The Westerner - Test, Adventure, Wii, PC

The Westerner
16.03.2004, Paul Kautz

Test: The Westerner

Adventures wollen allem Totgesage zum Trotz einfach nicht aussterben: Ein steter Fluss an brauchbarer bis guter Software lässt die Gehirne der Spieler rauchen und die Mausfinger klicken. Besonders Spanien hat sich in letzter Zeit als zuverlässiger Abenteuer-Lieferant erwiesen: Nach Runaway und Tony Tough folgt jetzt mit The Westerner (ab 3,94€ bei kaufen) ein neues Point-n-Click der Paella-Nation.

Die Sonne ist untergegangen, die Kakteen lungern einsam in der Abenddämmerung herum. Ein dynamisches Hufklappern zeugt von einem nahenden Reiter: Fenimore Fillmore, schlaksiger Jungcowboy. Auf seiner Suche nach einem Ruheplatz für die Nacht gerät er dank seiner Tolpatschigkeit inmitten eines Streits um eine Farm.

Einfachste Bedienung: Das Spiel habt ihr mit zwei Maustasten voll im Griff.
Fenimore vertreibt die bösen Buben, und hat sich damit einen Schlafplatz verdient. Doch wie alle typischen Übelwichter so sind: Sie kommen wieder. Also liegt es nun an uns, nicht nur diese Farm dauerhaft zu retten, sondern am besten gleich die ganze Umgebung von der Tyrannei des bösen Starek zu befreien.

Die gute alte Zeit

Viele hielten es nach Monkey Islang 4 und Simon the Sorcerer 3D für mittlerweile ausgeschlossen, doch The Westerner vereint alte Point-n-Klick-Tugenden mit moderner 3D-Grafik. Die Bedienung ist simpel wie in den guten alten Tagen: Sobald ihr über einen interessanten Gegenstand fahrt, wählt ihr mit der rechten Maustaste aus einem knappen Kontextmenü eine Aktion (Gehe, Benutze etc.), und bestätigt mit dem linken Mausohr – fertig!

Ihr habt zwar klar abgesteckte Aufgaben, allerdings gibt es erstmal keine vorgeschriebene Reihenfolge, in welcher ihr die Locations abklappern oder mit Personen sprechen müsst. Ihr könnt von Anfang an frei über die aus der Vogelperspektive gezeigte Karte zu den verschiedenen Punkten reiten. Allerdings unter der Voraussetzung, dass ihr stets genügend Möhren dabei habt, sonst verweigert euer treues Ross Ray den Dienst. Das gestaltet sich zu Beginn schnell nervig, denn um Möhren zu erhalten, müsst ihr einen Eimer finden, diesen drei Mal an der Wasserpumpe füllen, damit ein Beet gießen und schließlich das Gemüse ernten – und das immer wieder, denn der Hunger des Gauls versiegt natürlich nicht. Immerhin könnt ihr nicht einfach hängen bleiben, da es immer irgendwo einen geheimen Karotten-Vorrat gibt. Außerdem erledigt sich das Problem im

Ray ist euer treuer und Karotten-süchtiger Gaul - wenn ihr ihn nicht regelmäßig damit füttert, verweigert er den Reit-Dienst.
Laufe des Spiels, da ihr euch dann im Krämerladen bevorraten dürft.

Hattu Möhrchen?

Was euch ebenfalls eine Weile beschäftigt halten wird: Die elende Suche nach Geld. Da ihr ständig Dinge kaufen oder Leute bestechen müsst, braucht ihr natürlich stets Kleingeld in der Börse. Das bekommt ihr, indem ihr alle anwesenden Schubladen und Schränke durchwühlt, bis die Scheinchen in der Tasche knistern. Generell müsst ihr natürlich die Augen weit aufhalten, und alles mitnehmen, was nicht festgenagelt ist. Durch die nicht-lineare Struktur haben zwar viele Gegenstände anfangs scheinbar keinen Sinn, aber dank des unbegrenzt aufnahmefähigen Inventars (worüber sich Fillmore auch gelegentlich lustig macht) habt ihr idealerweise alle Objekte bei der Hand, wenn ihr sie benötigt.

 

Wie auch Simon the Sorcerer 3D wird in The Westerner alles komplett in 3D berechnet. Allerdings sollte der Vergleich nur auf die generelle Technik beschränkt bleiben, denn während Simon durch eine mit der Axt geschaffene Welt rannte, ist The Westerner ein kleines Schmuckstück: Die im Comic-Stil gehaltenen Figuren sind sehr liebevoll designt und durch die Bank toll animiert - besonders Fillmore erinnert

Fenimore Fillmore in Kampflaune: Speziell die Gesichtsanimationen sind sehr gelungen.
stark an die Cowboypuppe Woody aus dem Film Toy Story. Die Liebe der Entwickler zum Detail sieht man nicht nur an der ausdrucksstarken Mimik Fillmores, sondern auch an den vielen kleinen Extra-Animationen, wenn er sich beispielsweise den Hut aufsetzt und zurechtrückt. Nette 3D-Effekte wie Lensflares und Spiegelungen, schöne Schatten und eine Art 16:9-Effekt vermitteln ein unerwartet cineastisches Flair, das durch die weichen Kameraschwenks und interessanten Perspektiven noch verstärkt wird. Natürlich hat das Game dank 3D auch mit den üblichen Schwierigkeiten zu kämpfen: Speziell Perspektivenprobleme kommen immer wieder, lassen sich aber meist dadurch umgehen, dass man interessante Gegenstände näher betrachten kann. Momentan gibt es auch noch ein Problem mit Anti-Aliasing, was hoffentlich noch per Patch aus der Welt geschafft wird.

Plastischer Western

Beim Spieldesign hat sich Entwickler Revistronic von Genre-Klassikern inspirieren lassen: Die bekannten Monkey Island-Beleidigungsduelle kommen hier auch vor, allerdings in Reimform. Die Gespräche laufen im bewährten Multiple-Choice-Format ab. Natürlich konnte auch hier nicht von den wohl unvermeidlichen Action-Einlagen gelassen werden: Egal ob Duell gegen miese Gangster oder ungelenkes Fischfangen – diese Sequenzen kosten Zeit, und gehen schnell auf den Geist.

Wie bereits erwähnt, wurde die Bedienung auf das Einfachste beschränkt, selbst Kombinationen im Inventar bleiben euch erspart – die Gegenstände werden so benutzt, wie ihr sie findet. Natürlich dürft ihr jederzeit speichern, außerdem sind die Ladezeiten extrem kurz geraten, genauso wie die Systemanforderungen sehr moderat sind. Spezielle Aufmerksamkeit

Das Objekt der Begierde: Natürlich dreht sich alles mal wieder um eine Frau.
sollte dem Sound gewidmet werden: Die Musik schallt in typischer Spaghetti-Western-Manier aus den Boxen, allerdings klingen die Instrumente teilweise etwas synthetisch. In ruhigen Momenten werdet ihr außerdem von einem an Fahrstuhlmusik erinnernden Gedüdel begleitet, das aber nie nervt. Das Highlight ist aber ganz klar die deutsche Sprachausgabe: Witzig, nur mit wenigen Wiederholungen und durch die Bank toll gesprochen – so wollen wir das hören! Auf Wunsch könnt ihr euch auch Untertitel einblenden lassen, die bis auf wenige Schreibfehlerchen an die Qualität der Sprachausgabe anknüpfen. Alt-Abenteurer werden sich über die zweite in der Schachtel befindliche CD freuen, auf der sich Fenimore Fillmores erstes Adventure »3 Skulls of the Toltecs« befindet – ein klassisches 2D-Geklicke.

Backenabschwatzer

 

Fazit

Arriba! Nach dem Italo- tritt jetzt der Hispano-Western seinen Siegeszug an! The Westerner hält die Fahne der Adventures siegessicher in den Wind, und beweist überdeutlich, dass sich »3D« und »Maussteuerung« nicht ausschließen – der Dank der Oldschool-Adventure-Garde dürfte den Entwicklern sicher sein. Allerdings ist nicht alles eitel Sonneschein im wilden Westen: Einige logische Schnitzer trüben den Alltag (Warum muss ich zum Möhrenzüchten das Wasser umständlich aus dem Brunnen hebeln, wenn direkt neben dem Beet ein Fass voll Wasser steht? Wieso interessiert es keinen, dass ich fleißig drauflos klauen kann? Wieso verfolgt mich Shorty angeblich die ganze Zeit, wo ich doch gerade erst in die Stadt gekommen bin?), einige Gegenstände sind nur durch Zufall erkennbar, so dass jeder neue Raum erstmal gründlich mit der Maus abgescannt werden muss. Mir persönlich geht auch Fillmores schon penetrant gemütlicher Laufstil gegen den Strich, der zwar seinen Status als lässiger Cowboy unterstreicht, aber mit der Zeit etwas enervierend wirkt. Allerdings passt dieses lethargische Schleichen zum eher flachen Spannungsbogen: Man weiß von Anfang an, was man zu tun hat, man kann von Anfang an zu allen Locations reiten – das Spiel plätschert gemütlich vor sich hin, hier fehlt einfach der erzählerische Pfeffer! Dennoch ist The Westerner ein tolles Adventure für Jung und Alt, speziell für Jung, mit dem ihr eine ganze Zeit lang sehr viel Spaß haben werdet.

Pro

  • stilvolle 3D-Grafik
  • witzige Figuren
  • schöne Animationen
  • tolle Sprachausgabe
  • gute deutsche Texte
  • sehr simple Steuerung
  • angenehm knackige Rätsel
  • abwechslungsreiche Locations
  • unbegrenztes Inventar
  • offene Rätselstruktur

Kontra

  • umständliches Möhrenzüchten
  • langatmige Geldsuche
  • einige logische Bugs
  • unnötig nervige Action-Szenen
  • Gegenstände teilweise sehr schwer erkennbar
  • immer wieder perspektivische Probleme
  • keine Item-Kombinationen
  • etwas lahme Erzählweise
  • flacher Spannungsbogen

Wertung

PC

Witziges 3D-Adventure, leider etwas kurz.