Homeworld 2 - Test, Taktik & Strategie, PC

Homeworld 2
02.10.2003, Jörg Luibl

Test: Homeworld 2

Nach einem Abstecher in die Welt der Impossible Creatures kehrt das Team von Relic Entertainment zurück zu seinen ruhmreichen Wurzeln: Mit Homeworld 2 (ab 21,95€ bei kaufen) wird eines der innovativsten und stimmungsvollsten Strategiespiele der letzten Jahre fortgesetzt. Ob die epische Science-Fiction-Saga mit neuer Story, Grafik und Technik an alte Klasse anknüpfen kann, verrät der Test!

Ein Kriegslord will die Galaxie erobern, zerstört Planet um Planet und erreicht schließlich Eure Heimat Hiigara. Als der aggressive Tyrann den Raumstützpunkt Taris angreift, müsst Ihr Hals über Kopf mit dem Mutterschiff fliehen, um in den Weiten des Alls den Gegenschlag vorzubereiten. Doch um der Bedrohung Herr zu werden, gilt es drei Hypersprungkerne zu finden, um damit den Gott, den Mythos oder einfach die letzte Hoffnung namens "Sajuuk" zu erwecken.

Galaktische Endzeit

Wer jetzt eine epische Prachtstory erwartet, wird zunächst enttäuscht: Obwohl Homeworld 2 alle Voraussetzungen für cineastisch inszenierte SciFi-Strategie mitbringt, kommt die Erzählung nur schleppend Gang. Schwarz-Weiß-Sequenzen illustrieren zwar den galaktischen Krieg, hinterlassen aber mit ihren zaghaften Animationen und spärlichen Informationen Hunger nach mehr.

Und das erste Kapitel erinnert mit dem schnellen Überfall auffallend an den Vorgänger. Plötzlich ist man mittendrin, aber ohne den angenehmen Schauer, der noch bei Homeworld für Gänsehaut sorgte. Relic Entertainment erzählt zwar keine schlechte Story und ködert den Spieler mit interessanten Wendungen, aber inszeniert wird das Ganze unter Wert. Trotz der Tatsache, dass alleine die Optik für Stimmung sorgt, vermisst man eine ähnlich hochwertige Regie wie in <4PCODE cmd=DGFLink;name=WarCraft 3: The Frozen Throne;id=3615> oder <4PCODE cmd=DGFLink;name=Age of Mythology;id=1462>.

Auch die vermeintliche Kleinigkeit, dass alle Anweisungen von statischen Porträts der Gesprächspartner gegeben werden, sorgt in Zeiten von <4PCODE cmd=DGFLink;name=Freelancer;id=1281> und <4PCODE cmd=DGFLink;name=Yager;id=2140> für enttäuschtes Kopfschütteln. Was hätte man mit animierten Charakteren an Atmosphäre gewinnen können! Der Funkverkehr ist zwar akustisch einwandfrei und lobenswert übersetzt, aber die passende Mimik hätte für wesentlich mehr Identifikation und ein lebendigeres Spielgefühl gesorgt.

Das ist schade, denn die sphärischen Klänge, die trügerische musikalische Ruhe und die hervorragenden deutschen Sprecher unterstreichen sofort die düstere Endzeitstimmung, die so viele Fans schon 1999 in ihren Bann ziehen konnte. Außerdem haben die Entwickler grafisch dermaßen zugelegt, dass Ihr Euch auf dem derzeit schönsten und prächtigsten Sternenschlachtfeld austoben könnt - Auflösung hochschrauben, Licht ausmachen, zurücklehnen:

Ein Meer aus Licht

Wenn es zur Sache geht, verwandelt sich der Weltraum in ein galaktisches Farbenmeer. Im Hintergrund das malerische All mit seinen dunstigen Nebelbänken, leuchtenden Sternen und düsteren Asteroiden. Im Vordergrund metallische Raumschiffe, zuckende Blitze und gleißende Explosionen, die mit Partikel- und Raucheffekten glänzen. Bomberstaffeln pflügen leuchtend blaue Schlieren ins Schwarz, feindliche Jägerverbände flechten sich mit orangeroten Düsenspuren zum tödlichen Tanz ein - klasse!

Nur die Detonationsphasen bei großen Schlachtschiffen wirken arg kurz, denn sie sind so schnell vorbei wie die bei kleinen Jägern - hier wäre mehr drin gewesen. Auch im Texturdetail muss sich Homeworld 2 trotz netter Schmauchspuren und Logos der Haegemonia-Konkurrenz geschlagen gegeben, die etwas plastischer wirkt. Dafür ist das Lichterspiel deutlich überlegen. Man ist immer wieder versucht, das rasante Stakkato aus Lasern, Raketen und Funksprüchen kurz mit der Pausetaste einzufrieren, um ganz nah ran zu zoomen oder die Kamera zu drehen.

Außerdem lassen sich so in aller Ruhe Befehle erteilen, und zwar wie gehabt auf der Übersichtskarte oder direkt im All. Der Übergang ist fast nahtlos, was das Planen wunderbar erleichtert. Die Bedienung ist nach dem Tutorial kinderleicht und bietet eine komfortable Mischung aus intuitiven Maus- und diversen Tastaturbefehlen. Auch die etwas komplizierten Höhenbefehle des Vorgängers sind jetzt kein Problem mehr.

Selbst Einsteiger werden sich schnell mit Lassomethode, Gruppenbildung und Formationsbefehlen zurechtfinden. Die Benutzeroberfläche bietet zwar auf den ersten Blick eine Fülle an Informationen, ist aber gut designt und im Ernstfall sehr hilfreich - man kann Aufträge situationsbedingt staffeln, parallel bauen und forschen sowie wichtige Einheitendetails abrufen. Und wer sie nicht braucht, kann sie minimieren.

Das Spielprinzip bietet Euch das bekannte Dreigestirn aus Sammeln, Forschen und Bauen. Allerdings gibt es jetzt viel mehr Möglichkeiten, die Flotte effektiv auszurüsten: Vor allem die so genannten Subsysteme, mit denen Ihr das Mutterschiff und die neuen Trägerschiffe bestücken könnt, sorgen für Motivation. Zum einen sind die betreffenden Anbauten jetzt sichtbar und zerstörbar, was ganz neue taktische Möglichkeiten eröffnet: Ihr könnt ein feindliches Flaggschiff gezielt bewegungsunfähig schießen, indem Ihr Eure Flotte auf seine Triebwerke hetzt. Oder Ihr zerstört erst seinen Jägerhangar, damit Eure Bomber freie Bahn haben. Homeworld 2 bietet wesentlich mehr Angriffspunkte und spielt sich 2003 einfach abwechslungsreicher.

Sammeln, Forschen, Bauen

Zum anderen hat man die taktisch wichtige Qual der Wahl, welche Bereiche man fördert: Lieber in einen Korvettenanbau investieren, oder die eigenen Bomber durch Forschung stärken? Lieber auf starre Geschützplattformen zur Verteidigung setzen, oder neue Jäger bauen? Im Laufe des Spiels gewinnt Eure Flotte dann wichtige Fähigkeiten wie die Tarnung, Abwehrschirme oder Impulsangriffe, die den Gegner kurz lähmen. Sehr effektiv ist auch das neue Kapern mit Marinefregatten, die am Opferschiff andocken und kleine Kampfeinheiten reinschicken, die fast wie Fallschirmspringer aussehen.

Im Kampf ist die Verinnerlichung dieser Spezialfähigkeiten sowie des Schere-Stein-Papier-Prinzips lebenswichtig, sonst wird aus der Flottenpracht schnell Weltraumschrott: Bomber sollten mit Jägern, Fregatten wiederum mit Bombern oder Zerstörern und große Schlachtschiffe mit Kreuzern angegriffen werden. Neu ist übrigens, dass jetzt gleich kleine Staffeln im Dreier- oder Fünferpack produziert werden.

Tanz der Bomber

Hinzu kommt die richtige Wahl der Kampfeinstellung, die von passiv, defensiv bis aggressiv reicht. Letzteres bedeutet jetzt übrigens nicht mehr erhöhte Schusskraft, sondern einfach, dass die Piloten alles angreifen, was sich bewegt. Schön ist hier, dass sich Eure Schiffe je nach Einstellung sofort anders ausrichten: Aggressive Jäger wählen sofort die Klaue, passive die Mauer. Und kluges Taktieren inklusive Schadensbegrenzung lohnt sich, denn im zweiten Kapitel wird das erfolgreiche Sichern von sechs Transportern z.B. mit speziellen Elitebombern belohnt - inklusive besserer Werte und neuer Optik.

Neu sind auch die Kampfgruppen. Im großen Verband mit verschiedenen Schiffstypen wie Jägern, Bombern, Korvetten und Fregatten ist je nach Situation eine von drei Formationen hilfreich: Steht Ihr vor einem großen Mutterschiff eignet sich z.B. die Schlachtphalanx, die zwar recht behäbig ist, aber die kräftigsten Schiffe vorne postiert und mit kleinen Jägern und Flakgeschützen die Flanken deckt. So wird aus der Masse eine kämpfende Einheit, die sich löblicherweise in Sachen Geschwindigkeit immer am langsamsten Mitglied orientiert.

Meist kann man seine schwer bewaffneten Schäfchen übrigens selbstständig agieren lassen. Aber leider zeigt die KI kleine Aussetzer, denn wenn es zum Kampf kommt, suchen sich Eure schwach gepanzerten Flakfregatten schon mal ein gegnerisches Raketenschiff anstatt kleine Jäger - das geht nach wenigen Sekunden ins Auge. Alleine sollte man die Ungetüme also nicht in große Schlachten schicken. Zum Glück könnt Ihr selbst im Pausemodus Befehle erteilen, so dass man diese Schwächen mit Mikromanagement ausgleichen kann.

Hart, härter, Homeworld

Besser wäre es natürlich gewesen, wenn Relic bei den eigenen Schiffen genau so intelligente Routinen eingebaut hätte wie bei den Angreifern. Wer Prachtgrafik und Kanonenfutter sucht, wird sich wundern: Die Gegner-KI ist gnadenlos, reagiert abgeklärt, setzt meist die effektivsten Waffen ein und wird jeden Einsteiger überrennen. Nur wer klug abbaut, optimal forscht und -ganz wichtig!- aus dem letzten Kapitel genug Schiffe übernimmt, wird der Story ohne all zu häufiges Nachsitzen folgen können. Trotzdem ist vollkommen unverständlich, dass es nur einen Schwierigkeitsgrad gibt.

Nerven können zudem die gescripteten Ereignisse, z.B. in Kapitel 4: Ihr sollt am Ende einer höchst schwierigen und langen Mission ein Mutterschiff zerstören. Ihr habt die Unteraufgaben erledigt und widmet Euch dem Feind, indem Ihr von zwei Seiten Angriffswellen mit Wegpunkten vorbereitet. Leider wart Ihr zu schnell, denn plötzlich aktiviert ein Script eine Zwischensequenz, die Eure eigentlich geteilte Flotte als einzigen Pulk direkt vor dem Mutterschiff platziert.

Unfair ist der Krieg der Sterne allerdings nicht, denn auch der Feind braucht Rohstoffe, um Nachschub zu bauen, Hangars um Jäger loszuschicken und Sprungtore, um große Entfernungen zu überbrücken - all das kann man attackieren.

Und sollte man am Ende einer Mission keine Zeit für das Rohstoffsammeln haben, werden die verbleibenden Asteroiden automatisch abgeerntet und gut geschrieben; ein komfortabler Vorteil gegenüber dem Vorgänger.

Fazit


Alte Liebe in neuem Gewand! Ich habe Homeworld seinerzeit verschlungen und war nach den ersten Spielstunden sehr skeptisch, ob das Team von Relic Entertainment an die alte Klasse anknüpfen kann: Der Einstieg erinnert stark an den Vorgänger, die Story kommt nur schleppend in Gang und der Schwierigkeitsgrad zieht nach dem dritten Kapitel mächtig an. Und warum gibt es bitte keine animierten Sprecher? Doch der Ernüchterung folgt schnell die Euphorie: Was sind das für pompöse Weltraumschlachten! Wenn meine Jäger wie Todesengel durch den galaktischen Nebel schwirren, nur um das gegnerische Schlachtschiff einen Augenblick später mit einem leuchtenden Laserhagel einzudecken, bis es sich in einer gleißenden Explosionswolke auflöst, freuen sich Spielerherz und - auge. Selbst die Führung komplexer Schlachten mit mehreren Fronten ist dank der höchst komfortablen Bedienung und der beruhigenden Pausefunktion kein Problem. Und wenn man die taktischen Zusätze ausnutzt, die endlich eine Vielzahl an Aufrüstmöglichkeiten, Flottenverbänden und Kaperaktionen ermöglichen, kann man auch der gnadenlosen KI Paroli bieten. Aber Vorsicht: dieses Spiel ist etwas für hartnäckige Liebhaber, die auch mal Nachsitzen, um knifflige Aufträge zu meistern. Gelegenheitsspieler und Freunde schneller Sturmattacken werden spätestens im vierten Kapitel die Flinte ins Korn werfen. Homeworld 2 hat zwar dramaturgische Mängel und kann aufgrund des bekannten Spielprinzips sicher nicht die Euphorie des Vorgängers entfachen, aber es ist im Kern herrliches Weltraumschach für Genießer!

Pro

  • <li>gutes Tutorial</li><li>klasse Atmosphäre</li><li>jederzeit pausierbar</li><li>einfache Bedienung</li><li>viele Überraschungen</li><li>sehr gute Lokalisierung</li><li>sehr gute Partikeleffekte</li><li>spannender Funkverkehr</li><li>pompöse Weltraumkämpfe</li><li>sinnvolle Formationsbefehle</li><li>hilfreiche Karten & Statistiken</li><li>durchdachte Benutzeroberfläche</li><li>anspruchsvolles Strategenfutter</li><li>viele neue Aufrüstmöglichkeiten</li><li>stimmungsvolle Musikuntermalung</li><li>Multiplayer-Kämpfe über LAN, TCP/IP oder GameSpy </li>

Kontra

  • <li>schwacher Einstieg</li><li>kleine KI-Aussetzer</li><li>fade inszenierte Story</li><li>altbekanntes Spielprinzip</li><li>nur ein Schwierigkeitsgrad</li><li>Scripts zwingen Situationen auf</li>

Wertung

PC

Homeworld 2 hat zwar dramaturgische Mängel, aber es ist im Kern herrliches Weltraumschach für Genießer!