Der Herr der Ringe: Die zwei Türme - Test, Rollenspiel, GameBoy, XBox, GameCube, PlayStation2

Der Herr der Ringe: Die zwei Türme
15.11.2002, Paul Kautz

Test: Der Herr der Ringe: Die zwei Türme

Nicht mal mehr einen Monat ist der zweite Herr der Ringe-Film »Die zwei Türme« von den deutschen Kinos entfernt. Der perfekte Zeitpunkt, das offizielle Spiel zum Film auf die wartenden Fans loszulassen. Neben protziger Grafik und einem opulenten Soundtrack bietet die DVD auch reichlich Bonusmaterial für den Tolkien-Fan. Aber wie ist denn das Spiel? Ein Test, sie zu knechten...

Momentan herrscht ein HdR-Lizenz-Hickhack: Neben Electronic Arts´ offiziellem Spiel (das für PS2 und GBA erscheint) gibt es noch eine weitere Umsetzung für die gängigen Plattformen - für die allerdings Vivendi verantwortlich ist. Beide Spiele haben bis auf den Namen und die Lizenz nichts miteinander zu tun. Die EA-Fassung ist ein Hack-n-Slay mit minimalen Rollenspiel-Einflüssen, und damit eine interessante Mischung.

Eine für alle

Der Einstieg ins Spiel gestaltet sich atmosphärisch dicht: Der Bildschirm bleibt eine Weile schwarz, der Original-Soundtrack schmeichelt sich ins Ohr und die sanfte Stimme Galadriels erzählt Euch die Geschichte des einen Ringes. Dazu gibt es Sequenzen aus dem ersten Film »Die Gefährten« zu sehen, bevor die Szenerie plötzlich übergangslos von Film- zu Spielegrafik wechselt, und Ihr Euch als Isildur auf einmal mitten im Gemetzel am Schicksalsberg wiederfindet - genial! Habt Ihr die Schlacht überstanden und der grausame Sauron seinen Ring verloren, kommt schon der nächste schnelle Schnitt: Ihr befindet Euch als Aragorn auf dem Gipfel des Wetterberges, und müsst Frodo Beutlin vor den Ringgeistern beschützen. Erst wenn Ihr auch diese Aufgabe bewältigt habt, beginnt das eigentliche Spiel - die vorhergehenden Missionen waren nur eine Art Tutorial.

Ab der nächsten Aufgabe dürft Ihr vor jedem Einsatz unter drei Protagonisten wählen: Legolas ist flink und geschickt mit dem Bogen, aber insgesamt etwas schwach. Gimli ist zäh wie Leder und hackt alles zu Kleinholz, ihm mangelt es aber an Geschwindigkeit. Aragorn schließlich ist eine gesunde Mischung aus beiden und somit vor allem Einsteigern zu empfehlen. Später gesellt sich übrigens noch ein unerwarteter Bonuscharakter zu dieser illustren Runde.

Trio mit acht Klingen

Allerdings spielt es eigentlich keine Rolle, mit wem Ihr einen Level angeht, da sich innerhalb der Mission nichts ändert - Levelstruktur und Aufgaben bleiben stets gleich. Diese sind stark an die beiden Filme angelehnt, beinhalten also u.a. die Rettung der Bewohner in den Ebenen von Rohan, den Schutz der Mauern von Helms Klamm, den Kampf gegen einen wilden Höhlentroll im Grab von Moria und vieles mehr. Ihr dürft jederzeit einen von drei Schwierigkeitsgraden wählen, falls Euch die teils sehr frustrierende Action zu viel wird. Den ersten Teil der Geschichte, der auf dem ersten Film basiert, erfahrt Ihr übrigens als Rückblick von Aragorn.

 

Habt Ihr eine der insgesamt zwölf Welten überstanden, werden Eure Heldentaten statistisch verwertet: Je nachdem, wie ausgefallen und schnell Ihr einen Gegner erledigt habt, wird diese Leistung eingeschätzt. Die Ergebnisse summieren sich dann zu Upgradepunkten, die Ihr nicht nur in neue Fähigkeiten investieren könnt, sondern die Euch auch einen Erfahrungsaufstieg ermöglichen. Die Punkte könnt Ihr dann in neue Kombos, verbesserte Gesundheit oder neue Angriffe investieren - je höher Euer Erfahrungslevel, desto mehr Auswahl habt Ihr. Bei Stufe 8 ist Schluss, allerdings warten dort auch die heißesten Schwertkombinationen.

Wilde Fuchteleien

Jeder Charakter kann nicht nur schlagen, sondern auch treten, einen Todesstoß ausführen, oder mit Pfeilen (in Gimlis Fall: Äxten) um sich schießen. Zur Verteidigung ist es möglich, schnell nach hinten hopsen und Angriffe zu parieren - das Joypad ist gut belegt. Wenn Ihr Kombinationen ausführen wollt, müsst Ihr sie Euch entweder niederschreiben oder merken, denn im Spiel selber lassen sie sich nicht mehr einsehen. Habt Ihr außerdem in kurzer Zeit besonders viele Gegner besonders gut erledigt, färbt sich Eure Waffe kurz blau und durchtrennt Ork-Leiber wie warme Butter. Leider wird ausschließlich Analogsteuerung unterstützt, außerdem dürft Ihr die Knöpfe nicht selbst belegen.

Spielekenner werden in »Die zwei Türme« sehr viele Parallelen zum mittlerweile 13 Jahre alten Sega-Klassiker »Golden Axe« finden: Gegnermassen, Spielprinzip und sogar einige der Bewegungen wirken sehr vertraut. Allerdings hatte die Goldaxt dem Herrn der Ringe den Multiplayermodus voraus - was hier umso unsinniger wirkt, da Ihr fast immer von mindestens einem KI-Kumpel begleitet werdet. Warum dieser nicht von einem menschlichen Mitspieler gesteuert werden kann, bleibt wohl für immer ein unseliges Geheimnis der Entwickler. Zumal die computergesteuerten Gefährten nicht eben helle sind:

Allein in der Wildnis

Besonders Gimli steht uns gerne im Weg, um die meisten Gegner dürfen wir uns letzten Endes selber kümmern. Und davon laufen Euch im Spielverlauf nahezu endlose Massen ins Schwert: Orks, Trolle, Uruk-Hais und viele mehr sorgen für regelmäßiges Chaos auf dem Bildschirm und blindes Knöpfchendrücken seitens des Spielers. Dazu wird jedes Levelende von einem besonders widerstandsfähigen Endgegner gekrönt. Ob Höhlentroll, Uruk-Hai-Boss Lurz oder tentakeliger Wächter von Moria: Alle verlangen nach einer Spezialbehandlung und geschickter Vorgehensweise, mit purem Draufholzen werdet Ihr diese extradicken Schergen Saurons nicht kleinkriegen.

 

Grafisch ist das Spiel über weite Teile schlicht phänomenal: Die regelmäßigen Wechsel zwischen Spielegrafik und echtem Filmmaterial (gelegentlich gibt es auch noch Rendergrafik als Puffer zwischen den beiden Extremen) sind flüssig und technisch hervorragend inszeniert. Aber: Sie sind oftmals reiner Selbstzweck, wirken in manchen Fällen sogar willkürlich - wozu man sich beispielsweise die Mühe gemacht hat, das Gerangel um den Ring im Bruchtal zum größten Teil zu rendern, ist schwer nachzuvollziehen. Noch dazu sind die teils sehr langen Zwischensequenzen nur sporadisch abbrechbar, was spätestens beim dritten Sehen nervt.

The Good, the Bad and the Ugly

Abgesehen davon hinterlässt die Spielegrafik einen meisterlichen Eindruck: stimmungsvolle Locations, flüssige Animationen, sehr schöne Spiegel- und Lichteffekte, flimmernde Luft über offenen Flammen - man sieht den PS2-Grafikchip förmlich dampfen. Und da das Ganze auch noch ohne nervende PAL-Balken präsentiert wird, verzeiht man auch gerne den einen oder anderen Ausrutscher, wie den wirklich hässlich modellierten Gimli. Dazu gibt es noch massig Bonusmaterial auf der DVD: Interviews mit den Entwicklern und Schauspielern, Making-Of´s, viele Ausschnitte aus den Filmen und mehr.

Dass das Spieldesign von »Die zwei Türme« keinen Innovationspreis gewinnt, haben wir ja schon erwähnt. Leider bekommen die Entwickler auch den goldenen Fruststern verliehen, denn im späteren Spielverlauf beinharte Gegnermassen, frustrierende Zeitlimits und vor allem das zu weiten Teilen nicht vorhandene Speichersystem dürften die meisten Spieler mit zerbissenen Joypads quittieren. Manche der langen Abschnitte dürft Ihr nach dem Ableben komplett von vorne beginnen, unabhängig davon, wo Ihr tatsächlich ins Gras gebissen habt - aber natürlich dürft Ihr zwischen den Missionen den Spielstand sichern.

Biss-Spuren im Gamepad

Das Einzige, was Euch vor dem verfrühten Heldentod bewahrt, sind herumliegende Heiltränke, die Ihr in Kisten findet oder die getötete Widersacher fallen lassen. Und dennoch: Trotz Frust-gestreckter Spiellänge ist die ganze Sache nach nur wenigen Stunden vorbei. Das macht das Spiel für den typischen Lizenzkäufer und Gelegenheitszocker zu einem zweischneidigen Schwert.

Eine ganz klare Kaufempfehlung lässt sich hingegen für alle Freunde prächtiger Akustik aussprechen: Original-Soundtrack, Original-Sprecher, alles auf Deutsch und auf Wunsch in Dolby Surround - mehr kann man eigentlich nicht verlangen. 

Fazit


Eine Lizenz, sie zu knechten.. »Die zwei Türme« ist eines der seltenen Games, die einen hochwertigen Namen nicht einfach verschleudern. Im Gegenteil, eigentlich findet Ihr hier alles, was ein gutes Spiel ausmacht - launiges Spielprinzip, liebevolle Präsentation, exzellente Akustik und vieles mehr. Aber wie so oft, hockt auch hier der Teufel im Detail: Die Übergänge zwischen Film- und Spielmaterial sind zwar beeindruckend, aber im Prinzip unnötig. Das Zerhackstücken der immergleichen Gegner ist wenig abwechslungsreich, der Frustfaktor hoch. Warum kann ich nur drei Figuren steuern (vom Bonuscharakter mal abgesehen)? Und warum spielt das im Wesentlichen keine Rolle, weil es keinerlei Auswirkungen aufs Spiel hat? Für mich am wenigsten nachzuvollziehen ist allerdings die Entscheidung, den Multiplayermodus wegzulassen: Wenn es ein Spiel gibt, das nicht nur alle Voraussetzungen bietet, sondern auch direkt nach einer Mehrspielervariante schreit, dann ist es dieses. So bleibt eine gute Umsetzung, die allerdings weitaus besser sein könnte - zu schade.

Pro

  • <LI>sehr gute Grafik<LI>fantastischer Soundtrack<LI>Original-Sprecher<LI>komplett in Deutsch<LI>unkomplizierter Einstieg<LI>simples Spielprinzip<LI>gutes Kombo-System<LI>motivierendes Erfahrungspunkte-Prinzip<LI>Surround-Sound<LI>fließende Grafik-Übergänge<LI>viel Bonusmaterial</LI>

Kontra

  • <LI>kein Multiplayermodus<LI>wenig Abwechslung<LI>teilweise frustrierend schwer<LI>Figurenwahl spielt keine Rolle<LI>Story kaum nachzuvollziehen<LI>variantenarme Gegner<LI>mistiges Speichersystem</LI>

Wertung

PlayStation2