XIII (2003) - Test, Shooter, PlayStation2, GameCube, XBox, PC

XIII (2003)
22.12.2003, Paul Kautz

Test: XIII (2003)

Gängige Shooter bemühen sich heutzutage entweder um immer mehr Realismus, oder versuchen, den Spieler mit immer ausgefeilteren Schockeffekten in ihren Bann zu ziehen. Ubi Softs XIII geht einen komplett anderen Weg: Coolness und ein extravaganter Grafikstil stehen im Vordergrund. Ob es auch für ein packendes Spiel gereicht hat, erfahrt Ihr aus der Review.

Der Comic-Stil wird konsequent durchzogen - die Splitscreen-Technologie ist nur ein Teil davon.
Das lange Intro zeigt die Ereignisse der vergangenen Monate: der Präsident wurde erschossen, der Bruder verspricht, sein Werk weiterzuführen. Mysteriöse Gestalten scheinen ihre Finger im Spiel zu haben, und immer wieder wird eine Person namens »Nummer XIII« erwähnt. Schnitt zum Strand: eine gelangweilte Rettungsschwimmerin findet eine unbekannte Person, die neben einer Schusswunde auch einen Bankschlüssel, und eine auf die Brust tätowierte »XIII« ihr Eigen nennt - sich aber an nichts erinnern kann. Schnitt zum Spiel: Ihr schleppt Euch schwankend über den Sand in Richtung des Strandhäuschens. Dort angekommen, fehlt Euch die Zeit zur Entspannung, eine Mörderbande greift das Häuschen an, die junge Frau wird das erste Opfer. Keine Zeit zum Überlegen: aus Euch nicht bekannten Gründen wisst Ihr genau, wie man Wurfmesser und Schusswaffen benutzt - kämpft Euch den Weg frei, und sucht nach Eurer Vergangenheit!

Wer bin ich?

Von der ersten Sekunde an wisst Ihr, dass XIII kein Shooter wie jeder andere ist. Das beginnt schon beim exzellent geschnittenen Intro, das nicht nur auf eine mit der Serie »24« vergleichbare Splitscreen-Technologie setzt, sondern auch wie ein Comic präsentiert wird: einzelne Bilder der Seite werden vergrößert, erzählen eine fantastisch animierte Geschichte, danach wird weitergeblättert. Dieser ungewöhnliche Stil zieht sich durch das ganze Spiel - schließlich basieren Konzept und Figuren ja auch auf den Werken des belgischen Zeichners Jean Van Hamme. Auf Basis neuester Unreal-Technologie kämpft Ihr Euch durch reale Umgebungen, die aber durch das verwendete Cel-Shading abgefahren comichaft aussehen. Auf den ersten Blick wirken Figuren und Bauten dadurch etwas grob, aber dieser Eindruck täuscht gewaltig: die Optik ist irre schnell, die Figuren sind sauber animiert und sehen dank der Verwendung einfacher Farben und skizzenhafter, unvollendeter Linienführung aus, als wären sie frisch einem aufregenden Bildband entsprungen. Kräftige Schattierungen verleihen den Personen dazu noch

Figuren und Umgebungen sind aufregend "anders" gestaltet.
eine ungewohnt plastische Tiefe. Viele Spezialeffekte wie Verzerrungen, Verwischungen, durch Bäume schimmerndes Sonnenlicht, gute Weitsicht und schöne Wettereffekte vollenden den umwerfenden Eindruck. Die PS2-Version leidet an leicht flimmrigen Texturen und leichter Farbarmut, sonnst nehmen sich die Konsolen-Versionen grafisch auf den ersten Blick nichts.

Bild im Bild im Bild

Wie es sich für einen Comic gehört, werden natürlich auch Soundeffekte und besondere Ereignisse speziell visualisiert: laufende Wachen erkennt man an ihren »TapTapTap«-Spuren, dicke Explosionen zaubern ein gewaltiges »BOOOOM!!« auf den  Bildschirm, ein getroffener Gegner verleiht seinem Frust mit einem lautstarken »NOOOO!!« gehörigen Ausdruck - selbst der Ladescreen ist nicht nur ein schnöder Balken, sondern eine passende Animation. Natürlich wird in Sprechblasen kommuniziert, außerdem verdeutlichen schnell eingeblendete Fenster besondere Ereignisse: Wenn Ihr beispielsweise einen Gegner aus weiter Entfernung trefft, bekommt Ihr in drei kleinen Fenstern eine Nahaufnahme des einschlagenden Geschosses zu sehen. Die Steuerung funktioniert auf dem PC bekannt und ohne große Überraschungen. Auf den Konsolen hingegen dürft ihr zwischen zwei und vier fertigen Layouts wählen, aber leider keine Tasten selbst definieren.

Ob Winterlandschaft oder U-Boot - überall warten clevere Feinde auf euch.
Im Verlauf des mit rund 15 Stunden angemessen umfangreichen Spiels durchkreuzt Ihr auf der Suche nach Eurer Vergangenheit unter anderem eine Schiffswerft, eine Kirche und einen militärischen Stützpunkt. Ihr treibt Euch auch kurz an Bord eines U-Boots herum oder hetzt durch ein Hotel. Ihr müsst einen Freund befreien, heranstürmende Gegnerhorden abwehren, aus einem Gefängnis fliehen, per Richtmikrofon ein Gespräch belauschen oder auch mal unauffällig eine Wanze platzieren. Während die meisten Missionen auf pure Balleraction setzen, tritt die vor allem gegen Ende des Spiels deutlich in den Hintergrund, um recht harten Schleicheinsätzen zu weichen: in diesen müsst Ihr unerkannt irgendwo eindringen, was aufgrund der wachsamen Gegner kein Zuckerschlecken ist. Glücklicherweise erlernt Ihr schnell, wie man Widersacher geräuschlos ausknockt, außerdem könnt und müsst Ihr sehr oft leblose Körper aus dem Sichtfeld befördern, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen.

Der sechste Sinn

Ihr dürft Ihr Euch am PC kurz nach links und rechts lehnen, um etwa einen schnellen Blick um die Ecke zu erhaschen, außerdem verfügt Nummer XIII über eine Art sechsten Sinn: wenn Ihr ruhig steht, könnt Ihr die Bewegungen naher Widersacher aufgrund der per »TapTapTap« visualisierten Schritte verfolgen. Spannungs- und Frust fördernd ist in diesem Zusammenhang, dass Ihr nicht frei speichern dürft. Es gibt lediglich teilweise sehr weit auseinander liegende Checkpunkte, die gesichert werden. Falls Ihr jedoch die Waffen sprechen lassen könnt, erwarten Euch mehr Freiheiten bei der Wahl der Argumentationsverstärker als in den meisten anderen Spielen. Natürlich tauchen auch Klassikern auf: Pistole (später auch beidhändig), MG, Scharfschützengewehr, Uzi, Raketenwerfer oder Shotgun. Abgefahrener sind da schon Armbrust mit Zielfernrohr oder unter Wasser eine praktische Harpune.

Wenn ihr es tragen könnt, lässt es sich auch als Waffe benutzen - in XIII gewinnen einfache Gerätschaften ganz neue Bedeutung.
Doch richtig verrückt wird's mit Stuhl, Aschenbecher, Besen oder Schaufel - viele der herumstehenden und -liegenden Gegenstände könnt Ihr zu Eurem Vorteil missbrauchen. Insgesamt kann Euer Alter Ego mehr Wummen mit sich herumtragen als Rambo und Lobo zusammen; je nachdem welche Waffe Ihr gerade in der Hand haltet, seid Ihr überdies mehr oder weniger langsam unterwegs. Gelegentlich dürft Ihr auch stationäre Geschütze bedienen, um leichter mit größeren Gegneransammlungen fertig zu werden. Das Ganze läuft recht blutig ab, allerdings wird diesem Brutalo-Ansatz dank des Comic-Ambientes sehr erfolgreich der Zahn gezogen.

Nummer XIII bekommt es größtenteils mit den gleichen Gegnern zu tun: Soldaten, angeheuerte Killer, Sektierer und Leibwächter sind weder besonders abwechslungsreich noch sonderlich herausfordernd - lediglich die seltenen Obermotze verlangen dank dicker Lebensenergieleiste und noch dickerer Bewaffnung nach spezieller Behandlung. 

Ein Feind wie jeder andere

Nehmt ihr Geiseln, werdet ihr nicht mehr direkt von vorne beschossen. Gemein, aber effektiv.
Um den Biss ins Gras so lange wie möglich herauszuzögern stehen Euch einige Möglichkeiten offen: Panzerwesten, Helme und unterschiedlich große Medipäckchen halten die eigene Haut blutfrei. Intelligenterweise wird bei Anwendung der Heilkits automatisch die richtige Größe benutzt, so dass Ihr die Pakete nicht verschwendet. Ebenso wichtig ist die Geiselnahme:  bei vielen Gelegenheiten könnt Ihr einen ahnungslosen Gegner oder Zivilisten von hinten schnappen, und als menschliches Schutzschild vor Euch herschieben. Während dessen werdet Ihr frontal nicht mehr angegriffen, könnt aber mit einer kleinen Waffe selbst Blei verteilen. Hin und wieder obliegt Euch auch die Aufgabe, einen NPC zu beschützen. Dieser darf wie üblich nicht draufgehen, was dank der Eigenständigkeit der computergesteuerten Freunde oft nicht einfach zu gewährleisten ist. Darüber hinaus findet Ihr im Spiel gelegentlich Dokumente, die Ihr vom Hauptmenü aus einsehen könnt, und die zusätzliche Informationen über XIII und seine Widersacher enthalten.

Die Story ist ein weiteres Highlight: die Suche nach der eigenen Identität und Vergangenheit der Hauptfigur, die Frage nach der Motivation der Jäger und das düstere Verwirrspiel um die Ermordung des Präsidenten werden wie das Intro in (nicht abbrechbaren) gerenderten Spielegrafik-Comics weitergesponnen. Die bislang freigespielte Geschichte könnt Ihr Euch auch vom Hauptmenü aus in Form einer kurzen Comic-Zusammenfassung gönnen, darüber hinaus wird auch im Spiel selbst viel enthüllt. Der Held erlebt an Schlüsselszenen immer wieder kurze spielbare Flashbacks.Die werden nicht nur in Schwarz-Weiß und albtraumhaft verzerrt grandios visualisiert, sondern setzen auch Stück für Stück das Puzzle um die eigene Identität zusammen. Leider scheinen sich die Entwickler die Auflösung vieler Fragen für einen Nachfolger aufgespart zu haben - das Ende kommt extrem überraschend und lässt sehr viele Fragezeichen zurück. Die Konsolen-Versionen der Flashbacks unterscheiden sich teilweise erheblich von den PC-Erinnerungen: Während eure Gedächtsnissprünge auch an der XBox schön bizarr rüberkommen, fehlt auf der PS2 einfach der

Die Qualität der Flashback-Sequenzen schwankt stark von Plattform zu Plattform.
Unschärfe-Effekt - man erkennt zu viele Details. Der GameCube hat hier völlig verloren, da das Bild lediglich schwarz-weiß gemacht wird, und somit an einen alten Stummfilm erinnert. Klar, dass bei so viel Story allerhand geredet wird: Freund und Feind reden sehr viel, teilweise sogar mehr als nötig. Wer einige Widersacher nicht sofort über den Haufen ballert, sondern Ihnen aus einer sicheren Ecke eine Weile zuhört, wird Zeuge einiger witziger Dialoge - unter anderem erfahrt Ihr wichtige Details über den korrekten Bau eines Schneemanns.

Reise in die Vergangenheit

Und natürlich meldet sich auch Euer Held des Öfteren zu Wort; gelegentlich im Spiel, mehr in den Zwischensequenzen. Während im englischen Original Akte X-Star David Duchovny den Part der  Hauptfigur vertont, bekommen die deutschen Spieler den brummeligen Bass von Ben Becker (»Comedian Harmonists«) zu hören, der zwar gut zum spröden Charakter XIIIs passt, aber nicht immer gut zu verstehen ist. Auch die anderen Figuren wurden gut bis sehr gut und größtenteils mit bekannten Stimmen besetzt. Hier hat die PS2 mit mehreren wählbaren Synchronisationen (inkl. der originalen) die Nase vorn, beim GameCube vermisst man die englische Variante, auf der Xbox bleibt bei normaler Einstellung alles deutsch.

Neben der Kulisse ist vor allem der Soundtrack ein Feature, das XIII deutlich von anderen Shootern abhebt. Während die Konkurrenz zumeist auf Techno oder rockige Stücke setzt, dröhnen Euch hier sehr jazzige und schlagzeuglastige Klänge entgegen. Diese funky Untermalung passt sich dem Spielgeschehen an, dreht in actionreichen Momenten auf und treibt die Motivation des Spielers mit aufregenden Drum-Soli in ungeahnt dramatische Höhen. Die Soundeffekte liefern bewährte Kost: viel Bumm,

Nichts für Weicheier: XIII geizt nicht mit Blut, übertreibt es aber nie.
viel Krawumm, viel Gegnerstöhnen. Ein nettes Feature enthüllt sich beispielsweise, wenn Ihr zu nahe an einer Explosion steht: für kurze Zeit beherrscht ein hohes Fiepen Eure Wahrnehmung, während alle anderen Umgebungsgeräusche wie durch Watte abgedämmt klingen. Spätestens wenn Ihr den Solomodus beendet habt, gewinnt die Mehrspielerunterstützung an Bedeutung. Maximal acht Spieler dürfen sich am PC per LAN oder Internet in acht Modi das Grinsen aus dem Gesicht schießen.

Funky Killer

Neben den obligatorischen Deathmatch- und CTF-Varianten warten auch eine Geisterjagd sowie mit »Sabotage« und »Power Up« zwei interessante Spielmodi auf die Erkundung. Sabotage ist deutlich von Counterstrike inspiriert: ein Team muss per Sprengsatz bestimmte  Punkte in die Luft jagen, das andere muss das verhindern. In Power Up hingegen bekämpft Ihr Euch wie im klassischen Deathmatch. Der Unterschied ist nur, dass Ihr keine Extras aufsammelt, sondern Kisten, in denen sich unbekannte Waffen oder Boni befinden. Darüber hinaus wartet noch ein Splitscreen-Modus, der auch Einzelspielern als Übungsvariante dient - denn nur hier könnt Ihr Bots dazuschalten. PS2 und Gamecube bieten bis zu drei Spielern vor einem Fernseher Platz, geht ihr mit Sonys Konsole online, könnt ihr gegen maximal fünf Widersacher antreten. Xbox-Spieler können sich entweder zu viert vor einer Konsole tummeln, oder via Xbox Live zu acht aufeinander losgehen. 

Fazit

100 Stilpunkte! Selbst Mr. Coolness Max Payne verbreitet nicht die tiefgekühlte Stimmung, die von der Optik dieses Spiels ausgeht. XIII ist von Anfang bis Ende einfach durchgestylt, selbst der vollkommen belanglose Ladescreen hat Klasse - höchstes Designlob! Das gilt allerdings nicht für die Schleichmissionen, für die ich den Entwicklern am liebsten Nummer 13 auf den Hals hetzen möchte: In Verbindung mit dem unglücklichen Speichersystem gilt in diesen Abschnitten ein zähes Trial-and-Error-Prinzip, bis ich wirklich alle Gegnerpositionen auswendig kenne, bis ich wirklich alle schlaffen Körper durch den halben Level getragen und anschließend sicher versteckt habe - das muss wirklich nicht sein! Dafür ebenso Abzug wie für die immer wiederkehrenden, mäßig schlauen Gegner und das hundsgemein offene Ende, das schlimmer ist als die Cliffhanger in »24«, »Kill Bill Vol. 1« und der 95er Origin-Titel »Bioforge« zusammen - so was ist fies, wirklich fies. Doch davon abgesehen ist XIII momentan -der- Shooter für alle, die einen aufregenden Comic dem tausendsten Fotorealismus vorziehen - Präsentation, Spielspaß und Ideenreichtum setzen Maßstäbe im Ballergenre.

Pro

  • <P> saucoole Grafik
  • tolle Bildschirmeffekte
  • irre schnell
  • weiche Animationen
  • fantastische Zwischensequenzen
  • spannende Story
  • außergewöhnliche Waffen
  • einfache Steuerung
  • angenehm umfangreich
  • treibender Soundtrack
  • gute Sprachausgabe
  • witzige Dialoge
  • abwechslungsreiche Missionen
  • herausfordernde Endgegner
  • interessante Spezialeigenschaften
  • kurze Ladezeiten
  • nette Multiplayermodi</P>

Kontra

  • <P>
  • viel aufgezwungenes Schleichen
  • extrem fieses Ende
  • abwechslungsarme Standardgegner
  • nicht abbrechbare Zwischensequenzen
  • nicht frei speicherbar
  • mäßig intelligente NPCs
  • PS2-Version etwas farbarm
  • Steuerung nicht frei definierbar (Konsolen)
  • Flashbacks extrem unspektakulär (GameCube)
  • lange Ladezeiten (PS2 & GameCube)
  • Bildgeometrie nicht einstellbar (Xbox)
  • Xbox-Version etwas verbuggt</P>

Wertung

PlayStation2

GameCube

XBox

PC

Abgefahrene Comic-Grafik + spannende Story = ungewöhnliches Shooter-Highlight.