Winning Eleven 6: Final Evolution - Test, Sport, PlayStation2, GameCube

Winning Eleven 6: Final Evolution
06.05.2003, Jörg Luibl

Test: Winning Eleven 6: Final Evolution

Fußball auf dem GameCube? Zwar gibt es eine ganze Reihe guter Fun- und Arcade-Titel, aber Realismusfans schauen in die Röhre. Neidisch musste man bisher auf die PS2 und Pro Evolution Soccer 2 schielen. Aber wer einen Freeloader besitzt, darf die Sektkorken knallen lassen: Konami hat den Top-Hit ordentlich aufgepeppt für Nintendos Konsole umgesetzt. Warum sich der Japan-Import von Winning Eleven 6 Final Evolution 6 lohnt, verrät der Test!

Einzelspieler stehen aufgrund der japanischen Sprache natürlich vor einem kleinen Dilemma. Insbesondere, wenn man sich in der Meister-Liga beweisen will, sorgen die asiatischen Schriftzeichen trotz fast identischer Menüführung wie in Pro Evolution Soccer 2 (PES2) für Konfusion.

Sprachbarriere

Und bei Spielertransfers fragt man sich abseits der Top-Stars viel zu oft, wen man da eigentlich gekauft hat. Abhilfe schafft da der Editor - allerdings viel Geduld und Zeit vorausgesetzt. Dafür sorgen neue Mini-Spiele im Trainingsbereich mal wieder für Spaß zwischendurch: Egal ob Freistoßübungen oder Hütchen-Dribbeln - Konami hat sich überall was Neues einfallen lassen.

Schon beim Einlaufen und der anschließenden Mannschaftsaufstellung fallen die überarbeiteten Gesichter auf. Vor allem die Star-Spieler wie Ballack, Totti oder Ronaldo sehen ihren Profi-Vorbildern verdammt ähnlich. Und auf dem Platz dürfen sich GameCube-Kicker über schärfere Figuren und ein ansehnliches Arsenal an Animationen freuen, die immer wieder zum Hinschauen einladen: Kopfbälle sehen druckvoller aus, Grätschen echter und Ballannahmen eleganter.Ansehnlich sind auch die neuen Emotionen auf dem Platz: Spieler werden nach misslungenen Aktionen mit Klatschen aufgemuntert, bei Schiedsrichter-Entscheidungen wird wütend abgewunken oder um himmlischen Beistand gefleht und beim Torerfolg brüllen Ballack & Co ihre Freude mit geballter Faust raus. Auch die Zwischensequenzen bei Fouls und Freistößen sind höher aufgelöst. Das Gekicke sieht aus der Distanz und im Detail einfach besser aus als bei PES2. Und laut Konami wurden der GameCube-Fassung etwa 30 Prozent mehr Animationen spendiert als der PS2-Version von WE6 FE.

Aufgepeppte Optik

Komplett neu animiert wurden die Torhüter, die jetzt noch lebensechter zum Ball hechten. Es ist schon beeindruckend, wie viele neue Bewegungsabläufe Konami hier eingebaut hat: Da wird ein Schuss soeben mit einer Hand weggelenkt, nach der Ballsicherung auf Knien Halt gesucht und der Ball nach Ecken wie ein Baby geschützt.

Flieger, grüß mir die Latte!

Neu ist auch, dass die Keeper bei Rückstand gegen Ende des Spiels in den gegnerischen Strafraum rennen, um bei Ecken vielleicht noch den Ausgleich zu erzielen. Ein Knackpunkt ist die Tatsache, dass die Torhüter jetzt immer ziemlich weit draußen stehen - gute Weitschützen können das ausnutzen. Ottmar Schreiner hat Recht!

Spielerisch ist der größte Unterschied zu PES2 im Zweikampfverhalten zu finden: Körpereinsatz ist z.B. so wichtig wie nie und wird optisch spektakulär in Szene gesetzt, indem Laufduelle schon mal zum spurtenden Ringkampf ausarten. Und mit der hinzugekommenen Kameraperspektive, die bei Zweikämpfen richtig nah rangeht, ist man auch optisch mittendrin.

Ran an den Mann!

Überhaupt spielt der Spurt eine größere Rolle, denn wenn ein Neuville oder Owen erst mal seine Höchstgeschwindigkeit erreicht hat - was diesmal realistisch verzögert wurde-, haben Verteidiger wenig Abfangchancen. Insgesamt sorgen Überholmanöver und geschicktes Abdrängen für mehr Intensität auf dem Platz.

Das Ausspielen ist jedoch ähnlich schwierig wie in PES2, denn es gibt keine neuen Dribbelfunktionen - dafür ein paar Verfeinerungen. Immer noch kommt es auf das richtige Timing und den klugen Einsatz der drei ballführenden Stufen an. Insbesondere die mittlere ist nicht mehr so effektiv. Dafür wurde die langsamste Stufe des Dribbelns immens verbessert, so dass man hier den Ball millimetergenau kontrollieren und mit dem Körper abschirmen kann - das sieht klasse aus und kann entscheidende Freiräume bringen. Vor allem, wenn man das Rund kurz vor dem Angreifer ganz stoppt, um dann an ihm vorbeizuziehen. Stars wie Ronaldo oder Zidane steuern sich hier natürlich besonders gut.

Dribbeln für Profis

Bei den Pass- und Schussmöglichkeiten ist auf den ersten Blick alles beim Alten geblieben. Egal ob Kurzpass, Flankenwechsel, Doppelpass, Pass in die Tiefe oder Freistoß - alles gleicht PES2. Mit zwei wichtigen Ausnahmen: Erstens werden die Flanken von der Seite jetzt wesentlich schärfer in den Rücken der Abwehr gezogen, so dass es im Strafraum viel brisanter wird. Denn Kopfbälle sind effektiver und Seitfallzieher öfter zu bestaunen. WE6 FE versprüht in Tornähe einfach mehr Dramatik als PES2. Auffällig ist auch, dass Spezialisten wie Beckham viel gefährlicher flanken als Durchschnittsspieler, die die scharfe Ballkurve erst gar nicht hinkriegen.

Flankengott gesucht!

Es sei denn, man steuert Top-Schützen wie Rivaldo oder Ballack, die das Rund selbst bei schwierigem Anspiel elegant stoppen und schon mal aus 25 Metern in den Winkel jagen - viel Übung und Freiraum vorausgesetzt. Einfacher bzw. intuitiver sind dafür die Freistöße, die jetzt etwas öfter im Netz landen. Insgesamt fühlt sich das Leder einfach echter an.

Und zweitens sorgt die leicht veränderte Ballphysik für ein neues Schuss- und Passgefühl. Meiner Meinung nach sind weite Flanken deutlich besser, effektive Schüsse aus der zweiten Reihe hingegen etwas schwerer als bei PES2 einzusetzen.

Die Schiedsrichter-KI zeigt sich leicht überarbeitet: Zwar gibt es immer noch zu viele Fehlentscheidungen, aber dafür wird z.B. bei Grätschen, die eindeutig auf den Ball gehen, weniger oft Foul gepfiffen. Ein besonderer Leckerbissen sind die neuen Statistiken, die viel umfangreicher über das Spielgeschehen informieren: Spieler werden detailliert von 1 bis 10 Punkten bewertet, Pass- und Schussgenauigkeit angezeigt, Laufwege optisch dargestellt und schließlich der beste Mann des Tages gekürt.

Pfiffe, Daten, Taktik

Die Kader der Liga- und Nationalteams wurden übrigens alle aktualisiert, so dass z.B. Frings beim BVB kickt und Rivaldo beim AC Mailand das Mittelfeld beherrscht. Nimmt man die neuen Taktikoptionen hinzu, die jetzt z.B. zwischen Verhalten bei Ballbesitz und ohne unterscheiden, zeigt sich WE6 FE deutlich verbessert.

Sehr skeptisch war ich gegenüber der GameCube-Steuerung und sie bleibt im direkten Vergleich aufgrund des Controller-Designs auch leicht hinter der PS2-Steuerung zurück. Die Schultertasten und die Z-Taste erreichen nicht den Komfort des Sony-Pendants. Doch die Unterschiede halten sich in Grenzen und können den Spielspaß nicht dämpfen. Denn schon nach wenigen Begegnungen hat man sich an das sehr gut belegte Pad gewöhnt, das im Spielmenü auch nach Belieben konfiguriert werden kann. Auch der Einsatz des gelben Sticks als Pass- und Schussalternative ist gelungen. Insgesamt bin ich positiv überrascht, denn der Spielaufbau läuft mit der Zeit ähnlich intuitiv wie auf der PS2.

GameCube-Steuerung

Aber auch der GameCube muss mit den technischen und akustischen Schwächen leben, an der schon die PS2-Version krankte: Da wären zum einen die Ruckler, die ab und an für Murren sorgen; das muss mit dieser Hardware wirklich nicht sein! Auch die Akustik erreicht bei weitem nicht die Gänsehaut-Kulisse von FIFA 2003 - euphorische Fangesänge und begeistertes Raunen hätten viel markanter inszeniert werden müssen. Hier bietet auch ISS 3 mehr Atmosphäre.

Alte Macken

Immerhin lässt sich erneut das Zuschauerverhalten einstellen, so dass die Aktionen des Auswärtsteams mit Pfiffen quittiert werden. Auch die Stadionkulisse zeigt sich mit hässlichen Pappaufstellern und ödem Zuschauerbrei bekannt dürftig. Die japanischen Kommentatoren liefern mal wieder einen gewohnt professionellen Job ab - mal nüchtern, mal emotional. Man weiß eben nur nicht, ob sie sich über Gemüse oder Fußball ereifern.

Fazit

An alle Fußballfreaks mit Freeloader: Kaufen, kaufen, kaufen! Der Titelzusatz "Final Evolution" ist wörtlich zu verstehen ist, denn diese Fassung wurde optisch und spielerisch so deutlich verbessert, dass ich Pro Evolution Soccer 2 gar nicht mehr anfasse. Mit den neuen und verfeinerten Bewegungen, den zusätzlichen Statistiken sowie der klasse überarbeiteten Ballphysik wurde der PS2-Hit konsequent aufgewertet. Dieses Winning Eleven vermittelt einfach ein intensiveres Spielgefühl, packendere Zweikämpfe und mehr Dramatik. Zwar hinkt man im Bereich der Fankulisse und -gesänge immer noch weit hinter FIFA 2003 her und auch die Ruckler stören, aber auf dem Platz ist Spielspaß pur angesagt. Wer einen GameCube besitzt und Fußball mag, wird den Import nicht bereuen.

Pro

  • <li>klasse Animationen</li><li>neue Taktikoptionen</li><li>verfeinertes Dribbling</li><li>gefährlichere Flanken</li><li>verbesserte Ballphysik</li><li>aktualisierte Spielerdaten</li><li>authentisches Spielgefühl</li><li>neue Kameraperspektiven</li><li>viele Liga- und Cup-Wettbewerbe</li><li>neue Trainingsspiele & Statistiken</li><li>komplett neue Torwart-Bewegungen</li>

Kontra

  • <li>japanische Texte</li><li>ab und an Ruckler</li><li>mäßige Zuschaueroptik</li><li>wenig packende Fan-Kulisse</li>

Wertung

GameCube

Holt euch den Freeloader und importiert dieses Spiel - es gibt nichts Besseres auf dem GameCube!