ESPN NBA Basketball 2K4 - Test, Sport, PlayStation2, XBox
Er ist 2,10 Meter groß, 125 Kilogramm schwer, hat knallrote Haare und kommt aus Island. Noch kennt ihn keiner auf den Hinterhöfen von L.A., aber das wird sich bald ändern. Denn der Mann aus dem Norden ist der geborene Center, blockt wie ein wütender Riese und dunkt so gnadenlos, dass die Ringe reihenweise bersten. Aber das reicht noch lange nicht, um im neuen 24/7-Modus von ESPN NBA zu glänzen.
Streetballer gesucht!
Denn die Streetballkarriere ist hart: Im Training müssen in 1-on-1-Duellen bestimmte Vorgaben wie "Sieg durch einen Dreier" oder "Mindestens zwei Sprungwürfe" gemeistert werden – erst dann verbessern sich die eigenen Werte. Außerdem sollte man die Cracks der Straße besiegen, um sich einen Namen zu machen. Erst dann bekommt man Telefon-Nummern, um auch an 2-on-2-Matches und anderen Herausforderungen teilzunehmen. Und das ebenso Gemeine wie Coole ist: Die interne Xbox-Uhr merkt sich eure Trainingssitzungen – wer seinen Baller 24 Stunden nicht anrührt, muss das automatische Absinken der Werte in Kauf nehmen!
Hat man nach langer Fleißarbeit die anfänglichen 50-Prozentwerte endlich in die NBA-reifen 80er-Regionen gebracht, kann man vielleicht eines Tages die Streetball-Legende Phemon herausfordern. Und selbst wenn man dieses KI-Monster besiegt, warten da draußen Hunderte von ehrgeizigen Gegnern über Xbox Live – der 24/7-Modus garantiert aufgrund seines klasse Editors, der rollenspielähnlichen Aufwertung und der Online-Duelle Langzeitmotivation ohne Ende.Halle oder Asphalt?
Neben 24/7 gibt es auch noch einen freien Streetballmodus, wo ihr nach Lust und Laune auf einem ganzen Feld oder nur einer Hälfte spielen könnt, vom 1-on-1 bis zum 5-on-5 – es liegt an euch. Siegbedingungen, Gegner-KI, Arcade- oder Simulationsflair und selbst Wettereffekte wie Hitzeflimmern oder Regen lassen sich einstellen. Wer auf Asphalt und Hinterhöfe pfeift, kommt auch auf seine Kosten: Egal ob Training, Freundschaftsspiel, Turniere, Saison oder Franchise – auch die glänzenden NBA-Hallen samt aller Profiklubs sowie vieler Klassiker der 70er, 80er und 90er warten auf euch.
Der ultimative Spielspaß kommt natürlich nur online auf: Über Xbox Live könnt ihr an Matches teilnehmen oder selbst welche erstellen – mit oder ohne Rangliste, Streetball oder Halle, ganz regelkonform oder arcadefrei. Leider gibt es keine Lobby mit Chatfunktion, so dass das Ganze wie schon bei ESPN NHL Hockey 2K4 twas anonym wirkt. Außerdem stört, dass man ein Match nur mit einer Kameraposition führen, und nicht jeder selbst seine Sichtweise einstellen kann. Slowdowns oder Ruckler haben wir jedoch nicht bemerkt. PS2-Baller können nur offline um Körbe kämpfen.
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ESPN NBA fühlt sich einfach echter an als die Konkurrenz: Das Aufposten und langsame Zurückdrängen des Gegners, die eleganten Fadeaway-Jumpshots, der sichernde Sternschritt, das listige Faken vor dem Dreier – diese spannenden 1-gegen-1-Situationen vermitteln das gute Gefühl, Basketball hautnah zu erleben.
Authentisches Spielgefühl
Richtig viel Dynamik entsteht auch durch die zügigen Anspiele in den Lauf: Wenn ihr die Pass-Taste schnell zweimal drückt, wird der anvisierte Spieler gleichzeitig eine schnelle Bewegung Richtung Korb starten. Dadurch kann man sowohl dunkhungrige Mitspieler bei Fastbreaks herrlich bedienen als auch statische Situationen in der Zone plötzlich auflösen – alles Probleme, an denen z.B. NBA Inside Drive krankt. Und selbst Alley-Oops lassen sich zu gegebener Zeit bequem einleiten; insgesamt wesentlich seltener als in NBA Live 2004, aber dafür auch befriedigender.
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Ansonsten lassen sich Pässe je nach Belieben einfach per Knopfdruck zum nächsten und per Icon-Pass-Methode zu einem bestimmten Spieler bringen. Sehr schön ist hier, dass jede Spielposition einen festen Button hat, so dass ihr effektiv zum fähigsten Mann passen könnt – z.B. zum Center direkt unter dem Korb. Wer ganz zügig passen will, kann übrigens auch auf den rechten Analogstick ausweichen.
Ein Garant für die gute Spielbalance und das Aushängeschild von ESPN NBA ist die gut funktionierende Verteidigung. Erstens lassen sich im Gegensatz zur vier mageren Offensiv- fast ein Dutzend Defensivtaktiken schnell während des Spiels einleiten – egal ob Zonen- oder Manndeckung, aggressives Doppeln oder Schirm. Zweitens reagiert die eigene KI recht aufmerksam, und kann mit so manchem Steal glänzende Fastbreaks einleiten. Drittens kann man die wichtigen Blocks mit dem richtigen Timing wesentlich besser setzen als bei NBA Inside Drive 2004, wo die Defense meist im Offensivfoul endet. Zwar lässt sich über den dargestellten Schweif des geblockten Balles streiten, aber mithilfe der linken Schultertaste könnt ihr frühzeitig den Korbraum sichern, Bälle abfangen und im Notfall sogar von hinten zum spektakulären Block ansetzen und das Leder ins Publikum jagen.Schwächen im Detail
Sehr gute Defense
Allerdings gibt es kleine Schwächen, die die Euphorie dämpfen und den Award verwehren: Zum einen habt ihr in Korbnähe keine direkte Wahl zwischen Layup und Dunk wie in NBA Live 2004, sondern müsst Automatismen in Kauf nehmen. Ob Bryant eine grazile Schrittfolge mit Korbleger oder einen famosen Dunk hinlegt, lässt sich nicht immer bestimmen - das ist schade. Auch die Offensivtaktiken sehen mit nur vier Voreinstellungen im Vergleich zum riesigen Playbook-Arsenal von NBA Inside Drive 2004 arm aus.
Ein Wermutstropfen sind auch die ansehnlichen, aber schwer zu kontrollierende Dribblings über den rechten Analogstick: Da sich die Spieler teilweise unberechenbar drehen, rennt man schnell in die Defense und kassiert ein Offensivfoul. Zwar lässt sich das mit viel Übung und Fingerspitzengefühl minimieren, aber trotzdem hätte das kontrollierbarer gelöst werden können. Sehr schön ist wiederum, dass man mit diesen Dribblings nicht stundenlang den Gegner foppen kann, sondern eine Energieleiste abläuft. Nowitzki & Co haben also zwei, höchstens drei Versuche, sich an der Defense vorbeizumogeln.
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Freiwürfe sind für die meisten NBA-Stars Peanuts. Das gewöhnungsbedürftige System von ESPN NBA macht aus den einfachen Würfen von der Linie jedoch eine knackige Herausforderung: Ihr müsst beide Schultertasten (Xbox) bzw. Analogsticks (PS2) behutsam und gleichmäßig drücken, bis sich zwei Leisten in der Mitte des dargestellten Balles treffen und dort eine Schablone mit Loch bilden. Jetzt müsst ihr das Ganze ruhig halten und einen vertikal laufenden Ball genau über dem Loch stoppen, dann findet der Ball den weg ins Netz. Hört sich einfach an, erfordert aber viel Konzentration.
Freiwürfe: authentisch oder nervig?
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Dieses Feature kann man abschalten, wenn es zu hakelig ist, aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran - deshalb ist es kein Kritikpunkt. Außerdem erhöhen sich durch die Herausforderung sowohl der Nervenkitzel als auch die Authentizität.
ESPN NBA bietet die derzeit besten Spielerfiguren im Basketballbereich: Fotorealistische Gesichter, klar erkennbare Mimik inklusive Augenzwinkern, lebensechte Moves sowie skurrile Freiwurfeigenheiten dürften jeden Fan entzücken. In keinem anderen Spiel sind Nowitzki, Shaq & Co so deutlich zu erkennen, so klasse virtualisiert - auf der Xbox wie üblich etwas schärfer und brillanter sowie mit klar erkennbarem Schweißfilm auf der Haut, aber auch auf der PS2 top.
Fernsehreife Kulisse
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Auch die Animationen lassen dank unheimlich vieler Bewegungsphasen fast kaum hölzerne Situationen wie z.B. bei NBA Inside Drive 2004 aufkommen, sondern inszenieren viele butterweiche Dribblings, krachende Dunks und dominante Blocks. Hinzu kommen individuelle Jubelszenen und auf Wunsch richtig sehenswerte Slowmotion-Kameras in der Wiederholung.
Trotzdem entlarven die Zeitlupen manche Clippingfehler, und vor allem das Publikum wirkt in der Totalen unspektakulär, aus der Nähe sogar erschreckend klobig – da sieht so manche Hand am Rand wie ein Holzklotz aus. Das trifft leider auch auf die Trainer zu, die zwar im Vergleich zum Vorjahr bessere Gesichtstexturen haben, und außen ihren Emotionen freien Lauf lassen, aber im Kragenbereich mit hässlichen Grafikfehlern enttäuschen – ein kleines, aber sofort ins Auge springendes Detail, das angesichts der klasse dargestellten Profis unverständlich ist. Genau so wie die Vorführvideos, die seltsamer Weise nur auf der Xbox so grausam komprimiert wurden, dass man zunächst an einen stilistischen Verfremdungseffekt glauben will.
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Smoothe Hip-Hop-Beats begleiten euch während der Menüauswahl, im Training gibt`s sogar richtig coole Texte, die den Ehrgeiz wecken – zwar nicht so fett wie das hochkarätige Lizenzgerappe von NBA Live 2004, aber durchaus hörenswert. Die Kommentare von Bill Fitzgerald und Tom Tolbert versprühen zwar im englischen Original sehr viel professionellen Charme, aber trotz einiger passender Witze und viel Fachsimpelei wiederholen sich die Sprüche relativ schnell – wer genug hat, kann das ganz abschalten. Insgesamt sorgt die ESPN-Präsentation mit Fernsehstudio, Spielzusammenfassung und den zahllosen Statistiken jedoch für ein authentisches Mittendringefühl.
Fazit
Hallo Basketballfans? Zugreifen! Wenn ihr eine realistische Korbjagd mit 1A-Grafik sucht, kommt ihr an ESP NBA Basketball nicht vorbei. Das Spiel fühlt sich einfach echter an als das pompösere, aber auch arcadelastigere NBA Live 2004. Und es schlägt NBA Inside in Sachen Spielgefühl, Defense und Grafik. Sega entfacht nicht nur in den glänzenden Tempeln der NBA herrlich motivierendes Simulationsflair, auch auf der Straße wartet eine Karriere als Streetballer auf euch – inklusive Training, Charakterverbesserung und spannender Duelle. Über Xbox Live könnt ihr mit euerem Crack dann gegen den Rest der Welt antreten – klasse! Warum gibt es keinen Award? Weil sich Sega um sein Basketballbaby scheinbar nicht so gut gekümmert hat, wie um seinen Eishockey- und Footballnachwuchs: Es gibt einige böse Clipping- & Texturfehler, die Vorführvideos wurden auf der Xbox grausam komprimiert und das Publikum hätte besser inszeniert werden können. Spielerisch nerven lediglich die unberechenbaren Dribblings, an die man sich erst langsam gewöhnen muss. Trotzdem Kompliment an Sega: Es gibt derzeit kein besseres Basketballspiel!
Pro
- Online-Modus (Xbox)
- klasse Pass-System
- klasse Animationen
- integriertes Handbuch
- sehr überzeugende KI
- sehr gutes Spielgefühl
- viele traumhafte Moves
- fernsehreife Präsentation
- viele coole Streetball-Modi
- motivierende Solo-Karriere
- klasse Sound- & Fankulisse
- kompletter Franchise-Modus
- spannende 1-on-1-Situationen
- sehr hohe Langzeitmotivation
- ausgezeichnete Spielergesichter
- gutes Block- & Defense-System
- gut inszenierte Basketball-Simulation
Kontra
- kein Online-Modus (PS2)
- Publikum optisch schwach
- nur englische Texte & Menüs
- schlecht komprimierte Videos (Xbox)
- hässliche Texturfehler bei Trainern
- schwer zu kontrollierende Dribblings- keine direkte Dunk/Korbleger-Kontrolle
- keine freie Kamerawahl im Online-Modus