Cold Zero - The Last Stand - Test, Action-Adventure, PC

Cold Zero - The Last Stand
11.03.2003, Paul Kautz

Test: Cold Zero - The Last Stand

Was Sam Fisher kann, kann John McAffrey schon lange: im Schutze der Dunkelheit an Gegner heranpirschen und sie lautlos aus dem Verkehr ziehen. Doch im Gegensatz zum Clancy-Agenten darf der gute John jederzeit auch einen Heidenlärm veranstalten, ohne dass eine ominöse Hintergrundfigur dem Einhalt gebietet - Cold Zero lädt Taktiker und Shooter-Freunde gleichermaßen ein.

Wie das Leben so spielt: Ein einziger, dafür kapitaler Fehler verändert das Leben von John McAffrey nachhaltig. Als Scharfschütze einer Polizei-Sondereinheit erwischte er vor langer Zeit versehentlich eine Geisel. Job verloren, Ansehen gleich Null und die kurz darauf gegründete Privatdetektei ging ebenso schnell mangels Kundschaft den Bach hinunter. Doch John startete einen neuen Versuch und hangelt sich jetzt mit seiner reizenden Sekretärin Jane von einem kleinen Auftrag zum nächsten. Die Lage ist finster, doch angesichts der kommenden Ereignisse würde sich John wohl manchmal wünschen, lieber am Boden geblieben zu sein.

Das Leben des John

All dies erfahrt Ihr aus dem exzellent animierten und mit fetziger Musik unterlegten Renderintro, das Euch ohne große Umschweife ins stilvolle Hauptmenü bringt: der dreidimensionale Hintergrund ist dem Büro von John und Jane nachempfunden und komplett animiert. Einige Grafik- und Soundeinstellungen, wenige zu merkende Tasten - so soll es sein..

Cold Zero-Frischlingen sei zum hilfreichen Tutorial geraten, in dem Euch ein muskelbepackter Trainer in der hohen Kunst der 3D-Steuerung unterweist. Dabei lernt Ihr auch die Feinheiten des Spiels kennen, etwa wie man Körper mit sich herumträgt - doch dazu später mehr. Sitzt die Kontrolle, wartet schon der harte Feldeinsatz: Jane erzählt Euch von einem Typen, auf den an der Fischverladestelle ein schickes Paar Betonschuhe wartet, und dem eine Rettung nicht ungelegen käme. Also lauft Ihr zuerst in Eurem Stadtgebiet herum, besucht die örtlichen Waffenhändler und Pfandleiher und zischt schließlich zum Einsatzort. Habt Ihr den Mann gerettet und seine Bewacher erledigt, kommen schon neue Probleme: der im Büro wartende »Don«, der seinen Namen nicht umsonst trägt, erzählt Euch, dass der Mann eigentlich den Tod verdient hatte, da er ein übler Drogendealer war, was dem Don wenig in den Kram passte. John bekommt zwei Alternativen offeriert: Entweder hilft er dem Paten in Zukunft bei dem einen oder anderen Auftrag, oder er übernimmt das Probetragen der Betonstiefel.

Ein guter Tag zum Sterben

 

Die vielschichtige Story entfaltet sich erst im Laufe des langen Spiels, aber so viel sei vorab verraten: John bekommt es nicht nur mit der Mafia, sondern auch mit allerlei zwielichtigen Gestalten, eiskalten Killern und einer neuen tödlichen Droge namens »Cold Zero« zu tun. Die Besonderheit des Spiels ist, dass Ihr dabei stets die Wahl habt, entweder waffenstarrend oder mit den Schatten verschmelzend zu spielen, sprich entweder actionorientiert oder eher taktisch zu agieren. Beide Spielvarianten bieten Erfolgserlebnisse, beide haben Vor- und Nachteile. Beispielsweise erhöht die Rambo-Variante den Schwierigkeitsgrad, da Ihr es teilweise mit vielen Gegnern auf einmal zu tun bekommt.

Leichenfledderei

Und obwohl Ihr ohne Blutverlust (vorzugsweise gegnerseitig) kaum durch Spiel kommen werdet, belohnen manche Missionen ein eher friedliches oder vielmehr unauffälliges Vorgehen. Dazu gehört auch, dass Ihr tote Körper aufnehmt und in dunklen Ecken oder Kisten deponiert, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem könnt und solltet Ihr die Taschen Eurer gefallenen Widersacher durchwühlen, was Euch Waffen, Munition, wertvolle Gegenstände oder nutzlosen Plunder einbringt. Derlei gefundene Sachen könnt Ihr dann zwischen den Missionen bei den örtlichen Händlern gegen bare Münze tauschen, die wiederum gegen neue Ausrüstung, bessere Knarren und vieles mehr getauscht werden kann. Dazu zählen beispielsweise auch neue Kleidungsstücke wie ein Matrix-kompatibler langer Ledermantel, der zwar spielerisch wertlos ist, dafür aber umso cooler aussieht.

Das Erledigen der Gegner bringt Euch neben der erwähnten Ausrüstung auch Erfahrungspunkte, die Ihr ab einer bestimmten Anzahl auf neun Eigenschaften und Waffenfertigkeiten verteilten könnt. So ist es im Verlauf des Spiels möglich genauer zu zielen, Euch besser zu tarnen, spezielle Waffen geschickter zu bedienen oder mehr Inhalt im Inventar tragen zu können. Denn Ihr dürft stets nur ein begrenztes Kontingent mit Euch herumschleppen, denn irgendwann hat auch Johns breites Kreuz genug. Das und die eher geringe Größe des Inventars nötigen Euch immer dazu abzuwägen, was sich mitzunehmen lohnt - wertvollere Waffen bringen mehr Geld als beispielsweise zehn identische Pistolen.

Viel sinnvoller sind beispielsweise ein Tarnhemd in der Wüste oder zusätzliche, verschieden große Medizinkästen, mit denen Ihr Euch (leider nur manuell) heilen könnt.

Waffenlager im Koffer

Apropos Waffen: Euch erwarten mehr als 100 verschiedene Tötungsinstrumente, die von der Rasierklinge bis zur aus CounterStrike bekannten AWP reichen. Zu jeder Waffe gibt es kurze Informationen und meist noch praktische Zusatzartikel wie Schalldämpfer, Magazinerweiterung, Zielfernrohre und vieles mehr. Bei all der Auswahl solltet Ihr jedoch nie das Kaufen von Munition vergessen - was in hitzigen Gefechten schon mal peinlich werden kann, wenn einem plötzlich klar wird, dass man die Patronen für seine wertvolle Desert Eagle vergessen hat. Für manche Aufträge benötigt Ihr spezielle Waffen (etwa ein Messer, um jemanden loszuschneiden). Diese findet Ihr dann aber auf jeden Fall im Level, falls Ihr sie nicht dabeihabt.

Ihr steuert John aus einer isometrischen Ansicht durch die dreidimensionalen Landschaften komplett per Maus, auf Wunsch mit Unterstützung seitens Hotkeys. Mit diesen lassen sich Johns vier Haltungsvarianten besonders schnell umschalten: Schleichen, langsames Gehen, normales Laufen und Rennen. Diese vier Stances wirken sich nicht nur auf Eure Geschwindigkeit, sondern vor allem auch auf den verursachten Lärmpegel aus. Das im kühlen PDA-Stil gehaltene Spiel-Interface zeigt Euch jederzeit, wie gut man Euch sieht, und wie viel Krach Ihr veranstaltet - je mehr von beidem, desto neugieriger werden die Gegnerscharen, die einen einblendbaren Sicht- und Hörkegel haben. Besonders schleichfreudige Spieler schießen also Lampen aus, schleichen sich von hinten an Widersacher oder lenken sie durch einen Steinwurf ab. Unterm Strich sind Eure Feinde nicht eben die cleversten, aber gerade im Rudel hochgefährlich. Nebenbei müsst Ihr auch Euer Technikergeschick unter Beweis stellen, wenn es beispielsweise darum geht, verschlossene Türen zu knacken oder komplizierte Maschinen zu bedienen - je nach Technik-Erfahrung dauert das Lösen solcher Puzzles entsprechend lange. Die meisten der zehn in über 60 Aufträge unterteilten Missionen bieten mehrere Lösungswege und oftmals auch unterschiedliche Fluchtmöglichkeiten.

Neugierige Gegner

Allerdings muss man für die kreativeren Abgänge meistens diverse Nebenaufträge erfüllen, was sich aber natürlich in Sachen Erfahrungsanstieg lohnt. Praktisch in diesem Zusammenhang, dass Ihr jederzeit speichern dürft. Unpraktisch dagegen, dass sich die Ladezeiten auf Systemen unterhalb von 512 MB RAM im Minutenbereich tummeln.

Grafisch wird Cold Zero effektverwöhnte Actiongamer vermutlich auf den ersten Blick abschrecken, doch Taktiker werden Ihre Freude haben: Vorbei sind die verpixelten Tage von 2D-Titeln wie Commandos 2 und Robin Hood, es lebe 3D! Die von Entwickler Drago eigens programmierte Grafikengine zaubert detailreiche Umgebungen und schöne Effekte auf den Bildschirm. Allerdings sind die Charaktere grob geschnitzt, die Texturen etwas verwaschen, die Animationen gelegentlich hoppelnd und Anti-Aliasing täte dem Game sichtbar gut. Doch im Großen und Ganzen wirkt die Optik liebevoll und aus einem Guss. Das Geschehen bleibt auch bei hohen Auflösungen stets flüssig, die Dächer von Gebäuden werden bei Betreten ausgeblendet und nette Spiegeleffekte auf Scheiben oder an Waggons sind schön anzusehen.

Reise um die Welt

Die Grafik lässt sich begrenzt zoomen und kippen, dafür aber frei drehen, so dass Ihr Euren Helden und die Umgebung stets optimal im Blick behaltet. Euer Abenteuer führt Euch durch dichte Wälder, düstere Stadtviertel, eine Geisterstadt in Mexico und nach Guatemala. Oft spielt das Geschehen bei Nacht, aber Ihr könnt die Umgebung erhellen, indem Ihr beispielsweise auf Benzinfässer schießt und somit für etwas Licht sorgt - und nebenbei eventuell herumstehende Gegner erwischt. Falls Ihr doch mal die Flucht ergreifen müsst, könnt Ihr Euch praktischerweise in Schächten, unter Autos oder in Häusern verstecken.

Den Überblick behaltet Ihr sehr einfach: eine einblendbare Karte zeigt Euch die Positionen von Freund und Feind, ein Klick auf die Auftragsbeschreibung markiert das Ziel - diese Fenster sind, wie auch Inventar und dergleichen, frei im Bild positionierbar.

Besonders hervorzuheben ist Cold Zeros Akustik: da wäre zum einen die perfekt passende Musik, die stets präsent, aber nicht aufdringlich ist, und von »ruhig« bis »hochdramatisch« alles bietet, was das Herz begehrt. Weiter geht´s mit den abwechslungsreichen Soundeffekten, anhand derer man unter anderem schnell die Waffen allein vom Klang unterscheiden kann.

Harte Kerle, raue Stimmen

Doch das Sahnestück ist die deutsche Sprachausgabe: jede Menge Dialoge werden von professionellen (und größtenteils bekannten) Sprechern vorgetragen (siehe auch hier ), die ganz offensichtlich ihr Handwerk verstehen und dem Spiel den letzten Pfiff verleihen.

Bleibt schließlich noch der Multiplayermodus: In diesem haben bis zu 16 Spieler Gelegenheit, sich auf acht Karten via LAN oder Internet auszutoben - leider gibt es nur drei Spielmodi.

Fazit

Cold Zero kommt zu einem etwas ungünstigen Zeitpunkt: Das Genre des Schleich-Shooters ist mit Hitman 2 und besonders Splinter Cell momentan sehr kompetent vertreten. Doch das spielt eigentlich keine Rolle, denn dank grafischer und spielerischer Eigenständigkeit ist auf dem Siegertreppchen auch noch Platz für John McAffrey. Cold Zero macht Spaß, ist spannend und sieht gut aus. Die herausfordernden Missionen werden Euch eine ganze Weile bei der Stange halten, und dank der offenen Missionsstruktur ist der hiesige Wiederspielwert wesentlich höher als bei den meisten Konkurrenten. Wer sich einmal in die Welt von Cold Zero begibt, wird eine ganze Weile nicht mehr daraus hervorkommen.

Pro

  • <LI>viel Handlungsfreiheit<LI>insgesamt gute Grafik<LI>sehr guter Soundtrack<LI>hervorragende Sprachausgabe<LI>große Waffenauswahl<LI>sehr umfangreich<LI>abwechslungsreiche Umgebungen<LI>interessante Story<LI>viele Extras<LI>interaktive Levels<LI>motivierendes Skill-System<LI>einfacher Einstieg</LI>

Kontra

  • <LI>lange Ladezeiten<LI>Grafikschwächen<LI>mäßige KI<LI>streckenweise unübersichtlich<LI>fummeliges Inventar-Handling<LI>wenig Automatik-Funktionen<LI>kleinere Bugs</LI>

Wertung

PC