Railroad Tycoon 3 - Test, Taktik & Strategie, PC

Railroad Tycoon 3
20.11.2003, Bodo Naser

Test: Railroad Tycoon 3

Das Team von PopTop verlässt das diktatorische Tropico und sattelt auf die gute alte Schiene um: In Railroad Tycoon 3 (ab 2,02€ bei kaufen) könnt ihr in die Eisenbahnhistorie von ihren Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute eingreifen. Dabei dürft ihr z.B. allein den Streckenverlauf berühmter Züge wie des Orientexpresses bestimmen. Weshalb die leicht zugängliche 3D-Wirtschaftssimulation einen Award verdient hat, klärt der Test!

Anflug auf das tansanische Bergland


Schreibt Eisenbahngeschichte!

Als Kind konnte man noch problemlos Esstisch und Fernseher mit der familieneigenen Modelleisenbahn von Märklin verbinden und dabei selbst die elterliche Wohnzimmercouch überwinden.

Eine ganz andere Sache ist es aber, auf dem Weg von Salt Lake City zur kalifornischen Küste eben mal die 4000 Meter hohen Rocky Mountains zu meistern, auf deren virtuellen Steigungen die historischen Dampfrösser ganz schön ins Schnauben kommen. Dieses und andere 3D-Schienenabenteuer könnt ihr in Railroad Tycoon 3 nacherleben, dem neuesten Teil des virtuellen Eisenbahnklassikers. Fast wie von selbst kontrolliert ihr dabei auch die Ströme der Güter und Passagiere, die Geld in eure Kassen spülen.

Die motivierende Wirtschaftssimulation zeigt, dass ein derartiges Mammutprojekt fast ebenso flott von der Hand geht, wie in den Kindertagen das Aufbauen der Modellbahn. Alle fangen einmal klein an und so gründet ihr auch in den historischen Szenarien nach dem einführenden Tutorial eine winzige Bahngesellschaft. Schnell ein paar Anleihen an den Mann gebracht, verlegt ihr einfach per Maus die ersten paar Gleise eurer Riesenstrecke. Von nun an müsst ihr immer an diesem Schienenstrang anbauen, was in der flachen Ebene noch recht preiswert ist. Sobald die ersten Hügel kommen, wird es aber richtig teuer, da dann atemberaubende Brücken fällig sind, die um 1850 noch aus Holz bestanden. Wird es richtig steil, müsst ihr einen Tunnel bauen, der dann gleich Millionen von Dollar verschlingt – aber nur auf diese Weise verbindet ihr die entferntesten Orte.

Ein Jahrhundertwerk

Nicht nur der Wilde Westen der USA steht eurem Erschließungsdrang offen, auch das alte Europa, die Pampa Argentiniens oder das kaiserliche Nippon. Sogar die Kolonien in Afrika und Australien könnt ihr für die Stahlrösser befahrbar machen. Schließlich gibt es unter den 16 Szenarien noch ganz moderne, wie die Niederlande nach der großen Flut oder ein fiktives Kalifornien auf der Insel. Das Deutsche Reich unter Bismarck ist natürlich auch mit von der Partie, was vor allem Eisenbahnfreunde hierzulande begrüßen dürften. Als Eiserner Kanzler könnt ihr die schneebedeckten Pässe der Alpen überwinden oder einen deutschen Kleinstaat zur führenden Bahnnation machen. Jede der vom Schwierigkeitsgrad her einstellbaren Missionen ist auch für ein erneutes Spielchen gut, da die wichtigen Rohstoffe zu Beginn zufällig verteilt werden.

Bismarck und die Bahn

Damit ihr euch Großbauten wie einen ellenlangen Bahndamm überhaupt leisten könnt, müsst ihr ordentlich Profit einfahren. Auf einer eingefärbten Übersichtskarte könnt ihr sogleich sehen, wo was gebraucht bzw. hergestellt wird. Alles bis auf Passagiere, Post und Soldaten unterliegt regelrechten Warenkreisläufen, bei denen etwa Holz vom Wald zum Möbelhersteller transportiert wird und die fertige Schrankwand in die nächste Stadt zum Kunden.

Waren für die Städte

Im Kampagnen-Menü sucht ihr euch die Szenarien aus.

Den Transport übernimmt dabei natürlich eure Eisenbahn! Damit ihr von 35 vorhandenen Gütern immer das Richtige an den passenden Ort mit der geeigneten Lok transportiert, müsst ihr eure kleinen grauen Zellen ganz schön anstrengen. Immerhin werden die Waggons automatisch beladen, wobei ihr Vorgaben für jeden Zug machen könnt.

Auch der Verlauf der Gleise will genau geplant sein, denn zu Beginn sind die 40 historischen Loks wie der Adler noch recht schwach auf der Brust. Mutet ihr euren Stahlrössern zu viel zu, werdet ihr bald viele Pannen haben, die den Verkehr aufhalten. Daher sind Wasserbehälter und Werkstätten an der Strecke von großer Bedeutung, bis die Einführung der elektrischen Loks das überflüssig macht.

Realistische Loks

Diese Brücke aus Stahl hat die Bezeichnung auch wirklich verdient.

Für fast jede Strecke gibt es die richtige Lok: In der Ebene könnt ihr auf schnelle Flitzer setzen, die bisweilen Rekorde erzielen und dann mit einem Titel ausgezeichnet werden. Im Gebirge solltet ihr lieber zugkräftige Lokomotiven einsetzen, die auch am Berg noch passabel vorankommen. Steigt die Nutzung der Schienen stark an, müsst ihr auf Doppelgleise umstellen, um Staus zu vermeiden. Ihr könnt übrigens auch die Strecken der Konkurrenz benutzen, müsst aber dafür löhnen.

Damit nicht genug, denn ihr dürft nicht nur Gleise verlegen, ihr könnt auch viele Gebäude errichten. Das fängt beim Bahnhof an, den es in drei Standardgrößen und verschiedensten Designs gibt, geht über ein Restaurant, das dem Passagieraufkommen förderlich ist, ein Postamt, das die Liegezeit von Briefen und Päckchen verlängert, und endet beim Hotel, in dem die müden Reisenden übernachten können. Darüber hinaus könnt ihr auch Produktionsstätten erwerben bzw. gleich selbst errichten. Die Fabriken könnt ihr ausbauen, damit sie noch mehr Güter abwerfen. Am preisgünstigsten sind diese natürlich, bevor die Eisenbahn den Ort mit der Außenwelt verbindet. Viele Bauten entstehen einfach im Laufe der Zeit von selbst, wie die Häuser der Stadtbewohner.Tricks am Aktienmarkt

Gebäude errichten

Zwar könnt ihr eure Kontrahenten nicht sabotieren, es gibt aber wesentlich perfidere Methoden, um sie zu schädigen. So könnt ihr deren Aktien erwerben und so Einfluss auf die feindliche Gesellschaft nehmen. Leider ist die KI der Computergegner auf Schwierigkeitsstufe normal noch viel zu harmlos, so dass ihr schon bald deren Unternehmen übernehmen könnt. Ihr macht den Aktionären ein möglichst lukratives Angebot, um sie so zur Fusion zu bewegen. Abgesehen davon ist Railroad Tycoon 3 erfreulich gewaltfrei und taugt also auch für pazifistischere Spielernaturen. Euer eigenes Ansehen als Boss mehrt ihr am besten dadurch, dass ihr Geld scheffelt und eine Dividende bezahlt. So erreicht ihr eine Kreditwürdigkeit von A, die euch mühelos neue Anleihen ausgeben lässt.

Sehr viele der lästigen Vorgänge sind bei Railroad Tycoon 3 automatisiert, so dass das Spiel sehr intuitiv zu handhaben und auch für Genre-Neulinge geeignet ist. Es lässt sich z.B. jederzeit anhalten, um so im Gewirr der ankommenden Züge nicht den Überblick zu verlieren. Zwar gibt es keine Fahrpläne, der Computer lässt die Züge aber automatisch abfahren und wählt stets die beste Strecke.

Hoher Bedienkomfort

Mist - nur Silber, da müssen wir wohl noch einmal spielen!

Bisweilen leider etwas hakelig ist der Bau der Strecken, der aus unerfindlichen Gründen nicht immer ganz reibungslos funktioniert. Hier gibt es aber eine Rückstell-Taste, mit der ihr die fehlgegangenen Schienen ohne Geld zu verlieren zurückbauen könnt.

Im Sandkasten-Modus könnt ihr ganz ungestört buddeln. Darüber hinaus gibt es auch Zufallsszenarien außerhalb der Kampagne, die aber auf den vorgefertigten Karten spielen. Auch der integrierte Multiplayer-Modus, der per LAN oder Internet (Gamespy) stattfindet, greift auf die vorhandenen Länderkarten zurück. Ein paar mehr Karten hätten daher eigentlich nicht schaden können.

Weitere Spielmodi

In diesem Menü legt ihr die Fahrtstrecke eurer Züge fest.

Bis zu vier menschliche Einsenbahnmogule können sich im Multiplayer messen. Die Lobby im Internet ist zu Stoßzeiten leider hoffnungslos überfüllt und die gespielten Partien sind alles andere als ruckelfrei. Speziell Mehrspieleroptionen gibt es hingegen kaum. Bis die Wirtschaftssimulation überhaupt ohne Abstürze läuft, dauert es auch ein wenig: Der abgesicherte Modus sowie der erste Patch helfen dabei und weitere Updates dürften folgen.

Die 3D-Darstellung von Railroad Tycoon 3 erinnert sofort an das virtuelle Abbild einer Spielzeugeisenbahn. Bis auf einer paar durchziehende Vögel und das gelungene Rauschen des funkelnden Meeres ist die Szenerie ziemlich unbewegt und die Städte wirken seltsam künstlich, da es weder Straßen noch Menschen gibt. Schön umgesetzt sind hingegen die Lokomotiven, die sogar Dampf ausstoßen. Bisweilen geht auf die Miniaturlandschaft sogar ein kräftiger Regenguss nieder und es wird Nacht, was sich jedoch nicht auf das Spiel auswirkt.Geisterzüge rollen vorbei

Modelleisenbahn-Look

Toll hingegen, dass man per Mausrad von ganz oben stufenlos bis auf den Boden hinunter zoomen kann. Auch die rasanten Kamerafahrten auf dem virtuellen Führerhaus einer Lok sind ein Erlebnis und zeigen euch auch die Problempunkte der Strecken. Nicht sehr realistisch wirkt jedoch, dass die Züge wie von Geisterhand durcheinander hindurch fahren und dass es keine richtigen Weichen gibt. Gelegentlich gibt es auch Darstellungsfehler, etwa wenn die Auffahrt zu einer Brücke viel zu steil aussieht – die Loks kommen aber trotzdem hoch! Wiederum gelungen sind das Intro und die gerenderten Filmchen, die euch in die einzelnen Szenarien einführen.

Im Hintergrund läuft amerikanische Banjo-Musik, gelegentlich im Westernstil, die auch wunderbar zu den Szenarien in Nordamerika passt. Aber nur hier. Wenn ihr nämlich quasi als k.u.k.-Oberaufseher über das Bahnwesen in Österreich-Ungarn tätig seid, dann würde man sich eher einen Kaiserwalzer oder Ähnliches wünschen. Die Geräusche im Spiel sind meist zweckdienlich, so zeigt euch Zischen und schwarzer Rauch auf der Strecke an, dass wieder mal eine eurer Loks eine Panne hat.

Passende Westernmusik?

Sieht aus wie ein Spukschloss, ist aber ein 3D-Bahnhof in der Nahansicht.


Eine professionelle deutsche Sprachausgabe hört ihr nur, wenn ihr das Kampagnenmenü betretet. Darüber hinaus ist Railroad Tycoon 3 ziemlich ruhig. Ansonsten ist es aber weitgehend fehlerfrei lokalisiert.

Fazit

Railroad Tycoon 3 ist der König unter den Eisenbahnsimulationen - da können andere schlicht nicht mithalten. Der dritte Teil der beliebten Wirtschaftsserie verfügt genau über jene Mixtur aus leichter Zugänglichkeit und inhaltlicher Tiefe, die wirklich große Spiele ausmacht. Eure historischen Züge auf die Jagd nach Profit und Rekorden zu schicken, macht einfach einen Heidenspaß. Und Entwickler Pop Top hat auch an den Rest der Welt gedacht, da sich die abwechslungsreichen Missionen nicht nur auf den nordamerikanischen Kontinent beschränken. Die 3D-Grafik erfüllt ihren Zweck und besitzt sogar das eine oder andere Highlight wie etwa das Wasser; insgesamt hätte sie jedoch etwas lebensechter sein können. Trotz aller Schwächen, die allesamt nicht wirklich gravierend sind, reicht es für einen Award, da die Wildheit der Landschaft und die dynamische Wirtschaft einen vor allem auf dem höchstem Schwierigkeitsgrad immer wieder aufs Neue fordern. Hier könnt ihr wirklich Pionierduft schnuppern, denn Railroad Tycoon 3 ist intelligente und noch dazu gewaltfreie Unterhaltung für ellenlange Winterabende - und das nicht nur Bahnfreaks!

Pro

  • 35 Güter
  • 16 Szenarien
  • 40 historische Loks
  • schöne 3D-Effekte
  • tolle Kamerafahrten
  • nette Render-Filme
  • intelligentes Gameplay
  • komfortable Bedienung
  • einfacher Schienenbau
  • Übernahme und Fusion
  • abwechslungsreiche Aufträge
  • dynamischer Wirtschaftsverlauf
  • 160 Jahre Eisenbahngeschichte
  • auch Europa, Asien, Afrika, Südamerika und Australien

Kontra

  • zu passive KI
  • läuft nicht immer ganz rund
  • künstlich wirkende 3D-Umgebung
  • gelegentliche Darstellungsfehler
  • Musik passt nur in den USA

Wertung

PC