1080°: Avalanche - Test, Sport, GameCube

1080°: Avalanche
10.01.2004, Jens Bischoff

Test: 1080°: Avalanche

Mit 1080° Snowboarding setzte Nintendo vor gut fünf Jahren auf dem N64 neue Trendsportmaßstäbe. Ein Nachfolger ließ jedoch lange auf sich warten. Jetzt versucht 1080°: Avalanche (ab 59,95€ bei kaufen) das große Erbe auf dem GameCube anzutreten und die hohen Erwartungen der Fans zu erfüllen. Mit welchem Erfolg, verrät unser Test.

Gleich zu Beginn fällt die liebevolle Aufmachung auf, die euch bei der Spielmodi-, Charakter- und Board-Wahl per Kamerafahrt durch eine interaktive Skihütte führt. Schade nur, dass die fünf spielbaren Bewohner eher platt und austauschbar wirken, was sich im weiteren Spielverlauf auch leider nicht ändert. Selbst die persönlichen Charakterfertigkeiten spielen eigentlich keine Rolle, da die finalen Werte einzig und allein von der Wahl eures fahrbaren Untersatzes abhängen. So verfügt ihr je nach gewähltem Board über unterschiedliche Geschwindigkeits-, Beschleunigungs-, Sprungkraft-, Kurventechnik- und Balancewerte. Später könnt ihr euch sogar einen Pinguin, einen Pinsel oder einen NES-Controller unter die Boots schnallen.

Der Berg ruft

Riesentorlauf einmal anders: Auf verschneiten Straßen Richtung Tal.

Die Wahl des Spielmodus birgt hingegen wenig Spektakuläres. Mit Match Race, Gate Challenge, Trick Attack und Time Trial wird lediglich Standardkost geboten. So fahrt ihr im Time Trial gegen die Zeit und versucht unterwegs Münzfragmente aufzusammeln, um neue Boards freizuschalten. In der Gate Challenge absolviert ihr einen Checkpoint-Torlauf, um Pokale für ganz spezielle Boards zu gewinnen. In der Trick Attack erwarten euch Sprungschanze, Half-Pipe und Trick-Parcour, um Sprünge, Grinds und andere Tricks zum Besten zu geben. Und in den Match-Races duelliert ihr euch in einer Art Kurz-Meisterschaft mit einem CPU-Rivalen, um am Ende als Sieger vor einer Lawine zu fliehen und neue Strecken freizuspielen.

Nichts Außergewöhnliches

Langweiler: Ricky sprudelt nur so vor Enthusiasmus...

Auch wenn die Duelle gegen die tranigen CPU-Gegener mit ihrer 08/15-KI eher langweilig sind, machen die Lawinenabfahrten ungemein Spaß und lassen sich nach einmaliger Bewältigung via Code-Eingabe auch jederzeit ohne Vorausscheidungen aktivieren. Schade nur, dass man diese packenden Kämpfe um Leben und Tod nur alleine erleben kann, denn der ebenfalls vorhandene Mehrspielermodus erlaubt nur Einzelrennen auf einer Hand voll Standardstrecken. Nicht einmal zusätzliche CPU-Konkurrenten lassen sich dabei zuschalten. Aber von denen ist ja auch im Ein-Spieler-Modus nie mehr als einer auf der Piste...

Der etwas andere Survival-Kick

Skurriler Begleiter: Beim Zeitfahren könnt ihr eure Ghost-Daten einem Schneemann zuweisen.

Auch der LAN-Modus ist nicht das ersehnte Multiplayer-Dorado. Wie im Splitscreen können auch hier nur vier Spieler an den Start gehen und auf läppischen sechs Abfahrten um den Sieg kämpfen. Solisten haben doppelt so viele Pisten zur Auswahl und bekommen darüber hinaus auch noch die einzigartigen Lawinenstrecken sowie Torläufe, Zeitfahrten und Sprungwettbewerbe angeboten. Dennoch lässt der Umfang auch für Einzelspieler zu wünschen übrig. Die recht kurzen und linearen Strecken kennt man schon nach kurzer Zeit auswendig, den Spielmodi fehlt es auf Dauer an Abwechslung und die meisten Extras sind viel zu schnell freigespielt.

Bescheidenes Angebot

Unspektakulärer Grab: Das Tricksystem hat nicht viel zu bieten.

Zudem wirkt das Tricksystem primitiv und aufgesetzt. Ein paar Standard-Grabs, -Flips, -Spins und -Grinds müssen reichen, um eure Freestyle-Bedürfnisse zu befriedigen. Manuals oder Stands fehlen komplett, Grinds funktionieren fast automatisch und spektakuläre Über-Tricks wie in SSX 3 sucht man ohnehin vergeblich. Darüber hinaus sind waghalsige Tricks in den meisten Spielmodi völlig unnötig und stellen nur ein zusätzliches Sturzrisiko dar. Zwar kann man mit Trickeinlagen seine Powerleiste aufladen, aber die dient lediglich dazu, einmalig einen Konkurrenten aus dem Weg zu rammen oder eine wacklige Landung auszubügeln. Ansonsten müsst ihr euer verlorenes Gleichgewicht halt mit Stick-Rütteln wieder erlangen, was auf Dauer allerdings ganz schön nerven kann...

Tricks von der Stange

Tierquälerei: Tara hat ihr Board gegen einen Pinguin ausgewechselt.

Nerven können teils aber auch zu steile Kameraperspektiven, unsichtbare Pistenbegrenzungen, merkwürdige Kollisionsabfragen sowie spielflusshemmende Slowdowns. Auch unschöne Pop-Ups und eklatante Clipping-Fehler drücken auf die Techniknote. Allerdings sind die Pisten selbst sehr schön modelliert und wirken unglaublich lebendig. Da lösen sich Schneebretter und Gerölllawinen, explodieren Sprengsätze, entgleisen Züge, brechen Brücken und Eishöhlen ein oder kreuzen Skifahrer, Rehe und Schneemobile die Piste. Selbst die Wetterverhältnisse schlagen auf eurer Talfahrt teilweise um und bieten insgesamt sehenswerte Partikel- und Blur-Effekte, die das trotz Rucklern erstklassige Geschwindigkeitsgefühl gekonnt verstärken - PAL-Balken-freier 50 Hz- und optionaler 60 Hz-Modus inklusive.

Lebendige Spielwelt

Eine Frage des Equipments: Mehrspielerduelle sind sowohl via Splitscreen als auch LAN möglich.

Auch die in Pro Logic II codierte Soundkulisse sorgt für Stimmung. Vor allem die Effekte klingen satt und authentisch. Sprachausgabe ist hingegen selten und der umfangreiche Punkrock-Soundtrack mit Bands wie Cauterize, Finger Eleven, Seether und Boysetsfire Geschmackssache. Alternativ gibt‘s aber auch elektronische Klänge von Squido, Socketzero oder JP. Die Lokalisierung fiel wiederum recht mickrig aus, denn bis auf ein paar eingedeutschte Menütexte ist das Spiel komplett englisch - Verständnisprobleme dürfte es aber ohnehin keine geben. Da hätte man sich schon lieber statt der aufrufbaren Gameplay-Tipps ein interaktives Tutorial gewünscht. Doch die simple Steuerung hat man schnell im Griff und das Fahrgefühl ist eine gute Mischung aus Arcade- und Simulationselementen.

Klingt überzeugend

Kampf ums Überleben: Das rettende Ziel vor Augen und die tödliche Lawine im Nacken.

Einen veränderbaren Schwierigkeitsgrad gibt es übrigens nicht. Dafür sind die Pisten in den einzelnen Spielmodi jedoch in drei Schwierigkeitsstufen eingeteilt und euer Können ist immer vom jeweiligen Brett abhängig. Zudem kosten Stürze Energie und ist diese vor dem Zieleinlauf aufgebraucht, ist das Rennen verloren und ihr müsst die Abfahrt von neuem beginnen. Im Match-Race-Modus müsst ihr bei Niederlagen zudem einen eurer nur begrenzt verfügbaren Skipässe opfern, um das letzte Duell zu wiederholen, denn nur der Sieger qualifiziert sich für das nächste Rennen bzw. die Lawinenabfahrt. Gespeichert werden eure Fortschritte übrigens automatisch und auch Ghost-Daten, Bestzeiten, Trick-Highscores und Replays lassen sich dauerhaft auf Memory-Card bannen. Speicher- und Ladezeiten sind allgemein erfreulich kurz und LAN-Duelle dank Warp Pipe auch online möglich.

Skipass, bitte!

Geschafft! - In den speicherbaren Replays lasst ihr alles nochmals in Ruhe Revue passieren.

Fazit

Die Maßstäbe, die der Vorgänger seinerzeit setzen konnte, vermag 1080°: Avalanche leider nicht zu erneuern. Gameplay und Technik sind zwar ordentlich, aber nicht herausragend und der eher magere Spielumfang ist angesichts der langen Wartezeit fast unentschuldbar. Auch der Mehrspielermodus hat trotz LAN-Unterstützung recht wenig zu bieten, während das Tricksystem primitiv und aufgesetzt wirkt. Schade auch, dass die Pisten nur wenig fahrerische Freiheiten zulassen und immer wieder Slowdowns den Spielfluss hemmen. Zudem nervt die Steuerung mit lästigem Stick-Rütteln, um in letzter Sekunde Stürze abzufangen. Nichtsdestotrotz macht das virtuelle Boarden eine Zeit lang ungemein Spaß. Das liegt neben dem tollen Geschwindigkeitsgefühl vor allem an den belebten und interaktiven Pisten. Gerade die packenden Fluchten vor heranrollenden Schnee- und Gerölllawinen sorgen für mitreißende Adrenalinschübe. Aber auch sonst dürft ihr euch an einer detailliert und liebevoll präsentierten Bergwelt erfreuen, die eindrucksvoll an euch vorbeizieht. Wem SSX 3 zu abgefahren und Amped 2 zu unspektakulär ist, dürfte von 1080°: Avalanche jedenfalls eine Weile bestens unterhalten werden.

Pro

  • LAN-fähig
  • 60Hz-Modus
  • lebendige Pisten
  • hübsche Präsentation
  • packende Lawinenabfahrten
  • tolles Geschwindigkeitsgefühl

Kontra

  • geringer Umfang
  • dürftiges Tricksystem
  • lineares Streckendesign
  • eintöniges Mehrspielerangebot
  • nicht optimale Steuerung & Kollisionsabfrage
  • gelegentliche Kameraprobleme & Slowdowns

Wertung

GameCube

SSX 3 ist euch zu abgefahren? Amped 2 zu unspektakulär? Dann holt euch 1080°: Avalanche!