James Bond 007: Alles oder Nichts - Test, Action-Adventure, GameCube, XBox, PlayStation2

James Bond 007: Alles oder Nichts
03.03.2004, Mathias Oertel

Test: James Bond 007: Alles oder Nichts

Für Bond-Fans gibt es nur ein Spiel: GoldenEye. Und nachdem sich EA mit den letzten Ego-Shooter-Versuchen vergeblich bemüht hat, das unnachahmliche Spielgefühl des Rare-Klassikers auf dem N64 zu replizieren, hat man sich zu einem neuen Schritt entschlossen. Man verlegt das Gameplay in eine Third-Person-Perspektive, die einige neue Möglichkeiten eröffnet. Doch da EA mit Tomorrow Never Dies auf der PSone gezeigt hat, dass dies nicht immer die beste Entscheidung war, stellt sich die Frage, ob man mit 007 Alles oder Nichts dieses Mal mehr Erfolg hat. Die Antwort findet ihr im Test!

Für das neue Bondspiel hat sich EA viel vorgenommen. Man wollte schlichtweg packende Kinoatmosphäre schaffen – ein Unternehmen, das schon viele Entwickler erfolglos in Angriff genommen haben. Damit EA mit dem Projekt Kinospiel keinen Schiffbruch erleidet, hat man tief in die Tasche gegriffen: Neben Pierce Brosnan als Bond wurde eine große Zahl an Stars engagiert, die Gesicht und Stimme zur Verfügung stellen. Für die Story zu Alles oder Nichts hat man sich Hollywood-Drehbuchautor Bruce Feirstein geschnappt, der schon gewaltig 007-Erfahrung auf dem Buckel hat. Immerhin hat er schon die Skripte zu GoldenEye, Der Morgen stirbt nie und Die Welt ist nicht genug abgeliefert.

Kino oder was?

Und das zahlt sich aus: Die Story um den russischen Großkriminellen Nikolai Diavolo, der wie alle Bond-Bösewichter an einem Anflug von Größenwahn leidet und die Welt erorbern möchte, ist durchweg filmreif, schlüssig erzählt und wartet mit einigen Überraschungen auf.

Mit Richard Kiel als Jaws ("Beißer") ist einer der charismatischsten Bond-Gegner im Spiel zu finden.

Die Abseil-Missionen sind nicht nur optisch interessant, sondern auch spielerisch mit praller Action gefüllt.

(PS2)


Third Person statt Ego-Shooter

Spielerisch bietet Bond schnörkellose Action. Doch im Gegensatz zu den letzten Spielen rund um 007 hat EA der Ego-Perspektive den Rücken gekehrt und sich stattdessen für eine Third-Person-Ansicht entschieden.

PSone-Veteranen werden sich nun vermutlich mit mehr oder weniger Grausen an Tomorrow Never Dies erinnern, bei dem dies ebenfalls versucht wurde, aber weitestgehend in die Hose ging.

Doch bei Alles oder Nichts scheinen die Entwickler aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben: Denn obwohl im Kern nur wenige spielerische Neuerungen zu verzeichnen sind und vieles mal an Splinter Cell, mal an Spiele wie Syphon Filter erinnert, nutzt das neue 007-Abenteuer die sich durch die Möglichkeiten der neuen Perspektive konsequent aus.

(GameCube)

Doch das ist bei weitem nicht alles: Im Laufe der Kampagne müsst ihr eure Fähigkeiten z.B. am Steuer diverser Fahrzeuge vom Motorrad bis zum Helikopter beweisen, den bösen Buben auch im unbewaffneten Nahkampf eintrichtern, aus welchem Holz britische Geheimagenten geschnitzt sind, und im freien Fall die Dame eures Herzens vor dem sicheren Tod retten.

Denn spielerisch wird weit mehr abgefackelt als nur die pure Baller-Action, die man ergänzt durch Fahrsequenzen schon aus Nightfire und Agent im Kreuzfeuer kennt.

Schon beim nahtlosen Übergang zwischen diesen beiden bekannten Elementen wird deutlich, wie gut die neue Optik eingesetzt wird.

Und damit sind wir schon beim nächsten positiven Punkt, der durch die Perspektive geschaffen wird: Filmatmosphäre. Da man stets Bond im Blickfeld hat und die Kamera mit wenigen Ausnahmen eine gute Übersicht bietet, aber natürlich auch jederzeit manuell justiert werden kann, ist das Filmgefühl weitaus größer als bei den Ego-Shootern.

Eben einfach alles, womit sich ein Filmheld auch auf der Leinwand konfrontiert sieht.

Keine Lust auf Feuerwechsel? Dann erledigt die Gegner doch einfach im Nahkampf!

Obwohl sich Alles oder Nichts als erzähltechnisch linear präsentiert, habt ihr in den Abschnitten häufig genug die Wahl zwischen verschiedenen Problemlösungen. Zwar wird man nie so ganz um bleihaltige Konfrontationen herum kommen, doch wer es lieber subtil und im Stile bekannter Stealth-Action mag, hat dazu die Gelegenheit – und wird dafür noch belohnt.

(GameCube)

Lineare Entscheidungsfreiheit

Sicherlich ist es euch bei manchen Bond-Streifen auch so gegangen: Wieso geht er jetzt da hin? Wieso macht er das? Ich hätte das anders gelöst...

Ihr könnt z.B. die spezielle Bond-Wahrnehmung zu Hilfe nehmen. Das Geschehen wird verlangsamt und ihr könnt nach speziellen Möglichkeiten und Situationen Ausschau halten, die sich manipulieren lassen. Dies kann ein simples Fass sein, das nach Beschuss die Feinde mit seiner Explosion in alle Winde zerstreut; oder auch ein Schalter, der durch ein Gitter heißen Dampf nach oben schießen lässt, wodurch eure Feinde stark gehandicapt auf ihren K.O. warten; oder aber ihr lasst durch gezielte Schüsse das Dach eines Gebäudes einstürzen, das schnell Opfer unter sich begräbt.

Wie es sich für Bond gehört, habt ihr im Laufe der Geschichte Zugriff auf einen ganzen Haufen Gimmicks aus dem Q-Labor: Mini-Granaten, robotische Spionage-Spinnen, die mit einem Upgrade mit einer Explosion für Unruhe sorgen, und vor allem der Q-Haken stehen dabei ganz oben auf der Liste. Und sie sorgen dafür, dass jeder das Spiel ein kleines bisschen anders spielt.

Keine Munition mehr? Dann hilft ein zielsicherer Wurf mit der Wasserflasche!

Der Q-Haken stellt im Übrigen die einzige wesentliche Neuerung dar. Mit ihm könnt ihr euch von Dächern an der Hauswand herunterlassen bzw. scheinbar unerreichbare Höhen erklimmen.

Und nicht nur, dass die Optik in diesen Momenten durchweg sehenswert und innovativ ist, auch die Action kommt nicht zu kurz: Beim Herunterlaufen an einer Hauswand von oben und unten beschossen zu werden, lässt den Adrenalinspiegel gewaltig nach oben schnellen und Schweiß auf der Stirn perlen.

(Xbox)

Die drei Schwierigkeitsgrade haben nicht nur Einfluss auf KI und Stärke der Gegner – auch die Aufgaben können sich gewaltig unterscheiden (GoldenEye lässt grüßen). Während ihr auf "leicht" nur die Kernaufgaben zu erfüllen habt und die Gegner selten mehr als Kanonenfutter darstellen, wird es auf der normalen Stufe schon zu eine echten Herausforderung.

Gute KI und lahme Zielhilfe

Aus der Deckung heraus ist das Überleben leichter. Das Gameplay bietet euch zahlreiche Möglichkeiten, die Missionen zu erledigen.

Denn wo es als Hilfsagent z.B. schon reicht, ein Fahrzeug durch die halbe Stadt zu fahren, müsst ihr euch als Agent auch noch zu einer Lagerhalle schleichen, um dort ein Gespräch zu belauschen.

Zum Glück verfügt die auf allen Systemen gut belegte Steuerung über eine zuschaltbare Zielhilfe. Allerdings ist hier auch der größte Schwachpunkt zu finden: Denn habt ihr erst einmal ein Ziel auserkoren, könnt ihr nicht mehr einfach zwischen allen sichtbaren Gegnern auswählen. Stattdessen gilt es, die Zielautomatik wieder zu lösen, nochmals zu aktivieren und zu hoffen, dass nun derjenige erfasst wird, den ihr als nächstes beharken wollt.

(GameCube)

Zudem sorgt ein höherer Schwierigkeitsgrad auch für eine verbesserte KI. Denn urplötzlich gehen die bislang leicht zu erledigenden Feinde in Deckung, bringen euch in arge Bedrängnis und fordern euer ganzes Können am Pad.

Wahlweise könnt ihr auch über den rechten Stick ein neues Opfer suchen, was sich im Endeffekt aber auch nicht als beste Variante herausstellt, da die ansonsten gute Kamera hier nicht immer mitspielt.Angesichts der ansonsten durchdachten Steuerung wirkt dieses Manko etwas gestümpert und raubt etwas von der Spielfreude und zugleich auch der Dynamik, die sich durch den Rest von Alles oder Nichts zieht.

Dass ihr bei festgelegtem Ziel zusätzlich die Möglichkeit habt, gezielte Schüsse zu setzen und so Munition zu sparen, anstatt ein halbes Magazin auf die meist mit schusssicheren Westen versehenen Kontrahenten zu entleeren, ist dabei nur ein kleiner Trost.

Die integrierten Multiplayer-Modi sind zwar nett, aber allesamt offline und insgesamt ein gutes Stück von der GoldenEye-Dramatik entfernt.

Doch auch dieses kleine Manko wird Bonds Siegeszug nicht verhindern können. Denn der Rest des Spieles wirkt durchdacht, überrascht immer wieder mit neuen Missionen und kleinen Storytwists und macht einfach nur Spaß.

Multiplayer-Fun?

Denkt man an GoldenEye, fallen einem automatisch stundenlange Spielesessions gefüllt mit harten Deathmatch-Duellen ein, die mit vier Spielern durchaus mal die ganze Nacht in Anspruch nehmen konnten.

Zwar sind auch in Alles oder Nichts diverse unterhaltsame Mehrspieler-Modi integriert, doch die Klasse von Rares tödlichen Schlachten wird nicht erreicht. Das mag zum einen daran liegen, dass GoldenEye im Hinblick auf Mehrspieler-Spaß nahezu perfekt ausbalanciert war, doch direkte Duelle machen sicherlich nicht nur mir in Ego-Ansicht mehr Spaß.

(PS2)

Auch explosionsgewaltige Fahrsequenzen stehen auf dem Programm und sind dank der NfS-Engine gut umgesetzt.

Spiele wie Socom haben zwar gezeigt, dass auch Schulterperspektiven-Deathmatches für gute Laune sorgen können, aber 007 & Co. können einfach nicht diesen Nervenkitzel entfachen.

Dafür gibt es jedoch die Möglichkeit für zwei Spieler in einer speziellen Mission kooperativ anzutreten. Allerdings kommt auch dieser Modus nicht über das Prädikat "nett" hinaus.

Wie schon in Nightfire hat sich Pierce Brosnan für die Figur des Bond zur Verfügung gestellt. Und dank exzellentem Gesichtsscan und entsprechenden Animationen wirkt er so lebensecht wie nie zuvor. Und die Besetzungsliste liest sich wie ein Who-is-Who der Unterhaltungs-Industrie: Meister-Bösewicht Willem Dafoe als 007-Gegenspieler Nikolai Diavolo, John Cleese als Q und Judi Dench als M wurden mit der gleichen Sorgfalt umgesetzt und komplettieren das Film-Feeling.

(PS2)

Brosnan ist Bond

Bond-Girls gibt es natürlich auch. Wo in den Kinostreifen Sophie Marceau, Denise Richards und Halle Barry an der Seite des Geheimagenten auftraten, wurden für das Spiel Heidi Klum, Mya und Shannon Elizabeth engagiert, um 007 zu weiblichem Glanz zu verhelfen – selbstredend mit dem gleichen Aufwand.

Doch nicht nur Aussehen und Animationen der Figuren können überzeugen. Auch die Umgebungsgrafik hilft fleißig mit, um auf allen Systemen Kino-Atmosphäre zu schaffen. Die Level-Texturen bestechen zwar nicht gerade durch eine hohe Auflösung und mit immensen Details, sind aber in sich immer stimmig und schaffen immer ein passendes Ambiente für die Gefechte von 007.

Gleiches gilt für die Lichteffekte. Für sich allein betrachtet stellen diese zwar nicht das Maß aller Dinge dar, da sie durch das Fehlen jeglicher Dynamik auffallen, aber im Zusammenspiel mit den Umgebungen und den Figuren entfalten sie dennoch eine immense Atmosphäre. Um eine Filmanalogie zu verwenden: das Produktionsdesign ist durchweg gelungen, ohne oscarverdächtig zu sein.

Pierce Brosnan als Bond ist in allen Lebenslagen fein animiert und sorgt mit der Third-Person-Perspektive für Kinofeeling pur!

Die Spezial-Effekt-Crew hat sich ebenfalls ins Zeug gelegt: Feine Explosionen und endlich einmal nicht übertrieben aussehendes Mündungsfeuer sind eine Wohltat für geschundene Augen.

Bei den Fahrsequenzen scheint man sich der Need for Speed-Engine bedient zu haben: Nasser Asphalt lässt Erinnerungen an Underground wach werden und das detailreiche Fahrzeugdesign weiß ebenfalls zu gefallen. Allerdings kommt es in diesen Abschnitten ab und an zu kurzen Einbrüchen in der ansonsten angenehm stabilen Bildwiederholrate, die spielerisch allerdings keinen Einfluss haben.

(Xbox)

Einzig die CG-Zwischensequenzen können nicht ganz mit dem Grafikstandard mithalten und sind weit von z.B. der Qualiät der Square-Video entfernt. Eventuell wäre man hier besser bedient gewesen, diese Sequenzen komplett mit der Spielengine darzustellen.

Aufwändig, ohne herausragend zu sein: das Grafikdesign ist stimmig und unterstreicht die Kinoatmosphäre.

Obwohl die Lokalisierung durch die Bank gut ist, wird es den Bond-Filmkennern auffallen, dass die Synchronsprecher nicht immer den Personen entsprechen, die den Filmen ihre Stimme leihen. Da die ausgewählten Sprecher jedoch einen guten Job abliefern, hat man sich schnell an dieses kleine Manko gewöhnt.

(Xbox)

Kommentarlos erwähnen wollen wir noch die Tatsache, dass die Xbox-Fassung im Vergleich zu PS2 und GameCube keine Möglichkeit bietet, auf den weiterhin die Kinoatmosphäre unterstützenden 16:9-Modus umzuschalten.

Doch aller kleineren Fehler und Mankos zum Trotz dürfte sich Alles oder Nichts sehr schnell als bisher bestaussehendstes Bondspiel in der Videospielegeschichte verewigen.

Wieso kein Englisch?

Als Anhänger der DVD-Generation bin ich verwöhnt. Will ich einen Bond-Film im Original sehen, stellt dies dank Digital Versatile Disc überhaupt kein Problem dar. Will ich dagegen Alles oder Nichts im Original spielen, werde ich mir wohl oder übel eine Fassung aus UK bestellen müssen, um in den Genuss von Pierce Brosnan als Bond, Judi Dench als M oder John Cleese als Q kommen zu können. Denn statt einer englischen Fassung wird die deutsche Verkaufsversion mit französischer Sprachalternative ausgeliefert. Das ist mehr als schade, denn auch die französischen Sprecher können das Originalflair, das durch die akustische Mitwirkung der Stars entsteht, nicht ersetzen.

Willem Dafoe als Nikolai Diavolo: fantastisch besetzt. Und trotzdem bleiben die CG-Videos nur guter Durchschnitt.

Die musikalische Seite hingegen wurde hervorragend umgesetzt. Das Original-Bond-Thema ist natürlich in einigen Varianten vertreten, wird aber durch den eigens für das Spiel komponierten Titelsong (interpretiert von Mya) sowie den anderen Melodien, die sich von dramatisch bis poppig-technotechnisch präsentieren, glatt an die Wand musiziert.

(PS2)

Fazit

Nach den letzten, nicht immer überzeugenden Ego-Shooter-Abenteuern von 007 holt EA zum Rundumschlag aus und präsentiert das beste Bond-Spiel seit Rares legendärem GoldenEye. Angefangen vom grandiosen Einstieg im Film-Stil über das Intro und die Zwischensequenzen trieft Alles oder Nichts Kinoatmosphäre aus allen Poren. Glücklicherweise kann die spielerische Qualität mithalten: abwechslungsreiche Missionen und eine durchdachte Steuerung, die sich in allen Spiel-Varianten (Fliegen, Fahren, Schießen, Kämpfen) bemerkbar macht, sorgen für stundenlanges Vergnügen. Und trotzdem hätte EA das neue Abenteuer des britischen Geheimagenten mit einer verbesserten Zielhilfe noch besser gestalten können. Und dass es zu den nicht immer originalen Synchronsprechern der Figuren nicht die Alternative gibt, auf das englische Original umzuschalten und so Pierce Brosnan, Willem Dafoe, Heidi Klum, John Cleese und wie sie alle heißen im O-Ton zu genießen, dürfte nicht nur mich stören. Stattdessen gibt es eine alternative französische Variante... Aua! Doch sei es wie es ist: Alles oder Nichts ist es als erstem Bondspiel überhaupt gelungen, das Flair der Filme nahezu perfekt auf die Spielwelt zu projizieren und dabei den Spielspaß nicht zu vergessen. Man kann schon jetzt gespannt sein, was sich EA für das vermutlich Ende des Jahres erscheinende GoldenEye 2 einfallen lässt, um diese Atmosphäre zu toppen.

Pro

  • abwechslungsreiche Missionen
  • Fahren, Schießen, Laufen, Kämpfen, Fliegen, Schleichen
  • klasse Soundtrack
  • Kinofeeling pur
  • gute Lokalisierung
  • schönes Tutorial
  • gelungene grafische Umsetzung
  • saubere Präsentation
  • nette Multiplayer-Modi
  • Drehbuch von 007-Autor Bruce Feirstein

Kontra

  • Zielhilfe nicht optimiert
  • keine Option auf englische Sprachausgabe
  • nicht immer Original-Synchronsprecher
  • ab und an Ruckler bei den Fahrsequenzen
  • keine 16:9-Unterstützung (Xbox)

Wertung

GameCube

XBox

Clever inszienerte und abwechslungsreiche Action. Was will man mehr?

PlayStation2