Republic: The Revolution - Test, Taktik & Strategie, PC

Republic: The Revolution
08.09.2003, Jörg Luibl

Test: Republic: The Revolution

Bombenleger, Revoluzzer und Anarchisten aufgepasst: Mit Republic - The Revolution präsentiert Eidos eine politische Umsturzsimulation, in der Ihr entscheiden dürft, auf welche Art und Weise ein ausgeblutetes Land von der Tyrannei befreit wird: Mit Terror und Gewalt? Durch leidenschaftliche Reden und Plakataktionen? Es liegt an Euch. Ob das Team der Elixir Studios nicht nur den Rebellen, sondern auch den Spieler begeistern kann, verrät der Test!

Hohe Arbeitslosigkeit, politische Morde, Korruption auf hohem Niveau - das fiktive osteuropäische Land Novistrana kämpft nach dem Fall der Sowjetunion ums Überleben. Kein Wunder, denn an der Spitze des jungen Staates herrscht Präsident Karasov mit eiserner Hand. Der Tyrann lebt ins Saus und Braus, während die Armut grassiert und es auf den Straßen gärt: Banden, Untergrundorganisationen und kleine Parteien streiten um Macht.

Tyrann im Visier

Ziel des Spiels ist es, die eigene Partei durch gezielte Aktionen an die Macht zu bringen. Erst in der kleinen Stadt Ekaterine, dann in größeren Metropolen und schließlich im ganzen Land. Allerdings ist es ein weiter Weg, denn Ihr startet quasi als Hinterhofgruppe mit zwei Komplizen und müsst Euch gegen mehrere Konkurrenzorganisationen behaupten, die ebenfalls um jede Stimme kämpfen.

Und Ihr? Jung und entschlossen gründet Ihr selbst eine Partei. Denn als Eure Eltern verschleppt wurden, habt Ihr dem korrupten Regime und seinem Anführer Rache geschworen - die Revolution kann beginnen…

So brisant und interessant die Ausgangssituation auch ist, so unspektakulär führen Euch die Elixir Studios in die Politiksimulation ein: Begleitet von wunderbaren russischen Melodien wird man nicht etwa von einem packenden Einspielfilm, sondern lieblosen Bildschnipseln begrüßt, die die eigene Geschichte anreißen. Der erste Eindruck des angekündigten Strategie-Schwergewichts ist ein öder; was hat man hier an Dramaturgie verschenkt!

Einstieg zum Abgewöhnen

Zwar kann man den Intro-Dämpfer noch verschmerzen, aber das Tutorial trifft kurz darauf wie ein schwerer Leberhaken: Republic verkauft Euch starre Bildschirmgrafiken mit kurzen Textbeschreibungen als Tutorial, die aufgrund ihrer Kürze sogar noch auf das Handbuch verweisen!

Man steht zunächst völlig ratlos vor der strategischen 2D-Stadtkarte und der dahinter schlummernden 3D-Welt. Dass man höchst komplexe Spiele durch den Einsatz interaktiver Hilfemenüs und eines übersichtlichen Glossars leicht zugänglich machen kann, hat Civilization III meisterhaft bewiesen - ein Blick ins Handbuch war quasi nicht nötig.

Das Frustrierende bei Republic ist nur, dass selbst die Handbuch-Lektüre nicht sofort hilft, denn es fehlen übersichtliche Grafiken und gut dokumentierte Beispiele im knapp 50 Seiten schwachen Heftchen. Es ist farbig, voll gestopft mit Infos, aber zwingt immer wieder zum Blättern und Suchen. Stichwortverzeichnis und aufschlussreiche Tabellen? Fehlanzeige. Und was sollen deutsche Leser bitte mit einer Grafik anfangen, die die wichtigen ideologischen Zusammenhänge veranschaulichen soll, aber das Ganze mit englischen Abkürzungen wieder zum Rätsel macht?

Knockout in der ersten Runde, Republic liegt am Boden - so einen schlechten Einstieg habe ich noch nie erlebt. Aber das Spiel zeigt nach einem wenig ruhmvollen Anfang tatsächlich sein strategisches Kämpferherz: Viel Eigeninitiative, Recherche und mindestens fünf Stunden Probespielzeit vorausgesetzt, entfaltet sich nach der Verinnerlichung der komplexen Spielmechanik eine innovative, in sich stimmige und durchaus motivierende Politiksimulation.

Zeit und Geduld

Wer sich an das Tolstoi-Zitat aus dem Intro hält, und viel Zeit und Geduld investiert und noch mal von vorne beginnt, kommt endlich in den Spielfluss, der einem rundenbasierten Brettspiel ähnelt: Jeder Tag ist in drei Abschnitte eingeteilt, zu denen Ihr pro Figur bis zu drei Aktionen durchführen könnt. Mit mehreren fähigen Männern lassen sich so gezielte kombinierte Taktiken verfolgen, wie z.B. erst die gegnerischen Anhänger so mit Propaganda zuschütten, bis sie neutral sind, sie dann mit Plakaten locken und schließlich in einer Rede begeistern.

Jede erfolgreiche Aktion bringt Euren Leuten zwar Erfahrungspunkte, mit denen Ihr wiederum dessen Charakterwerte anheben könnt, kostet aber auch Ressourcen, deren Höhe durch Eure Anhänger in den Stadtbezirken bestimmt wird. Habt Ihr viele Bezirke unter Kontrolle, könnt Ihr viel machen. Leider kann es so auch zu Sackgassen führen, die schon im normalen Modus nach 14 Tagen die Spielbalance ins Wanken bringen: Denn wenn Eure Gegner aggressiv die Wählerstimmen gewinnen und Eure Aktionen Rohstoffe verbrauchen, kann es düster aussehen und Ihr steht quasi ohne Punkte da.

Leider könnt Ihr nicht sofort zur nächsten Tageszeit springen, sondern nur die Zeit fünffach vorspulen - lange Warterei inklusive. Auf eine Statistik über das Machtverhältnis der konkurrierenden Parteien müsst Ihr ebenfalls drei Tage warten.

Politische Sackgasse

Das Problem ist nämlich, dass man gar nicht sparsam mit seinen Befehlen umgehen darf, denn die Welt von Republic ist dynamisch und immer im Fluss: Man muss ständig Viertel erkunden, Infos beschaffen und Stimmen gewinnen - es gibt keine einzige sichere Einnahmequelle, selbst das heimische Startviertel nicht. Daher empfehle ich nicht nur Einsteigern den leichtesten der vier Schwierigkeitsgrade, da es hier etwas mehr Stabilität gibt.

Zusammengehalten wird das recht offene Spiel durch ein Korsett aus Hauptaufgaben, die es zu erledigen gilt: von der Machtübernahme in einem Bezirk über die Befreiung von Gefangenen bis hin zum Aufspüren von Druckerpressen oder dem Casinokauf. Begleitet werden diese Ereignisse meist von Zwischensequenzen in Spielgrafik, die z.B. den Einsatz von Killerbrigaden oder die Rede des Präsidenten zeigen.

Auch der Humor kommt hier trotz des nüchternen Szenarios nicht zu kurz: Wenn glatzköpfige Schläger pupsend Geld eintreiben, sind Lacher garantiert. Diese Hauptaufgaben sind daher das Salz in der Suppe, das Republic attraktiv und lebendig macht. Leider werdet Ihr bei einem Neustart exakt die gleichen Herausforderungen meistern müssen, und dieselben Filmchen in derselben Reihenfolge sehen, was den Wiederspielwert enorm sinken lässt.

Welche der zehn Karrierelaufbahnen Ihr einschlagen könnt, entscheidet Eure politische Ausrichtung. Daher werden Euch zu Beginn des Spiels à la Ultima eine Hand voll Fragen gestellt, die Euch mehr oder weniger Punkte in den drei Bereichen Macht (Rot), Einfluss (Blau) und Wohlstand (Gelb) zuteilen. Mit viel Macht seid Ihr der ideale Kriminelle, Gewerkschafter, Soldat oder Polizist; mit viel eher Einfluss Politiker, Geistlicher oder Akademiker; mit viel Geld prädestiniert für die Medien, als Geschäftsmann oder Berühmtheit.

Mit Knüppel, Charisma oder Kohle?

Als Gewerkschafter stehen Euch z.B. eher Aktionen wie Graffiti, Randalieren oder Ausspähen zur Verfügung; als Politiker eher kommunikative Mittel wie das Stimmen werben, Bezaubern oder Diskreditieren. Und als Geschäftsmann bieten sich Bestechungen, Plakatkampagnen, Umfragen oder Flugblätter an. Allerdings könnt Ihr Defizite in einem Bereich durch das Anwerben von bis zu vier Parteifreunden ein wenig ausgleichen. Und im Laufe des Spiels wächst der Pool an Aktionen ständig an, so dass auf dem Zenit der Revoluzzer-Karriere von Erpressungen über Killerbrigaden bis hin zu Musikfestivals alles möglich ist.

Republic hat das aus Strategiespielen bekannte Schere-Stein-Papier-Prinzip, bei dem es für jeden Angriff eine passende Antwort gibt, geschickt auf die politische Ebene übertragen: Alle Aktionen, Menschen und Stadtbezirke sind in die Bereiche Macht, Einfluss und Wohlstand eingeteilt. Dieses magische Dreieck ist logisch verknüpft, so dass Macht gut gegen Einfluss, Einfluss wiederum gut gegen Wohlstand, Wohlstand schließlich effektiv gegen Macht ist.

Macht, Einfluss, Wohlstand

Werden Eure Komplizen denunziert, müsst Ihr sie mit Geschenken stärken; randalieren Rowdys in Eurem Bezirk, sollten Ihr die verunsicherten Bürger mit Flugblättern oder einer Kundgebung beruhigen. Auch auf psychologischer Seite funktioniert das Prinzip, denn als skrupelloser Machtmensch schreckt Ihr redefreudige Politiker eher ab. Sobald es an Überzeugungsarbeit geht, also das Anwerben von Mitgliedern oder Wählerfang, müsst Ihr natürlich auf die gleiche Gesinnung achten. Wenn Ihr als Unternehmer (Wohlstand) in einem Arbeiterviertel (Macht) Eindruck schinden wollt, werdet Ihr es schwer haben.

Es stimmt, dass die Städte des Staates Novistrana riesig groß sind, dass die Engine sehr viele Gebäude darstellen kann und dass die Architektur höchst authentisch wirkt: Plattenbauten beherrschen Arbeiterviertel, Villen finden sich in besseren Gegenden und riesige Parlamentsgebäude protzen im Stadtzentrum. Es gibt sogar Verkehr und Passanten, die man ansprechen kann sowie Echtzeitschatten und bewegte Bäume.

Riesiger Stadtmoloch

Fast alles lässt sich auch in 3D betrachten und feintunen: D.h., dass Ihr Eure Rede in Echtzeit verfolgen könnt und plötzlich ein Schieberegler erscheint, mit dem Ihr bestimmen könnt, ob Ihr eher die Herzen oder den Verstand der Zuhörer ansprechen wollt. Das Gleiche gilt für Plakataktionen. Ein richtiges und spielerisch wichtiges Minispiel gibt`s bei Anwerbungen und beim Verbünden: Ihr habt acht Runden Zeit, Euer Gegenüber durch den geschickten Einsatz von Gesprächspunkten zu überzeugen.

Vor zwei Jahren hätte man damit noch optisch begeistern können, aber in Zeiten von Mafia und GTA Vice City entsetzt dieser Stadtmoloch mit schlichtweg hässlichen Texturen und hölzernen Animationen. Außerdem wird die 3D-Kulisse immer im Hintergrund berechnet, so dass es auf der 2D-Karte bei fünffacher Geschwindigkeit böse ruckelt. Der Performancefraß steht hier in keinem Verhältnis zum Spielspaßnutzen.

Was nach mehrstündiger Spielzeit viel stärker ins Gewicht fällt, sind die ständigen Wiederholungen in Sachen Akustik, Gestik und Choreographie: Auf der Habenseite stehen zwar lebendig wirkende Gesten der Figuren, wie z.B. Handschläge und Bruderküsschen. Aber die 3D-Aktionen enttäuschen mit den immer gleichen Bewegungen, Kommentaren und Kamerafahrten. Selbst wenn man bei Reden den Sprecher wechselt, bleiben Stimme (!) und Wortwahl gleich.

Wehmut und Wiederholung

Trotzdem gehören die Sounds und vor allem die Musik zu den besseren Seiten: Erstens sorgt das pseudorussische Kauderwelsch für eine authentische osteuropäische Atmosphäre, und zweitens überzeugt das Hintergrundorchester mit wunderbar wehmütigen Melodien, die sofort an Mütterchen Russland denken lassen. Auch die dramatischen Tuscheinlagen bei besonderen Ereignissen passen gut ins akustische Arrangement.

Fazit


Habt Ihr viel Zeit und noch mehr Geduld? Dann könnt Ihr in Republic späte Früchte ernten. Denn ich habe noch nie einen dermaßen schlechten Spieleinstieg erlebt: Ein liebloses Intro führt mich zu einem aller Interaktivität spottenden Tutorial, das mich auf ein kryptisches und schlecht strukturiertes Handbuch verweist. Und dann muss ich auch noch fast fünf Stunden investieren, um mit der Spielmechanik und ihren tausend Rätseln und Tücken warm zu werden!!! Dabei hat das innovative Konzept diesen abschreckenden Start nicht verdient. Denn wenn man nach mehreren Anläufen und intensiver Handbuchlektüre endlich in die angenehme Rolle des Revoluzzers schlüpft und brisante Umsturzluft schnuppert, entfaltet sich durchaus strategischer Spielspaß: Ich kann meine Gegner gezielt schwächen, die öffentliche Meinung beeinflussen und mein Konterfei auf Plakaten erstrahlen lassen. Außerdem wurde das Schere-Stein-Papier-Prinzip wunderbar auf die politische Ebene übertragen: Wer das magische Dreieck von Macht, Einfluss und Wohlstand beherrscht, kann richtig auftrumpfen. Auch die Story gewinnt dank gescripteter Ereignisse und spezieller Hauptaufgaben an Fahrt. Allerdings lässt die Spielbalance schon im normalen Schwierigkeitsgrad zu wünschen übrig und führt mitunter zu nervigen Sackgassen. Und selbst die hervorragende Hintergrundmusik kann mit ihrem wehmütigen Charme nicht über die architektonisch überzeugende, aber im Detail hässliche 3D-Kulisse hinwegtäuschen. Republic hatte vom Konzept her das Potenzial zum richtig guten Strategietitel, driftet aber aufgrund seiner lieblosen Präsentation und Unzugänglichkeit ins Mittelmaß ab.

Pro

  • <li>innovatives Szenario</li><li>vier Schwierigkeitsgrade</li><li>passendes Pseudo-Russisch</li><li>sehr gute Musikuntermalung</li><li>motivierende Hauptaufgaben</li><li>spannende Gesprächsduelle</li><li>sehr authentische Stadtarchitektur</li><li>kombinierte Taktikaktionen möglich</li><li>politisches Schere-Stein-Papier-Prinzip</li>

Kontra

  • <li>ödes Tutorial</li><li>liebloses Intro</li><li>hässliche Texturen</li><li>sehr zäher Einstieg</li><li>schlechtes Handbuch</li><li>holprige Animationen</li><li>3D-Stadt frisst Performance</li><li>Probleme in der Spielbalance</li><li>jedes Spiel gleiche Hauptaufgaben</li>

Wertung

PC