Platoon - The 1st Airborne Cavalry in Vietnam - Test, Taktik & Strategie, PC

Platoon - The 1st Airborne Cavalry in Vietnam
02.12.2002, Marcel Kleffmann

Test: Platoon - The 1st Airborne Cavalry in Vietnam

Das Echtzeit-Taktikspiel Platoon hat in unserer Preview vor einigen Monaten noch den Fit-4-Hit-Award abgesahnt und mittlerweile steht die Vollversion in den Läden. Im Härtetest zeigte sich allerdings, dass die Vorschusslorbeeren nicht gerechtfertig waren. Wir haben uns schwerbewaffnet durch den Dschungel gekämpft und die anfängliche Euphorie musste der Ernüchterung weichen. Mehr dazu in unserem ausführlichen Test!

In den USA galt der Vietnam-Krieg lange Zeit als absolutes Tabu-Thema und wurde gerne totgeschwiegen. Nur Hollywood-Meisterwerke à la Apocalypse Now, Full Metal Jacket oder Platoon erinnerten die Amerikaner an diesen schrecklichen Krieg im fernöstlichen Dschungel.

Spiel zum Film?

Die realistische und schonungslose Darstellung des Krieges im zuletzt genannten Film beeindruckt noch heute und deswegen hat sich wohl die Software-Schmiede Monte Cristo entschieden, ein taktisches Echtzeit-Strategiespiel auf der Basis von Platoon zu entwickeln. Der Film und das Spiel haben jedoch bis auf das Szenario rein gar nichts gemeinsam.

Platoon ist im Echtzeit-Taktik-Genre angesiedelt und kann am ehesten mit Spielen wie Commandos, Desperados oder Robin Hood verglichen werden. Für die unter Euch, die keines der eben aufgeführten Spiele kennen, sei gesagt, dass Ihr in Echtzeit eine kleine Gruppe an teilweise spezialisierten Soldaten durch eine umfangreiche Mission im Vietnamszenario führen müsst.

Worum geht es?

Vorher bekommt Ihr den Auftrag in Form eines Ingame-Videos inklusive Briefing vorgestellt und ein Tagebuch des Hauptcharakters soll für den nötigen persönlichen Touch sorgen. Diese nette Idee ist jedoch nicht konsequent genug ausgeführt, um das Flair entsprechend aufzubauen, denn der Spieler fühlt sich immer außen vor.

Habt Ihr die Missions-Einführung erfolgreich hinter Euch gebracht und wahlweise das gute Tutorial absolviert, geht es direkt nach Vietnam in den unbarmherzigen Dschungel aus Gewalt, Hass und MG-Kugeln. Euer Team kommandiert Ihr wie in jedem anderen Echtzeit-Strategiespiel auch. Zuerst solltet Ihr eine geeignete Deckung suchen, denn auf dem offenen Feld seid Ihr leichte Beute für die Vietcongs. Ihr schleicht Euch also langsam voran. Sergeant Lionsdale, Euer zentraler Spiel-Charakter, vorweg.

Kampf im Dickicht

Es geht kreuz und quer durch unwegsames Gelände, zwischen dicken Bäumen, hohem Gras, an Steinen und Wegen vorbei, bis auf einmal einer Eurer Leute getroffen in sich zusammensackt. Sofort betätigt Ihr die Pause-Taste und sorgt währenddessen dafür, dass sich alle Soldaten auf den Boden schmeißen, um so eine schlechtere Angriffsfläche für den Feind zu bieten. Danach deaktiviert Ihr wieder die Pause und weiter geht der Kampf.

Jetzt müsst Ihr allerdings herausfinden, wo die Bösewichte überhaupt stehen. Also macht sich ein unerschrockenes Mitglied des Teams auf den Weg, den Feind zu erspähen. Und siehe da, auf der anderen Seite des Weges stehen (!!) drei Vietcongs, die in aller Ruhe darauf warten, dass sich im Dickicht etwas bewegt. Warum die Gegner nicht auch auf dem Boden liegen und versuchen, sich zu verstecken, bleibt jedoch fraglich. Dieses merkwürdige Verhalten ist wohl oder übel auf die mangelnde künstliche Intelligenz der Gegner zurückzuführen.

Die Jungs und Mädels von Digital Reality haben Platoon ein recht eigenwilliges, dafür aber höchst realistisches Sichtsystem verpasst: Die Umgebung und die Art Eurer Fortbewegung bringen einen bestimmten Tarn-Bonus, der im hohen Elefantengras beispielsweise deutlich größer ist, als auf einem freien Feld. So interessant sich dieses System anhört, so schwer ist es, einen Gegner überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Wie oben schon angeschnitten, bewegt Ihr Euch durch ein Gebiet und steht sofort unter Feuer, wisst aber nicht woher die Schüsse kommen, denn das Spiel berechnet nur den exakt geradlinigen Sichtradius jeder einzelnen Spielfigur. Deshalb ist es oft nötig, die vielleicht sichere Position zu verlassen und zu versuchen, den Gegner aufzufinden.

Undurchsichtig

Während Ihr Euch also in den drei unterschiedlichen Haltungen (Stehen, Kriechen und in der Hocke) durch den Dschungel bewegt und möglichst auf Unauffälligkeit achtet, stehen die KI-Gegner oftmals einfach in der Gegend herum und nutzen den Vorteil des Sichtsystems nicht. Viele Feinde bleiben sogar bei feindlichem Beschuss stehen, schießen aber zurück. Fortgeschrittene Kampftaktiken sind bei den Vietcongs ebenso wenig zu finden - die Flanken werden nicht gesichert und von gegenseitigem Feuerschutz haben die Gegner sowieso nichts gehört.

Neben den eben schon angesprochenen Pannen der KI gibt es im Spiel selbst noch zahlreiche nervige Punkte, die das "reale" Szenario äußerst negativ beeinflussen. Wenn Ihr Euch normal fortbewegt, schaut jedes Teammitglied nur stumpf nach vorne - nach den Seiten oder nach hinten abgesichert wird überhaupt nicht. Dies ist außerdem ein Grund dafür, warum Ihr die Feinde so schwer zu Gesicht bekommt.

Realismus?

Auch die Physik-Engine ist nicht die stärkste, denn wenn Ihr allen Leuten des Teams befehlt sich hinzulegen, dann tun das zwar logischerweise alle, jedoch liegen sie dann oft wie Sandsäcke aufeinander und können aus diesem Haufen noch gezielt schießen. Teilweise gehen die Schüsse sogar durch die eigenen Leute durch, ohne sie jedoch zu verletzen.

15 teilweise sehr umfangreiche Missionen, verbunden mit dick aufgetragenem US-Patriotismus, erwarten Euch. Von den kritischen Seiten des gleichnamigen Filmes wird der Krieg keineswegs gezeigt. Eure Missionsaufträge weichen in den ersten Missionen kaum ab. Immer heißt es nur die Gegend erkunden, die Feinde umnieten und weiterstreifen. Erst bei den späteren Einsätzen kommt richtig Leben ins Spiel.

Missionen und Miseren

Dann müsst Ihr Euch mit vietnamesischen Verbündeten treffen, diese im Kampf begleiten, danach einige feindliche Panzer ausschalten und im späteren Verlauf noch eine abgestürzte US-Crew retten. Richtig gut wird die Kampagne also erst gegen Ende, aber bis dahin heißt es sich durchzubeißen, denn alle Einsätze sind aufgrund der fehlenden Speicherfunktion oft höllisch schwer.

Gespeichert wird übrigens erst nach dem Abschluss einer Mission. Das gut angedachte, aber schlecht umgesetzte Sichtsystem und die enormen Gegnermassen machen das Spiel äußerst schwer, vor allem wenn Ihr bestimmte Team-Mitglieder nicht verlieren dürft.

Wie in fast jedem anderen Echtzeit-Taktikspiel agiert Ihr bei Platoon im Team, mit oft nicht mehr als zehn Mitgliedern. Die Führungseinheit ist Sgt. Lionsdale, der mit seinem mächtigen Funkgerät Artilleriebeschuss oder Bombardements anfordern kann. Das restliche Team setzt sich aus normalen Soldaten zusammen. In späteren Missionen bekommt Ihr Pioniere, überlebensnotwenige Sanitäter, M60-Schützen und weitere spezialisierte Leute als Unterstützung.

Das Team

Generell sollte es Euer Ziel sein, so wenig Leute im Kampf zu verlieren, aber wenn doch mal ein normaler Soldat ins Gras beißen sollte, ist es anscheinend nicht ganz so schlimm, denn am Anfang des nächsten Einsatzes gibt es Ersatz. Sogar bei gefallenen Soldaten in Euren Reihen gibt es nicht einmal eine Rüge vom Oberbefehlshaber.

So unglaublich es klingen mag: Platoon basiert auf der Haegemonia-Engine und zaubert durchaus beeindruckende Grafiken auf den Monitor. Die Landschaft wirkt zwar nicht wie lebensechter Dschungel, doch die Vielfalt an Bäumen, Sträuchern, Gras und sonstigem Grünzeug erzeugt eine gute Atmosphäre. Auch die Gebäude und vor allem die Fahrzeuge können sich sehen lassen. Allerdings könnten die Charaktere etwas detaillierter dargestellt sein. Das gilt auch für die Feinde sowie die Animationen sämtlicher menschlicher Protagonisten.

Grafik

Das Szenario lebt hauptsächlich von der guten Grafik und dem phänomenalen Soundtrack. Der orchestrale Score untermalt das Geschehen perfekt und sorgt für die nötige Spannung in den Missionen. Auch die Soundeffekte sowie die Sprachausgabe ist im Großen und Ganzen gut gelungen - nur die nervigen und sich ständig wiederholenden Sprachsamples der Einheiten schmälern hier die Wertung.

Soundkulisse

Digital Reality und der Publisher UbiSoft haben auf die Kritik der Fans sowie der Fachpresse reagiert und ein kostenloses Update für Platoon zum Download bereitgestellt. Der so genannte Easy-Patch nimmt Verbesserungen an zwei großen Kritikpunkten des Echtzeit-Taktikspiels vor und senkt den angekreideten Schwierigkeitsgrad der Einzelspieler-Kampagne enorm.

Test-Aktualisierung vom 24. Januar 2003:

Easy-Patch

Besonders einige überraschende Überfälle aus dem Hinterhalt oder versteckte Minenfelder stellen dank der Speicherfunktion keinen Motiviationskiller mehr dar. Ebenso fies war es in der Verkaufsversion immer dann, wenn Ihr eine Mission fast geschafft hattet und Euch kurz vor Schluss ein kleiner taktischer Fehler unterlaufen ist.

Endlich: immer speichern!

So könnt Ihr den Spielstand nun auch während einer laufenden Missionen speichern und müsst nicht immer auf das Ende der teilweise ziemlich lang andauernden Missionen warten.

Solch ein Schnitzer hatte schnell das virtuelle Ableben der gesamten US-Soldaten zur Folge. Diese eben genannten Szenen gehören jetzt aber der Vergangenheit an.

Bessere Team-KI!

Außerdem haben die Entwickler die Künstliche Intelligenz verbessert und dafür gesorgt, dass Eure Soldaten bei feindlichem Beschuss automatisch in Deckung gehen und zurückschießen; ohne dass Ihr erst den dazugehörigen Befehl erteilen müssen.

Zwar wird hier der Realismusgrad etwas eingeschnitten, dafür aber die Fairness gegenüber dem Spieler gesteigert.

Fazit


Platoon ist ein Paradebeispiel für ein tolles Spielkonzept, das aufgrund vieler nerviger Design-Fehler und fehlendem Realismus sein Potenzial nicht ausspielen kann. Für Frust sorgt u.a. der enorm hohe Schwierigkeitsgrad aufgrund der fehlenden Speicher-Funktion. Es gibt nichts Demotivierenderes, als wenn der Hauptcharakter am Ende einer einstündigen Mission sein virtuelles Leben durch einen KI-Wegfindungsfehler verliert und die ganze Arbeit umsonst war. Aber auch das im Ansatz gute Sichtsystem macht das Spiel viel zu schwer, denn bevor Ihr den Feind ausgemacht habt, sind Eure Leute schon fast tot. Dennoch hat Platoon auch Stärken zu verbuchen: Trotz des zu dick aufgetragenen US-Patriotismus ist das Vietnam-Szenario neu, hinzu kommen die weitgehend gelungene Grafik und der stimmige Soundtrack. Das eigentliche Spielgeschehen macht auch richtig Spaß, denn die Jagd im Dickicht des Dschungels ist durchaus spannend. Alles in allem hätte Platoon ein richtig gutes Spiel jenseits der 80%-Barriere werden können, doch leider hat das Entwickler-Team mit der unglaubwürdigen KI dem Realismus den Dolchstoß versetzt.

Test-Update vom 24. Januar 2003:

Die Entwickler haben auf das Feedback der Community sowie der Presse gehört und mit dem Easy-Patch zwei große Probleme bei Platoon aus der Welt geschafft. Die Verbesserung der Künstlichen Intelligenz der eigenen Soldaten ist gut gelungen und vereinfacht so zahlreiche Missionen. An der Intelligenz der Gegner hat sich jedoch nichts getan. Der größte Pluspunkt am Easy-Patch ist allerdings die Erweiterung der Speicherfunktion. Der Spielstand kann nun auch in einer Mission gesichert werden. Der Schwierigkeitsgrad von den meisten Missionen wird so drastisch gesenkt und Frustrationsmomente treten kaum noch auf. Dieser Easy-Patch reicht aus, um die Einzelspieler-Wertung um 6% (auf 78%) anzuheben. Außerdem konnten wir einige Kontrapunkte streichen.

Pro

  • <li>unverbrauchtes Szenario</li><li>realistisches Sichtsystem</li><li>teilweise klasse Missionen</li><li>spezialisierte Einheiten</li><li>gelungene Steuerung der 3D-Kamera</li><li>klasse Soundtrack</li><li>gute Grafik</li>

Kontra

  • <li>viel zu schwer</li><li>unzureichende Speicherfunktion</li><li>teils dumme KI</li><li>viele kleine Realismus-Macken</li><li>erste Missionen sind nur Durchschnittsware</li><li>schwache Sprach-Samples</li><li>Motivation geht schnell verloren</li><li>lustlose Animationen der Soldaten</li><li>keine Interaktion mit der Umgebung</li>

Wertung

PC