsfreiheit lebt, scheint den polnischen Entwicklern entgangen zu sein. Archangel als Rollenspiel-Mix zu bezeichnen, ist jedenfalls eine Beleidigung für Baldur`s Gate & Co.

Im Nirvana der Interaktion

Noch vor der eher zweifelhaften Grafik ist Archangels toller Soundtrack zu erwähnen, der das mäßige Spiel doch noch zu einem Erlebnis werden lässt. Die mysteriöse, teils schottisch oder gregorianisch angehauchte Musik ist höchst abwechslungsreich und passend, was dem Ganzen eine wohlige Gänsehaut-Atmosphäre verleiht. Die schaurige Geräuschkulisse tut ein Übriges dazu. Die zahlreichen Gespräche sind gekonnt mit professionellen Stimmen umgesetzt.

Gruseliger Sound

Leider ist die 3D-Darstellung nicht ganz so gelungen: Die Umgebung wirkt grob, eintönig und gewinnt auch in einer höheren Auflösung nicht an Schönheit. Man schaue sich nur die Bäume an, die wie mit der Laubsäge ausgeschnitten aussehen. Auch die Animation der Monster und Personen wirkt nicht gekonnt, was die Figuren marionettenhaft wirken lässt. Auch der abrupte Wechsel nach Berlin in der Mitte des Spiels bringt da keine Abwechslung, architektonisch sieht das nach Bauklötzchen aus dem Kindergarten aus. Und selbst die animierten Videos, die immer wieder die Story vorantreiben, machen keinen richtigen Spaß. Einzig gelungen ist die bunte Darstellung der Zauber. Soul Reaver 2 hat in punkto Grafik deutlich die Nase vorn.

Klotzige 3D-Grafik

Fazit


Vom Hocker reißt uns Archangel ganz sicher nicht! Das liegt am ellenlangen "Sünden-Register" der schlechten Mischung aus Versatzstücken von Matrix, Diablo, Blood Omen und Max Payne: Besonders schwer wiegt dabei die Eintönigkeit der Engels-Metzelei von Metropolis, gefolgt von der dümmlichen KI, die den Kämpfen jegliche Schwierigkeit nimmt, und der tumben Story, die bisweilen nicht mal in sich logisch ist. Auch das Berlin der Zukunft ist enttäuschend dargestellt. Dass das Spiel trotz der grobschlächtigen 3D-Grafik doch noch Spaß bereitet, liegt wohl am tollen Soundtrack, der wenigstens für eine gruselige Atmosphäre sorgt. Jegliches weitere Wort über den öden Soul Reaver-Klon wäre aber zuviel.

Pro

  • <li>Fernkampf-Waffen</li><li>gute Bedienung</li><li>unheimlicher Sound</li><li>schön animierte Zauber</li><li>professionelle Sprachausgabe</li>

Kontra

  • <li>wenig Abwechslung</li><li>dümmliche KI</li><li>schwache Story</li><li>wenig interaktiv</li><li>sklavisch linear</li><li>grobe 3D-Darstellung</li><li>ständiges Nachladen</li><li>langweilige Dialoge</li><li>Held kann weder schwimmen noch klettern</li><li>dürftiges Handbuch</li>

Wertung

PC