Legion - Test, Taktik & Strategie, PC

Legion
28.11.2002, Bodo Naser

Test: Legion

Strategiespiele über das alte Rom sind immer noch etwas Besonderes. Insbesondere dann, wenn diese mit historischem Anspruch an den Start gehen. Aus diesem Grund hat auch Legion (ab 24,50€ bei kaufen) von Slitherine und Paradox Entertainment vorab viel Aufmerksamkeit erfahren. Ob das rundenbasierte Spiel über die Eroberung des Weltreichs das Zeug dazu hat, Strategie-Fans an den Bildschirm zu fesseln, erfahrt Ihr aus unserem Test.

Sieben, fünf, drei - Rom schlüpft aus dem Ei! Mit dieser zugegeben dämlichen Eselsbrücke merken sich auch heute noch Lateinschüler das Datum der Geburt der Weltstadt auf den sieben Hügeln. Was in den Jahrhunderten nach der legendären Gründung durch Romulus folgte, war die Erfolgsgeschichte der Antike schlechthin - das unbekannte Städtchen am Tiber entwickelte sich durch den Einsatz seines überlegenen Militärs zum römischen Imperium, das die ganze damals bekannte Welt umspannte. In eben dieser Ausdehnungsphase ist das Strategiespiel Legion angesiedelt: Von den Sabiner Bergen über Spanien und Gallien bis ans Ende der damaligen Welt im verregneten Schottland ziehen sich die Schlachtfelder, auf denen römische Soldaten gegen die Barbaren ins Feld ziehen.

Imperium Romanum

Legion umfasst sechs Szenarien über den Aufstieg Roms, die historischen Situationen nachempfunden sind - so etwa Caesars Feldzug gegen Gallien 58 bis 51 v.Chr. oder die Eroberung Britanniens unter Kaiser Claudius 50 n.Chr. Jedes Volk auf der jeweiligen Karte kann gewählt werden - auch chronische Römer-Hasser wie ein gewisser Hinkelstein-Fabrikant aus Nord-Gallien kommen so auf ihre Kosten. Das Tutorial erklärt sich leider nicht von selbst, sondern muss umständlich per teils unverständlichem Handbuch Punkt für Punkt durchgegangen werden. Einen Editor, der den eher dürftigen Spielumfang erweitern würde, sucht man ebenso vergebens wie einen Multiplayer-Modus, der dem einfach zu erlernenden Strategiespiel eigentlich gut zu Gesicht stehen würde.

Spielumfang

Das unverwüstliche Spielprinzip dreht sich um den geschickten Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen, um so ein möglichst großes Heer gegen den Feind aufzustellen. Im rundenbasierten Management-Teil müsst Ihr dazu die Städte Eurer Provinz ausbauen, was entfernt an Civilization erinnert, ohne aber an dessen Tiefgang heranzukommen. Oberste Priorität genießt dabei der Abbau der drei Ressourcen: Holz, Metal und Nahrung. Dazu können auf der 2D-Stadtansicht Bauten wie Sägewerk, Mine oder Farm errichtet werden, die dann mit Bewohnern besetzt werden müssen, um etwas abzuwerfen. In unregelmäßigen Abständen kommt ein Einwohner hinzu - diesen Zuwachs könnt Ihr z.B. durch eine Badeanstalt steigern.

Städte-Management

Daneben lassen sich auch öffentliche Bauten wie Stadthalle, Militärlager oder Tempel errichten, die alle einen ganz speziellen Nutzen bringen: Dank einer Halle können beispielsweise mehr und bessere Bauten erstellt werden, eine Schmiede lässt Euch mittelschwer bewaffnete Truppen ausheben. Alle Gebäude werden, wie auch die Truppen, nicht - wie man vielleicht vermuten könnte - im folgenden Quartal, sondern erst im darauf folgenden Frühling fertig! Ansonsten spielen die Jahreszeiten aber keine Rolle, auch im Winter gibt es genug Nahrung von den Feldern. Das Management wird mangels Abwechslung schnell eintönig, da - für Römer ziemlich untypisch - keine neuen Städte gegründet werden dürfen.

Treffen zwei Armeen aufeinander oder greift Ihr eine Stadt an, kommt es zur wenig ansehnlichen Echtzeit-Schlacht in isometrischer Perspektive. Das reichlich Blöde daran ist aber, dass Ihr Euren Legionen schon vor dem Gefecht Befehle erteilen müsst. Ihr erhaltet von Euren Aufklärern ein paar Informationen zu den Einheiten des Gegners und müsst dann danach Eure Taktik und Formation festlegen. Flugs drückt Ihr eine Taste und los geht das Gemetzel, auf das Ihr dann keinen Einfluss mehr habt. Ihr müsst mitansehen, wie Eure Truppen trotz ausgeklügelter Taktik aus unerfindlichen Gründen von den Barbaren niedergemetzelt werden - armes Roma!

Echtzeit-Schlachten

Die Einheiten sind leider wenig historisch: Von der tatsächlichen Organisation der römischen Armee, die in Manipel, Kohorte oder Legion unterteilt war, scheinen die Entwickler noch nie etwas gehört zu haben - die Einheiten lassen sich in klein bis groß einteilen. Wenigstens stimmen die Typen in etwa, bei denen neben Hilfstruppen, Legionären und Elite-Einheiten auch Reiterei und Bogenschützen mit von der Partie sind. Jede Einheit verfügt über eigene Kampfstärke, Beweglichkeit und Moral, so dass ein einzelner Prätorianer eigentlich ein ganzes Heer von Bauern aufhalten kann. Die Truppen der Kelten unterscheiden sich dabei nur wenig von denen der Römer oder Griechen. Auch wegen der dürftigen Diplomatiefunktionen ist daher eigentlich unerheblich, wen Ihr regiert.

Prätorianer vor!

Legion spielt nicht nur in der Antike, auch die unschöne 2D-Grafik scheint noch direkt aus dieser Zeit zu stammen: Vor einem Jahrzehnt wäre die Optik sicher das Nonplusultra unter den Strategiespielen gewesen, in Zeiten einer GeForce FX aber kann sie nur mit nostalgischer Wehmut betrachtet werden. Nur wenig beeindruckender sind die Massen-Schlachten, bei denen winzige Pixel-Soldaten aufeinander losstürmen. Auch die feste Auflösung von 800 x 600 lässt sich nicht verändern - ein einziger Anachronismus. Das Positive daran: Legion läuft auf den Geräten Eurer Ahnen, mit einem 266 MHz-CPU und 64 MB seid Ihr dabei.

Antike Optik

Wer die Legionen Roms übernimmt, erhält dabei kostenlosen Lateinunterricht, wann immer er seine Einheiten anklickt: Diese sprechen die tote Sprache allerdings mit schwer erträglichem, englischen Akzent. Immer noch besser als das frei erfundene Gebrabbel der Kelten, das uns wohl vor Augen führen soll, warum deren Sprache gelegentlich als Kauderwelsch bezeichnet wurde. Klassische Musik wie in Römerfilmen kommt nur ganz vereinzelt vor. Ansonsten wurde Legion komplett und fehlerfrei ins Deutsche übertragen.

Babylonisches Stimmengewirr

Fazit


Das Runden-Strategiespiel Legion hat sich wohl in eine Zeitmaschine verirrt und ist unverhofft ein Jahrzehnt in die Zukunft katapultiert worden! Ein Spiel wie dieses hätte mir vielleicht in den seligen Zeiten eines 386er gefallen, denn damals wäre das angestaubte Gameplay noch up to date gewesen. An spielerischer Tiefe hätte es dem Spiel aber auch damals schon gefehlt. Darüber hinaus hat Legion von Slitherine vor allem ein großes Problem im Bezug auf seine Zielgruppe: Die breite Masse der Strategiespieler, die man wohl mit dem simplen Prinzip ansprechen möchte, wird es nicht zocken, weil es ihnen zu antiquiert und unansehnlich daherkommt. Den Hardcore-Strategen aber, die sich möglicherweise dafür interessieren, ist es viel zu flach und unhistorisch. Wer also nicht zu viel erwartet und sich für Rom interessiert, kann einen vorsichtigen Blick riskieren.

Pro

  • <li>Aufstieg Roms zum Nachspielen</li><li>unverwüstliches Gameplay</li><li>sechs historische Szenarien</li><li>komplett lokalisiert</li><li>recht niedriger Preis</li>

Kontra

  • <li>wird schnell eintönig</li><li>stark eingeschränkte Diplomatie</li><li>hoher Schwierigkeitsgrad</li><li>Gebäude werden im Frühjahr fertig</li><li>wenig historisch</li><li>Schlachten nur zuvor beeinflussbar</li><li>Jahreszeit ohne Bedeutung</li><li>antiquierte Optik</li><li>seltsame Sprachausgabe</li><li>schlechtes Handbuch</li><li>umständliches Tutorial</li><li>kein Multiplayer vorhanden</li>

Wertung

PC