Racing Evoluzione - Test, Rennspiel, XBox

Racing Evoluzione
05.02.2003, Mathias Oertel

Test: Racing Evoluzione

Um auf dem mittlerweile dicht besiedelten Rennspiel-Markt Erfolg zu haben, muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. Wie wäre es denn z.B. mit der Möglichkeit, seine eigenen Fahrzeuge zu entwickeln und gegen die namhafte Konkurrenz antreten zu lassen? Genau diese Möglichkeit bietet Euch Racing Evoluzione. Was hinter der zweifellos guten Idee steckt und was Euch das neue Rennspiel aus dem Hause Milestone (Superbike-Serie) sonst noch bietet, erfahrt Ihr im Test.

Eine abbruchreife Autowerkstatt mitten im Nirgendwo. Dies ist Euer neues Zuhause. Doch die Zukunft sieht möglicherweise rosig aus. Denn in der Werkstatt liegen Pläne für ein Concept-Car - Eure große Chance. Wenn Ihr es schaffen solltet, ein Konkurrenzfähiges Auto zu bauen, das den alteingesessenen Marken das Fürchten lehrt, könnt Ihr zu einem unsterblichen Automobilbauer werden, dessen Name in einem Atemzug mit Ferrari und Lamborghini genannt wird.

Autolegende im Eigenbau

Bei jeder Fahrzeug-Kategorie, angefangen von Roadsters über Sportwagen bis hin zu schieren PS-Monstern habt Ihr die Auswahl zwischen drei Plänen. Jeder der Entwürfe unterscheidet sich in Sachen Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Bremsfähigkeit und ist dementsprechend für einige der Strecken besser geeignet als andere. Doch mit einem Durchschnittswagen habt Ihr gute Chancen, bei den ersten Rennen Erfolge zu feiern.

Entwicklungssache

Nach und nach steigt Ihr dann in neue Rennklassen innerhalb Eurer Fahrzeugkategorie auf. Gleichzeitig werden Tuning-Optionen für Eure Boliden freigeschaltet. Doch wer glaubt, dass man nach Herzenslust an seinem Traumwagen schrauben kann, sieht sich getäuscht: Ihr könnt Anpressdruck, Getriebe-Übersetzung und Fahrverhalten nur in zwei bzw. drei Stufen ändern.

So steigen die Verkaufszahlen Eurer Fahrzeuge, was wiederum zur Folge hat, dass Ihr irgendwann einen neuen Prototyp in der gleichen Klasse oder -wenn das Absatzziel erreicht wurde- auch eine neue Fahrzeugklasse entwickeln könnt.

Was uns zum typischen "Was-wäre-wenn"-Spielchen führt. Was wäre z.B., wenn man nicht nur die Möglichkeit gehabt hätte, eines der vorgefertigten Konzept-Modelle zu bauen, sondern stattdessen eine voll funktionsfähige Fabrik zur Verfügung hätte, in der man Einzelteile herstellen kann?

Doch das ist nicht alles, was einem bei dem vollmundig propagierten Dream-Modus sauer aufstößt. Hier wurde eindeutig eine hervorragende Idee nur angedacht und weitestgehend verschenkt.

"Ich bau mein Supercar"?

Dann hätte man seine wertvoll gewonnenen Entwicklungspunkte strategisch besser verteilen können und z.B. einen neuen Motor in Auftrag gegeben, der das nicht ganz so windschnittige Chassis zu einem wettbewerbsfähigen Produkt macht. Und danach hätte man eine neue Aufhängung entwickelt, die nicht nur in einem Roadster, sondern auch in den folgenden Sportwagen hätte verwendet werden können.

Ihr seht schon, worauf ich hinaus will: Zum einen wäre ein strategisches Element eingeflossen, zum anderen hätte man größeren Einfluss auf die Fahrzeuge, die einem letzten Endes vom Programm vorgegeben werden. So hätte man im Endeffekt eine überragende Mischung aus dem PS2-Klassiker Gran Turismo 3 mit all seinen Fahrzeugteil-Möglichkeiten und einem ansonsten stimmigen Rennspiel.

Auch die Dutzenden Wettbewerbe in allen Kategorien zeigen, dass die Entwickler deutlich den Langzeitspielspaß im Auge hatten. Hin und wieder wartet auch noch eine besondere Aufgabe auf Euch, die bei Erfolg einen sprunghaften Anstieg der Absatzzahlen bewirkt. Und da sich die direkte Arcade-Steuerung ebenfalls keine Blöße gibt, wäre eigentlich ein Award fast schon vorprogrammiert.

Das Umfeld stimmt

Denn was Präsentation, Umfang und Spielbarkeit betrifft, kann Racing Evoluzione überzeugen. Insgesamt tretet Ihr mit Euren ca. 45 Konzept-Modellen gegen 40 voll lizenzierte namhafte Fahrzeuge auf 50 Strecken auf drei Kontinenten an.

Zwar bestehen die Strecken immer wieder aus den gleichen Versatzstücken, doch da das Design immer wieder mit neuen Zusammenstellungen überraschen kann, werden auch die späteren Rennen nicht langweilig und fordern permanent aufs Neue.

Doch schaut man hinter die Kulissen, entpuppt sich RE als Rennspiel wie jedes andere. Nur dass man hier nicht auf der Jagd nach Punkten für eine Rangliste oder Geld für neue Fahrzeuge ist. Doch die Absatzzahlen, die für jeden erreichten Platz im Rennen steigen, erfüllen genau den gleichen Zweck: Ihr schaltet mit ihnen neue Fahrzeuge frei. Nicht mehr und nicht weniger.

Alles wie gehabt

Was die KI der Gegner betrifft, hat Milestone einen passablen Job abgeliefert. Die CPU-Fahrer bewegen sich stets am Limit, scheuen auch nicht davor zurück, Euch auf Kampflinie fahrend in den stark bremsenden Streckenrand oder die Leitplanke zu schieben, machen aber ihrerseits auch Fehler, so dass Ihr im Endeffekt stets eine faire Chance habt.

Der Arcade-Modus ist als Ergänzung ebenfalls sehr nett und lässt sich auch zu zweit am Splitscreen spielen. Doch um die Wertung nach oben zu treiben, bietet die gelungene Standardkost einfach zu wenig.

Und auch auf den Strecken ist optische Pracht im Überfluss vorhanden. Nicht nur, dass die Spielgeschwindigkeit konstant und jederzeit flüssig bleibt und das vermittelte Geschwindigkeitsgefühl wirklich phänomenal ist; auch die Darstellung der Fahrzeuge ist eine Augenweide.

Rasend schnell, auf Hochglanz getrimmt

Angesichts der einfach nur famosen Grafik stimmt die Tatsache, dass wir hier nur ein nahezu x-beliebiges Rennspiel vor uns haben, umso trauriger.

Die grafische Umsetzung der stetig wachsenden Firma inklusive Angestellter ist in Sachen Präsentation überzeugend und vermittelt einem immer wieder das Gefühl, mittendrin zu sein.

Auch die Landschaften kann man nur als gelungen bezeichnen. Die Eigenheiten der verschiedenen Locations, die auch mit Animationen am Rande wie z.B. Ballons, Flugzeuge usw. nicht geizen, wurden gut eingefangen und bringen trotz aller Detailverliebtheit die Engine nie in Stottergefahr.

Auf Hochglanz poliert, kann man bei genauem Hinsehen ein detailliertes "Environmental Mapping" (Umgebungsspiegelung) auf dem Lack erkennen, das es in dieser Form in noch keinem Rennspiel zu sehen gab.

Auf den Kursen dröhnt Euch ein undefinierbarer Mischmasch aus anfangs noch interessanter, dann aber mangels Variation schnell langweiliger Musik und Motorensounds entgegen, die bei weitem nicht die Kraft widerspiegeln, welche die Boliden besitzen und die von der Geschwindigkeit vermittelt wird.

Das Schadensmodell, das im Übrigen keinen Einfluss auf die Fahreigenschaften hat, ist optisch ebenfalls überzeugend, aber unter dem Strich nicht ganz so detailliert wie bei vielen Konkurrenzprodukten.

Rasenmäher-Motoren?

Obwohl die verschenkte Entwicklungs-Idee sicherlich ein Grund für Enttäuschung sein dürfte, wird diese von der akustischen Untermalung noch grandios übertroffen.

Die Crashgeräusche werden ebenfalls schnell langweilig und hätten durchaus abwechslungsreicher gestaltet werden können.

Gut ist hingegen die Lokalisation: Die Sprachausgabe Eurer Mitarbeiter, die Euch nach Rennen aufmuntern, anfeuern und kritisieren ist professionell aufgenommen, krankt aber nach einigen Rennen ebenfalls an mangelnder Variation.

Fazit


Obwohl Racing Evoluzione sicherlich mit zu den grafisch stärksten Rennspielen auf der Xbox gehört, bleibt das Spiel hinter den Erwartungen zurück. Denn die angepriesene Möglichkeit, seine eigenen Autos zu entwickeln, ist im Prinzip nur Blendwerk und stellt nur eine andere Form des bekannten Geld- oder Punkte-Systems dar, das man aus vergleichbaren Spielen kennt. Außer der grundlegenden Wahl des Fahrzeug-Typs hat man keine Möglichkeit, in die Entwicklung einzugreifen. Daher kämpft man sich irgendwann relativ uninteressiert von Rennserie zu Rennserie, hat schließlich ein neues, stärkeres Fahrzeug und macht sich an die nächste Serie. Sehr sehr schade, denn hätte man beispielsweise den Spielern Möglichkeiten gegeben, z.B. einen neuen Motor oder sonstige Teile zu entwickeln, die man in die Chassis einbaut, wäre man der angestrebten Idee eher gerecht geworden. Angesichts der makellosen und detaillierten Grafik sollten Rennspiel-Fans Racing Evoluzione trotzdem eine Chance geben. Denn auch wenn die Umsetzung der Eigenentwicklungen weit hinter den Erwartungen zurück bleibt, bietet RE ungezwungenen und rasend schnellen Arcade-Rennspaß.

Pro

  • <li>blitzsaubere schnelle Grafik</li><li>über 50 Strecken</li><li>40 lizenzierte Sportwagen als Gegner</li><li>über 40 eigene Concept-Cars</li><li>Dutzende Wettbewerbe in allen Klassen</li><li>famose Präsentation</li> <li>schönes Streckendesign</li><li>gute Steuerung</li><li>gute Sprachausgabe</li>

Kontra

  • <li>Konstruktions-Idee wurde weitestgehend verschenkt</li><li>im Kern nur ein Racer wie jeder andere</li><li>magerer Sound</li><li>kaum Tuning-Optionen</li><li>Schäden ohne Einfluss aufs Fahrverhalten</li>

Wertung

XBox