Empires: Die Neuzeit - Test, Taktik & Strategie, PC

Empires: Die Neuzeit
23.10.2003, Jörg Luibl

Test: Empires: Die Neuzeit

Vor zwei Jahren wollte Rick Goodman mit Empire Earth die Welt erobern. Sein Team präsentierte das erste Echtzeit-Strategiespiel, das sich gleich allen Epochen der Geschichte in zerstörerischer Pracht widmete. Dieses Jahr hat man sich zwar auf 1000 Jahre beschränkt, aber will trotzdem grenzenlosen Spielspaß entfachen. Ob`s klappt, verrät der Test!

…eigentlich erst Ende des 15. Jahrhunderts! Warum starte ich dann mit Richard Löwenherz anno 1185? Der irreführende Untertitel wird dem historisch angehauchten Spieler sofort ein Kopfschütteln abverlangen. Immerhin kämpft man nur eines der fünf Zeitalter mittelalterlich, darauf folgen vier moderne Epochen, die sich dem Schießpulver, dem Imperialismus sowie dem Ersten und Zweiten Weltkrieg widmen. Das amerikanische Original ist mit dem Untertitel "Dawn of the Modern World" wesentlich besser bedient.

Neuzeit? Die beginnt doch…

Dem Echtzeit-Strategen kann jedoch egal sein, dass das Spiel noch öfter historisch daneben langt, denn hinter dem Namen verbirgt sich immerhin die neueste Schöpfung von Rick Goodman, der sich bereits mit <4PCODE cmd=DGFLink;name=Empire Earth;id=1151> eine große Fangemeinde sichern konnte. Diesmal hat der Designer die Schlachten auf 1000 Jahre und insgesamt sieben Nationen begrenzt. Jede zeichnet sich durch wirtschaftliche und militärische Eigenheiten aus, besitzt diverse Geheimprojekte sowie effektive Spezialeigenschaften.

Die Koreaner bauen, jagen und fischen z.B. nicht nur schneller, sie können ihre Kampfkunst auch für schnellere Attacken nutzen und sich nach einer Zen-Meditation besser verteidigen. Und falls ihre Bombenwerfer, Feuerochsen und Schnellfeuergewehre nicht zünden, können die Asiaten einen verheerenden Taifun beschwören oder mit einem markigen Schlachtruf für Entsetzen sorgen.

Leider kann man nur Franzosen und Engländer komplett durch die fünf Zeitalter lotsen. Koreaner und Chinesen verabschieden sich vor dem Ersten Weltkrieg und werden wahlweise durch Russen, Deutsche, Franzosen, Engländer oder Amerikaner ersetzt. Dafür geht es jetzt wesentlich spezialisierter, differenzierter und vielfältiger zur Sache. Innovationen sucht man zwar vergeblich, denn es geht immer noch um die altbekannte Schleife aus Rohstoffernte, Gebäudebau, Technologieerwerb und Kampf, aber im Detail wird man viele nette Ideen finden.

Speerfallen überraschen anstürmende Infanterie, Highlander können wilde Rundumattacken ausführen und Triboks schleudern verseuchte Kühe: herrlich animiert fliegt das Rind in hohem Bogen Richtung Feind, schlägt wie eine Rakete im Boden ein und hinterlässt ein von Fliegen und Pestwolken umschwärmtes Hinterteil - autsch! Wer da nicht wegrennt, ist selber schuld und schnell verpestet.

Von der Kuh- zur Atombombe

Das ist aber nur der primitive militärische Anfang, denn später sorgen Flammenwerfer, Mörser, U-Boote, Bomber und die gesamte Prominenz der Panzerwelt für Angst und Schrecken. Allerdings findet man eher wenige spezialisierte als viele Truppentypen. Den zerstörerischen Zenit erreicht das Spiel natürlich im Zweiten Weltkrieg: Egal ob russischer Katyusha-Hagel, deutsche V-2-Raketen oder amerikanische B-29-Ungeheuer, die Atombomben abwerfen - Empires lässt den Bildschirm partikelfreudig in Rauch und Feuer aufgehen. Leider zeigen Detonationen keine Langzeitwirkung wie z.B. bleibende Krater.

Aber nicht nur die pure militärische Offensive wird bedient: Trommler steigern die Moral und das Marschtempo, Ärzte heilen im Hintergrund und Bischöfe bekehren fremde Einheiten. Und wer taktisch klug Spezialeigenschaften und Geheimprojekte einsetzt, wird ebenfalls belohnt: Eine königliche Proklamation regeneriert sofort die Gesundheit aller Truppen, Propaganda lässt Feinde überlaufen, TNT erweitert den Sprengradius Eurer Bomben.

Und ganz à la <4PCODE cmd=DGFLink;name=Age of Mythology;id=1462> helfen in kniffligen Fällen verheerende Katastrophen: Die Engländer können einen Kanalsturm entfachen, die Russen schicken Euch einen Meteor und die Koreaner empfehlen sich mit einem Taifun.

Empires setzt in Sachen Steuerung auf ein edles Interface und die übliche Mischung aus Lassomethode, Gruppenbildung, Wegpunkte und Shortcuts. Und unter den acht Formationen findet sich auch eine namens "Kreis nach innen", die endlich eine Umzingelung möglich macht - sehr schön!

Bedienungskomfort & Patchpotenzial

Die Bedienung ist ohnehin höchst komfortabel: Glockengeläut warnt Bürger, ein Klick offenbart untätige Arbeiter, Kundschafter erforschen die Karte auf eigene Faust. Und Mehrspieler dürfen sich auf Tribute in Form von Einheiten freuen: Einfach die Panzerdivision auswählen und direkt dem Verbündeten senden!

Auch die Möglichkeit, mit neuen Technologien wie verbesserte Reichweite oder erhöhte Angriffskraft einzelne Truppentypen aufzuwerten anstatt gleich die gesamte Armee, schafft Freiraum für gezielte Stärkungen. Die Türme sollen weiter schießen? Einfach das Upgrade auswählen und auf den Turm klicken.

Schade ist jedoch, dass man diese steinernen Wehranlagen nicht bemannen oder als Fluchtorte nutzen kann, und dass Höhenzüge scheinbar keine taktische Rolle spielen. Doppelt unlogisch ist zudem, dass Schwertkämpfer Gebäude in Brand setzen und diese dann noch nicht einmal von alleine abbrennen. Da muss erst ein Armbrustschütze mit Flammenbolzen her…ah ja. Außerdem verweigern manche Teile einer Gruppe ab und an den Angriffsbefehl, so dass man manuell nachhelfen muss.

Bei den Formationen stört, dass heilende Einheiten nicht konsequent in der zweiten Reihe stehen; bei der Wegfindung hapert es an der Zielstrebigkeit. Auch versagen manche Gebäude-Eigenschaften, wie z.B. die Regeneration von Häusern bei den Engländern, ab und zu den Dienst. Zusammen mit sporadischen Abstürzen ist genug Stoff für einen Patch vorhanden.

Recht gute deutsche Sprecher und Zwischensequenzen in Spielgrafik treiben zwar die Story voran. Aber die erzählerische Klasse von Age of Mythology wird nicht erreicht, die Darstellung wirkt etwas hölzern und die Hauptfiguren bleiben als Charaktere eher blass.

Kampagnen-Übung

Um alle Feinheiten zu testen, sollte man am besten die drei Kampagnen nacheinander spielen, die Euch in die Rolle des englischen Königs, eines koreanischen Feldherren und des amerikanischen Generals Patton versetzen.

Immerhin wird mit Admiral Yi und dem koreanischen Freiheitskampf endlich mal ein bisher unbekanntes Kapitel aufgeschlagen. Und dank fordernder optionaler Nebenquests, der vielen taktischen Übungen und des sanft ansteigenden Schwierigkeitsgrades kann man sich optimal auf den Multiplayermodus vorbereiten.

Sehr lobenswert ist die Wahl zwischen einem Rush- und einem Aufbauspiel: Ersteres eignet sich für schnelle Partien, denn Rohstoffe werden zügiger gehortet; Letzteres ist ideal für defensive Naturen, denn nicht nur der Fortschritt zum nächsten Zeitalter ist teurer, auch Mauern und Türme sind effektiver - ideal für langfristige Planungen.

Multiplayer-Spaß

Und hier geht es richtig zur Sache: Fünf Kartengrößen, zehn Schwierigkeitsgrade gegen die KI und ein Bevölkerungslimit von -theoretisch- 80.000 (!) laden zur Schlacht.

Weniger erfreulich sind die zwei mageren Siegbedingungen Eroberung und Weltwunder; hier hätte man gerade im Multiplayer noch eine taktischere Variante à la Königsmord oder Hauptstadtverlust bieten sollen. So wären auch die Saboteure und Attentäter besser zur Geltung gekommen.

Die 3D-Engine präsentiert eine klasse Kulisse mit weichen Höhenzügen, sanft schwankenden Bäumen, grasendem Rotwild und sehr detaillierten Polygonen. Die Figuren überzeugen selbst im Zoom mit klar erkennbaren Rüstungsteilen und Waffen - auch wenn sich kleine Clippingfehler einschleichen.

Immerhin kann auch die KI überzeugen und lädt zum schnellen Gefecht zwischendurch. Detaillierte Statistiken verraten Euch danach alles Wissenswerte, darunter sogar die Zahl der benötigten Mausklicks und Shortcuts.

Wasser für Feinschmecker

Und die Wasserdarstellung schlägt alles, was es derzeit im Genre zu sehen gibt: herrliche Brandungen, Korallen, Fischschwärme und lupenreine Echtzeitspiegelungen laden zu Seegefechten ein. Nur die Größenverhältnisse rauben Atmosphärepunkte, denn die Figuren sind viel zu groß für die Gebäude. Außerdem verliert die Architektur bei näherer Betrachtung an Pracht. Insgesamt hinterlässt Empires jedoch einen sehr guten Eindruck.

Musikalisch gibt´s gar nichts zu meckern, denn schöne epische Melodien begleiten den Aufbau Eures Imperiums. Auch die Soundeffekte überzeugen je nach Situation mit Gehämmer, Vogelgezwitscher, Schwertgeklirr oder Projektilgeratter. Ein großer Fauxpas ist allerdings die eintönige Befehlsannahme: Erstens gibt es so gut wie keine Variation, so dass Euch bei jedem Klick auf einen Arbeiter das "Stets zu Diensten" und bei jedem Zug mit dem Schiff das "Hoch mit dem Anker" ins Ohr kriecht. Und zweitens kann man diese störende Akustik nicht abschalten - böser Fehler, denn schon nach einer halben Stunde schaltet man entnervt die Sounds ab, nur um festzustellen, dass dann wiederum alles zu steril ist.

Melodiöser Befehlsfrust

Fazit


Sammeln, aufbauen, forschen, zerstören - alles wie gehabt. Empires - Die Neuzeit wird zwar keinen Innovationspreis gewinnen, aber dürfte jeden Echtzeit-Strategen im Detail überzeugen: Keine Nation spielt sich gleich, fast alle Einheiten haben Spezialangriffe und Naturgewalten bringen ansehnliches Chaos in militärische Planungen. Und auch wenn die Größenverhältnisse etwas stören, zaubern die Stainless Steel Studios die bis dato schönsten Buchten, Flüsse und Seen auf den Bildschirm. Die Partikel- und Explosionseffekte erreichen zwar nicht ganz das famose C&C-Niveau, entfachen aber mindestens genau so viel Zunder auf dem Schlachtfeld, das ab dem Ersten Weltkrieg zu Lande, zu Wasser und in der Luft fordert. Allerdings werden Multiplayer-Generäle besser bedient als Einzelkämpfer, denn die drei Kampagnen sind zwar spielerisch interessant, aber erzählerisch wenig packend - die epische Klasse von Age of Mythology wird nicht erreicht. Außerdem stören kleine Logikfehler, die nervige Befehlsannahme und die mageren zwei Siegvarianten. Sehr lobenswert ist dafür die Wahl zwischen Aufbau- und Angriffsspiel vor einem Duell mit Freunden. Wer sich in allen Waffengattungen optisch spektakulär duellieren will, muss zugreifen!

Pro

  • <li>sieben Völker</li><li>mächtiger Editor</li><li>acht Formationen</li><li>gute Hintergrundmusik</li><li>drei große Kampagnen</li><li>komfortable Bedienung</li><li>drei Schwierigkeitsgrade</li><li>klasse Wasserdarstellung</li><li>viele Spezialeigenschaften</li><li>automatische Scoutfunktion</li><li>zwei Spielvarianten: Aufbau & Rush</li><li>sehr gute Explosions- & Lichteffekte</li>

Kontra

  • <li>kleine Logikfehler</li><li>Türme nicht besetzbar</li><li>Kampagnen wenig packend</li><li>unstimmige Größenverhältnisse</li><li>nur zwei Siegvarianten im Multiplayer</li><li>nervige, nicht abstellbare Befehlsantworten</li><li>kleine Wegfindungs
  • & Formationsprobleme</li>

Wertung

PC

Kommentare
sourcOr

Wegen der Kampagnen braucht man sich das Spiel echt nicht zu geben. Irgendwie is bei denen was durchgebrannt und anstatt mal die KI zu verbessern, hat man diese komplett aufgegeben und sich auf Cutscenes und andere cineastische Elemente versteift.
Es hat mich unangenehm an AoE4 erinnert, wie die KI hier quasi nichts bauen kann, sondern nur unbeholfen per Skript Soldaten reingespawnt kriegt und auf dich hetzt. Aber im Gegensatz zu AoE4 darf man hier selbst auch fast nichts bauen Alles wurde fein säuberlich mit zig Beschränkungen kuratiert. Wer glaubt, z.B. in der 2. WK-Kampagne Bomber, Jäger und Panzer bauen zu können, um wie bei EE1 mit gut kombinierter Armee seine Gegner angreifen zu können, liegt sowas von falsch. Was für ein Scheiß-

Ich hab auch mal bei EE2 reingeschnuppert, und das macht quasi das genaue Gegenteil, sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht. Soll heißen, sie habens auch verkackt. Im Endeffekt bleibt eigentlich dann tatsächlich nur der Erstling als brauchbares Einzelspielerlebnis übrig. Krass. Nach dem EE1-Addon hätte ich net gedacht, dass EE2 so komplett abdriften würde, sind immerhin beide von Mad Doc.

vor 2 Jahren