Three Kingdoms - Test, Taktik & Strategie, PC

Three Kingdoms
23.01.2001, Jörg Luibl

Test: Three Kingdoms

Totgeglaubte leben länger: In letzter Zeit wird das altehrwürdige Genre der 2D-Echtzeit-Strategie nahezu überschwemmt -jüngste Beispiele waren Cossacks und Kingdom under Fire. Jetzt will Eidos mit Three Kingdoms: Im Jahr des Drachen einen weiteren Age of Kings-Herausforderer in den Echtzeit-Ring schicken. Das Game beschäftigt sich mit einem der spannendsten Kapitel der chinesischen Geschichte - ob sich die Spannung auf Eure Monitore übertragen lässt, erfahrt Ihr in unserem Test!

Wer sich für die historischen Ereignisse interessiert, die Three Kingdoms zugrunde liegen, der sollte sich die Romane des chinesischen Schriftstellers Guanzhong Luo zu Gemüte führen (leider bisher nur in engl. Übersetzung erhältlich). Alle heutigen folkloristischen Traditionen rund um die "Drei Reiche" basieren auf seinen im 14.Jh. verfassten Werken. Auch die Entwickler von Overmax haben sich intensiv um eine historisch authentische Version bemüht.

Story

Die Lage: China ist im 2. Jh. n. Chr. in drei rivalisierende Reiche gespalten, die von mächtigen Kriegsherren regiert werden. Ihr übernehmt das verantwortungsvolle Amt eines dieser Kriegsherrn - zur Auswahl stehen über 300 vorgefertigte Charaktere mit verschiedenen Fähigkeiten. Ziel des Spiels ist es, die zwei feindlichen Reiche zu erobern und China endlich zu vereinen.

Beim Ressourcen-Management bleibt alles beim Alten: Ihr habt zunächst zwei Rohstoffe (Eisenerz, Holz), auf die Ihr Eure Arbeiter ansetzen könnt, um später neue Gebäude und Technologien zu entwickeln. Geld kommt durch Steuern in die Kasse, deren Höhe Ihr selber festlegen könnt. Insgesamt ist der Aufbau Eures Reiches aber aufwendiger gestaltet, als in den kampflastigen Vorbildern wie Warcraft und Age of Kings.

Gameplay

Auf dem Weg zur Vereinigung gilt es, Ressourcen abzubauen und klug zu verwerten, neue Technologien und Kriegsgeräte zu entwickeln sowie diplomatisches Feingefühl zu beweisen - die harte Tour ist natürlich auch möglich.

Nahrungsmittel- und Einheitenproduktion verlangen Euch ein paar Klicks mehr ab, bieten dafür aber auch etwas mehr Vielfalt: Auf den chinesischen Mittagstisch kommt nämlich nicht nur gewöhnliche Nahrung, sondern auch Schweinefleisch und Wein. Welcher der drei "Delikatessen" Ihr besondere Aufmerksamkeit schenkt, entscheidet Ihr mit der Anzahl der Bauernhöfe, Schlachter oder Weinbauern.

Ähnlich "komplex" geht es bei den verschiedenen Einheiten zu: Zwar können gewöhnliche Arbeiter im Hauptgebäude rekrutiert werden, aber im Gegensatz zu anderen Titeln könnt Ihr Krieger nicht direkt in Kasernen ausbilden, sondern müsst Eure arbeitenden Zivilisten erst in den entsprechenden Gebäuden zu Fußtruppen, Bogenschützen etc. ausbilden.

Auch Reiterkrieger kommen nicht so einfach aus dem Stall getrabt: Ihr müsst eine oder mehrere Einheiten auswählen und diese mit einem Klick auf das entsprechende Pferd setzen - wenn Ihr denn schon welche gezüchtet habt. Neu ist, dass Eure Untertanen mit der Zeit an Erfahrung gewinnen, und so produktiver zu Werke gehen - jeder Verlust durch Kriege und Belagerungen wirkt da schmerzlich.

Eine starke Wirtschaft und die effiziente Ausnutzung der Diplomatie-Möglichkeiten können ebenso erfolgreich sein wie das Schleifen der feindlichen Städte. In dieser Hinsicht ähnelt Three Kingdoms dem Geheimtipp unter Hardcore-Strategen: Seven Kingdoms. Nicht nur dem Namen nach gleichen sich die Titel, auch in der Spieltiefe versuchen die Three den Seven Kingdoms nachzueifern. Hinzu kommen zahlreiche personelle Entscheidungen, denn eine richtige Außenpolitik ist z.B. ohne die Ernennung eines Ministers nicht möglich.

Ein echtes Novum im Echtzeit-Strategie-Genre stellen die zwei Karten dar, die Ihr immer in den unteren Ecken der Benutzeroberfläche sehen könnt. In der linken Ecke befindet sich eine Darstellung Eurer Stadt: Dort erkennt Ihr Eure Gebäude, die Stadtmauern und einen kleinen Teil freien Feldes davor. In der rechten Ecke wird das gesamte Reich mit allen Städten abgebildet - Eure Stadt ist nur als kleines Symbol zu erkennen, und erst wenn sich der Nebel des Krieges durch Eure Erkundungen lüftet, werden andere Städte sichtbar. Wenn Ihr nun mit einer Armee Eure Stadt verlassen wollt, klickt Ihr einfach auf den äußersten Bereich der Stadtkarte und irgendwann ist Eure Truppe dann im rechten Kartenausschnitt verfügbar. Hier wird der persönliche Geschmack entscheiden, ob die zwei Karten und der Truppen-Transfer eher effektiv oder unübersichtlich sind.

In Age of Kings konntet Ihr selbst mit Schwertkämpfern die Mauern Eures Gegners dem Erdboden gleichmachen. Three Kingdoms geht die Belagerungen realistischer an und zwingt Euch, schweres Kriegsgerät zu entwickeln, das auf historischen Vorbildern beruht: Sturmleitern, Katapulte und sogar die früheste Fallschirmjägerversion in Form von "fliegenden Papierdrachen" kann erforscht werden. Ich verstehe allerdings nicht, warum die Entwickler auf Formationen verzichtet haben. Erstens wird das Kampfsystem so um einige taktische Optionen beraubt und zweitens nervt es einfach, wenn man keine Ordnung in unterschiedlich strukturierte Armeen bringen kann: Langsamere Kriegsgeräte folgen dem Haupttross wie Schildkröten und können schlechter geschützt werden. Und noch ein Manko: Wenn der Gegner in Eure Stadt eingedrungen ist, arbeiten die Bauern und Schweinehirten weiter, als hätte sich freundlicher Besuch angekündigt - warum fehlt eine sinnvolle Einquartierungsoption?

Three Kingdoms spielt sich trotz der vielen Möglichkeiten und der zwei Karten recht flüssig. Allerdings hätte ein intuitivere Benutzeroberfläche für mehr Einsteigerfreundlichkeit und vor allem Übersicht gesorgt. Warum kann ich meinen Ressourcenvorrat erst sehen, wenn ich auf einen Button klicke?Im Multiplayer-Modus können übrigens 1 bis 8 Spieler über LAN oder Internet gegeneinander antreten.

Auf den ersten Blick wirkt Three Kingdoms wie ein fernöstliches Age of Kings-Add-On: Isometrische Perspektive, detaillierte Gebäude und schön animierte Einheiten. Nicht nur das Gebäude-, sondern auch das Einheitendesign entführt Euch grafisch und historisch überzeugend ins alte China. Den Arbeitern und Soldaten wurden im Vergleich zu Kasernen und Tempeln nahezu maßstabsgetreue Größenverhältnisse verpasst, so dass Ihr Euer Volk mit der Zeit ameisenähnlich durch das immer größer werdende Reich wuseln seht. Die Grafik überzeugt zwar, aber begeistert nicht und muss sich gegenüber Age of Kings geschlagen geben.

Grafik/Sound

Im Soundbereich begleiten Euch angenehme asiatische Melodien, die Euch akustisch auf die Zeit der "Drei Reiche" einstimmen. Eure Kommandos werden übrigens -auch in der deutschen Version- auf Altchinesisch bestätigt.

Fazit


Insgesamt macht Three Kingdoms einen optisch einwandfreien und spieltechnisch durchdachten Eindruck. Das Dreigestirn aus Kampf, Wirtschaft und Diplomatie birgt sogar mehr spielerische Möglichkeiten als das kampflastige Age of Kings. Der sehr gute Gesamteindruck wird allerdings von kleineren Mängeln (Interface, keine Formationen, Kampfverhalten) getrübt. Three Kingdoms bietet trotzdem genügend innovatives Potenzial um sich in der Fangemeinde zu etablieren. Wer sich allerdings besonders an zünftigen Feldschlachten ergötzt, sollte lieber zu Microsofts Vorzeigespiel greifen.

Pro

  • -spielerischer Tiefgang-innovatives Belagerungssystem-detaillierter Wirtschaftsteil-gute Grafik

Kontra

  • -mäßiges Interface-keine Formationen-unübersichtliche Kämpfe

Wertung

PC