No One Lives Forever 2 - Test, Shooter, PC

No One Lives Forever 2
17.10.2002, Paul Kautz

Test: No One Lives Forever 2

James Bond? Der soll bleiben, wo der Martini wächst. Austin Powers? Einfach nicht groovy genug. XXX? Der sollte mal mehr als einen Gesichtsausdruck lernen. Es gibt nur einen Geheimagenten auf dieser Welt, der Manns genug ist, sich mit der bösartigsten Verbrecherorganisation anzulegen, die diese Welt je gesehen hat. Und das ist eine Frau: Archer. Cate Archer.

..und überall: Kaum dachte Cate, das Verbrechersyndikat H.A.R.M. zerschlagen zu haben, tritt es mächtiger als je zuvor wieder ins Tageslicht. In den ersten vier Levels, dem Prolog des Spiels, erfährt Miss Archer von einem neuen mysteriösen Plan der Organisation, genannt »Projekt Omega«. Da das nichts Gutes bedeuten kann, macht UNITY, Eure Spionageorganisation, es zu ihrer und Eurer Aufgabe, alles über Projekt Omega herauszufinden, und es mit allen Mitteln zu stoppen. No One Lives Forever sorgte 2000 für erfreute Spieler-Gesichter und dicke Wertungen: eine fesche Agentin mit großer Klappe, abgefahrene Waffen und herrlich fiese Gegner lagen genau auf der Wellenlänge der Kritiker. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wohl aber nicht auf der der Zocker, die das Spiel vollkommen ungerechtfertigt verkaufstechnisch zu einem Fast-Flop machten. NOLF2 strafft nun das Spielprinzip und kehrt mit verbesserter Grafik, noch verrückteren Ausrüstungsgegenständen und einer klasse Story in die Händlerregale zurück - hoffen wir, dass das Spiel dieses Mal den Erfolg bekommt, der ihm zusteht.

Das Böse ist immer..

Die Jagd nach Projekt Omega führt Cate durch 15 vielfach unterteilte und über den gesamten Globus verstreute Levels: In Japan kämpft sie gegen Ninja-Mädchen, flieht in Ohio vor einem tobenden Tornado, meidet Polizisten in Indien, legt Bomben in Sibirien und treibt Ihr Unwesen auch in einer Unterwasserstation. Kenner des ersten Teils treffen zwischen und in den Aufträgen viele bekannte Gesichter: Cates Mentor Bruno Lawrie ist zur Zeit temporärer UNITY-Chef und damit nicht glücklich. Dr. Schenker ist ebenso dabei wie der bullige Schotte Magnus Armstrong, der mittlerweile die Seiten gewechselt hat. Und natürlich kennen wir auch einige Bösewichte: Superschurke Dimitrij Volkov hat mehr Leben als eine Katze, und der mysteriöse Direktor, den man in Teil 1 im Abspann kennen gelernt hat, spielt auch eine wichtige Rolle.

Alte Bekannte

Im Laufe Eures Abenteuers müsst Ihr vielerlei Missionen erfüllen: Unter anderem stehlt Ihr Dokumente, legt oder entschärft Bomben und beschützt, tötet oder verfolgt bestimmte Personen. Natürlich gibt es auch weniger sinnvolle Aufträge, wie das Finden der Brille des zerstreuten Professor Schenker oder das Kochen eines besonders starken Kaffees, um einen Piloten wieder nüchtern zu machen. Zu jeder Aufgabe gibt es eine kleine Beschreibung und als zusätzliche Hilfe einen stets eingeblendeten Kompass, der Euch zuverlässig die Richtung zur nächsten Mission oder einem wichtigen Gegenstand weist. Neben den Hauptaufgaben strotzt NOLF2 nur so von Nebenmissionen, die neben Unterhaltung und Information vor allem Skill-Punkte bringen. Diese Neuerung erinnert stark an die Charakterentwicklung in Rollenspielen: Die erreichten Punkte dürft Ihr frei auf acht Eigenschaften wie »Schleichen«, »Waffen« oder »Zielgenauigkeit« verteilen, wodurch Ihr im Laufe des Spiels immer genauer zielt, mehr Treffer einstecken könnt oder Euch unauffälliger bewegt. Da das Erreichen von besseren Werten später immer aufwändiger wird, solltet Ihr Eure Augen aufhalten und jegliche Art von Informationsmaterial (Briefe, Aktentaschen, Dokumentenstapel) entweder mitnehmen oder durchwühlen.

Charakter-Aufmöbelung

Spieler, die die Schleichmissionen in NOLF schon nicht mochten, werden aufstöhnen, denn der Leisetreter-Aspekt des Programms wurde nochmals angezogen. Zwar habt Ihr in den meisten Levels die Wahl, ob Ihr vorsichtig oder nach Rambo-Manier vorgeht, aber oft genug werdet Ihr auch gezwungen, Wachen aus dem Weg zu gehen und niemanden zu erschießen. In diesem Zusammenhang sind zwei Dinge praktisch: Erstens kann sich Cate jetzt verstecken - duckt sie sich in einer dunklen Ecke, zeigt ein ansteigender Balken, ob sie sichtbar ist. Ist dieser Balken gefüllt, geben verfolgende Wachen die Suche auf. Zweitens habt Ihr oft den neuen »Utility Launcher« dabei. Diese praktische Waffe kann mit mannigfaltiger Munition bestückt werden, um Roboter auszuknipsen oder Kameras abzulenken. In erster Linie dient sie aber dazu, Personen zu markieren, die ihr dann fortan auf dem Kompass seht und ihnen somit aus dem Weg gehen könnt. Falls Ihr dennoch verfolgt werdet und nur schwer entkommen könnt, tut eine in den Weg geworfene Banane oder eine Salve Lachgas ihr Übriges.

Bananenfalle

Die Grafik von NOLF2 basiert auf der neuesten Lithtech-Technologie, die allerlei State-of-the-Art-Features auf den Bildschirm zaubert: Die abwechslungsreichen Umgebungen strotzen vor Details, Wasser plätschert realistisch, Gräser schaukeln im Wind und die Schatten werden perspektivisch korrekt geworfen. Die Animationen sind gewohnt hervorragend; speziell die Gesichter der Figuren bewegen sich fantastisch - was besonders in den ebenso langen wie superb designten Zwischensequenzen zur Geltung kommt. Die einzige Trübung der Grafikpracht besteht, wie schon im ersten Teil, in der Abwechslungsarmut der Gegner. In manchen Levels (wie dem elend langen Sibirien-Abschnitt) trefft Ihr auf nicht mal eine Hand voll unterschiedlicher Widersacher, von denen allerdings Dutzende auf Euch einstürmen, wodurch Soldatenlager mehr wie Klonlabore aussehen. Auch die restlichen Ninjas, Polizisten oder Super-Soldaten treten in geringer Variation auf, dazu gibt es wenige Zwischengegner. Die agieren besonders gerissen, auch wenn schon die normalen Feinde sehr viel (schon aus dem ersten Teil bekannte) Cleverness zeigen: Sie schmeißen Tische zur Deckung um, weichen Schüssen aus, fliehen krakeelend bei zu starker Verletzung und schreien nach Verstärkung, sobald sie etwas Verdächtiges bemerken. Das mögen genauso Fußabdrücke wie herumliegende Körper sein, weswegen man möglichst wenig Spuren hinterlassen sollte: Getötete Feinde kann man packen und in einer dunklen Ecke ablegen oder gleich den »Body Remover« benutzen - ein kurzes Sprühen aus dem schicken Parfüm-Behälter und schon löst sich der Körper in Nichts auf.

Geklonte Widersacher

Ein Hauptmerkmal von NOLF waren die ausgefallenen Waffen, und natürlich haben die Entwickler auch beim zweiten Teil nicht an Verrücktheiten gespart: Aus dem Haarspray wird eben schnell ein Schweißgerät, aus der Handtasche ein Raketenwerfer. Der explodierende Pudel des Vorgängers ist jetzt ein miauendes Kätzchen, und aus der Schminkdose wird im Handumdrehen ein Dekodiergerät. Natürlich gibt es auch wieder »normale« Waffen: MG, Pistole, Scharfschützengewehr, Granaten oder eine Armbrust gehören zum Standard-Repertoire eines jeden guten Agenten. Die meisten Wummen können mit mehreren Munitionsarten ausgerüstet werden, so dass Ihr unter anderem mit Phosphor- oder Cyanid-Patronen um Euch schießen könnt. Leider dürft Ihr Eure Ausrüstung vor dem Einsatz nicht mehr selbst zusammenstellen, aber immerhin gefallenen Gegnern die Knarren klauen: Per Knopfdruck durchwühlt Ihr deren Taschen und findet dadurch neben Waffen samt passender Munition auch oft Informationen oder sinnlosen Krimskrams. In einigen Missionen könnt Ihr Eure Füße schonen und auf einem Schneemobil durch die verschneite Landschaft heizen - das Motorrad aus Teil 1 wurde leider wegrationalisiert. Dafür gibt es eine ganz hervorragende Verfolgungsjagd auf einem Dreirad, über die wir aber nicht zu viel verraten wollen.

Mehr Waffen als Rambo

Die Akustik ist ebenfalls ein ganz klares Highlight in NOLF 2: Luden schon die Kompositionen des ersten Teils zum Mitschunkeln ein, schafft die abwechslungsreiche Swing-Musik des zweiten Teils jetzt alleine eine exzellente Atmosphäre. Das NOLF-Thema taucht überall versteckt auf, und die Untermalung passt sich dynamisch der Spielsituation an. Auch die Soundeffekte zählen zur Oberklasse und passen stets ins Bild. Doch die eigentliche Wucht kommt von der Sprachausgabe der englischen Version. Die Stimmen wurden einfach perfekt gewählt und passen 100%ig zu den Charakteren. Noch dazu haben es sich die Entwickler nicht nehmen lassen, viele versteckte, teilweise minutenlange und eigentlich sinnlose Dialoge aufzunehmen, die man nur zu hören bekommt, wenn man die Ohren spitzt und nicht gleich alles über den Haufen ballert. So belauscht man Wachen, die das böse Lachen üben, andere debattieren über die richtige PR einer bösen Organisation, und wieder andere versinken in einem hilflosen Dialog über die verhasste Schwiegermutter. Ob die deutsche Version da mithalten kann, werden wir in Kürze wissen.

Labertaschen

Der Multiplayermodus ist und bleibt das ungeliebte Stiefkind der Entwickler. Schon Teil 1 bot nichts Außergewöhnliches, aber das wenige war immer noch mehr, als es jetzt zu spielen gibt: Ein Kooperativ-Modus für maximal vier Spieler, die unter wenigen Skins wählen dürfen - das ist alles. Darüber hinaus ist das bißchen auch noch sehr unergiebig. Man spielt gerade mal fünf Levels außerhalb der normalen Storyline, stets vor oder nach Cate Archers Einsätzen. Kurz gesagt: Hoffen wir, dass die Entwickler (wie angekündigt) zumindest den Deathmatch-Modus per Patch nachreichen, denn sonst hat No One Lives Forever 2 (ab 41,41€ bei kaufen) weniger Mehrspielergehalt als Tischtennis gegen die Wand.

Mehrspieler-Wüste

Fazit


Was für eine Atmosphäre! Was für eine Grafik! Was für geniale Gags! NOLF 2 ist ein Programm gewordener Lachsack, besonders die genialen Dialoge sprühen vor Wortwitz, viele der herumliegenden Briefe und Zettel sind schlicht genial. Aber wie schade, dass das Ganze so kurz ist - mit durchschnittlich 15 Stunden Spielzeit sind Cate Archers neue Abenteuer bedauerlicherweise sogar schneller vorbei, als die des knapp anderthalb Mal so umfangreichen Vorgängers. Dazu kommen unnötig nervige Levels wie das schier ewige Sibirien, die auf Dauer lästigen Polizisten in Indien oder das oft auftretende Hin- und Hergerenne zwischen mehreren Plätzen. Doch bei aller Meckerei bleibt das Spiel bis zuletzt spannend, und der Abspann lässt mal wieder viele Hintertürchen für einen eventuellen dritten Teil offen. So oder so ist <4PCODE cmd=DGFLink;name=NOLF 2;id=2519> eines der Action-Highlights des Jahres, das sich kein ernsthafter Zocker entgehen lassen sollte.

Pro

  • <li>fabelhafte Grafik</li><li>sehr witzig</li><li>abgefahrene Waffen</li><li>hervorragende Zwischensequenzen</li><li>abwechslungsreiche Levels</li><li>fantastische Sprachausgabe</li><li>sehr gute Musik</li><li>einfache Steuerung</li><li>gute KI</li><li>interessantes Skill-System</li>

Kontra

  • <li>mäßiger Multiplayermodus</li><li>recht kurz</li><li>abwechslungsarme Gegner</li><li>teils nerviger Levelaufbau</li>

Wertung

PC