Beyond Good & Evil - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation2, XBox, PC, PlayStation3, GameCube
Die Schrecken des Krieges dominieren den Alltag auf dem erdähnlichen Planeten Hyllis: Sirenen heulen bei Luftangriffen, groteske Aliens sorgen für Angst und Schrecken, Kinder werden entführt und Gebäude brennen. Doch dank des tapferen Einsatzes der schwer gepanzerten Alpha-Abteilung werden die Kreaturen aus dem All immer wieder zurückgeschlagen. Jeden Tag werden ihre Heldentaten in den Nachrichten gepriesen, um die Stimmung zu heben und neue Freiwillige für den Krieg zu gewinnen. In jedem stinknormalen Spiel würdet ihr jetzt in die Rolle des tapferen Retters schlüpfen, der nach einem Tutorial mit Waffeneinweisung gegen die Bedrohung kämpft und Schritt für Schritt zum Elitekrieger mutiert. Aber in der Welt von Beyond Good and Evil (BG&E) ticken die Uhren erfrischend anders: Dramaturgie und Regie sind einfach famos.
Story für Genießer
Investigative Rebellion
Als Jade kurz darauf der Rebellenorganisation IRIS beitritt, soll sie hochbrisante Beweisfotos sammeln, die die düsteren Machenschaften der Alpha-Abteilung entlarven - investigativer Journalimsus der actionreichen Sorte. Spätestens hier hat der Spielspaßsog eine Kraft entfaltet, die einen so schnell nicht mehr loslässt. Und BG&E feuert auch spielerisch aus allen Rohren: logische Rätsel, packende Action, Schleicheinlagen, taktische Kämpfe, Wettrennen, Secrets - alles inklusive.
Viele Figuren der Spielewelt sind nicht mehr als Typen - schicke Polygonfiguren, die mit Texturen und Klischees zugekleistert werden. In BG&E trefft ihr auf wenige, aber dafür echte Charaktere, die dank klasse Mimik, natürlicher Dialoge und überraschender Kommentare verblüffend lebendig wirken. Jade, Pey'J & Co wachsen einem im Laufe des Spiels regelrecht ans Herz, weil man jeder Dialogzeile anmerkt, dass das Drehbuch eine große Rolle gespielt hat.
Lebendige Charaktere
Und auch wenn man eine komplette Sprachausgabe für alle Bewohner vermisst, und bei einfachen Passanten mit Texten vorlieb nehmen muss, wirken die verwinkelten Straßen von Hyllis wesentlich stimmungsvoller als die anonyme Metropole von Jak II. Denn hier ist jeder ansprechbar, hat Hinweise oder eine Bemerkung parat.
Akrobatik ohne Panik
Allerdings ist später auch Fingerspitzengefühl nötig, denn in schwer gesicherten Fabriken muss die akrobatische Heldin schon mal mit gut getimeten Hechtsprüngen Alarm-Laser überwinden oder sich schnell bücken. Wer aufgrund der Automatismen ein kinderleichtes Niveau erwartet, wird hier sein forderndes Wunder erleben.
Schleichen wie Snake
Nur die Kameraführung irritiert gelegentlich mit abrupten Wechseln. Außerdem ist an einigen Stellen das freie Umschauen nur im Fotomodus möglich. Trotzdem erreicht das Ganze nie die Frustzone, denn die meisten Situationen erlebt man durch den erzwungenen Perspektivwechsel intensiver. Die strenge Regie ist dramaturgisch wichtig, raubt aber das Gefühl der totalen Freiheit.
Kampfballett mit Stil
Jade kann z.B. kurz ihre Kräfte aufladen und dann in einer sprühenden Wirbelattacke alle umstehenden Gegner treffen - das sieht nicht nur klasse aus, das ist auch enorm effektiv. Später kann dieser Angriff weiter ausgebaut werden, so dass es noch sengende Feuerbälle regnet. Während des Kampfes könnt ihr auch Schweinefreund Pey'J zu einer Stampfattacke animieren, um z.B. große Monster erst mit Schmackes zu schwächen und dann gezielt zu attackieren.
In manchen Abschnitten ist kluges Teamplay nicht nur wichtig um zu überleben, sondern auch um überhaupt weiter zu kommen. Wenn Drahtgitter Wege versperren, Türen geschlossen sind oder Brücken herunter gelasssen werden müssen, sind entweder passende Schlüssel oder eure Helfer gefragt. Ab und zu gilt es zudem, Kisten zu verschieben, Stromversorgungen zu unterbrechen oder Codewörter zu knacken. Und das Schöne ist: Alle Rätsel und Knobeleien sind logisch aufgebaut.
Kleine Knobeleien
Manchmal müsst ihr auch gezielt Kettenreaktionen auslösen: Erst das Dynamit vor die Brücke schieben, dann die Feuerqualle mit einer Stampfattacke in die Luft schleudern, diese dann mit einem beherzten Schlag Richtung Dynamit jagen, auf die Explosion warten und zufrieden die mittlerweile runtergekrachte Brücke überqueren.
Wettrennen & Minispiele
Eines der schönsten Spielelemente ist die Kamera. Sie spielt nicht nur eine politische Rolle, weil ihr damit wichtige Beweise sichern müsst, sondern auch eine zoologische und finanzielle. In der Welt von BG&E lauern hunderte von Kreaturen, die ihr mit einem Schnappschuss verewigen könnt.
Paparazzo & Großwildjäger
Und ähnlich wie der Visor in Metroid Prime dient sie auch als High-Tech-Tool, das z.B. Auskunft über die Schwächen von Gegnern oder den Zustand von Materialien gibt. Fotografierte Wandkarten werden übrigens in 3D umgewandelt, und tauchen sofort in der interaktiven Karte auf - klasse! Vorbildlich werden hier eure Position, Speicherpunkte und der nächste Auftragsort angezeigt, damit Orientierungsfrust erst gar nicht aufkommt. Die Terminals zum Speichern sind übrigens so reichhaltig verteilt, dass man nie in nervige Wiederholungszwänge kommt.
Ein Garant für die stetig hohe Motivation sind auch die vielen Möglichkeiten, sich finanziell, motorisch und kämpferisch zu verbessern: Ihr findet Herzen, die wie in Legend of Zelda eure Lebenspunkteanzeige erhöhen, könnt als Paparazzo euer Konto aufbessern oder in Höhlen und Gewässern nach Schätzen suchen. Und wenn ihr die kostbaren Perlen findet, lässt sich euer Hovercraft in einer Werkstatt vom armseligen Wellengleiter zur schnittigen Rennsemmel tunen - es gibt Sprung-Kits, Stabilisatoren oder Sternenantriebe. Und da immer wieder Angriffe von Aliens für Unruhe sorgen, sollte man sich auch schnell eine dicke Kanone mit mehrfacher Raketensuchfunktion zulegen.
Aufrüsten ohne Ende
Zugegeben: Manche Texturen sind keine Offenbarung, die Autos und Hovercrafts hätten mehr Feintuning nötig gehabt und auch das Wasser hätte partikelfreudiger aufspritzen können. Aber wenn man in einem Lichtermeer gegen Bildschirm füllende Monster kämpft, oder bei Sonnenuntergang durch die dicht befahrenen Grachten von Hyllis cruist, während sich die Neontafeln auf dem Wasser spiegeln, werden die
Stärken der Jade-Engine deutlich. Die Xbox sticht die PS2 allerdings in Sachen Brillanz und Partikelleffekte aus und serviert euch noch ein Making-of mit einer Artwork-Slideshow.Lebendige Spielwelt
In den Kämpfen inszenieren geschickt platzierte Lichteffekte ein ähnliches Flimmerspektakel wie in Prince of Persia. Hinzu kommt ein stimmungsvoller Tag- und Nachtwechsel und ein fantastisches Sammelsurium an Figuren, Monstern und Tieren, die alle meisterhaft designt wurden - egal ob Albinoratte, Wachroboter oder Riesenwal. Schade ist nur, dass man diese Welt nicht ganz frei erkunden kann, denn sobald ihr neue Abschnitte erreicht, wird kurz nachgeladen - selbst innerhalb von Gebäuden. Grenzenlose Freiheit à la GTA 3 gibt es zwar nicht, zumal das erforschbare Areal von Hyllis recht überschaubar ist, aber innerhalb der Grenzen wird man bestens unterhalten. PS2-Abenteurer müssen allerdings gelegentliche Ruckler in Kauf nehmen und auf einen 60-Hz-Modus verzichten; Xbox'ler dürfen flimmer- und ruckelfrei zur Tat schreiten.
Akustik vom Feinsten
In der Werkstatt sorgen wiederum jamaikanische Rhythmen für Chillout-Flair und in der Bar dröhnt ein ebenso smoother wie politisch brisanter Propaganda-Rap. Nimmt man die hervorragenden deutschen Sprecher hinzu, die jeder Figur charakterliches Leben einhauchen, bleibt ein höchst delikater Ohrenschmaus zurück.
Fazit
Beyond Good and Evil bezaubert von der ersten bis zur letzten Minute mit einer Eigenschaft, die man in der vorweihnachtlichen Spieleflut kaum noch findet: Seele. Man merkt dem Abenteuer rund um Reporterin Jade an, dass jemand meisterhaft im Hintergrund Regie geführt hat. Rayman-Erfinder Michel Ancel hat mit diesem Titel endgültig bewiesen, dass er zu den ganz Großen der Branche gehört. Das Spiel hat eine unglaublich gute Story, bleibt ständig spannend, steckt voller kreativer Ideen und fesselt bis zum großen Finale. Und selbst wenn man den Mix aus Rätseln, Kämpfen, Schleichen, Wettrennen und Aufrüsten auch woanders findet, werden die Teile nirgends zu einem derart lebendigen Ganzen verschweißt. Das Leveldesign ist stimmig, die Speicherpunkte passen und unnötiger Frust ist Fehlanzeige. Die Welt von Hyllis ist so faszinierend vielfältig, die Odyssee so packend inszeniert, dass man fast darin versinken kann. Nur fast? Die kleine Einschränkung deshalb, weil die Welt doch recht überschaubar ist und man nicht ganz frei losziehen kann. Viele Ladebildschirme verknüpfen die Areale und kleine technische Schwächen wie Kameraprobleme sowie einige fade Texturen erinnern daran, dass das Genre optisch und technisch noch lange nicht ausgereizt ist. Trotzdem: Kein einziges Action-Adventure hat mich im letzten Jahr so fantastisch unterhalten. Und die eben erschienene Xbox-Fassung ist ebenfalls hervorragend gelungen. Daher auch dieses Jahr: Respekt Monsieur Ancel, diesen Award haben sie sich verdient!
Pro
- viele Secrets
- gute Dialoge
- klasse Einstieg
- spannende Story
- gute Gegner-KI
- einfache Steuerung
- hervorragende Regie
- sehr gute Lichteffekte
- lebendige Charaktere
- pompöse Bosskämpfe
- viele Überraschungen
- ansehnliche Nahkämpfe
- glaubwürdiges Weltdesign
- innovatives Foto-Feature
- angenehmes Speichersystem
- kinoreife Musikuntermalung
- optimaler Schwierigkeitsgrad
- intuitive Solo- & Teamkämpfe
- spannende Schleichmissionen
- klasse Inventar, interaktive Karte
- Rätsel, Minispiele &Wettrennen
- wunderbares Tier- & Figurendesign
- ausgefeiltes Geld- & Aufrüstsystem
- Making-of & Artworks (Xbox)
Kontra
- einige Slowdons (PS2)
- kein 60 Hz-Modus (PS2)
- viele kleine Ladephasen
- recht überschaubare Welt
- Schwächen im Texturdetail
- gelegentliche Kameratücken
- keine komplette Sprachausgabe