Unreal 2: The Awakening - Test, Shooter, PC

Unreal 2: The Awakening
06.02.2003, Paul Kautz

Test: Unreal 2: The Awakening

Ego-Shooter mit einem großen Namen gibt es mittlerweile wie Patronen in einer Minigun. Doch wenn man es mit dem legitimen Erben des Baller-Urgesteins Unreal zu tun bekommt, baut sich eine gewisse Erwartungshaltung auf: Hammer-Grafik, Bombast-Soundtrack, Spannung und Spielspaß ohne Ende - kann der Frischling das auch bieten? Oder vielleicht sogar noch mehr? Die Review deckt alles auf!

Ein recht langes und wenig aufregendes Intro stellt Euch Euren Charakter John Dalton vor: ein Weltraumpolizist, der gerne bei den Marines wäre, sich aber nur mit drittklassigen Patrouillenjobs herumschlagen darf. Doch just in seinem Bezirk wird ein mysteriöses Alien-Artefakt gefunden, um das sich natürlich plötzlich alle möglichen Parteien balgen.

Wing Commander 6?

Die nette, aber wenig überraschende und später arg pathetische Story wird sowohl innerhalb der Missionen (z.B. durch Funkgespräche oder Dialoge) als auch zwischen den Aufträgen weitergeführt, wenn Ihr Euch wieder an Bord Eures Mutterschiffs »Atlantis« befindet. Dort sind stets mindestens drei Personen anzutreffen: der raubeinige Mechaniker Isaak, der Alien-Austauschoffizier Ne´Ban, der 50 Sprachen spricht und dadurch des Öfteren Vokabeln vertauscht, sowie Euer erster Offizier, sexy Aida, die nicht nur gute Ratschläge und Briefings verteilt, sondern auch gekonnt und gerne herumzickt.

Die Fortführung der Story erinnert stark an die Wing Commander-Serie. Allerdings mit dem Unterschied, dass hier nicht das geringste Fitzelchen gerendert ist - alle Zwischensequenzen, alle Dialoge finden in Spielgrafik statt. Teilweise habt Ihr auch die Wahl zwischen mehreren Antworten, was sich aber nicht aufs Spiel auswirkt. Im Normalfall klickt Ihr Euch durch alle Möglichkeiten und seid hinterher hoffentlich schlauer. Gelegentlich könnt Ihr den anderen Crewmitgliedern auch einfach beim Reden zuhören, denn sonst gibt es auf dem Schiff leider gar nichts zu tun: zwar könnt Ihr viele Räumlichkeiten betreten, dort aber leider überhaupt nichts anstellen.

Habt Ihr Eure Briefings mit Aida oder Ne´Ban überstanden, steht nur noch ein Besuch bei Isaak auf dem Programm, der Euch die neuesten Waffeninformationen gibt. Danach besteigt Ihr Euer Ein-Mann-Shuttle und düst gen Auftrag: insgesamt erwarten Euch 13 vielfach unterteilte Missionen auf unterschiedlichen Planeten. So besucht Ihr u.a. ein Erde-ähnliches Terrain, diverse Forschungsstationen, eine Welt, die komplett von einem lebenden Wesen umhüllt ist sowie eine für Ego-Shooter scheinbar obligatorische dunkelgrüne Alien-Techno-Heimatwelt.

Postkartenmotive

Die Welten gehören grafisch als auch vom Design her zum absolut Besten, was es derzeit auf dem PC gibt. Besonders die plastischen Außenlevels bestechen mit fantastischer Weitsicht, postkartenreifen Hügelkuppen, allerlei verzierendem Buschwerk und endlosen Details. Die Innenarchitektur ist zu weiten Teilen mindestens ebenso gut gelungen, verliert sich aber gelegentlich in abwechslungsarmen Gang-Labyrinthen. Selbstverständlich sind die Übergänge von innen nach außen fließend; die machen sich lediglich durch kurze Ruckler bemerkbar - jedenfalls bei Spielern, die weniger als 512 MB RAM Ihr Eigen nennen.

Die werden mit dem Spiel allgemein nicht viel Freude haben; ganz besonders mit »lediglich« 256 MB ruckelt sich das Programm bei erhöhtem Gegneraufkommen (was sehr oft passiert) förmlich zu Tode. Außerdem steigen auf einer solchen Maschine die Ladezeiten in mörderische Regionen, was angesichts der häufigen Laderei schon sehr an das unglückliche Beispiel <4PCODE cmd=DGFLink;name=007: Nightfire;id=2815> erinnert.

Startet Ihr eine Mission, habt Ihr meist nur einen Auftrag. Im Laufe des Spiels gesellen sich aber mehrere neue dazu: Ihr müsst Forscher retten, die Ursache für irgendeine Katastrophe ergründen, ein Artefakt-Teil finden, bestimmte Gegner vernichten, eine Person sicher zum Shuttle geleiten oder einfach eine Zeit lang die Stellung halten.

Spinnenwerfer und tragbare Singularitäten

Ab und zu bekommt Ihr auch Feuerschutz von befreundeten Marines, denen man teilweise auch rudimentäre Befehle geben kann: gehe dahin, verteidige hier usw. Mehrfach dürft Ihr sogar für zusätzliche Sicherheit sorgen, indem Ihr Verteidigungsstellungen errichtet: Ihr baut ein knappes Kontingent MG- und Raketentürme sowie Energiefelder auf und versteckt Euch dahinter, um den Feind halbwegs sicher ins Visier zu nehmen - eine sehr gelungene und bis dato nicht da gewesene Idee!

Euer Waffenarsenal umfasst zwölf mehr oder weniger »normale« Knarren: Pistole, Scharfschützengewehr, Raketenwerfer oder Schrotgewehr sind ziemlich gewöhnlich. Das kann man von Bio-Laser, Schwarzes-Loch-Kanone oder Spinnenwerfer nicht behaupten, die für Abwechslung im Waffenschrank sorgen. Stilles Highlight ist jedoch der Flammenwerfer, der aufgrund atemberaubender Feuereffekte das Bildschirm-Brutzeln zum Vergnügen macht.

Jede Waffe hat einen sekundären Feuermodus, der variabel bestückbare Granatwerfer später sogar sechs, so dass Ihr auch mit Rauch- oder Blendgranaten um Euch ballern könnt. Später bekommt Ihr sogar eine Art Defensivwaffe: eine an Star Wars erinnernde Schwirrkugel, die im zweiten Feuermodus um Euch herumsirrt und gegnerische Angriffe abzublocken versucht.

Selbstverständlich bekommt Ihr es mit jeder Menge Gegnern zu tun, die zum Teil aus dem Vorgänger bekannt sind: schon sehr früh macht Ihr die erneute Bekanntschaft der brandgefährlichen Skaarj, hinzu kommen später schießwütige Söldner und Amazonen, Spinnenwesen, Alien-Bio-Mechanoide, beißfreudige Anti-Körperchen und vieles mehr. Gelegentlich knabbert Euch auch die örtliche Fauna die Wade an, ist aber im Normalfall friedlich wie ein Lämmchen.

Viel Feind, viel Ehr´

Eure Widersacher begegnen Euch in verschiedensten Variationen, Größen und Farben. So gibt es für die meisten Gegner die Varianten »klein, harmlos und schnell« sowie »groß, dick gepanzert, irre Wumme«. In seltenen Fällen bekommt Ihr es sogar mit extradicken Obermotzen zu tun: Insekten-Königin, Skaarj-Mensch-Hybrid, Drakk-Aufpasser und mehr sind allerdings weder gefährlicher noch intelligenter als ihre »normalen« Pendants, sondern einfach nur zäher und größer. Außerdem gibt es keinen »richtigen« Endgegner, was den Abspann etwas überraschend auf den Bildschirm bringt - leider schon nach der nicht wahnsinnig langen Durchschnittsspielzeit von gerade mal zehn Stunden, was für einen puren Singleplayer-Shooter etwas mau ist.

Unreal 2 ist strikt linear: es führt immer nur ein Weg zum Ziel, die Story weicht keinen Millimeter von Ihrer festgelegten Bahn ab und lässt ein sehr offenes Ende zurück. Lediglich drei Schwierigkeitsgrade bieten neue Herausforderungen nach dem ersten Durchspielen. Spezielle Erwähnung verdient übrigens noch die Speicherfunktion: selbstverständlich dürft Ihr jederzeit einen Spielstand anlegen, wobei die Bezeichnungen »Quicksave« und »Quickload« besonders in letzterem Falle purer Hohn sind.

Neben den schon erwähnten Landschaften sind vor allem die Figuren eine Augenweide: die detaillierten 3D-Modelle wurden wunderbar texturiert und weich animiert; die Gesichter zeigen eine ausdrucksstarke Mimik und die Lippen bewegen sich synchron zur Sprachausgabe.

Glanzlichter

Unreal begeisterte Spielerscharen und Fachpresse vor vier Jahren vor allem mit brillanter Optik. Seitdem ist zwar viel Zeit vergangen, aber auch der Nachfolger schafft locker den Sprung über die Grafik-Hürde.

Natürlich kommen auch die Effekte nicht zu kurz - flackernde Lampen, gleißendes Waffenfeuer, echte Spiegelungen, weich animiertes Wasser und realistischer Schattenwurf lassen den Grafikchip dampfen. Und das ist immer noch nicht alles: naturgetreue Wettereffekte (Schnee, Regen, Nebel etc.) stören die Sicht, bei Nachteinsätzen illuminieren Scheinwerfer und Gewehrfeuer die Umgebung - da verzeiht man gerne Aidas etwas merkwürdige Frisur.

Natürlich hat all die Pracht Ihren Preis. Neben dem schon genannten RAM-Hunger verlangt das Spiel für volle Details auch einen Prozessor mit idealerweise mindestens 2 GHz sowie eine GeForce 3-Karte. Natürlich funktioniert Unreal 2 auch mit weniger Grafikpower, aber dann müssen die Details derart zurückgeschraubt werden, dass die Faszination ein wenig flöten geht.

Genau so wie die Optik war auch der Sound ein klares Highlight beim Vorgänger. Da kann das Frischfleisch nicht ganz mithalten, auch wenn die Akustik auf hohem Niveau spielt: die Waffeneffekte wummern dick, die Levels sind mit atmosphärischen Klängen angereichert. Die Musik ist stets präsent, aber nie wirklich auffällig - nur in aufregenden Momenten wird sie merklich hektischer.

Dafür ist die Sprachausgabe der englischen Version um so gelungener, besonders die Dialoge zwischen John und Aida bzw. John und Dr. Meyer (einem zu rettenden Wissenschaftler) triefen vor bitterbösem Sarkasmus und heizen die Atmosphäre gehörig an.

Fazit


Unreal 2 hat sehr viel von einem fantastischen Kurzfilm oder einem Essen in einem teuren Restaurant: man wird sehr gut unterhalten (bzw. angenehm gesättigt), fragt sich aber hinterher, ob man für sein Geld nicht ein bisschen wenig bekommen hat. Denn nur wenige Spieler dürften mehr als zehn Stunden benötigen, um das Geheimnis um die Alien-Artefakte vollständig zu lösen. Berücksichtigt man dazu noch die unbarmherzige Linearität sowie die Abwesenheit eines Mehrspielermodus, tendiert der Wiederspielwert von Unreal 2 gegen Null. Doch viel schlimmer ist fast noch, dass das Spiel unter dem Deckmantel wunderbarer Grafik, intelligenter Gegner und exzellenter Levelarchitektur doch nur ein Shooter wie jeder andere ist - Ballern hier, Ballern da, und noch ein wenig Jump`n Run; das ist schon ein bisschen dünn. Wenn man sehr pedantisch wäre, könnte man fragen, was Unreal 2 eigentlich (bis auf ähnliche Gegner und Waffen) mit dem Vorgänger zu tun hat. Und dennoch: Action-mäßig gibt es momentan nur wenig Aufregenderes, grafisch sowieso nicht. Wem also ein kurzer, satt machender Leckerbissen reicht, der dürfte mit Unreal 2 sehr glücklich werden. Wer langfristigen Spaß bei ähnlicher Optik bevorzugt, sollte vielleicht besser zu Unreal Tournament 2003 greifen.
(Paul)

Unreal war seiner Zeit ein Meilenstein für das Genre der 3D-Shooter und konnte damals viele Akzente in die richtige Richtung setzen. Nun steht Unreal 2 endlich nach schier endloser Entwicklungszeit in den Läden und kann nicht ganz so stark überzeugen wie der Vorgänger. Das größte Manko an dem Spiel ist die mit acht bis zehn Stunden bemessene Spielzeit - dann scrollen auch schon die Abspann-Credits über den Bildschirm. Danach gibt es fast keine Motivation mehr, das Spiel erneut zu starten, weil es keinen Mehrspieler-Modus gibt und die drei Schwierigkeitsgrade nicht genügend Anreiz bieten. Außerdem hat der Spieler nach dem Durchspielen immer noch den Drang, etwas mehr von der Unreal-Welt zu sehen, aber es gibt leider nicht mehr. Innovationen sowie sonstige grundlegend neue Ideen fehlen auch komplett. Auf der positiven Seite sind genial gestaltete, mit Static-Meshes nur so vollgepumpte Levels sowie eine stellenweise absolut umwerfende Grafik zu vermerken. Jede Menge Gegner mit teils hervorragender KI sorgen für actionlastige Kämpfe mit bombastischen Waffeneffekten. Aber auch die guten späteren Levels mit platzierbaren Laser-Barrieren und Geschütztürmen machen richtig viel Spaß. Alles in allem ist Unreal 2 ein wirklich gelungener 3D-Shooter, der für das Geld leider zu kurz geraten ist, aber die Zeit wirklich lohnend vertreibt. Die Revolution bleibt allerdings aus.
(Marcel)

Pro

  • <li>umwerfende Grafik</li><li>intelligente Gegner</li><li>abwechslungsreiche Levels</li><li>atmosphärische Musik</li><li>lässiges Intro</li><li>nette Story</li><li>witzige Dialoge</li><li>gute Soundeffekte</li><li>interessante Missionen</li><li>abgefahrene Waffen</li>

Kontra

  • <li>etwas kurz</li><li>sehr linear</li><li>mörderische Hardwareanforderungen</li><li>lange Ladezeiten</b><li>Innenlevels gelegentlich öde</li><li>kaum Wiederspielwert</li><li>auf dem Schiff wenig los</li>

Wertung

PC