Far Cry - Test, Shooter, 360, PlayStation3, Wii, XBox, PC

Far Cry
24.03.2004, Paul Kautz

Test: Far Cry

Ein tropisches Paradies wird zur Hölle auf Erden: In Far Cry (ab 4,00€ bei kaufen), dem Erstlingswerk der in Coburg beheimateten, aber international besetzten Entwicklertruppe Crytek, legt ihr euch mit Söldnern und Mutanten an. Statt mit einem Cocktail am goldenen Strand zu liegen, kämpft ihr hier einen beinharten Kampf ums Überleben. Warum das Spiel für jeden Shooter-Liebhaber ein absolutes Muss ist, erfahrt ihr aus der Review.

Die Frau mal wieder: So hilflos wie Valerie auf dem Screenshot aussieht, ist sie ganz und gar nicht
Das in verzerrten Schwarz-Weiß-Bildern gezeigte Intro präsentiert euch eine rasante und wortlose Zusammenfassung der Story: Jack Carver ist ein Mann mit düsterer Vergangenheit, die er jedoch hinter sich gelassen hat, und sein Glück in einem Bootsverleih sucht. Eines Tages wird er von der angeblichen Reporterin Valerie Constantine angeheuert, sie auf ein völlig unbekanntes Eiland zu schippern, wo sie etwas fotografieren will. Kaum ist Valerie mit einem Jetski in Richtung Insel unterwegs,  wird Jack von einer präzise auf ihn zusteuernden Rakete begrüßt - nur ein Hechtsprung ins kristallklare Ozeanwasser verhindert das Schlimmste. Einen Tauchgang später findet sich unser Held in einer Höhle wieder, wo euch gleich die Kontrolle in die Hand gedrückt wird. Während der nachfolgenden Minuten wird euch die nicht allzu komplizierte Steuerung beigebracht; ihr bekommt eine Waffe, etwas Munition, eine Panzerung, die euer recht auffällig rotes Hawaii-Hemd verdeckt sowie ein Kommunikationsgerät. An dessen anderen Ende befindet sich der mysteriöse Doyle, mit dem ihr von da an ständig in Kontakt seid, und der momentan aus irgendeinem Grund euer einziger Freund auf der Insel ist. Er hilft euch bei der Suche nach Valerie, und er ist auch derjenige, der euch mit eurem schlimmsten Albtraum konfrontiert. Auf der Insel erwarten euch 20 gewaltige Levels, wobei man diesen Begriff aber nicht im klassischen Sinne verstehen darf.

Das Ende eines Ausflugs

Die Trigene sind der Angstgegner in Far Cry: Fies, skrupellos und sehr tödlich!
Vielmehr handelt es sich bei jedem Level um einen  riesigen Bereich (eine Insel, ein Schiff, etc.), in dem ihr zwar einige Aufgaben zu erledigen habt, die Vorgehensweise aber komplett euch überlassen bleibt. Ihr könnt im Freien jeden beliebigen Weg gehen, jede mögliche Taktik ausprobieren - es gibt hier für ein Problem immer mehrere Lösungen. Im späteren Spielverlauf tummelt ihr euch vermehrt im Innern von Gebäuden, wo dieser Aspekt zwangsläufig etwas zurückgeschraubt wird, aber dennoch dank Abkürzungen, Lüftungsschächten und Ähnlichem zumindest teilweise erhalten bleibt. Übrigens gilt auch in Far Cry wie so oft, dass der direkte offensichtliche Weg auch meist  der tödlichste ist – viel cleverer ist es, nach einer Alternativroute Ausschau zu halten, die euch in eine taktisch bessere Position bringt.

Wie in jedem guten Shooter besteht eure Hauptaufgabe meist darin, lebend von Punkt A nach B zu kommen, und dabei allen Widerstand zu brechen. Doch ganz so einfach funktioniert das hier nicht, denn endlich bekommt ihr es mit wirklich intelligenten Feinden zu tun, die euch schon auf dem einfachsten der fünf Schwierigkeitsgrade gehörig einheizen: Anfangs plagt ihr euch nur mit verschiedenen Söldnern herum, später kommen euch vermehrt grauenhafte Gen-Experimente namens »Trigene« vor die Flinte.

Monsterjagd

Per Fernglas könnt ihr Gegner auf dem Radar markieren und ihre Gespräche belauschen.
Besonders mit denen werdet ihr viel Freude haben, denn sie sind durch die Bank nicht nur bärenstark, sondern auch entweder schnell und sprunggewaltig (so dass sie bevorzugt hinter euch auftauchen), getarnt und mit MG bewaffnet, oder riesig, extrem zäh und raketenbewehrt. Während diese Monster eher unkoordiniert auf euch zustürmen, setzen menschliche Widersacher auf Gruppentaktiken: Sie nutzen alle gegebenen Versteckmöglichkeiten aus (auch Bäume, Steine oder Wände, einige haben sogar Schutzschilde), flüchten vor Granaten, schreien nach Verstärkung, umzingeln und verfolgen euch. Kurz gesagt bekommt ihr es hier mit den momentan intelligentesten Feinden in einem Computerspiel zu tun, die sich auch gegenseitig bekämpfen - die Trigenen mögen nämlich niemanden. Allerdings müsst ihr euch nicht nur auf Augen und Ohren verlassen: Gleich zu Beginn findet ihr ein sehr praktisches Richtfernglas, mit dem Gegner automatisch aufgespürt und auf eurem Mini-Radar markiert werden. Damit habt ihr die entdeckten Feinde ständig im Blick, außerdem verrät die Anzeige auch ihren Status: Grün bedeutet keine Gefahr, bei Rot sind sie gnadenlos hinter euch her. Das Radar zeigt euch überdies auch die Richtung zu eurem nächsten Missionsziel.

Die Optik von Far Cry ist mit einem Wort ausreichend umschrieben: grandios! Es gibt momentan einfach kein Spiel, das besser und glaubwürdiger aussieht. Das tropische Szenario ist derart toll umgesetzt, dass man Screenshots locker als Urlaubsfotos verkaufen könnte. Ihr habt keine Sichtbegrenzungen: Alles was ihr am fernen Horizont seht, kann auch erreicht werden - natürlich bedeutet das auch, dass ihr unter Umständen Raketen schon aus weiter Entfernung auf euch zufliegen seht.

Paradiesische Optik

Über den Wolken.. Aus der Luft betrachtet sieht Far Cry gleich nochmal doppelt so gut aus!
Das herrlich blaue Wasser schwappt gemütlich an die goldenen Strände, bei einem Tauchgang entdeckt ihr weich schwingendes Seegras und farbenfrohe Fische. Die gesamte Landschaft ist mit Grünzeug und Bäumen bepflanzt, Hügel sind weich gerundet, die Pflanzen wiegen sich sanft im Wind, Sonnenstrahlen werden in Blättern realistisch gebrochen. Innerhalb von Gebäuden erwarten euch tolle Schatten (aufgrund derer man Gegner schon früh orten kann), Nebeleffekte, Echtzeit-Lichtquellen und dank Bump-Mapping sehr plastische Wände und Maschinen. Man könnte noch stundenlang über die unglaubliche Optik schwadronieren, aber lasst einfach die Screenshots für sich sprechen. Wichtig ist nur noch eines: Was die Far Cry-Grafik wirklich zu etwas Besonderem macht, sind die tausend kleinen Details, die man nur am Rande mitbekommt, die das Bild aber erst komplett machen - ein paar Beispiele: An der frischen Luft werdet ihr von Libellen, Papageien und abends von Glühwürmchen umschwirrt. Maschinen stoßen heißen Dampf aus, der die Luft leicht verzerrt. In den Visieren von manchen Waffen wird die echte Umgebung reflektiert, und ein tief fliegender Helikopter verwirbelt das Gras. Wer sich soviel Mühe mit der Umgebung gibt, der vernachlässigt auch den Rest nicht: Die Personen sind toll designt, wirken sehr plastisch und bewegen sich realistisch - kein Vergleich beispielsweise zu den Pappnasen in Battlefield Vietnam.  

Das Nachtsichtgerät verzerrt das Bild zu einem unheimlichen Farbrausch.
Ein Großteil der coolen Story wird in Zwischensequenzen erzählt, die entweder direkt aus der Engine kommen, oder aus der 3D-Grafik gerendert wurden. Mit jeder Mission schreitet ihr in der Zeit voran, so dass es immer dunkler (und später auch wieder hell) wird. Sobald es stockduster ist, verraten sich Gegner (und Jack natürlich auch) durch den Schein der Taschenlampe - dann hilft das CryVision-Nachtsichtgerät, mit dem ihr Personen als hell scheinende Hitzeflecken und die Umgebung in verrauschtem Schwarz-Weiß seht. Leider lutscht das Gerät sehr schnell seine Batterien leer, so dass ihr es nur einsetzen solltet, wenn es benötigt wird.

Seid ihr auf die Taschenlampe angewiesen, verwandelt sich Far Cry vom Shooter zum Survival-Horror: Im Schein flackernder Lampen und eures kleinen Lichtstrahls sind die Gegner gleich doppelt so bedrohlich. Das Einzige, was man der Grafik anlasten kann (neben den nicht gerade bescheidenen Hardwareanforderungen) sind die Todesanimationen: Dank Ragdoll-System wird der Fall jedes Gegners in Echtzeit berechnet, was nur selten wirklich realistisch, oft jedoch recht albern aussieht. Ansonsten gibt es am Physik-System nichts auszusetzen: Explosionen haben einen dicken Radius, der nahe stehende Figuren weit durch die Luft wirbelt, einen Berg herunterkullernde Fässer verhalten sich so, wie man es von einen Berg herunterkullernden Fässern erwartet.

Todes-Akrobatik: Das Ragdoll-System bewirkt gelegentlich merkwürdige Körperhaltungen.
Das Missionsdesign gewinnt keinen Innovationspreis, ist aber abwechslungsreich genug, um nicht zu langweilen - vor allem, weil ein Auftrag in den anderen übergeht. U.a. müsst ihr irgendwas sprengen, an einen bestimmten Punkt gelangen, eine Person finden, ein Tor öffnen oder über die halbe Insel zu einem Archiv fahren. Was jetzt eher trocken klingt, gewinnt dank der cleveren Gegner immens an Spannung. Als Beispiel sei hier die »Baumhaus«-Mission genannt: Ihr schleicht über Brücken von Baum zu Baum, auf der Suche nach einem Forschungszentrum. Dank des Fernglases wisst ihr, wo sich Söldner verstecken, aber immer wieder hört ihr das laute Grunzen von Trigenen, die hoch genug springen können, um euch jederzeit überraschend in den Rücken zu fallen. Im Dämmerlicht der untergehenden Sonne tapst ihr also langsam vorwärts, blickt euch immer wieder um, sucht den dichten Wald per Fernglas ab - und müsst dann schließlich doch die vermeintliche Sicherheit der Brücken verlassen, um zum Labor zu gelangen. Kaum seid ihr auf dem Boden angekommen, nähern sich euch wütende rote Punkte, die ihr aber einfach nicht sehen könnt. Also nehmt ihr per Sprint-Taste die Beine in die Hand, während sich die Punkte immer weiter nähern - so und nicht anders hat spannendes Missionsdesign auszusehen!

Die Angst im Nacken

Ein guter Teil des Schweißes geht auf die Kappe des Speichersystems. Im Gegensatz zum normalen Shooter dürft ihr hier nicht frei speichern, sondern seid auf die größtenteils sehr fair verteilten Autosave-Punkte angewiesen. Durch dieses spannende Element geht ihr vorsichtig vor, schaut um Ecken und verfolgt jeden Schatten. Nur an manchen Stellen seid ihr sehr lange zum nächsten Punkt unterwegs - wenn man minutenlang einem Hubschrauber und einer schießwütigen Bootscrew ausgewichen ist, einen Minigun-Schützen aus weiter Entfernung ausgeschaltet hat und just im Moment des Aufatmens doch noch erwischt wird und alles von vorne machen darf, setzt sachter Frust ein. Eventuell wird Quicksave per Patch nachgeliefert.

Ob Jeep, Boot oder Drachenflieger: Die Vehikel laden zu einer Erkundungstour ein.
Da die Locations sehr groß sind, dauern Fußmärsche gewöhnlich sehr lang. Aus diesem Grund findet ihr überall herumstehende Fahrzeuge wie Buggys, LKW oder Gabelstapler, mit denen ihr dank simpler, aber sehr spaßiger Steuerung einen heißen Reifen ins Gras treiben könnt. Bei seltenen Gelegenheiten könnt ihr auch zum Flugdrachen greifen und eine Weile friedlich über die Insel schweben, während unter euch die Hölle ausbricht. Jedes Vehikel verfügt über eine Waffe, mit der ihr den Gegnern einheizen könnt, und natürlich ist euer normales Sortiment nicht zu verachten: Ihr könnt unter MGs, Scharfschützengewehr, Schrotflinte, Raketenwerfer, Pistole, Machete und verschiedenen Granaten wählen, wobei nicht alles davon auf Jacks breiten Rücken passt - Granaten, Messer, Pistole und zwei dickere Kaliber, dann ist Schluss. Ihr könnt die Wumme aber jederzeit gegen ein euch besser gefallendes Modell eintauschen.

Vollgas voraus!

Trotz Lieferung auf DVD dürft ihr nur mit deutscher Sprachausgabe spielen, die ein zweischneidiges Schwert ist: Jacks Stimme ist z.B.  zwar angebracht lässig, aber etwas zu hoch für diesen harten Typen. Die Söldner klingen größtenteils etwas gelangweilt, reagieren dafür auf Aktionen des Spielers - ein Treffer mit der Blendgranate bewirkt z.B. ein schmerzverzerrtes »Meine Augen!!«. Allerdings führen die Soldaten untereinander witzige Gespräche, die ihr u.a. mit dem Richtfernglas mitlauschen könnt. Momentan scheint es leider noch ein Problem mit Audigy2-Karten zu geben: Beim Test gab es immer wieder Sound-Aussetzer und stumme Zwischensequenzen - besonders Letzteres war dank nicht vorhandener Untertitel doof. Hoffentlich wird das noch per Patch aus der Welt geschafft, fließt aber natürlich nicht in die Wertung ein. Strahlenden Sonnenschein gibt es dagegen von der Musikfront: Im Hauptmenü dröhnt euch Bombastsound entgegen, im Spiel hört ihr hauptsächlich Soundeffekte und Umgebungsgeräusche in schönstem 3D - bis auf einmal ein dramatisches Musikjingle eingespielt wird, das von drohender Gefahr zeugt.

Die tollen Lichteffekte verstärken den Horror: Hier kommt euch ein Trigene aus den düsteren Schwaden entgegengesprungen.
Wollt ihr die Waffen im Mehrspielermodus schwingen, bietet Far Cry bis zu 32 Spielern dazu via LAN oder Internet (per ubi.com-Server) in drei Spielmodi die Möglichkeit. Deathmatch und Team Deathmatch bedürfen keiner weiteren Erläuterung, als Drittes ist der Assault-Modus mit drei Spielerklassen im Bunde, in dem Fahnen, und damit bestimmte Levelpunkte erobert werden müssen. Hat ein Team das geschafft, muss das gegnerische etwas zurückweichen - das geht so lange, bis ein Team alle Fahnen gebunkert hat. Leider liegen dem Spiel nur wenige, recht große Karten bei; allerdings ist dank des mitgelieferten Sandbox-Editors baldiger Fan-Nachschub zu erwarten.

Urlaubs-Malkasten

Noch eine Frust-Warnung: Falls ihr mit einem Tool wie Clone CD ein virtuelles Laufwerk angelegt habt, solltet ihr das schleunigst deaktivieren bzw. das Tool gleich deinstallieren - der Kopierschutz von Far Cry reagiert auf so etwas extrem allergisch. Und noch eine Warnung an Spieler mit weniger als 512 MB RAM: Steckt während des Ladevorgangs eine Pizza in den Ofen - sobald die knusprig ist, dürfte auch Far Cry fertig geladen haben.

Fazit

Ein Traum: Far Cry erfüllt alle gesteckten Erwartungen, und geht teilweise noch weit darüber hinaus. Großartige Optik, tolle Spielbarkeit, ein Szenario zum Dahinschmelzen und fantastisch designte Missionen entlocken mir einen Superlativ nach dem anderen. Anfangs fühlt man sich noch wie in einem Tropenparadies, später nur noch wie im Jurassic Park, die intelligenten Gegner halten die Spannung ständig am Siedepunkt. Etwas enttäuscht bin ich allerdings von der DVD: Keinerlei Extra-Features und nur die etwas schlafmützige deutsche Sprachausgabe – da wäre doch mehr drin gewesen. Aber wer denkt schon an Bonusmaterial, während er durch nachtschwarze Levels hechtet, verfolgt von 3D-Grunzern, kaum noch Munition und Lebensenergie, mit der panischen Hoffnung auf Medipack und Save-Punkt? Wenn ihr einen entsprechend ausgerüsteten Rechner und auch nur das geringste Faible für Shooter habt, führt momentan kein Weg an Far Cry vorbei. Cooler kann man einen Ausflug in die grüne Hölle nicht gestalten.

Pro

  • gute Story
  • Hammer-Grafik
  • liebevolle Details
  • sehr intelligente Gegner
  • tolles Missionsdesign
  • recht umfangreich
  • beklemmende Spielatmosphäre
  • Spannung durch Autosave
  • vollkommene Freiheit innerhalb eines Levels
  • spaßige Fahrzeug-Steuerung
  • coole Physik-Engine
  • gut eingesetzte Musik
  • einfach zu bedienender Leveleditor

Kontra

  • 3 GB Installation
  • hohe Hardwareanforderungen
  • sehr lange Ladezeiten
  • etwas gelangweilte Sprachausgabe
  • gelegentliche Soundprobleme
  • oft albern wirkende Ragdoll-Animationen
  • gelegentlich schlecht platzierte Autosave-Punkte
  • keinerlei Bonusfeatures auf der DVD

Wertung

PC

Prachtgrafik, intelligente Gegner, spannendes Leveldesign - ein Highlight!