Fluch der Karibik - Test, Action-Adventure, XBox, PC, PlayStation2

Fluch der Karibik
08.08.2003, Bodo Naser

Test: Fluch der Karibik

In Fluch der Karibik (ab 29,95€ bei kaufen) nach dem gleichnamigen Disney-Piratenfilm könnt Ihr unter südlicher Sonne als verwegener Freibeuterkapitän Karriere machen. Neben dem Aufbringen, Entern und Ausplündern von Segelschiffen dürft Ihr immer wieder auch spannende Quests lösen, bei denen Ihr Euch von der mehr oder minder galanten Seite zeigen könnt. Wir haben uns für Euch durch die Eilande gefochten und unsere recht zwiespältigen Erfahrungen in einem Testbericht zusammengefasst.

"Grey Rock Bay auf Oxbay, den 14. April 1630: Alles hat eigentlich ganz harmlos angefangen! Als wir an einem wunderschönen Morgen zum Verkauf einiger Säcke Kakao im britischen Hafen von Oxbay angelegten, musste ich leider meinen treuen Maat in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden. Freilich nicht ohne ihm vorher einige hilfreiche Tipps abzuringen! Nachdem ich meine Mannschaft mit tüchtigen Matrosen aufgefrischt, die Takelage repariert und ein nagelneues Fernrohr erstanden hatte, musste ich beim Ablegen in Richtung Redmond feststellen, dass französische Truppen den Hafen im Handstreich nahmen..."

Aus dem Logbuch eines Seeräubers

"Im Hafen von Redmond angekommen, habe ich natürlich sofort unseren durchlauchtigsten Gouverneur von der infamen Invasion der Franzosen informiert. Dieser Halsabschneider hatte jedoch nichts Besseres zu tun, als mich doch glatt dazu zu verdonnern, für die englische Krone die eben besetzte Kolonie auszuspionieren! Was hätte ich denn tun sollen!? Jetzt habe ich meinen Logger hier in der einsamen Bucht festgemacht, um mich durch den Dschungel in die Stadt einzuschleichen. Hoffentlich wird der Kampf mit den französischen Wachsoldaten nicht all zu heftig. Und als ob das nicht schon reichen würde, wimmelt das Eiland auch noch von bewaffnetem Gesindel..."

Im Auftrag seiner Majestät

Das ist nicht etwa die Story von Guybrush Threepwoods neuestem Abenteuer. Nein, so beginnt die Hauptstory von Fluch der Karibik, das eigentlich Sea Dogs 2 heißen müsste. Inhaltlich hat es nämlich wenig mit dem gleichnamigen Disney-Seeräuberfilm mit Johnny Depp in der Hauptrolle gemein. Es handelt sich vielmehr um eine kurzweilige 3D-Piratensimulation im Stil von Sid Meiers Pirates!. Zwei Vorgehensweisen sind dabei denkbar: Entweder begebt Ihr Euch gleich auf den Pfad der Hauptquest, bei der es letztlich um ein schauriges Geisterschiff geht. Oder aber Ihr lasst die Story Story sein und zieht auf eigene Faust los, um ein großer Pirat zu werden. Beide Wege erfordern viel Geduld und Spucke, denn das Leben als Freibeuter ist beileibe kein Zuckerschlecken!

Aller Anfang ist schwer!

Eure "Spielwiese", eine fiktive Karibik, ist recht klein geraten. Sie besteht aus gerade einmal acht kleinen Inseln, auf denen jede der Nationen (England, Spanien, Frankreich, Holland und Portugal) sowie die Piraten vertreten sind. Jedes Eiland umfasst einen Hafen, ein Fort, einen Dschungel, Höhlen, Verliese sowie einige einsame Buchten, die Ihr in 3rd-Person-Perspektive besuchen könnt. Im Hafen gibt es einen Händler, eine Werft, einen Geldverleiher, eine Taverne sowie den Gouverneur. Und jede Insel exportiert andere Waren, so dass Handel möglich und zu Beginn auch empfehlenswert ist. Eine integrierte Handelsübersicht mit Im- und Exporten hilft Euch dabei. Mehr Geld und Erfahrung bringen allerdings die Transport- und Eskortaufträge der Händler, die aber auch schnell langweilig werden.

Die südlichen Eilande

Kontinuierlicher Aufstieg ist ein Ziel des Spiels. Die Charakterverwaltung ist dabei betont simpel: Euer Held besitzt zu Beginn zehn Grundwerte wie Fechten, Segeln oder Glück. Durch das Versenken oder Entern von gegnerischen Pötten, das Segeln im tosenden Sturm, das Lösen der kampfbetonten Aufträge und den schwer steuerbaren Fechtkampf erhaltet Ihr Erfahrungspunkte, die Euch stetig aufsteigen lassen. Mit der nächsten Stufe erhaltet Ihr immer auch Punkte für die wichtigen Spezialfähigkeiten wie Präzision, Verteidigung oder schnelles Entern. Da speziell das Entern sehr schwer ist, stellt letzteres eine elementare Erleichterung dar.

Rollenspiel einfach gemacht

In einer mit eher dürftig animierten 3D-Portraits versehenen Ansicht führt Ihr die oft wenig abwechslungsreichen Dialoge. Per Multiple-Choice könnt Ihr Euch dabei die passende Antwort aussuchen. Leider geben die Bewohner fast immer dasselbe von sich, sofern es sich nicht gerade um einen für die Story wichtigen Charakter handelt. Auch wenn Ihr sie frech in ihren Häusern beklaut, zeigen sie wenig menschliche Reaktionen. Sie stehen einfach daneben und schauen Euch ruhig zu. Das alles erinnert Rollenspielfans natürlich an Morrowind, das auch von Bethesda ist und wo die NPCs ebenso durch die Gegend streifen, um dann stets ihr Standartsätzchen aufzusagen. Um die oft langen Wege abzukürzen, und auch dem einen oder anderen Gespräch aus dem Weg zu gehen, könnt Ihr übrigens die Schnellreisefunktion benutzen.

Wiederkehrende Multiple-Choice-Gespräche

Keine Frage, die zahlreichen 3D-Seeschlachten mit den zumeist mehreren Gegner ziehen einen in ihren Bann! Auf einem funkelnden Meer, auf dem es regnet, stürmt oder auch mal Nacht ist, umkurvt Ihr Euren Kontrahenten in der 3rd-Person-Sicht und versucht, ihn mit den Bordkanonen zu treffen. Zeitgenössische Schiffe gibt es in jede Größe, Zuladung und Geschwindigkeit - von der Pinasse bis zur Galeone, die allerdings schon eine hübsche Stange Geld kostet. Segeln könnt Ihr auch in der Ego-Perspektive, um etwa Euer Fernrohr einzusetzen. Gezielt wird automatisch, beim Schießen kommt es aber auch auf den richtigen Zeitpunkt an. Kommt es zum Entern, kämpft Ihr mit Pistole und Säbel an Bord des Gegners. Gelingt es Euch, alle zu besiegen, gehört das Schiff Euch und Ihr dürft die Waren und Männer an Bord mitnehmen.

Beeindruckende Seegefechte

Weniger gelungen sind leider die Gefechte an Land, bei denen Ihr im Dschungel oder in finsteren Dungeons gegen oft mehrere Gegner fechten müsst. Aufgrund der verpfuschten Steuerung beim Fechten ist es kaum möglich, Hiebe des Gegners zu parieren. Auch die Einnahme von Heiltränken während des Kampfes gelingt wegen der umständlichen Bedienung oft nicht, so dass die Fechtkämpfe reine Glückssache bleiben. Immerhin trefft Ihr mit der Pistole besser. Habt Ihr dann endlich einen der Gegner (Skelette, Wachen, Räuber) besiegt, bekommt Ihr leider nicht dessen Besitztümer wie ansonsten im Rollenspiel üblich. Die Leiche des Feindes verschwindet wie von Geisterhand.

Verkorkste Fechtrunden

Abgesehen von dem mangelhaften Balancing und der gewöhnungsbedürftigen Steuerung machen auch die vielen Zufallselemente das Spiel bisweilen zur Geduldsprobe - von den zahllosen tödlichen Stürmen und aggressiven Piraten auf See einmal ganz zu schweigen. Wer einmal in einem Raum neu laden musste und dann andere wertlose Sachen dort vorfand als zuvor, wird wissen, wovon die Rede ist. Gegner wie Straßenräuber oder Skelette respawnen, was einen geordneten Rückzug bisweilen unmöglich macht. Wie bei Morrowind habt Ihr es so mit einer unendlichen Zahl an Gegner zu tun. Da gibt es kein Verschnaufen - einmal ausgeräumte Dschungelabschnitte wimmeln beim nächsten Mal wieder von dunklen Gestalten.

Viele Zufallselemente

Wirklich vom Feinsten sind die 3D-Umgebungen, die Euch tatsächlich Glauben machen, dass Ihr Euch in der Karibik befändet. Jede der Insel sieht ein wenig anders aus: Da gibt es sonnendurchflutete Strände, einsame Buchten mit Steilküste und Leuchttürme, die hoch auf einer Klippe über die weite See blicken. In den Hafenstädten selbst präsentiert sich jede Nation mit ihrer typischen Architektur: Engländer, Franzosen und Holländer haben Fachwerkhäuser, Spanier und Portugiesen setzen hingegen auf weiß verputzte Kolonialbauten, vor denen passend uniformierte Soldaten patrouillieren.Schön ist auch das Wasser, das in der virtuellen Sonne glitzert, als wäre es aus Kristall. Irgendwo in der Tiefe zieht ein Hai seine Bahnen, der nur darauf wartet, dass er an Eurem Holzbein knabbern darf. Auch im Dschungel gibt es winzige Tiere, die über den Waldboden huschen. Einzig die Blätter der Bäume bewegen sich nicht.

Atemberaubende 3D-Hintergründe

Die Musik ist schlicht passend für ein derartiges Abenteuerspiel, denn sie könnte auch problemlos in jedem Piratenstreifen der 50er-Jahre laufen. Auch die Geräusche passen, sie sind aber eher selten und bilden keine richtige Soundkulisse. Schon ein wenig enttäuschend ist die eher farblose, deutsche Sprachausgabe; zumindest wenn Ihr sie mit dem viel farbigeren Original vergleicht. Ansonsten wurde das Piratenspiel aber fehlerfrei ins Deutsche übersetzt.

Passende Musik

Fazit


Fluch der Karibik ist leider nicht der ganz große Pirates!-Nachfolger, den viele vielleicht erwartet haben. Zwar sind die Seeschlachten sehr ansprechend inszeniert und machen auch großen Spaß. Und auch die mysteriöse Hauptstory vor der traumhaften 3D-Südseekulisse weiß durchaus zu fesseln und regt zum Weitermachen an. Auf der anderen Seite ärgert einen die unnötig komplizierte Steuerung, die sich vor allem beim Fechten negativ bemerkbar macht. Bis Ihr Euer erstes Schiff gekapert habt, dauert es Stunden, da Ihr erst einmal Geld für ein eigenes, gut bewaffnetes Schiff braucht. Habt Ihr das schließlich geschafft und die ersten großen Aufträge erledigt, läuft das Spiel allerdings wie geschmiert. Insgesamt macht es Euch das Seeräuberabenteuer ein wenig zu schwer, woran man sich aber gewöhnen kann. Unterm Strich ist Fluch der Karibik dennoch ein gutes Spiel, da es optisch verzückt und Euch letztlich viele Freiheiten dabei lässt, was Ihr als nächstes tun wollt. Den wahren Nachfolger von Pirates! muss Sid Meier indes wohl selber entwickeln!

Pro

  • <li>Simulation im Pirates!-Stil</li><li>spannende Hauptstory</li><li>Rollenspielelemente</li><li>große Freiheit</li><li>viele Nebenquests</li><li>historische Schiffe</li><li>beeindruckende Seeschlachten</li><li>einfache Charakterverwaltung</li><li>tolle 3D-Umgebung</li><li>schöne Witterungseffekte</li><li>nette Filmchen</li><li>passende Musik</li>

Kontra

  • <li>gewöhnungsbedürftige Steuerung</li><li>bisweilen sehr schwer</li><li>kommt nur langsam in Schwung</li><li>Fechtkämpfe kaum zu gewinnen</li><li>nur wenige Inseln</li><li>NPCs sagen oft dasselbe</li><li>viele Zufallselemente</li><li>kein Speichern auf See</li>

Wertung

PC