Civilization 3: Conquests - Test, Taktik & Strategie, PC

Civilization 3: Conquests
09.12.2003, Jörg Luibl

Test: Civilization 3: Conquests

Vor zwei Jahren sorgte Sid Meier mit Civilization III trotz Magergrafik und fehlendem Multiplayermodus für helle Strategenfreude. Vor einem Jahr konnte man mit dem ersten Add-On "Play the World" auch endlich online den Feldherren spielen. Jetzt lädt das zweite Add-On "Conquests" zu ersten historischen Kampagnen.

Was kam im 3. Jahrhundert v. Chr. von Westen über die Alpen und versetzte die Römer in Angst und Schrecken? Richtig: Hannibal samt seinem karthagischen Heer und mächtigen Kriegselefanten. Die italienische Tiefebene steht plötzlich in Flammen, die ersten Legionen fallen und Städte werden geschliffen. Was nun?

Historische Kampagnen

Optisch haben sich nur Kleinigkeiten wie das Hauptmenü geändert. Auch das Intro ist leider nicht mehr als eine kleine animierte Diashow. Wer alle neun Kampagnen löst, wird immerhin mit einem Film belohnt.

Solltet ihr die Kampagne "Der Aufstieg Roms" auf Seiten der Römer spielen, liegt das Schicksal der antiken Großmacht in eurer Hand: Schnell neue Truppen entsenden? Die Karthager mit einem diplomatischen Kniefall stoppen? Oder die Kelten kontaktieren, um Hannibal mit einem Bündnis in den Rücken zu fallen?

Das Schöne an "Conquests" ist, dass sich die Entwickler bei den Karten, der Geographie, den Völkern und manchen Ereignissen an historische Vorbilder gehalten haben – auch, wenn bei genauerem Hinsehen kleine Anachronismen, wie z.B. die Goten zu Hannibals Zeiten, auftauchen.

Passende Machtverhältnisse

Insgesamt sorgen die stimmigen Ausgangssituationen, die Gebirgszüge wie die Alpen oder selbst Vulkane wie den Vesuv darstellen, jedoch von Beginn an für Motivation. Denn in den neun historischen Kampagnen startet ihr nicht wie gehabt ohne Land, sondern je nach Volk mit einem ausgebauten Reich, Rohstoffen, Forschungen und Truppen.Die fordernden Zeitreisen entführen euch immer in eine bestimmte Epoche wie die Antike, das Mittelalter, die frühe Neuzeit oder den Zweiten Weltkrieg. Die Machtverhältnisse wurden sehr schön umgesetzt, so dass ihr euch als Cäsar, Wikingerfürst, Shogun oder Napoleon auf historisch passende Ausgangssituationen und Konflikte einstellen könnt - ein ganz neues Spielgefühl, das selbst Veteranen reizen dürfte.

Neben den spannenden Kampagnen gehören die neuen Siegbedingungen zu den interessantesten Ergänzungen: Freut euch z.B. auf  Königsmord, wo der Tod einer Einheit über Sieg und Niederlage entscheidet. Oder eine Art Capture-the-Flag, in der jede Nation eine Prinzessin an einem festenm Ort schützen muss. Oder Vernichtung, wo der Verlust einer Stadt das Ende bedeutet. Ihr könnt auch eine bestimmte Rundenzahl als Limit angeben, was sich gerade für kurze Partien anbietet.

Wie wollt ihr siegen?

Sehr gut gefällt mir auch der Siegpunkte-Modus, in dem man für bestimmte Erfolge oder Territorien mit Punkten belohnt wird – ähnlich wie bei vielen Brettspielen. Das bringt eine spannende Dynamik in das altbekannte Konzept und reizt immer wieder zum Neuanlauf.

Europa, das Schlachtfeld des kleinen Korsen: Als Napoleon gilt es, militärisch effektiv und diplomatisch klug zu taktieren. Civ3 gibt euch alle Möglichkeiten in die Strategenhand.

Übrigens könnt ihr auch auf alle Multiplayer-Features des ersten Add-Ons "Play the World" zurückgreifen, denn es ist komplett enthalten und wurde ebenfalls einem Feintuning unterzogen - es geht jetzt online wesentlich zügiger voran; trotzdem gehören Lags zum Alltag.

Neue Kulturen wie die der Byzantiner, Portugiesen oder Niederländer bringen frischen Wind in das Völkersammelsurium, das jetzt satte 31 Mitglieder zählt. Kreuzritter, Schweizer Söldner und hochseetüchtige Karacken sind nur eine kleine Auswahl der neuen Einheiten, die euch zur Verfügung stehen. Nicht zu vergessen die hinzu gekommenen Weltwunder wie das Mausoleum oder der Artemistempel, die auch auf lange Sicht strategisches Feintuning ermöglichen.

Nachwuchs in der Civ-Familie

Das interaktive Lexikon gibt vorbildlich Auskunft über alle alten und neuen Einheiten, Regierungen, Bauwerke, Technologien und Rohstoffe. Mühselige Handbuchlektüre ist quasi überflüssig.

Auch im Mikromanagement der Städte ist jetzt mehr möglich: Denn Spezialisten wie z.B. die Polizisten sorgen dafür, dass eure Steuereintreiber den schnöden Mammon noch schneller in eure Staatskasse fließen lassen. Und im Feld bringen Tarnangriffe und Versklavung mehr Möglichkeiten.

Und selbst, wenn ihr euer Civ lange nicht mehr angerührt habt, ist das Add-On empfehlenswert: Denn das Team hat einige hilfreiche Tutorials eingebaut, die alle neuen Features anhand knackiger Kampagnen erläutern – so ist der Einstieg in das veredelte Rundenepos kein Problem. Auch das Handbuch zeigt sich für eine Erweiterung von der angenehm ausführlichen Seite. Hier könnt ihr in Ruhe alle Neuerungen studieren.Bessere Spielbalance

Das liegt zum einen an der Verbesserung der Spielbalance, vor allem hinsichtlich der einzelnen Regierungsformen, zu denen jetzt auch der "Faschismus" gehört. Auch die Integration der zwei neuen Schwierigkeitsgrade "Halbgott" und "Sid" sowie die endlich modifizierbare Aggressivität der Gegner-KI tragen dazu bei.

Insgesamt spielt sich Civ einfach runder, und gewinnt durch die neuen Weltwunder der Antike schon früher an Fahrt. Und war die dritte Stufe bisher schon recht knackig, kommt man jetzt etwas angenehmer vorwärts.

Optisch und akustisch gibt es bis auf sieben neue Einheiten wie z.B. Trebuchets oder Feuerkatapulte, die hübsch animiert über die Karte poltern, einige Soundeffekte und so manche Interface-Änderungen nicht viel Neues. Das ist schade, denn etwas mehr Zunder hätte der zwei Jahre alte Titel schon gebrauchen können.

An den meisten Menüs hat sich auch zwei Jahre nach der Civ-Premiere nichts geändert. Warum auch? Sie sind übersichtlich, informativ und mit allen wichtigen Infos verlinkt. Trotzdem werden Veteranen einiges Neues entdecken.

Doch trotz des Grafikstaubs kann Civ immer noch mit seinem edlen Erscheinungsbild und der vorbildlichen interaktiven Hilfe überzeugen. Das kürzlich angekündigte Civilization 4 geht hoffentlich ansehnlichere Wege.

Fazit

Verstaubt euer Civilization III mittlerweile im Regal? Welch eine Schande! Fasst euch ein rundenbasiertes Herz, entreißt das weltweit gefeierte Strategiespiel der Vergessenheit und stürzt euch auf die gerade erschienene Erweiterung "Conquests". Die neuen Kampagnen wecken sofort die alte Eroberungsgier und aufgrund der verfeinerten Spielbalance sowie der neuen Siegbedingungen dampft das alte Flaggschiff wieder auf allerhöchstem Spielspaßkurs – die Stunden verfliegen, das Imperium wächst und am Ende winkt der Lorbeerkranz auf dem Siegertreppchen. Das Schöne ist, dass die vorgegebene Ausgangssituationen endlich ganz neue Taktiken fordern, denn man muss sich schon ein wenig in die Rolle Cäsars oder Napoleons hineindenken, um Europa zu unterwerfen. Wer sich die Weihnachtszeit mit einem edlen Computerbrettspiel und viel viel Spieltiefe versüßen will, sollte Sid Meiers Klassiker auch dieses Jahr eine Chance geben. Ach ja: Das erste Add-On samt aller Multiplayer-Features ist ebenfalls enthalten!

Pro

  • neue Völker
  • neue Einheiten
  • gutes Handbuch
  • neue Weltwunder
  • verbesserter Editor
  • hilfreiche Tutorials
  • neue Siegbedingungen
  • neue Regierungsformen
  • verbesserte Spielbalance
  • neues forderndes Spielgefühl
  • neun spannende Kampagnen
  • zwei neue Schwierigkeitsgrade
  • ideales Futter für Geschichts-Freaks
  • Gegner-Aggressivität modifizierbar
  • inklusive aller Mehrspielerfunktionen(enthält das erste Add-On "Play the World")

Kontra

  • angestaubte Grafik & Akustik
  • immer noch Lags über GameSpy

Wertung

PC

Diese historische Erweiterung lässt den Saurier unter der Rundenstrategie noch mal richtig brüllen!