NBA Live 2004 - Test, Sport, PlayStation2, PC, XBox, GameCube

NBA Live 2004
16.11.2003, Jörg Luibl

Test: NBA Live 2004

Letztes Jahr überzeugte EAs Korbjagd mit Hochglanzoptik, spektakulären Dunks und Arcadespaß pur. Satte 85 Prozent konnten Shaq, Nowitzki & Co einheimsen. Dieses Jahr geht es in NBA Live 2004 (ab 3,09€ bei kaufen) etwas taktischer zu. Ob der kleine Schritt Richtung Simulation große Spielspaßwirkung hat, klärt der Test!

Shaq, Bryant, Payton, Malone - auch wenn die Lakers auf dem Papier schon längst zum Dream Team avancieren konnten, heizen die Mavericks den Kaliforniern dermaßen ein, dass die Zuschauer das AA Center vor lauter Freude erzittern lassen. Rhythmisches Klatschen und euphorische Anfeuerungsrufe verwandeln die Halle in eine kochende Arena.

Dallas bebt!

Haaaallo? Hiiiier bin ich ich! Nun macht schon!  

Shaq stemmt sich gegen Bradley, Malone gegen Nowitzki, noch 15 Sekunden Spielzeit. Kobe findet eine Lücke, täuscht einen Wurf an und spielt den Ball hoch Richtung Korb – Shaq greift zu, will dunken, wird geblockt. Payton greift zu, will an Nowitzki vorbei, doch der beendet mit einem Steal die ganze Hektik und passt weit über das Feld zu Michael Finley. Ein Dribbling und einen Korbleger später jubelt ganz Dallas!

Kein Wunder, denn nach einer wahnsinnigen Aufholjagd liegt Dallas eine knappe halbe Minute vor Schluss mit einem mickrigen Punkt vorne. Das Problem ist nur, dass die Lakers in Ballbesitz sind und Bryant gefährlich am Außenkreis dribbelt.

So schnell und so rasant ist NBA Live 2004. Und dieses Jahr ist die Offensive wesentlich fehleranfälliger und der Spielfluss insgesamt taktischer. Konnte man 2003 noch fast unbehelligt Richtung Korb jagen und ein Dunk-Festival nach dem anderen abfackeln, sorgen listige Steals, böse Fehlpässe, ungenaue Würfe und wuchtige Blocks diesmal für etwas mehr Simulationsflair.

 

Taktisches Flair

Doppeldeckung à la New York Nets: "Warte, ich kneife ihn in den Arm, und du haust den Ball weg!"


Letztere werden jetzt auch nicht mehr über den halben Platz geschmettert, sondern landen abgefälscht in der Zone und geben den Ring frei für die Reboundhatz.

Aber keine Angst: Für genug Arcade-Rasanz sorgen die spektakulären Alley-Oops, die aber immer noch recht einfach einzuleiten sind und recht automatisiert wirken.

Trotzdem hat die Defense an Gewicht gewonnen, denn ihr könnt Angreifer so gezielt doppeln, dass sie sehr schnell passen oder werfen müssen, wenn sie keinen Ballverlust riskieren wollen. Auch die KI der Computergegner überzeugt schon auf der normalen Stufe mit taktischer Finesse: da werden Räume eng gemacht, Spielmacher gestört und Dunkträume zerstört.

Sowohl die überzeugende Defense als auch die Offense können für Einzelspieler-Motivation sorgen. Selbst die Schiedsrichter-KI ist vorbildlich: Wer z.B. aus Verzweiflung von hinten zum Block ansetzt, kann sicher sein, dass der Pfiff sofort für Freiwürfe sorgt.

Hey, was wird das denn? Rhythmische Sportgymnastik für Übergrößen? Moderne Synchrondefense für Fortgeschrittene?

Doch auch wenn der Korberfolg nicht mehr so leicht ist, wurden die Offensivqualitäten deutlich erweitert: Mit dem rechten Analogstick lassen sich herrliche Tricks, Täuschungen und Dribbling einleiten – egal ob Crossover, Spin-Move oder das provokante Halten des Balles hinter dem Rücken. Schnell werdet ihr übrigens bemerken, dass alle Top-Stars ihre ganz eigenen Bewegungen aufs Parkett zaubern.

Offensivzauber

Hinzu kommt die ein neuer Bewegungsablauf: Auf Knopfdruck wird eine elegante Schrittfolge ausgelöst, mit der man sich schöne Vorteile verschaffen kann, denn ein angesetzter Wurf oder Korbleger wird jetzt abrupt unterbrochen, der Verteidiger schaut verdutzt in die Röhre. Sehr schön ist auch die neue Zweiteilung von Schuss und Dunk, die euch beim Abschluss die Wahl zwischen Korbleger und Ringkracher lässt.

Auch die Steuerung eines Spielers ohne Ball schafft neue Möglichkeiten: Nach einem Buttondruck könnt Ihr Euch einen Spieler aussuchen, der sich gerade freiläuft, diesen dann selbst Richtung Korb steuern und z.B. einen Alley-Oop oder Passe anfordern.

Weniger einwandfrei funktionieren die Fastbreak-Pässe nach dem Rebound, die ab und an nur im Mittelfeld landen. Außerdem werden sie meist nicht im Lauf, sondern erst nach einer Unterbrechung angenommen – in der Zeit ist die Defense natürlich wieder formiert.

Zwar braucht man ein wenig Übung und Vertrauen in die Ball führende KI, aber das Zusammenspiel geht später problemlos und wesentlicher intuitiver von der Hand als bei FIFA 2004.

Eine Schwäche des Vorgängers war neben der viel zu starken Offensive auch das bockschwere Freiwurfsystem: Jetzt ist alles angenehmer, denn ihr müsst einen vertikalen und horizontalen Balken in einer Trefferzone platzieren, damit das Netz zappelt. Je nach Spieler ist das natürlich unterschiedlich schwer, aber nicht mehr so nervig wie 2003.

Freiwurfkollison

Mach keinen Fehler da hinten, sonst greife ich noch vor meinen Dreier zu biologischen Kampfstoffen!


Weniger beeindruckend ist jedoch die Kollisionsabfrage: Da werden Bälle z.B. deutlich durch die Korbwand gespielt oder trotz sichtbarem Kontakt nicht abgewehrt.

Auch optisch scheinbar deutliche Blocks zischen ab und an nur durch Luft als auf Leder zu schmettern. Meist erkennt man diese Schwächen zwar erst in der Zeitlupe, aber sie kratzen trotzdem an der ansonsten realistisch angehauchten Atmosphäre.

Dieses Jahr gibt`s einen kompletten Dynasty-Modus, mit dem ihr ein Team Eurer Wahl an die Spitze der NBA führen könnt – inklusive Transfers, Gebäudekauf, Training und zahlreicher Statistiken. Gewonnene Erfahrungspunkte könnt ihr gezielt in die Förderung von Schüssen, Offense, Defense und Kondition stecken.

NBA-Thron im Visier

Mein Rebound, dein Rebound, mein Rebound, dein Rebound - hört das denn nie auf?

Wer es schneller mag, kann eine Saison antreten, nur die Playoffs spielen oder sich in 1on1-Matches beweisen. Auch freies Training ist möglich und genau so empfehlenswert zum Üben wie der Freestyle-Modus, der Euch alle Finessen der Steuerung in knackigen Filmchen zeigt – vorbildlich! Weniger glücklich stimmt das Fehlen eines Online-Modus für die Konsolenfassungen. Nur amerikanische PS2-Besitzer können über das Internet um Körbe kämpfen.

Falls ihr keine Lust zu spielen habt, lassen sich die Matches auch simulieren. Insgesamt ist dieser Modus zwar komplex, aber er wird kaum durch Zufallsereignisse, Zwischensequenzen aufgelockert; auch die Menüführung könnte besser sein.

Es gibt zwar sehr viele, aber wenige überzeugend natürliche Bewegungsabläufe. In der Zeitlupe erkennt man z.B. auch, wie Bälle, die eigentlich weit links am Empfänger vorbei rasen würden, magisch nach rechts in Richtung Hand gelenkt werden – das muss nicht sein!

Feine Politur

Grafisch hat EA zwar einen guten Schritt nach vorne gemacht und präsentiert auf den ersten Blick butterweiche Animationen und klasse Stadien – inklusive Echtzeitschatten, Spiegelungen und gut zu erkennender NBA-Stars.

Auf der Xbox bekommt man zwar die im Detail schärfste Präsentation was die Texturqualität angeht, die PS2-Fassung hält aber sehr gut mit; auf dem GameCube sorgt ein leichter Graustich für etwas weniger kräftige Farben.

Aber auf allen Plattformen offenbaren sich auf den zweiten Blick viele Clippingfehler beim Kampf unter dem Korb und immer noch recht ruckartige Animationen. Manche Dribblings wirken zu künstlich, manche Korb-Moves wie an der Leine gezogen.

Dafür laufen die Kommentatoren Marv Albert and Mike Fratello zur Hochform auf und begleiten den Tanz auf poliertem Parkett kompetent, witzig und mit der nötigen Portion Enthusiasmus. Zwar nur auf Englisch, aber eingefleischte NBA-Fans wird das kaum stören.

Wie war das noch gleich? Ach ja: White Men can`t jump...

Und last but not least ist die Zuschauerkulisse ein einziger herrlicher Ohrenkitzel – man ist wirklich mittendrin statt nur dabei, denn es gibt neue Zurufe oder plötzlichen Jubel. Und wer Hip-Hop mag, darf sich auf einen fetten Soundtrack freuen.

Fazit

Letztes Jahr war NBA Live schnell, spektakulär und fackelte ein Dunkfestival nach dem anderen ab – das war klasse für Arcadefans, aber weniger befriedigend für Simulationsfreunde. Dieses Jahr hat EA eine gehörige Portion Taktik und Fehleranfälligkeit eingebaut. Zwar nicht auf NBA2k3-Niveau, aber der gesamte Spielablauf ist jetzt langsamer und wirkt authentischer. Eine gute Defense und kluges Freispielen werden belohnt, während all zu schnelles Vorpreschen mit Fehlpässen und Steals bestraft wird. Selbst die Offensive hat durch neue Moves und Dribblings an Klasse gewonnen. Auch das nervige Freiwurfsystem des Vorgängers wurde durch ein intuitiveres ersetzt. Zwar fehlt den Animationen trotz cooler Moves noch immer der letzte Schliff, und auch so manche Clipping- und Kollisionsfehler rauben Atmosphärepunkte, aber insgesamt ist das Spiel fordernd und packend inszeniert. Und gerade Einzelspieler werden sich über den kompletten Dynasty-Modus freuen, der wochenlanges Team-Management garantiert. Richtig ärgerlich ist natürlich das Fehlen eines Online-Modus vor allem für europäische PS2-Besitzer, denn ihre amerikanischen Kollegen können schon jetzt über das Internet auf Korbjagd gehen. Trotzdem: Basketballfans? Zugreifen!

Pro

  • gute KI
  • Online-Modus (PC)
  • Dynasty-Modus
  • offizielle Lizenz
  • klasse Atmosphäre
  • verbesserte Defense
  • eindrucksvolle Blocks
  • ausführliche Statistiken
  • gutes Freestyle-Tutorial
  • mehr Animationsvielfalt
  • packende 1-on-1-Matches
  • Spieler ohne Ball steuerbar
  • verbessertes Freiwurfsystem
  • mehr Dribblingmöglichkeiten
  • dynamische Publikumskulisse
  • erstklassiger Hip-Hop-Soundtrack
  • einfache und komplexe Steuerung

Kontra

  • kein Online-Modus (PS2, GC, Xbox)
  • böse Clippingfehler
  • zu ruckartige Animationen
  • Fehler in der Kollisionsabfrage
  • Alley-Oops zu einfach einzusetzen
  • Fastbreaks nicht effektiv inszeniert
  • Video-Tutorials nur als Download (PC)

Wertung

PlayStation2

XBox

GameCube

Mit diesem Titel hat EA endlich wieder Spaß auf dem Court entfacht - zugreifen!