Breath of Fire: Dragon Quarter - Test, Rollenspiel, PlayStation2

Breath of Fire: Dragon Quarter
07.01.2004, Jens Bischoff

Test: Breath of Fire: Dragon Quarter

Mit Breath of Fire: Dragon Quarter (ab 40,08€ bei kaufen) geht Capcoms traditionsreiche Rollenspielserie nach je zwei SNES- und PSone-Episoden bereits in die fünfte Runde. Für die PS2-Premiere haben sich die Entwickler sogar jede Menge Neuerungen einfallen lassen. Ob diese überzeugen können, oder ob man sich schon bald den alten Ryu wieder zurückwünscht, klärt unser Test.

Die Welt in Dragon Quarter ist ungewohnt düster. Grund dafür: Seit einer Katastrophe vor vielen Jahrhunderten leben die Menschen tief unter der Erde, kennen weder Himmel noch Wolken und haben noch nie die Sonne gesehen. Ihr seid einer dieser unterirdischen Gefangenen, heißt Ryu oder wie immer ihr wollt und fristet ein Dasein als Ranger - eine Art Wachmann - der untersten Bereiche. Als ihr jedoch eines Tages auf Patrouille seid, um einen Zug zu eskortieren, kommt es zu einem Vorfall, der euer Leben schlagartig verändert.

Lebendig begraben

Wanted: Nach seiner Flucht wird Ryu sogar von ehemaligen Ranger-Kollegen verfolgt.

Nach einem Angriff der regierungsfeindlichen Trinity-Gruppierung solltet ihr nämlich tot und eure Fracht zerstört sein. Doch stattdessen hört ihr eine innere Stimme, die euch den Auserwählten nennt und findet heraus, dass sich hinter der so genannte Fracht ein geheimnisvolles Mädchen namens Nina verbirgt, die ebenfalls noch am Leben ist. Zusammen mit ihr und der zweifelnden Trinity-Rebellin Lin macht ihr euch fortan auf die Suche nach Antworten, die euch immer weiter aus den Tiefen der Unterwelt Richtung Erdoberfläche führen.

Schicksalhafte Begegnung

Flächendeckend: Angriffe wie Lins Explosionsschuss haben einen großen Wirkungsbereich.

Zudem sind viele Antworten, auf eure Fragen alles andere als erfreulich und ihr wisst nie, wem ihr überhaupt trauen könnt. Durch das neuartige Scenario Overlay System (SOL) bekommt ihr zudem beim ersten Spielen nur einen Teil der facettenreichen Handlung mit. Viele Details und persönliche Einblicke offenbaren sich euch nämlich erst nach mehrmaligem Durchspielen. Auch manche Abschnitte werden erst auf diese Weise zugänglich, da sich einige Türen nur mit einem gewissen Fähigkeitswert öffnen lassen.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Auf euerer Reise müssen natürlich viele Barrieren durchbrochen, Verfolger abgehängt und Gefahren gemeistert werden.

In Sicherheit: Bei diesen netten Damen kann Nina ungefährdet Ausrüstung kaufen und items lagern.

Das klingt zwar interessant, ist aber sicher nicht die optimale Lösung, denn wer alle Feinheiten der Story ergründen will, muss sich auch jedes Mal wieder durch den recht linearen und ab dem zweiten Mal deutlich weniger spannenden Hauptplot kämpfen, was aufgrund der kargen Optik und des tristen Leveldesigns alles andere als motivierend ist. Zudem bekommt man den Eindruck, dass die Entwickler die eigentlich recht kurze Spielzeit so nur künstlich verlängern wollten. Dabei zieht sich das Abenteuer allein schon durch den hohen Schwierigkeitsgrad in die Länge, der euch bei jedem Ableben mit ein paar Charakter-Verbesserungen an den Anfang oder einen zuvor aktivierten Speicherpunkt zurücksetzt und den Tod so zu einer kalkulierten Erfahrungspunktehatz macht - was jedem wahren RPG-Fan sicher übel aufstoßen wird.

In die Länge gezogen

Gigantische Knochenberge: Bosch fragt sich, wer hier wohl gefüttert wurde...

Aber sei‘s drum, das Konzept ist immerhin irgendwie erfrischend und gibt dem genretypischen Aufleveln eine ganz neue Nuance - auch wenn damit Item- und Erfahrungsverlust einhergehen. Denn während einmal gelernte Fähigkeiten, getragene Ausrüstung, Geld und so genannte Gruppenerfahrungspunkte auch beim Sterben aller Party-Mitglieder erhalten bleiben, gehen neu gefundene Waffen, Rüstungen und Items genauso verloren wie Charakter-bezogene Level-Ups und Erfahrungspunkte. Zwar gibt es spezielle Warenlager, in denen man alle seine Sachen deponieren kann, aber diese sind quasi nur an Speicherpunkten verfügbar, wo man ohnehin seinen kompletten Status festhalten kann und machen daher nur bei Platzmangel oder Tricks zur Geldbeschaffung Sinn.

Kalkulierbarer Verlust

Big Brother is watching you! - Dieser Blick riecht nach Ärger...

Mangelnder Platz ist übrigens ein nicht zu unterschätzendes Manko im Spiel. Euer Inventar ist nämlich gerade zu Beginn äußerst knapp bemessen, wodurch ihr gezwungen seid, viele Items zurückzulassen oder lange Fußmärsche zu den seltenen Shops und Warenlagern zu absolvieren - noch ein Umstand, der das Spiel zwar in die Länge zieht, aber kein bisschen gehaltvoller macht. Doch damit nicht genug, erreicht ihr einen der ebenso seltenen Speicherpunkte, müsst ihr für das Sichern eures Spielstandes auch noch spezielle Münzen berappen, die - ihr ahnt es wahrscheinlich schon - ebenfalls spärlich gesät sind...

Platz- und Geldmangel

Was weniger geübte Spieler frustriert, wirkt sich auf Profis aber nicht automatisch motivierend aus, denn auch wenn der Schwierigkeitsgrad herausfordernd ist, lässt er sich durch kalkuliertes Sterben sowie gezieltes Nutzen der SOL-Schwachstellen relativ einfach weich klopfen.

Zu schwer?

Zudem lassen sich Kämpfe gegen unliebsame Gegner relativ einfach vermeiden bzw. ein wenig später leicht gewinnen, denn Zufallskämpfe oder wieder entstehende Monster gibt es in Dragon Quarter nicht. Ihr seht jeden Gegner bereits von weitem, es sei denn, er hängt über euch an der Decke oder lauert hinter einer Ecke. Geschicktes Anpirschen und Überraschungsangriffe werden sogar belohnt, wer nämlich den ersten Schlag landet, erhält in der anschließend folgenden rundenbasierten Auseinandersetzung eine Bonusrunde.

Giftige Überraschung: Das dreiköpfige Pflanzenmonster besitzt einen toxische Atem.

Das Kampfsystem erweist sich dabei als eine Mischung aus dynamischer Schachbrett-Strategie und taktischer Ressourcen-Einteilung. Die Kampfreihenfolge wird zwar ganz klassisch durch den Schnelligkeitswert der beteiligten Spielfiguren bestimmt, aber bei jedem Zug hab ihr nur eine begrenzte Zahl an Aktionspunkten, die ihr nahezu beliebig auf Bewegungen und Angriffe verteilen dürft - egal ob ihr Waffen, Zauber oder Kombos einsetzt. Bis zu einer bestimmten Menge lassen sich nicht verbrauchte Aktionspunkte auch als Bonuspunkte in die nächste Runde übernehmen. Erfreulicherweise kostet das Verwenden von Gegenständen keine Punkte, denn sonst würden sich auch die Kämpfe unnötig in die Länge. Beschleunigen lassen sich die Kämpfe aber auch, wenn Ryu die in ihm schlummernden Drachenkräfte freisetzt und vorübergehend zur fast unbesiegbaren Kampfmaschine mutiert. Allerdings steigt dadurch sein so genannter D-Zähler stark an und wenn dieser vor Ende des Spiels 100% erreicht, heißt es unabwendbar: Game Over.

Auf in den Kampf!

Vom Blitz getroffen: Ninas Magiegewitter schmeckt dieser Fledermaus überhaupt nicht

Die Kämpfe finden übrigens nicht in speziellen Arenen, sondern in der regulären Levelarchitektur statt, wodurch man auch ganz spezifische Deckungsvorteile und Fluchtmöglichkeiten nutzen kann bzw. einkalkulieren muss, denn eure Gegner rennen nur selten bedingungslos in ihren Bildschirmtod. Eine weitere Besonderheit des Kampfsystems ist das Auslegen von Ködern und Fallen, wodurch ihr eure Gegner bereits vor dem eigentlichen Kampf schwächen oder ablenken könnt. So könnt ihr zum Beispiel starke Feinde mit Schlafpilzen Schachmatt setzen, mit leckerem Frischfleisch in die Nähe verheerender Kontaktminen locken oder mit stinkigem Faulfleisch in die Flucht schlagen. Überhaupt ist das Kampfsystem trotz der einfachen Grundstruktur sehr facettenreich und bietet viel Freiraum für Experimente. Nur leider ist dies bei den meisten Gegnern gar nicht nötig, da die individuellen Schwachstellen meist schnell erkannt sind und entsprechend genutzt werden können.

Listiges Fallenstellen

Personalchef: In seiner Ameisenkolonie führt Ryu die Einstellungsgespräche persönlich.

Abseits der Kämpfe erkundet man sterile Levels und kümmert sich um Ausrüstung und Charakterpflege. Hin und wieder trifft man auch auf mehr oder weniger gesprächige Einwohner, sucht nach Schlüsselobjekten oder organisiert eine von Feen geleitete Ameisenkolonie. Richtige Rätsel müsst ihr aber nicht lösen und die Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung beschränken sich auf ein Minimum. Dadurch ist das Erkunden der tristen und übersichtlichen Spielwelt eher unspektakulär und man marschiert aufgrund des öden Levelaufbaus eigentlich immer nur von einem Wegpunkt zum nächsten. Das Charakterdesign weiß hingegen trotz gewisser Schablonenhaftigkeit zu gefallen.

Mickrige Spielwelt

Technisch ist Dragon Quarter eher unspektakulär. Die Cel-Shading-Figuren sind zwar hübsch animiert und fügen sich gut ins grafische Gesamtbild ein, aber die Spielwelt selbst wirkt äußerst schlicht und strapaziert die Augen mit extremem Kantenflimmern, das auch der implementierte 60Hz-Modus nur etwas mildern kann. Wer auf 50Hz spielen muss, tut seinen Augen jedenfalls mit Sicherheit nichts Gutes und muss obendrein auch noch lästige PAL-Balken in Kauf nehmen. Leider erweist sich auch die Kameraführung oft als sehr hakelig und unausgereift, was vor allem in den Kämpfen immer wieder für unnötige Übersichtprobleme sorgt.

Was man vom oft einfallslosen oder albern wirkenden Gegnerdesign wiederum nicht behaupten kann - auch wenn flügellose Vögel unter der Erde durchaus Sinn machen...

Tränende Augen

Gerümpel-Schutz: Dank unüberwindbarer Barrikaden ist Lin vor dem buckligen Stiermonster vorerst sicher.

Akustisch macht Dragon Quarter hingegen eine recht gute Figur. Sprachausgabe ist zwar kaum vorhanden sowie nicht lokalisiert und die Effekte sind nur Standard, aber der abwechslungsreiche Soundtrack sorgt stets für die passende Atmosphäre. Allerdings klingen die Melodien teils sehr vertraut, fast schon zu vertraut und man wird das Gefühl nicht los, dass sich die Sounddesigner eher von Squares Final-Fantasy-Serie als von den eigenen Breath-of-Fire-Episoden haben inspirieren lassen. Aber egal, Nobuo Uematsu wird es ihnen wohl verzeihen. Weniger erfreulich ist hingegen die mäßige Qualität der deutschen Übersetzung, die euch mit jeder Menge Schlampigkeitsfehlern und konfuser Abkürzungen nervt. Aber zum Glück ist die PAL-Fassung ja multilingual...

Wie viel Inspiration ist erlaubt?

Fazit

Leider konnte uns Dragon Quarter trotz vieler löblicher Ansätze nicht vollends überzeugen. Das liegt vor allem an den zahlreichen Begrenzungen und Einschränkungen, denen man im Spiel unterworfen ist. So ist die Handlung sehr kurz und linear, die Spielwelt wenig umfang- und ideenreich, die Aktionspalette und das Inventar recht knapp bemessen und das Speichersystem ziemlich nervig. Dabei ist die Idee hinter der sich immer weiter entfaltenden Story und Spielwelt gar nicht so übel, aber dass man dafür gezwungen wird, das Ganze mehrmals komplett durchzuspielen, ist alles andere als innovativ - vor allem da das Leveldesign nicht sehr aufregend ist und dramaturgische Überraschungen eher selten sind. Die Story ist aber dennoch spannend inszeniert, das Kampfsystem überzeugt mit taktischen Finessen und auch sonst besitzt der Titel einige Elemente, die dauerhaft bei Laune halten, wie der Aufbau und die Verwaltung einer Ameisenkolonie. Gelegenheitsspieler und Genreneulinge sollten aber dennoch einen großen Bogen um den jüngsten Breath-of-Fire-Spross machen, denn der herbe Schwierigkeitsgrad verlangt selbst Profis einiges ab.

Pro

  • 60Hz-Modus
  • keine Zufallskämpfe
  • hoher Wiederspielwert
  • originelle Spielmechanik
  • stimmungsvoller Soundtrack
  • facettenreiches Kampfsystem
  • sympathisches Charakter-Design

Kontra

  • geringer Umfang
  • ödes Leveldesign
  • mickriges Inventar
  • mäßige Übersetzung
  • nerviges Speichersystem
  • extremes Kantenflimmern
  • relativ hoher Schwierigkeitsgrad

Wertung

PlayStation2