Freelancer - Test, Simulation, PC

Freelancer
23.05.2003, Jörg Luibl

Test: Freelancer

Schon die erste spielbare Fassung von Freelancer (ab 12,99€ bei kaufen) hat uns beeindruckt: die filmreife Story, die packende Action und das lebendige Universum verströmten Hitpotenzial. Mittlerweile konnten wir ausgiebig in das Weltraum-Epos abtauchen und selbst die entferntesten Winkel des Alls erforschen. Ob Digital Anvil den hohen Erwartungen gerecht wird und den Award knackt, klärt der Test!

Anschläge aus dem Nichts, politisches Säbelrasseln, mysteriöse Artefakte - irgendetwas ist faul im Universum. Das musste auch Edison Trent erfahren, als kurz vor Abschluss eines lukrativen Deals plötzlich der Weltraumhafen Freeport 7 in die Luft geht. In letzter Sekunde kann sich der freischaffende Abenteurer retten.

Einsamer Held

Abgebrannt, ohne Schiff und mit einer Menge Fragen im Kopf muss er ganz von vorne anfangen. Als ihm eine Spezialagentin einen wendigen Jäger für eine kleine Gefälligkeit anbietet, kann er nicht widerstehen. Doch er gerät schnell in einen unerbittlichen Sog aus Macht, Mord und Intrigen an dessen Ende vielleicht ein Krieg der Sterne lauert.

Was Freelancer in Sachen Story bietet, ist ein Paradebeispiel virtueller Erzählkunst. Selten zuvor hat mich eine Geschichte so gefesselt wie die Odyssee des Edison Trent. In filmreifen Zwischensequenzen werden die vielen Fäden der actionreichen und mysteriösen Handlung gesponnen. Macht Euch gefasst auf ungeahnten Verrat, dramatische Wendungen und spannende Entwicklungen - kein 08/15-Plot, sondern 13 Kapitel lang Nervenkitzel pur.

Hollywood war gestern

Das riesige Universum sorgt mit seinen politischen Fraktionen und der vertrauten Namengebung für einen glaubwürdigen Hintergrund: Wer sich im Rheinland-Sektor herumtreibt wird es z.B. mit Planet Hamburg, Kampfschiff Walküre oder Admiral Schultzky zu tun bekommen. Hinzu kommen amerikanisch, britisch und japanisch angehauchte Nationen. Und die Protagonisten hinterlassen schauspielerisch einen klasse Eindruck, weil sie mit lebensechter Mimik, Gestik und guten Dialogen unterhalten.

Abseits der filmreifen Inszenierung stellt sich allerdings schnell Langeweile ein, weil die Aufträge alle gleich ablaufen: einen Kriminellen fangen oder töten, eine Bande Gesetzloser vernichten, Material oder Basen zerstören. Es gibt auch keine richtigen Dialoge, keine Antwortenauswahl, sondern nur die Annehmen- oder Ablehnen-Möglichkeit. Das ist auf lange Sicht einfach zu wenig, um zu unterhalten.

Schwache Nebenquests

Zu verschmerzen wäre es, wenn die kleinen Scharmützel ab und an Einfluss auf die Story hätten, oder wenigstens eigene Geschichtchen anreißen oder Charaktere beleuchten würden. Aber es gibt einfach keine wirklichen Nebenquests, was die Faszination des riesigen Universums wieder relativiert und vor allem nach dem ersten Durchspielen an der Motivation zehrt.

Auch wenn die Joystick-Fraktion meckern wird: die Maus-Tastatursteuerung ist intuitiv und komfortabel. Mit dem kleinen Nager könnt Ihr Euer Raumschiff sehr gut manövrieren, strafen oder Lasersalven abgeben, während über die Tastatur Schub, Andocken, Waffensysteme oder Infos aktiviert werden - Shooter-Fans werden sich sofort heimisch fühlen.

Intuitive Action

Aufgrund der zahlreichen Waffen, die alle unterschiedliche Wirkung haben, kommt noch eine taktische Note hinzu: Bestückt Ihr Euer Schiff z.B. nur mit einfachen Lasern, seid Ihr gegen Plasmaschilde machtlos. Außerdem gibt es Raketen mit hoher Durchschlagskraft, aber dafür mäßiger Zielerfassung und umgekehrt. Hinzu kommen Minen, Raketen-Abwehrdronen, diverse Schilde- und Schub-Aggregate. Alle Waffensysteme werden übrigens sofort auf den etwa 30 verfügbaren Raumschiffen angezeigt - genau so wie Beschädigungen an Tragflächen oder Rumpf.

Obwohl das Ganze leicht von der Hand geht, verlangen die Echtzeit-Kämpfe volle Konzentration, denn nebenbei muss man feindlichen Raketen ausweichen, seinen Schild und die Schiffsenergie im Auge behalten und notfalls Reparaturen einleiten.

Die komfortable Bedienung wird im Weltraum fortgeführt: Das Design der Infofenster ist blitzsauber und übersichtlich. Entweder fliegt Ihr in der Cockpit-Perspektive oder der Außenansicht. Ihr könnt schnell Flugrouten planen, die entsprechenden Wegpunkte oder Wurmlöcher im All anwählen und diese automatisch anfliegen. Wollt Ihr irgendwo landen, reicht ebenfalls ein Tastendruck und Euer Gleiter schwenkt Richtung Andockstation. Natürlich lässt sich das Universum auch komplett manuell erforschen - das Wegpunktesystem ist nur eine Hilfe.

Universum im Detail

Freelancer bietet nicht nur eine riesige Spielwelt, sondern auch jede Menge nützliche Daten: Ihr könnt Euch über den Newsticker der Bars politisch auf dem Laufenden halten und während des Fluges Infos zu allen Raumschiffen und Planeten abrufen. Zudem informieren Euch zahlreiche Statistiken über besuchte Planeten, besiegte Feinde und natürlich Euren Status.

Der wird ähnlich wie in Rollenspielen in Levels berechnet, nur dass Ihr anstatt der Erfahrungspunkte fleißig Credits sammeln müsst. Alles, was Ihr besitzt gehört dazu: Raumschiff, Ausrüstung, Geld. Die einzelnen Kapitel der Story werden erst dann fortgeführt, wenn Ihr eine bestimmte Stufe erreicht habt.

Auf den Planeten wechselt man bequem von der Bar zum Händler oder Ausrüster, wo eine 3D-Kulisse samt animierter NPCs auf Euch wartet. Hier könnt Ihr Euch zwar nicht frei bewegen, aber mit wenigen Klicks Euer Schiff reparieren, aufrüsten oder lukrative Missionen annehmen. Alle sind mit einem Schwierigkeitsgrad und dem Lohn in Credits versehen, so dass man schnell den Kosten-Nutzenfaktor im Blick hat.

Gute Auftragslage

Und je nachdem, wie Ihr Euch verhaltet, welche Aufträge Ihr ablehnt oder durchführt, ändert sich die Einstellung von über ein Dutzend Parteien, Gilden und Konzernen zu Euch. Habt Ihr die Kopfgeldjäger verärgert, werdet Ihr in der Bar auf kalte Ablehnung stoßen.

Auch der Handel kann lukrativ sein. Allerdings braucht man für wahren Profit ein Frachtschiff mit viel Platz und sehr viel Geduld. Denn die großen Gewinne werden nur nach langen Reisen durchs All erzielt, die schon mal über ein Dutzend oder mehr Wegpunkte benötigen. Abgesehen von der langen Reisezeit ist die Gefahr durch Überfälle immer akut, denn zahllose Kriminelle patrouillieren bevorzugt in der Nähe bekannter Handelsrouten.

Freelancer ist eine interstellare Augenweide. Trotz der riesigen Spielwelt, die immerhin an die 150 Planeten umfasst, gibt es unheimlich viele Details, die zum Erkunden einladen. Die Grafikdesigner haben die Eigenheiten der einzelnen Sektoren sehr gut herausgearbeitet: Jedes Sonnensystem unterscheidet sich schon in der Farbwahl - es gibt saftig grüne, staubig braune oder eisig weiße Planeten.

Plantenglanz

Vor allem die verschiedenen Asteroiden-, Smog- und Nebelfelder sorgen mit ihrer Partikeldichte für ein beklemmendes Gefühl im sonst so weiten Weltraum. Es ist hier so undurchsichtig und trübe, dass man sich eher wie in einem U-Boot als im Raumschiff fühlt.

Sobald man die interstellare Brühe verlässt, wird das Auge wieder mit Weitsicht bis zum nächsten Planeten, einer Vielzahl an Raumschiffen und leuchtenden Basen verwöhnt. Und wenn man an die Jumpgates andockt, darf man sich auf einen Geschwindigkeitsrausch in gleißenden Lichtröhren freuen. Dass das alles ohne großen Hardwarehunger genießbar ist, macht es gleich doppelt so schön.

Aber auch Ihr werdet zwischendurch immer wieder von Polizei und Militär kontaktiert und auf Schmuggelware durchsucht. Und zur Höchstform läuft der Funkverkehr im Kampf auf, wenn Euch schon vor der ersten Salve Flüche entgegen geschleudert werden oder Feinde mit einem Schrei der Verzweiflung ins Jenseits rasen. Und warum die deutsche Lokalisierung sowohl in Sachen Sprecher als auch Textübersetzung vorbildhaft ist, klärt unser Special !

Leben im Ohr

Musikalisch ist Freelancer über jeden Zweifel erhaben. Es gibt fetzige StarWars-Sounds im Kampf und epische Melodien auf der Reise, die je nach Situation an Rasanz gewinnen.

Ein atmosphärisches Highlight ist zudem der lebendige Funkverkehr: Ihr könnt jeden Jäger, jeden Frachter und Gesetzlosen anfunken. Im besten Fall erklärt man Euch sogar Sinn und Zweck der Reise.

…ist immer, denn trotz aller lobenswerten Features mussten die Entwickler der Größe des Spiels Tribut zollen: In den Bars und Hangars der 150 Planeten werdet Ihr zwar auf 2000 NPCs mit eigenen Namen treffen, aber schon nach wenigen Spielstunden bemerkt man oft dieselben Gesichter, die es in ein paar männlichen und weiblichen Variationen gibt.

Ein bisschen Schwund…

Der Multiplayer-Modus ermöglicht Spiele mit bis zu 64 Teilnehmern. Ihr könnt z.B. mit Freunden kooperativ Aufträge annehmen, oder zusammen eine kleine Flotte aufstellen - einer fliegt die Handelsfregatte, die anderen die Jäger-Eskorte. Hier spielt Ihr quasi den Einzelspielermodus ohne Hauptquest. Natürlich sind auch Gefechte gegeneinander möglich. Allerdings fehlen spezielle Multiplayer-Modi wie "Deathmatch" oder eigens kreierte Arenen.

Auch die Innenräume weisen viel Standardarchitektur auf. Noch auffälliger sind die akustischen Wiederholungen bei der ersten Ansprache. Die Figuren leiern immer dieselben Begrüßungsfloskeln runter - Überraschungen sind Fehlanzeige.

Multiplayer

Fazit


Hut ab, Digital Anvil! Freelancer spielt sich leicht und fesselt schwer: Intuitive Bedienung, packende Weltraumgefechte, motivierende Rollenspielelemente und eine Story, die sich vom Intro bis zum Abspann das Prädikat filmreif verdient hat. Ein einziger Genuss ist das Weltraum-Epos aber nur, so lange man der Story folgt. Abseits vom grandios inszenierten roten Faden offenbaren sich kleine Schwächen, die auf lange Sicht die Faszination dämpfen und den Award verwehren: Neben den vielen Sprachwiederholungen enttäuschen vor allem die Nebenaufträge mit erschreckender Monotonie. Wer während oder nach der Hauptstory auf eigene Faust die Welt erkunden will, darf nicht auf lebendige Charaktere oder ausgeklügelte Quests hoffen. Freelancer ist eher ein Action-Epos mit Diablo- als Baldur`s Gate-Charakter. Aber wer sein Raumschiff aufrüsten und Action satt will, wird bestens bedient. Denn das riesige Universum ist ein herrlicher Spielplatz für Händler, Kopfjäger und Abenteurer. Und immerhin gehört die Story zum Besten, was es derzeit auf dem PC gibt!
(Jörg)

Der Wing Commander in mir, der so lange Jahre bitter leiden und dursten musste, ist plötzlich wacher denn je – Freelancer for President! Zwar gab es in den letzten Jahren mit Tachyon und Starlancer auch sehr gute Weltraumshooter, aber Freelancer pusht das Genre mit klasse Grafik, cooler Handlung und der besten Steuerung seit Erfindung des Genres in ganz neue Dimensionen. Zugegebenermaßen habe auch ich anfangs mit schmerzlichem Seitenblick in Richtung Steuerknüppel ob der Maussteuerung die Nase gerümpft, aber schon nach wenigen Spielminuten fragt man sich, wieso es nicht schon immer so gemacht wurde! Freelancer nimmt den Spieler von der ersten Spielminute an gefangen, verliert sich allerdings nach einigen Stunden in etwas unnötigem Leerlauf: es gibt nur wenige Arten von Nebenmissionen, man sieht ständig dieselben Gesichter, erledigt stets gleich Aufgaben, und wartet im Grunde nur darauf, genug Credits zusammenzuklauben, damit die Story weitergeht – da wäre mehr drin gewesen. Außerdem vermisse ich einen »echten« Multiplayermodus mit Deathmatch- und CTF-Möglichkeit. Das Gebotene ist im Grunde nichts weiter als die Einzelspielervariante, aber halt mit echten Menschen – nicht schlecht, aber auf Dauer wenig abwechslungsreich. Doch genug gemosert, denn unterm Strich habt Ihr mit Freelancer den momentan besten Weltall-Shooter – spannend, motivierend und verdammt gut aussehend.
(Paul)

Pro

  • <li>klasse Grafik</li><li>dramatische Story</li><li>intuitive Steuerung</li><li>spannende Hauptquest</li><li>lebendiges Universum</li><li>über 30 Raumschiffe</li><li>lebensechte Mimik & Gestik</li><li>packende Gefechte im All</li><li>viele politische Fraktionen</li><li>schöne Rollenspielelemente</li><li>hervorragende Lokalisierung</li>

Kontra

  • <li>monotone Aufträge</li><li>viele Grafikwiederholungen</li><li>viele Sprachwiederholungen</li><li>keine speziellen Multiplayer-Modi</li><li>abseits der Hauptquest schnell eintönig</li>

Wertung

PC