In Memoriam - Test, Adventure, PC

In Memoriam
22.11.2003, Bodo Naser

Test: In Memoriam

Der interaktive Thriller In Memoriam (ab 11,79€ bei kaufen), in dem ihr einen gefährlichen Serienkiller stellen müsst, der sich seine Opfer übers Internet sucht, hat im Vorfeld unter den Adventure-Fans für so etwas wie Euphorie gesorgt. Lexique Numerique versprach nicht weniger, als auf gängige Spielmuster weitgehend zu verzichten. Handelt es sich nur um einen Marketingtrick oder bietet das Krimi-Abenteuer tatsächlich Innovatives? Antworten darauf liefert der Test!

Eines der optisch ansprechend umgesetzten Rätsel, bei denen ihr meist um die Ecke denken müsst.


Konventionelle Story

Der fiktive Sender SKL-Network sucht auf seiner Webseite Leute, die nach Jack Lorski und Karen Gijman suchen. Die beiden sind bei ihrer Recherche nach einem mysteriösen Serienkiller, der das Pseudonym Phönix trägt, spurlos verschwunden.

Alles was von Jack und Karen blieb, sind einige Notizen, ein paar Filmschnipsel und eine CD-ROM, auf der eben jener Phönix seine Spielchen mit euch treibt. So weit, so konventionell. Doch dann verheißt es, anders zu werden, denn ihr müsst nun mit Hilfe von realen und gefaketen Homepages, E-Mails und Videos herausfinden, wo das Pärchen abgeblieben ist. Schnell wird klar, dass sie sich in der Gewalt des ebenso intelligenten wie gefühlskalten Mörders befinden...

Schon vor dem Release wurde In Memoriam vor allem von der französischen Presse mit viel Vorschusslorbeeren überhäuft und  erhielt den Interactive Creation Award 2003 der SACD sowie den Mobius Preis 2003. Vergleiche mit dem filmisch unkonventionellen und kommerziell erfolgreichen Horrorstreifen Blair Witch Projekt wurden gezogen.

Preisgekröntes Werk

In Deutschland wurde das Spiel von Eric Viennot eher verhalten aufgenommen, was auch an der viel zu spät einsetzenden Werbung lag. Anscheinend hat aber keine der lobenden Stimmen das Adventure jemals richtig gespielt, sonst hätten sie eigentlich merken müssen, dass es sich um ein stinknormales Bildschirmabenteuer handelt, dessen optisch ansprechende Rätsel noch nicht mal besonders originell sind. Internet vonnöten

So etwas wie eine Benutzeroberfläche besitzt In Memoriam zwar schon, aber die Handlung soll allein vor eurem geistigen Auge ablaufen. Im Mittelpunkt des Interesses steht die berühmt-berüchtigte CD-ROM des Täters, die voll von geheimnisvollen Zeichen, esoterischen Symbolen und astronomischen Rätseln ist. Um eines der teils sehr schweren Puzzles zu lösen, müsst ihr immer wieder auf reale Seiten aus dem Internet zurückgreifen, auf denen ihr wichtige Hinweise findet. Der Wechsel zwischen CD, Web und fiktiven E-Mails, die direkt an euren realen Account verschickt werden, ist aber recht umständlich zu handhaben. In Memoriam läuft übrigens auch auf dem Mac, wofür ihr allerdings auch einen Internetzugang benötigt.

Realität und Fiktion sollen sich so letztlich untrennbar vermischen. Leider gelingt das nur bedingt, da das Spiel wegen der Unterbrechungen durch die umfangreichen Rätsel nicht die Sogwirkung eines sich von der Spannung kontinuierlich steigernden Blair Witch Projekts entfaltet. Der Beginn des Krimi-Adventures hängt mangels Einführungsfilms leider ziemlich in der Luft, da ihr euch mühsam erst selbst alles zusammensuchen müsst.

Aufgesetzte Rätsel

Na, was müsst ihr hier wohl machen, um an die Puzzles zu gelangen?

Eigentlich geht es bei der Lösung der aufgesetzt wirkenden Puzzles nur darum, als Belohnung das nächste Filmschnipselchen zu bekommen. Dieses Gameplay kann man getrost als für Adventures typisch bezeichnen. Die Rätsel fügen sich außerdem nicht in die Handlung ein, da sie nicht immer unmittelbar der Lösung der

Morde dienen. 

Hänger werden bei Adventures meist dadurch verursacht, dass der Spieler die Denkvorgänge der Macher nicht mehr nachvollziehen kann. Folge: Ihr wisst nicht mehr weiter! Das ist dann meistens der Punkt, an dem ihr eine Komplettlösung zu Rate zieht, was bei In Memoriam leider ziemlich oft vorkommt.

Kaum nachvollziehbar

Die beiden rasenden Reporter auf der Jagd nach dem Phantom.

Auch wer intuitiv und unvoreingenommen an die Rätsel herangeht, wird mit der Lösung so seine Probleme haben. Oft hilft nur langes Herumprobieren, das dann irgendwann -warum auch immer- zum Erfolg führt. Wohlgemerkt: Das sind typische Schwachpunkte eines jeden Adventures, nur dass sie bei In Memoriam besonders aufstoßen, da ja ein ganz andersartiges Gameplay versprochen wurde.

Die kesse Karen richtig happy. Noch!

Schlicht überflüssig sind viele der fiktiven E-Mails, die ebenfalls Hinweise beinhalten sollen und die ihr in recht unregelmäßigen Abständen geschickt bekommt. Aber auch wer sein Outlook niemals aufmacht, kann doch alle Rätsel lösen. Es empfiehlt sich, einen eigenen Ordner aufzumachen, damit die Mails sich nicht mit den richtigen und dem vielen Spam zu einem Chaos vermischen. Wenigstens sind die Mails alle auf Deutsch, was man von den Webseiten nicht immer sagen kann. Anscheinend gehen die Macher stillschweigend davon aus, dass jeder deutsche Käufer auch über gewisse Englischkenntnisse verfügt.

Dürftig lokalisiert

Das sind nicht die Urlaubsfotos meines Schwagers, auch wenn es vielleicht so aussieht.

Eines kann man In Memoriam gewiss nicht vorwerfen, nämlich dass das Krimi-Adventure keinen Stil hätte. Die bizarr anmutenden Puzzles und Mini-Spiele, die dumpfe Mystery-Musik im Hintergrund sowie die vielfach bedrückenden Geräusche erzeugen eine besondere, fast makabere Stimmung. Dazu tragen auch die hämischen Kommentare des Phönix bei, die vor und nach jedem Rätsel zu lesen sind. Für durchgehende Spannung sorgt auch das nicht.

Wenn man schon eine derartige "Schnitzeljagd im Web" auch hierzulande verkauft, sollten doch zumindest alle relevanten Seiten auf Deutsch vorliegen. Schließlich zahlen die Leute auch dafür!

Makabere Atmosphäre

Ein Wirrwarr an Symbolen entsprungen aus einem wirren Kopf.


Weniger stimmungsvoll sind leider die aalglatten, fotorealistischen Zwischensequenzen, die meist viel zu harmlos daher kommen und nicht zuletzt durch die Ausblendungen der Ortsnamen fast lächerlich wirken.

So etwas wie Blair Witch blitzt nur ganz selten auf, etwa bei den verstörenden Filmschnippselchen, die vorbeirauschen und mit denen der Phönix seine perfiden Spielchen garniert. 

Fazit

In Memoriam dürfte die Adventure-Freunde in zwei Lager spalten: Weniger als ein Viertel wird sich an den optisch schön umgesetzten Rätseln ergötzen und tagelang über deren Lösung sinnieren. Der mehrheitliche Rest dürfte angesichts der Unzugänglichkeit des Spiels und der abgedrehten Puzzles nur ungläubig den Kopf schütteln und sich dann enttäuscht abwenden. Das neue Krimi-Adventure von Lexique Numerique umfasst nette Ansätze, was im Endeffekt aber nicht ausreicht. Ein interaktiver Thriller quer durch Europa, in dem ihr quasi die Rolle des Ermittlers spielt, ist prinzipiell eine schöne Sache. Doch dann muss dabei auch mehr Nervenkitzel aufkommen! Wegen der langen Unterbrechungen durch die Rätsel und der ständigen Wechsel ins Web wird gerade verhindert, dass Spannung aufkommt. Das Spiel ist eigentlich nichts anderes als eine Ansammlung von nett gemachten Rätseln und Spielchen, die dürftig durch die vorhersehbare Story verbunden sind. Schade drum, denn so müssen Karen und Jack wohl alleine nach Hause finden! Wer es trotzdem versuchen möchte, sollte vorher unbedingt die Demo antesten.

Pro

  • interaktiver Thriller
  • interessante Grundidee
  • grafisch ansprechende Rätsel
  • makaber inszeniert
  • auch für Mac

Kontra

  • stinknormale Story
  • teils schwere Rätsel
  • nicht nachvollziehbar
  • wenig spannend
  • schwaches Ende
  • Webseiten teils nur Englisch
  • umständliche Bedienung
  • langweilige Filme

Wertung

PC