Top Spin - Test, Sport, PlayStation2, XBox, PC

Top Spin
13.11.2003, Mathias Oertel

Test: Top Spin

Spricht man von Konsolentennis, denkt man sofort an die Virtua Tennis-Serie von Sega, die bis heute unangefochten die Nummer 1 auf dem Court ist. Doch mit Top Spin (ab 3,92€ bei kaufen) für die Xbox kommt ein viel versprechender Kandidat, der durchaus das Zeug hat, Segas Filzballjagd in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken. Im Test könnt ihr erfahren, ob der Newcomer den Platzhirsch entthronen kann.

Der spielerische Vergleich mit Virtua Tennis (VT) wird in diesem Test häufig fallen. Denn zum einen ist Segas Tennis nun einmal das Maß aller Dinge und zum anderen gibt es zahlreiche Punkte, in denen sich Top Spin an der bislang unangefochtenen Tennis-Referenz orientiert.

Virtua Tennis als Grundlage

Mit letztem Einsatz.

Nehmen wir beispielsweise den Hauptspielmodus Karriere, der die typischen Freundschaftsspiele ergänzt: Wie bei VT startet ihr mit eurem selbst erstellten Spieler (oder der Spielerin) ganz unten in der Rangliste und müsst euch durch Turniere auf der ganzen Welt nach oben arbeiten. Und wie bei Segas Vorzeigetennis gibt es Trainingseinheiten. Doch im Gegensatz zu VT hat das Training einen weitaus höheren Stellenwert.

Da ihr mit den 14 zur Verfügung stehenden Sternen nicht alle Eigenschaften auf Gold bringen könnt, müsst ihr euch schon früh entscheiden, ob ihr eher einen durchschnittlichen Spieler erstellen wollt bzw. auf welche Gebiete ihr euch spezialisieren wollt - zumal die Unterschiede deutlich in den Matches spürbar sind.

Denn eure Figur verfügt anfänglich nur über rudimentäre Fähigkeiten. Ihr habt allerdings insgesamt 14 Sterne zur Verfügung, die ihr auf vier Fähigkeiten (Aufschlag, Rückhand, Vorhand, Volley) verteilen könnt.

Weltweit gibt es jedoch Trainer, die für eine entsprechende Übungslektion in der jeweiligen Disziplin bare Münze sehen wollen. 

Und dass es eine Menge Schotter kostet, um eine der Eigenschaften auf den 5-Sterne-Goldstatus zu bringen, versteht sich von selbst.

Zusätzlich bekommt ihr noch in Intervallen die Möglichkeit, insgesamt vier besondere Eigenschaften zu wählen. Dadurch könnt ihr vorhandene Stärken weiter ausbauen oder durch die Auswahl auftretende Schwächen kompensieren. Seid ihr z.B. beim Aufschlag eher schwach, ist es ratsam, sich die Eigenschaft Geschwindigkeit zu geben, um die Returns schneller erlaufen zu können.

Spiel, Satz und Sieg!

Verschenkte Chancen

So motivierend es anfangs für Einzelspieler auch ist, sich durch kleinere, größere und Grand-Slam-Turniere zu kämpfen und Preisgelder zu erspielen, so wenig werden die sich anbietenden Chancen auf lange Sicht genutzt. 

Zusammen mit der Möglichkeit, seinem Sponsor durch zusätzliche Aufgaben Geld aus der Tasche zu ziehen, hat man mit den Siegprämien schnell das nötige Kleingeld zusammen, um seinem Spieler das im Endeffekt viel zu leichte Training für alle 14 Sterne zu ermöglichen.

Des einen Freud, des anderen Leid.


Und dann? Dann ist man eigentlich nur noch dabei, seinen Trophäenschrank zu füllen bzw. das Geld für neue Ausrüstungsgegenstände oder Outfits auszugeben.

Und hier hat man schon wieder eine Chance vergeben: Denn egal, ob neue Schuhe oder ein neues Racket - alles ist nur kosmetischer Natur und hat keinerlei Einfluss auf eure Fähigkeiten.

Beschränkte sich Virtua Tennis auf gerade mal zwei Knöpfe und die Richtungsvorgabe des Sticks, um seine Bälle zu setzen, wird bei Top Spin das ganze Pad genutzt. Mit dem Ergebnis, dass euch auf dem Platz ein wahres Arsenal an Schlagvarianten zur Verfügung steht, um den Gegner (egal ob menschlich oder gut agierende KI) in Grund und Boden zu spielen. 

Pure Schlagvielfalt

Es gibt jeweils eine Taste für Lob, Top Spin, Backspin und einen normalen Schlag.Zusammen mit der Richtung des Sticks könnt Ihr wie bei VT eine grobe Richtung vorgeben, in die der Ball geschlagen werden soll. Abhängig von Eurer Position zum Ball und der Zeit, die Ihr zum Ausholen habt, ergibt sich die Stärke, mit der die Filzkugel übers Netz gedroschen wird.

Volle Power!

Allerdings reagieren die Figuren deutlich träger als bei Virtua Tennis, so dass sich hart gesottene Fans von Segas Tennis-Serie vermutlich kopfschüttelnd abwenden. Auch die Stopp-Bälle sind nur mit einem kontrollierten Druck auf die L-Taste zu erreichen und somit deutlich schwieriger zu setzen als bei VT.

So ergeben sich schnell abwechslungsreiche und sehr dynamische Ballwechsel, die durchaus denen aus VT ebenbürtig sind.

Doch auch diese beiden kleineren Mankos verhindern nicht, dass die Spieldynamik und Abwechslung weit über das hinausgeht, was man von Sega kennt und immer wieder für Begeisterung sorgt. 

Doch auch, wenn in Sachen Ballphysik und Trägheit der Spieler viel Simulation einfließt, ist auch ein bisschen Arcade in den Ballwechseln zu finden.

Mittendrin statt nur dabei.


Mit der R-Taste könnt ihr bei gutem Timing einen besonders vernichtenden Schlag landen, bei dem der Gegner massive Schwierigkeiten mit der Rückgabe hat.

Mentale Stärke spielt auf dem Platz ebenfalls eine große Rolle. Die so genannte ITZ-Anzeige ("In The Zone") füllt sich bei geglückten Aktionen und wird bei schwachen Rückschlägen oder gar Doppelfehlern schnell wieder geleert. Je mehr ihr aber in der Zone seid, um so stärker werden Eure gewählten Skills berücksichtigt und auch Risikoschläge sind mit einer weitaus höheren Erfolgschance versehen.

Emotionen

Egal ob Frust, Wut, Enttäuschung oder Verspotten des Gegners: das emotionale Spektrum ist immens groß und optisch gut umgesetzt, auch wenn sich die Einspielungen auf Dauer wiederholen. Und obwohl wir vermuten, dass richtig eingesetzte Emotionen Einfluss auf die ITZ-Anzeige nehmen, war es uns auch nach zahlreichen Test-Matches nicht möglich, dies 100-prozentig nachzuweisen.

Als ob das nicht reichen würde, um für Abwechslung auf den weltweiten Tennisplätzen zu sorgen, habt ihr nach den Ballwechseln noch die Möglichkeit, mit der schwarzen bzw. weißen Taste euren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. 

Mit voller Wucht zurück.


In jedem Fall sind die Gefühlsäußerungen aber ein nettes Feature, das vor allem in Multiplayer-Spielen für Begeisterung sorgen dürfte.

Multiplayer Furioso!

Womit wir beim nächsten Punkt sind. Denn was man im Einzelspielermodus etwas vermisst -Langzeitmotivation- wird in Mehrspieler-Duellen mehr als genug abgeliefert.

Egal ob Einzelmatches oder Doppel: ein Spiel jagt das andere und Dynamik und Spannung geraten in ungeahnte Höhen.

Und wie es sich für ein XSN-Sportspiel gehört, sorgt die Xbox Live-Anbindung inklusive Weltrangliste und Statistiken für den letzten Kick. 

Hier könnte auch eine Erklärung für das schnell und leicht zu erledigende Training liegen: Natürlich macht es online nur Spaß, wenn man mit einem voll ausgerüsteten Spieler gegen einen Gegner antritt. 

Der größte grafische Schwachpunkt von Top Spin ist die spröde und nahezu langweilige Präsentation. Zwar sind die Menüs aufgeräumt und übersichtlich, doch im Endeffekt bleibt der Eindruck, dass eine grafische Einstimmung vor den Matches zu Gunsten einer schlichten Benutzerführung geopfert wurde.

Optisch opulente Ballhatz

Natürlich kann man auch Doppel spielen.


Ganz anders verhält es sich jedoch mit den Spielermodellen. Aufwändig und lebensnah modelliert sowie mit vielfältigen verdammt gut aussehenden Animationsstufen versehen, sorgt die Spieleroptik für unverhohlene Freude.

Das geht sogar so weit, dass bei den "Attitude"-Einblendungen deutlich die Änderungen in der Gesichtsmimik zu sehen sind - klasse!

Auch die zahlreichen Tennisplätze sind durch die Bank sehenswert. Egal, ob offene Stadien, Hallen oder die Traningsplätze - alles wirkt wie aus einem Guss.

Doch es ist nicht alles so optimal in Szene gesetzt wie die Spieler. Schieds- und Linienrichter wurden weniger detailliert gestaltet und wirken neben den Spielern einfach nur fade. Dazu kommt noch, dass sich die Linienrichter nicht einmal ansatzweise bewegen, wenn ihnen der Ball nach einem gepfefferten Aufschlag gefährlich nahe kommt. Hier beraubt sich das Spiel wieder ein wenig der Stimmung, die auch durch die nette, aber im Endeffekt nur durchschnittliche Zuschauerkulisse entsteht.

Kleine Feinheiten wie Spuren, die rutschende Spieler auf Sandplätzen hinterlassen, und die im TV-Stil arrangierten Zeitlupen mit Splitscreen-Technik sorgen ebenfalls für Stimmung und zeigen, mit wie viel Sorgfalt die Grafiker zu Werke gegangen sind.

Akrobatisch und erfolgreich?


Doch bei den Ballwechseln stimmt einfach alles - und letzten Endes stehen die ja auch im gut inszenierten Mittelpunkt.

Mit einer passenden und unauffälligen Musikuntermalung ausgestattet, liegt das Hauptaugenmerk der Akustik auf der gelungen Umsetzung der Matches. Die Schlaggeräusche sind optimal eingesetzt, variieren auch in Abhängigkeit der Umgebung und sich technisch sehr sauber.

Wo ist der Kommentar?

Auch die Ansagen der Schiedsrichter sind gelungen und lassen dank des leicht durchschimmernden Dialekts des jeweiligen Referees keinen Zweifel daran, in welchem Land man gerade sein Turnier bestreitet.

Angesichts der guten Kommentare beim Einmarsch der Athleten ist es allerdings höchst bedauerlich, dass es während der Spiele keine Einschätzungen zu besonders gelungenen Ballwechseln gibt.

Fazit

Spiel, Satz und Sieg für Top Spin! Und endlich die wohlverdiente Rente für Virtua Tennis. Zwar hat auch Top Spin einige kleine Schönheitsfehler, doch unter dem Strich finden Tennis-Fans mit Microsofts Filzballjagd das bislang beste Konsolentennis. Grafisch dank der fantastischen Spielermodelle und der zahlreichen unterschiedlichen Courts mehr als überzeugend, können auch kleinere Schwächen wie die schwach aussehenden Linienrichter das Grafikvergnügen nicht mehr stoppen. Und was Top Spin in der ansonsten gelungenen Akustik an Kommentar fehlt, macht das umfangreiche Schlagsystem mehr als wett. Zu schade ist allerdings, dass Einzelspieler ziemlich schnell auf Nummer 1 der Weltrangliste kommen und die freigekauften Items und Outfits nur optische Verbesserungen mit sich bringen. Auf Grund der dynamischen und spannenden Matches ist Top Spin aber ein ideales Spiel für fordernde Multiplayer-Duelle. Ein Feature, das durch die Xbox Live-Spiele und der auf XSN geführten Rangliste zu einer rasant nach oben steigenden Motivationskurve führt. Kurzum: ein Tennisspiel, an dem keiner vorbei kommt, der sich nur ansatzweise für Sportspiele interessiert!

Pro

  • ausgefeiltes Spielsystem mit zahlreichen Schlagvarianten
  • feine Spielergrafiken
  • leistungsstarker Spieler-Editor
  • Online-Duelle und -Meisterschaften über Xbox Live
  • zahlreiche Items und Outfits freizuspielen
  • gelungene Ballphysik
  • Courts (fast) ohne Ende
  • enormer Multiplayer-Spaß
  • deutlich spürbare Platz-Unterschiede
  • variable Spiellängen einstellbar

Kontra

  • für Einzelspieler zu kurz
  • Zuschauer sowie Schieds
  • und Linienrichter fade
  • keine Kommentare
  • gekaufte Items nur kosmetischer Natur
  • keine Mixed-Doppel möglich

Wertung

XBox

Erstklassige Tennis-Sim, die aber auf der PS2 an massiven Technikmängeln krankt.