Crimson Sea - Test, Rollenspiel, XBox

Crimson Sea
02.05.2003, Jens Bischoff

Test: Crimson Sea

Nachdem Koeis mittelalterliches Massengeplänkel Dynasty Warriors 3 auf der Xbox nicht die beste Figur machte, versuchen es die Japaner nun mit einem futuristischeren Setting. Crimson Sea als Dynasty Warriors im Weltraum abzustempeln, wäre zwar etwas voreilig, aber auch in ferner Zukunft scheint an tapferen Einzelkämpfern, endlosen Gegnermassen und unaufhörlich tickenden Kombozählern kein Mangel zu herrschen. Ob wir während unserer Metzgerei im All irgendwelche anderen Mängel entdeckt haben, verrät unser Testbericht.

Natürlich steuert Ihr in Crimson Sea keinen Samurai und begegnet auch keinen feudalen Kriegsherren, sondern Ihr übernehmt die Rolle des gelangweilten Privatdetektivs Sho, der zusammen mit seinem kindlichen Gehilfen Yangqin stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist. Als eines Tages eine genauso geheimnisvolle wie freizügige Unbekannte in die Detektei schneit und die beiden engagiert, einen wertvollen Gegenstand zu besorgen, sollte sich sein Leben allerdings schlagartig ändern. Denn in Sho schlummern übermenschliche Kräfte, die ihn ohne sein Wissens für eine ganz besondere Aufgabe qualifizieren.

Auf Dantes Spuren?

Was zunächst verdächtig nach Devil May Cry klingt, ist allerdings nicht der Auftakt einer gnadenlosen Dämonenjagd, sondern der Beginn einer Gegenoffensive des galaktischen Geheimdiensts IAG, deren Ziel es ist, eine schleichende Invasion mörderischer Aliens zu untersuchen und zu bekämpfen. Das heißt, so schleichend ist die Invasion längst nicht mehr, denn Abertausende Menschen sind den unvorhersehbaren Überraschungsangriffen der extraterrestrischen Eindringlinge bereits zum Opfer gefallen. Nur gut, dass Ihr eine Art Auserwählter mit ungeahnten Kräften sein sollt, der außerirdische Invasoren zum Frühstück verzehrt.Ein Meer aus Gegnern

Doch um diese Kräfte zu wecken, steht Euch noch ein weiter Weg als Normalsterblicher bevor, auf dem Ihr geheimnisvolle Lehrmeister aufsuchen sowie neue Fähigkeiten erwerben und trainieren müsst. Da die Aliens währenddessen nicht tatenlos herumsitzen, solltet Ihr aber auch mit konventionellen Waffen umgehen können. Möglichkeiten diese auszuprobieren gibt es jedenfalls genug. Schließlich wäre Koei nicht Koei, wenn Ihr auf Eurer Reise nicht auf Hunderte angrifflustiger Widersacher stoßen würdet - und das nicht Häppchenweise, sondern natürlich auf einmal. In Crimson Sea versprechen die Japaner sogar Angriffswellen von über tausend Gegnern gleichzeitig. Keine Frage, dass solchen Mengen nur mit entsprechendem Equipment beizukommen ist.

So besitzt Ihr zwar nur eine Waffe, aber diese lässt sich durch facettenreiches Tuning in nahezu jedes beliebige Modell verwandeln. Im Grunde haltet Ihr ein Gewehr mit Bajonett in Händen, das Ihr mit verschiedenen Auf- und Einsätzen schnurstracks in einen Elektroschocker, ein Maschinengewehr, eine Schrotflinte bzw. einen Granat- oder Raketenwerfer umbauen könnt.

Praktische Allzweckwaffe

Je nach Schusswaffenmodell ändert sich dabei auch der mitgelieferte Klingenaufsatz. Auch Attribute wie Reichweite, Durchschlagskraft, Geschwindigkeit, Verbrauch und Kapazität lassen sich mit entsprechenden Bauteilen frisieren. Die Möglichkeiten sind jedenfalls vielfältig und die Unterschiede teils gravierend, weshalb Ihr dem Waffenverkäufer immer wieder einen Besuch abstatten solltet.

Zudem lässt sich durch häufigen Einsatz die Effizienz einzelner Waffenbauteile steigern. Das Gleiche gilt auch für Eure nach und nach verfügbaren Psi-Kräfte wie Schutzschilde, Heilungen oder Schockwellen. Ihr selbst könnt hingegen keine Erfahrung sammeln. Psi- und Lebensenergie steigen im Verlauf des Spiels aber dennoch automatisch an bzw. lassen sich durch teure Injektionen auch manuell anheben. Hin und wieder können auch Psi-Kräfte durch bare Münze gesteigert werden, doch Geld habt Ihr leider eher selten übrig. Es sei denn Ihr schließt alle Aufträge mit Auszeichnung ab und erweist Euch auf dem Schießstand als wahre Präzisions- oder Metzel-Koryphäe. Die Missionsfolge ist übrigens nicht immer fest vorgegeben und gibt Euch so eine gewisse Handlungsfreiheit.

Erfahrung und Geld

Die insgesamt 24 Einsätze auf sechs sehr unterschiedlichen Planeten gestalten sich dabei überraschend abwechslungsreich. Mal müsst Ihr einfach nur irgendwelche Gegenstände finden oder Zielorte erreichen, ein andermal gilt es eine Stellung zu halten oder einen bestimmten Gegner auszuschalten. Außerdem wollen wieder wichtige Personen gerettet oder unter Eurem Geleitschutz eskortiert werden. Der Spielablauf selbst gestaltet sich aber dennoch relativ eintönig, denn egal, welche Aufgabe Ihr nebenbei zu erledigen habt, die meiste Zeit lauft Ihr einfach nur metzelnd und ballernd durch relativ öde Locations, macht hin und wieder von Euren Psi-Kräften Gebrauch und löst allenfalls primitive Schlüsselrätsel. Nachdenken müsst Ihr dabei eigentlich nie, lediglich eine gute Orientierung ist von Vorteil, denn die kombinierte Radar- und Kartenfunktion ist genauso eigenwillig wie unübersichtlich.

Abwechslungsreiche Aufgaben

Zum Aufspüren der Gegner ist aber auch ein gutes Gehör sowie eine Dolby-Digital-fähige Surround-Anlage von Vorteil. Zwar sind die Levels nicht allzu komplex, aber die Feinde sind recht mobil, teilweise sogar mit Tarnmechanismen ausgestattet und können sich jederzeit und überall ohne Vorwarnung materialisieren. In der Regel ist das Auffinden von Gegnern und Erzielen schwindelerregender Kombos aber kaum ein Problem, es sei denn Ihr steht unter Zeitdruck. Wo zum Teufel ist Mohammed Said al-Sahaf?

Problematische Zielerfassung

Beim Erledigen der außerirdischen Gegnerscharen werdet Ihr übrigens von einer komfortablen, wenn auch nicht immer optimal funktionieren Zielautomatik unterstützt. Auch manuelles Anvisieren ist möglich, obwohl man dazu nur selten Zeit hat und aufgrund der nicht vorhandenen Zielumkehrung intuitiv immer wieder in die falsche Richtung zielt.

Ansonsten ist die Steuerung jedoch recht handlich und macht nur selten Zicken. Ganz im Gegensatz zur Kamera, die leider nicht immer das anzeigt, was sie eigentlich sollte und sich auch durch manuelle Justierung nicht immer bändigen lässt. Dadurch wird der Schwierigkeitsgrad schon auf der Standardstufe recht anspruchsvoll. Und während Arcade-Profis gleich zu Beginn auch einen extraschweren Modus aktivieren dürfen, müssen Gelegenheitsschützen eine leichtere Stufe durch wiederholtes Sterben erst freischalten. Freischalten lassen sich im Übrigen auch Gegnerprofile, Glossareinträge sowie sehenswerte Render- und Echtzeitsequenzen, in denen vor allem das attraktive, an Final Fantasy X erinnernde Charakterdesign zur Geltung kommt.

Kamera auf Abwegen

Dass die Charaktere dabei nur Englisch sprechen und lediglich deutsch untertitelt wurden, ist angesichts der meist hervorragenden Sprecher kein Nachteil. Ansonsten ist die Soundkulisse eher unauffällig, im Großen und Ganzen aber recht ordentlich. Ähnliches gilt auch für die optische Präsentation. Dafür, dass sich Unmengen an Gegnern und Projektilen auf dem Bildschirm tummeln, ist die Grafik erstaunlich flüssig und die Sichtweite im Vergleich zu den vernebelten Dynasty-Warriors-Brüdern tadellos.Abstriche müssen hingegen bei Texturen und Effekten gemacht werden. Auch die Animationen wirken teilweise etwas steif und die Interaktionsmöglichkeiten mit der meist tristen Umgebung beschränken sich auf ein Minimum. Durch die schiere Anzahl an Gegnern und die teils pompösen Zwischengegner wird man allerdings wieder ein stückweit entschädigt.

Solide Präsentation

Hinzu kommt, dass man nicht immer nur als tapferer Einzelkämpfer in die Schlacht zieht, sondern je nach Mission auch auf die Unterstützung von bis zu fünf CPU-gesteuerten Mitstreitern mit passabler KI bauen darf. Aussuchen dürft Ihr Euch diese zwar nicht, aber durch Festlegen der Angriffsformation könnt Ihr immerhin Einfluss auf den Wirkungsbereich Eurer Teamkollegen nehmen. Und bei Kampfhandlungen seid Ihr auch für deren Gesundheit verantwortlich. Marschbefehle oder ähnliches könnt Ihr Ihnen jedoch keine erteilen. Interessant wäre es ebenfalls gewesen, neben den eigenen auch die Waffen seiner Kameraden modifizieren zu können. Aber letztendlich ist Crimson Sea kein Taktik-, sondern ein Arcade-Shooter, dem zu viel Tiefgang vielleicht sogar geschadet hätte. Nicht geschadet hätte hingegen ein kooperativer Zwei- oder gar Vier-Spieler-Modus, für den das unkomplizierte und actionreiche Spielprinzip gerade auf lange Sicht gesehen eigentlich prädestiniert gewesen wäre. Denn der Wiederspielwert ist trotz zusätzlicher Schwierigkeitsgrade und verbesserbarer Rankings eher gering.

Künstliche Kameraden

Fazit


Auch wenn Euch Crimson Sea in die ferne Zukunft entführt, erinnert es immer wieder ans feudale Japan, wie wir es aus der Dynasty-Warriors-Serie kennen: Ihr mäht Euch durch endlos erscheinende Gegnermassen und erledigt nebenbei verschiedene Aufträge. Neben dem regen Einsatz diverser Klingen- und Schusswaffen, könnt Ihr aber auch auf psionische Fähigkeiten zurückgreifen, die wie Eure Waffen mit der Zeit an Erfahrung gewinnen. Hin und wieder dürft Ihr auch ein paar Mitstreiter um Euch scharen, neue Waffenbauteile erwerben oder Psi-Kräfte aktivieren. Aber trotz abwechslungsreicher Missionen, cooler Charaktere und einer durchaus interessanten Story ist das Spielprinzip, das wie eine Mischung aus Dynasty Warriors und Devil May Cry wirkt, auf Dauer etwas eintönig. Zudem sorgen die mitunter hakelige Steuerung, die träge Kamera sowie das eigenwillige Gegnerradar für einen recht hohen Schwierigkeitsgrad. Technisch wird die stets flüssige Alien-Hatz solide, aber weitestgehend unspektakulär präsentiert, was sich vor allem bei den tristen Umgebungen bemerkbar macht. Dafür erwarten Euch imposante Bosskämpfe und es versinkt nicht alles nach wenigen Metern in dichtem Nebel. Wer sich nicht scheut, es mit mehreren hundert Angreifern gleichzeitig aufzunehmen und auch nach zigtausend geplätteten Gegnern noch Freude am Metzeln hat, ist bei Crimson Sea genau an der richtigen Adresse.

Pro

  • <li>interessante Story</li><li>flüssige Dauer-Action</li><li>imposante Boss-Fights</li><li>endlose Gegnermassen</li><li>motivierendes Waffen-Tuning</li><li>abwechslungsreiche Missionen</li><li>strategisches Team-Management</li><li>stimmungsvolles Charakterdesign</li>

Kontra

  • <li>triste Locations</li><li>eintöniges Gameplay</li><li>etwas hakelige Steuerung</li><li>teils zickige Kameraführung</li><li>gewöhnungsbedürftiges Radar</li><li>recht hoher Schwierigkeitsgrad</li>

Wertung

XBox