XIII (2003) - Test, Shooter, PlayStation2, GameCube, XBox, PC
Wer bin ich?
Von der ersten Sekunde an wisst Ihr, dass XIII kein Shooter wie jeder andere ist. Das beginnt schon beim exzellent geschnittenen Intro, das nicht nur auf eine mit der Serie »24« vergleichbare Splitscreen-Technologie setzt, sondern auch wie ein Comic präsentiert wird: einzelne Bilder der Seite werden vergrößert, erzählen eine fantastisch animierte Geschichte, danach wird weitergeblättert. Dieser ungewöhnliche Stil zieht sich durch das ganze Spiel - schließlich basieren Konzept und Figuren ja auch auf den Werken des belgischen Zeichners Jean Van Hamme. Auf Basis neuester Unreal-Technologie kämpft Ihr Euch durch reale Umgebungen, die aber durch das verwendete Cel-Shading abgefahren comichaft aussehen. Auf den ersten Blick wirken Figuren und Bauten dadurch etwas grob, aber dieser Eindruck täuscht gewaltig: die Optik ist irre schnell, die Figuren sind sauber animiert und sehen dank der Verwendung einfacher Farben und skizzenhafter, unvollendeter Linienführung aus, als wären sie frisch einem aufregenden Bildband entsprungen. Kräftige Schattierungen verleihen den Personen dazu noch
Bild im Bild im Bild
Wie es sich für einen Comic gehört, werden natürlich auch Soundeffekte und besondere Ereignisse speziell visualisiert: laufende Wachen erkennt man an ihren »TapTapTap«-Spuren, dicke Explosionen zaubern ein gewaltiges »BOOOOM!!« auf den Bildschirm, ein getroffener Gegner verleiht seinem Frust mit einem lautstarken »NOOOO!!« gehörigen Ausdruck - selbst der Ladescreen ist nicht nur ein schnöder Balken, sondern eine passende Animation. Natürlich wird in Sprechblasen kommuniziert, außerdem verdeutlichen schnell eingeblendete Fenster besondere Ereignisse: Wenn Ihr beispielsweise einen Gegner aus weiter Entfernung trefft, bekommt Ihr in drei kleinen Fenstern eine Nahaufnahme des einschlagenden Geschosses zu sehen. Die Steuerung funktioniert auf dem PC bekannt und ohne große Überraschungen. Auf den Konsolen hingegen dürft ihr zwischen zwei und vier fertigen Layouts wählen, aber leider keine Tasten selbst definieren.
Der sechste Sinn
Ihr dürft Ihr Euch am PC kurz nach links und rechts lehnen, um etwa einen schnellen Blick um die Ecke zu erhaschen, außerdem verfügt Nummer XIII über eine Art sechsten Sinn: wenn Ihr ruhig steht, könnt Ihr die Bewegungen naher Widersacher aufgrund der per »TapTapTap« visualisierten Schritte verfolgen. Spannungs- und Frust fördernd ist in diesem Zusammenhang, dass Ihr nicht frei speichern dürft. Es gibt lediglich teilweise sehr weit auseinander liegende Checkpunkte, die gesichert werden. Falls Ihr jedoch die Waffen sprechen lassen könnt, erwarten Euch mehr Freiheiten bei der Wahl der Argumentationsverstärker als in den meisten anderen Spielen. Natürlich tauchen auch Klassikern auf: Pistole (später auch beidhändig), MG, Scharfschützengewehr, Uzi, Raketenwerfer oder Shotgun. Abgefahrener sind da schon Armbrust mit Zielfernrohr oder unter Wasser eine praktische Harpune.
Nummer XIII bekommt es größtenteils mit den gleichen Gegnern zu tun: Soldaten, angeheuerte Killer, Sektierer und Leibwächter sind weder besonders abwechslungsreich noch sonderlich herausfordernd - lediglich die seltenen Obermotze verlangen dank dicker Lebensenergieleiste und noch dickerer Bewaffnung nach spezieller Behandlung.
Ein Feind wie jeder andere
Die Story ist ein weiteres Highlight: die Suche nach der eigenen Identität und Vergangenheit der Hauptfigur, die Frage nach der Motivation der Jäger und das düstere Verwirrspiel um die Ermordung des Präsidenten werden wie das Intro in (nicht abbrechbaren) gerenderten Spielegrafik-Comics weitergesponnen. Die bislang freigespielte Geschichte könnt Ihr Euch auch vom Hauptmenü aus in Form einer kurzen Comic-Zusammenfassung gönnen, darüber hinaus wird auch im Spiel selbst viel enthüllt. Der Held erlebt an Schlüsselszenen immer wieder kurze spielbare Flashbacks.Die werden nicht nur in Schwarz-Weiß und albtraumhaft verzerrt grandios visualisiert, sondern setzen auch Stück für Stück das Puzzle um die eigene Identität zusammen. Leider scheinen sich die Entwickler die Auflösung vieler Fragen für einen Nachfolger aufgespart zu haben - das Ende kommt extrem überraschend und lässt sehr viele Fragezeichen zurück. Die Konsolen-Versionen der Flashbacks unterscheiden sich teilweise erheblich von den PC-Erinnerungen: Während eure Gedächtsnissprünge auch an der XBox schön bizarr rüberkommen, fehlt auf der PS2 einfach der
Reise in die Vergangenheit
Und natürlich meldet sich auch Euer Held des Öfteren zu Wort; gelegentlich im Spiel, mehr in den Zwischensequenzen. Während im englischen Original Akte X-Star David Duchovny den Part der Hauptfigur vertont, bekommen die deutschen Spieler den brummeligen Bass von Ben Becker (»Comedian Harmonists«) zu hören, der zwar gut zum spröden Charakter XIIIs passt, aber nicht immer gut zu verstehen ist. Auch die anderen Figuren wurden gut bis sehr gut und größtenteils mit bekannten Stimmen besetzt. Hier hat die PS2 mit mehreren wählbaren Synchronisationen (inkl. der originalen) die Nase vorn, beim GameCube vermisst man die englische Variante, auf der Xbox bleibt bei normaler Einstellung alles deutsch.
Neben der Kulisse ist vor allem der Soundtrack ein Feature, das XIII deutlich von anderen Shootern abhebt. Während die Konkurrenz zumeist auf Techno oder rockige Stücke setzt, dröhnen Euch hier sehr jazzige und schlagzeuglastige Klänge entgegen. Diese funky Untermalung passt sich dem Spielgeschehen an, dreht in actionreichen Momenten auf und treibt die Motivation des Spielers mit aufregenden Drum-Soli in ungeahnt dramatische Höhen. Die Soundeffekte liefern bewährte Kost: viel Bumm,
Funky Killer
Neben den obligatorischen Deathmatch- und CTF-Varianten warten auch eine Geisterjagd sowie mit »Sabotage« und »Power Up« zwei interessante Spielmodi auf die Erkundung. Sabotage ist deutlich von Counterstrike inspiriert: ein Team muss per Sprengsatz bestimmte Punkte in die Luft jagen, das andere muss das verhindern. In Power Up hingegen bekämpft Ihr Euch wie im klassischen Deathmatch. Der Unterschied ist nur, dass Ihr keine Extras aufsammelt, sondern Kisten, in denen sich unbekannte Waffen oder Boni befinden. Darüber hinaus wartet noch ein Splitscreen-Modus, der auch Einzelspielern als Übungsvariante dient - denn nur hier könnt Ihr Bots dazuschalten. PS2 und Gamecube bieten bis zu drei Spielern vor einem Fernseher Platz, geht ihr mit Sonys Konsole online, könnt ihr gegen maximal fünf Widersacher antreten. Xbox-Spieler können sich entweder zu viert vor einer Konsole tummeln, oder via Xbox Live zu acht aufeinander losgehen.
Fazit
100 Stilpunkte! Selbst Mr. Coolness Max Payne verbreitet nicht die tiefgekühlte Stimmung, die von der Optik dieses Spiels ausgeht. XIII ist von Anfang bis Ende einfach durchgestylt, selbst der vollkommen belanglose Ladescreen hat Klasse - höchstes Designlob! Das gilt allerdings nicht für die Schleichmissionen, für die ich den Entwicklern am liebsten Nummer 13 auf den Hals hetzen möchte: In Verbindung mit dem unglücklichen Speichersystem gilt in diesen Abschnitten ein zähes Trial-and-Error-Prinzip, bis ich wirklich alle Gegnerpositionen auswendig kenne, bis ich wirklich alle schlaffen Körper durch den halben Level getragen und anschließend sicher versteckt habe - das muss wirklich nicht sein! Dafür ebenso Abzug wie für die immer wiederkehrenden, mäßig schlauen Gegner und das hundsgemein offene Ende, das schlimmer ist als die Cliffhanger in »24«, »Kill Bill Vol. 1« und der 95er Origin-Titel »Bioforge« zusammen - so was ist fies, wirklich fies. Doch davon abgesehen ist XIII momentan -der- Shooter für alle, die einen aufregenden Comic dem tausendsten Fotorealismus vorziehen - Präsentation, Spielspaß und Ideenreichtum setzen Maßstäbe im Ballergenre.
Pro
- <P> saucoole Grafik
- tolle Bildschirmeffekte
- irre schnell
- weiche Animationen
- fantastische Zwischensequenzen
- spannende Story
- außergewöhnliche Waffen
- einfache Steuerung
- angenehm umfangreich
- treibender Soundtrack
- gute Sprachausgabe
- witzige Dialoge
- abwechslungsreiche Missionen
- herausfordernde Endgegner
- interessante Spezialeigenschaften
- kurze Ladezeiten
- nette Multiplayermodi</P>
Kontra
- <P>
- viel aufgezwungenes Schleichen
- extrem fieses Ende
- abwechslungsarme Standardgegner
- nicht abbrechbare Zwischensequenzen
- nicht frei speicherbar
- mäßig intelligente NPCs
- PS2-Version etwas farbarm
- Steuerung nicht frei definierbar (Konsolen)
- Flashbacks extrem unspektakulär (GameCube)
- lange Ladezeiten (PS2 & GameCube)
- Bildgeometrie nicht einstellbar (Xbox)
- Xbox-Version etwas verbuggt</P>