Impossible Creatures - Test, Taktik & Strategie, PC

Impossible Creatures
08.02.2003, Jörg Luibl

Test: Impossible Creatures

Im Dezember waren wir noch Feuer und Flamme, als wir uns die ersten Multiplayer-Duelle in Impossible Creatures (ab 8,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) geliefert haben: innovative Kreaturen-Schöpfung, bequeme Bedienung, tolle Grafik. Ob das bizarre Echtzeit-Strategiespiel aus dem Hause Relic Entertainment auch Einzelspieler so stark in seinen Bann ziehen kann, dass der Award fällig wird, erfahrt Ihr im Test!

1937: Rex Chance wird plötzlich aus seinem Weltenbummler-Dasein gerissen - er erhält eine Nachricht von seinem lange vermissten Vater. Der renommierte Wissenschaftler will Euch auf einer Pazifikinsel treffen. Als Ihr voller Vorfreude landet, gibt es ein böses Erwachen: Bizarre Kreaturen sorgen für Angst und Schrecken.

Vater vermisst, Welt in Gefahr

Wo ist Euer Vater? Und woran hat er geforscht? Schließlich trefft Ihr auf seine Assistentin Lucy Willing, die Euch über die "Sigma-Technologie" aufklärt: Sie ermöglicht die Kreuzung von zwei Tierarten. Das Dumme ist nur, dass der Geldgeber Eures Vaters die Forschung zu üblen Zwecken missbraucht. Ihr müsst ihn aufhalten und mit seinen eigenen Waffen schlagen!

Die Einzelspieler-Kampagne führt Euch etwa 15 Missionen lang von Insel zu Insel. Im spielerischen Klartext heißt das: Kreaturen kreuzen, um sie gegen diverse Bösewichte ins Feld zu schicken. Dazu müsst Ihr herumstreunenden Tieren per Betäubungsgewehr eine Genprobe entnehmen und diese ins Labor bringen. Hier lassen sich im "Biofusionator" dann jeweils zwei Tiere kreuzen, während das Spiel automatisch pausiert wird. Zu Beginn stehen nur Kojoten, Pumas und Stinktiere zur Auswahl. Am Ende habt Ihr die Qual der Wahl zwischen etwa 50 Tieren, darunter die ganze Prominenz der bekannten Fauna: Ameisen und Ratten sind genau so vertreten wie Frösche, Wölfe, Haie, Eulen oder Elefanten. Jedes Tier hat Grundwerte wie Gesundheit, Angriff, Verteidigung oder Schnelligkeit.

Tierischer Baukasten

Das Faszinierende daran ist, dass Ihr teilweise bis zu sieben Körperteile austauschen könnt: Vom Kopf über die Beine bis hin zu Schwanz, Flügeln oder Scheren. Und weil manche Gliedmaßen mit Spezialeigenschaften wie Sturmangriff, Gift oder Eingraben verknüpft sind, lassen sich die skurrilsten Kreaturen erschaffen.

Aus Widder und Hummer entsteht z.B. eine schwimmende Festung, die Barrieren durchbricht. Mit dem Kopf eines weißen Hais lässt sich zwar ordentlich zubeißen, aber der eines Kojoten verschafft Euch eine erhöhte Wahrnehmung, so dass Ihr versteckte Wesen entdecken könnt - die Kombinationsmöglichkeiten sind schier unerschöpflich! Ein sehr schönes Tutorial erläutert das Ganze Schritt für Schritt.

Den erzählerischen Rahmen bilden Zwischensequenzen in Spielgrafik sowie Schwarz-Weiß-Collagen, die ein wenig daran erinnern, dass hier die Homeworld-Macher am Werk waren. Im Gegensatz dazu ist die Atmosphäre in Impossible Creatures aber locker und witzig, aufgebaut durch zahlreiche süffisante Dialoge zwischen Rex, Julia und den Einheimischen.

Komödie oder Tragödie?

Der Humor der Zwischensequenzen sorgt zwar dafür, dass man schmunzelnd zum nächsten Auftrag übergehen will, aber die düsteren Collagen bauen plötzlich doch noch eine bedrohliche Kulisse auf - ein Stilbruch, der überhaupt nicht zu den Dialogen, den überzogenen Charakteren und dem comicartigen Design der Spielwelt passt. Und genau hier bekomme ich als Spieler Probleme mit der Story, die mich einfach nicht packen kann, weil sie ständig zwischen Komödie und Tragödie schwankt. Age of Mythology und WarCraft III waren dramaturgisch konsequenter.

Die Aufträge sind zunächst sehr motivierend, denn sie steigern langsam den Schwierigkeitsgrad und führen Schritt für Schritt weitere Tiere und Technologien wie Abwehrturm, Generator oder Genlabor ein. Letzteres ermöglicht die gezielte Aufwertung einzelner Werte wie Angriff, Geschwindigkeit, Lebenspunkte etc. - schöne Sache. Doch mit der Zeit wird die Jagd nach neuem Gen-Material und die Zerstörung gegnerischer Basen recht eintönig, weil erstens die Story nicht in Schwung kommt und zweitens spannende Sonderaufträge fehlen, die ähnlich wie in WarCraft III die Spezialfähigkeiten der Kreaturen deutlicher in den Vordergrund stellen - z.B. das Eingraben oder den Sturmangriff. So gehen die 24 Fähigkeiten leider etwas unter.

Spielerisch bietet Impossible Creatures Standardkost: Basis ausbauen, Ressourcen (Kohle, Strom) ernten, Technologien entwickeln und eine Armee bilden, die den Feind angreift. Für den Kampf lassen sich die Kreaturen aggressiv, passiv oder territorial einstellen. Sehr hilfreich ist auch die Option, auf dem Weg zum Ziel alles anzugreifen. Auch die Bedienung bietet allen Genre-typischen Komfort - von der Lassomethode über die Gruppenbildung bis hin zu Patrouillen und Wachaufgaben.

Spielstruktur & Bedienung

Mit der Tabulator-Tatse lässt sich übrigens ähnlich wie bei WarcCraft III zwischen den Typen innerhalb einer Gruppe umschalten, so dass man die Spezialattacken besser einsetzen kann. Nur eine automatische Scout-Option wird vermisst. Formationen fehlen zwar auch, aber meist stellen sich Fernkämpfer automatisch hinten auf. Sauer stößt allerdings auf, dass Nahkämpfer manchmal von den Fernkämpfern nicht durchgelassen werden.

Ein großes Lob gebührt Relic für die Spielbalance, denn das einseitige Bauen von reinen Kampfmonstern à la Elefantentiger oder Walnashorn birgt Nachteile: Erstens kosten solche Brummer wesentlich mehr Ressourcen, und zweitens ist jede Kreatur einem Forschungslevel von 1 bis 5 zugeordnet, der im Laufe des Spiels erst freigeschaltet werden muss. Ein mächtiger Elefantentiger mit Level 5 kann also erst sehr spät eingreifen.

Multiplayer-Zoo

Habt Ihr eine gute Mischung gefunden, könnt Ihr Eure Truppe übrigens noch prüfen lassen: Der Armee-Ratgeber listet die Vor- und Nachteile Eurer Zusammenstellung auf und macht auf Schwächen aufmerksam, wie z.B. das Fehlen von Flugeinheiten oder Level 3-Kreaturen; eine sinnvolle und praktische Hilfe, um die Übersicht zu wahren. Und wer zu faul zum Basteln ist, kann auf vorgefertigte Armeen mit bestimmten Stärken (Nahkampf,Luftangriffe etc.) zurückgreifen - klasse Service.

Die Grafik-Engine hinterlässt einen sehr guten Eindruck - allerdings ohne die detailverliebte Brillanz von Age of Mythology zu erreichen. Ihr könnt stufenlos in die 3D-Welt zoomen, die mal aus arktisch verschneiten, gemäßigten oder karibisch sonnigen Inseln besteht.

Auf dem Multiplayer-Schlachtfeld stehen Euch dann lediglich drei Varianten zur Verfügung: Basis zerstören, Labor zerstören oder Rex töten - eine Art Königsmord wie aus Age of Kings bekannt, der zusätzliche Spannung bringt.

Inselpanorama

Das Terrain wechselt harmonisch von sanften Höhenzügen hin zu Schluchten; die Texturen sind gut, ohne jedoch zu begeistern. Bäume und Gras bewegen sich zwar nicht, auch Fußspuren gibt`s keine, aber dafür eine Brandung an der Küste. Wellen und Wasser können -wie gesagt- nicht an das beeindruckende Age of Mytholgy-Nass anknüpfen.

Der comicartige Stil lässt die menschlichen Figuren zwar auf den ersten Blick etwas klobig aussehen, aber dafür stimmen Animation und Charakterdesign. Vor allem die vielen Tiere laden zum Hingucken ein, wenn sie mit den unmöglichsten Gliedmaßen umherstreifen. Nur im Multiplayer-Modus gibt es bei hohem Einheitenaufgebot nervige Ruckler.

Sehr ansehnlich sind auch die Licht- und Partikeleffekte im Kampf wie die gelb wabernde Stinkwolke oder der Stachelangriff. Zum Besten, was ich bisher im Genre gesehen habe, gehört die durchgestylte Benutzeroberfläche, die edel designt und übersichtlich strukturiert ist sowie hilfreiche Pop-Up-Texte und nützliche Tabellen liefert.

Musikalisch ist Impossible Creatures über jeden Zweifel erhaben: Passend zu den 30ern läuft im Hintergrund Swing, der mit seinen lockeren Rhythmen optimal zum Humor des Spiels passt. Sobald die Zwischensequenzen laufen, gibt`s heroischere Melodien. Sehr gelungen ist zudem die Soundkulisse, denn jedes Tier macht mit speziellen Lauten auf sich aufmerksam. Besonders lustig ist die Mischung aus Schluckauf und Gackern von Kojoten-Kreuzungen.

Let`s swing!

Und last but not least verdient auch die Lokalisierung ein dickes Lob, denn die deutschen Stimmen überzeugen bis auf wenige Ausnahmen auf ganzer Linie.

Fazit


Impossible Creatures hinterlässt sowohl Erstaunen als auch Ernüchterung. Die Faszination geht ganz klar von der Kreaturen-Schöpfung aus: Ich kann in akribischer Vorbereitung meine ganz persönliche Armee zusammenstellen, um ihre Schlagfertigkeit gegen KI oder Freunde zu testen - und es gibt einen schier unerschöpflichen Spielraum an Möglichkeiten! Dieses Baukastensystem bietet wohltuende Abwechslung vom sonstigen Armee-Einerlei und bringt frischen Wind ins Genre. Nach dem innovativen Vorspiel tischen die Homeworld-Macher jedoch Standardkost aus Ressourcenabbau, Forschung und Kampf auf. Die Grafik ist ansehnlich, die Benutzeroberfläche sogar erstklassig. Schwerer wiegt, dass die Kampagne trotz guter Ansätze nicht mit den Vorzeigetiteln der Ensemble Studios oder Blizzard mithalten kann - weder dramaturgisch noch spielerisch. Die Entwickler wollten Humor und Ernst unter einen Hut bringen, lassen die Atmosphäre aber wankelmütig zwischen Komödie und Tragödie schwanken. Trotzdem sollten Genre-Fans zugreifen, denn der Multiplayer-Modus garantiert noch lange nach dem Inselspringen abgedrehte Schlachten zwischen Flugorillas und Kojoteulen!

Pro

  • <li>gutes Tutorial</li><li>witzige Dialoge</li><li>Multiplayer-Spaß</li><li>hilfreiche Statistiken</li><li>sehr gute Spielbalance</li><li>ansehnliche 3D-Grafik</li><li>coole Sounds & Musik</li><li>durchgestyltes Interface</li><li>sehr gute Lokalisierung</li><li>einwandfreie Steuerung</li><li>innovatives Kreaturenbasteln</li>

Kontra

  • <li>gelegentliche Abstürze</li><li>Kampagne durchschnittlich</li><li>inkonsequente Dramaturgie</li><li>kleine Wegfindungsprobleme</li><li>Ruckler bei hoher Einheitenzahl</li><li>echtzeitstrategische Standardkost</li>

Wertung

PC