.hack Part 1: Infection - Test, Rollenspiel, PlayStation2

.hack Part 1: Infection
25.03.2004, Mathias Oertel

Test: .hack Part 1: Infection

Lange hat es gedauert, bis Bandai sich entschließen konnte, die in Japan und den USA erfolgreiche .hack-Serie auch in Deutschland zu veröffentlichen. Doch jetzt ist der erste Teil des ungewöhnlichen Cyber-RPGs endlich erhältlich. Wir haben uns in die Offline-Online-Welt von .hack Infection gestürzt und vor lauter Begeisterung kaum noch den Weg in die reale Welt zurückgefunden, um den Test fertig zu stellen!

Bevor ich mich an das eigentliche Spiel wage, muss ich eines vorausschicken: Ich bin kein ausgesprochener Fan von Animes bzw. Mangas. Zwar habe ich auch meinen Anteil an entsprechenden Filmen gesehen (angefangen von Akira über Vampire Hunter D, Fist of the Northstar bis Ninja Scroll und Ghost in the Shell), doch trotzdem bin ich weit davon entfernt, ein Experte in dieser Hinsicht zu sein.

Nur für Anime-Fans?

Unbeteiligten Zuschauern, die einem beim Spielen über die Schulter schauen, den Grund für die immense Motivation zu erklären, ist dabei nicht mal so einfach. Denn auf den ersten Blick wirkt das Kerngerüst wie ein simples Rollenspiel in einer Fantasywelt – ein nicht gerade spektakulär aussehendes noch dazu.

Insofern hatte ich anfänglich Zweifel, ob mich die Spiele-Umsetzung der offensichtlich erfolgreichen .hack-Serie, von der ich nur durch kleine Notizen hier und da gehört hatte, auf lange Sicht in ihren Bann ziehen kann.

Doch bereits nach wenigen Minuten war die Skepsis verflogen und ich konnte mich kaum noch vom Pad losreißen.

Das macht Spaß?

Für Konsolenspieler ein ungewohntes Bild: der Desktop, der die "Realitätsebene" im Spiel verkörpert.

Vor allem, wenn man sich die blassen und verwaschenen Umgebungstexturen in den Dungeons anschaut, wird deutlich, dass das Spiel einen langen Weg hinter sich hat – immerhin liegt der US-Release schon mehr als ein Jahr zurück und Japan durfte bereits seit fast zwei Jahren im .hack-Fieber schwelgen.

Zwar verbringt ihr den größten Teil der Zeit in der angesprochenen Fantasy-Welt, sammelt Items und macht Monster platt. Doch diese Welt ist die Simulation eines Online-RPGs, genauer gesagt: des erfolgreichsten Online-Spieles in naher Zukunft: The World.

Aber .hack ist ein grandioses Beispiel dafür, dass Grafik nicht das einzige Mittel sein muss, um Motivation aufzubauen. Denn die Grundidee für .hack ist innovativ und macht nicht nur durch die philosophischen Ansätze neugierig.

Bunt, nett anzuschauen, aber im Detail etwas verwaschen. Das Spielgefühl wird dadurch aber nicht beeinträchtigt.

Ohne jetzt all zu große Geheimnisse preiszugeben: Ein Virus hat sich in The World eingeschlichen und sorgt nicht nur in der Online-Welt für Probleme, sondern zeigt auch üble Auswirkungen in der Realität. Orca, ein High-Level-Freund der Hauptfigur (und gleichzeitig ein Charakter der ersten .hack-Serie) wird in The World, nachdem er euch in die grundlegenden Mechanismen eingeführt hat, von einem scheinbar unbesiegbaren Gegner ausgelöscht.

In einer weiteren Ebene bewegt ihr euch über einen Desktop (ein Bild, an das sich pure Konsolenspieler erst einmal gewöhnen müssen) und die sich daraus anbietenden Möglichkeiten wie E-Mail oder Message-Boards zum Game in der "realen" Spielwelt.

Da .hack beide Ebenen in der von Kazunori Ito (Ghost in the Shell) entwickelten, spannenden, erwachsenen und ständig mit Wendungen überraschenden Geschichte immer wieder miteinander verknüpft, entwickelt sich schnell ein vollkommen neues Spielgefühl.

Was ist real?

Gleichzeitig fällt der Spieler von Orca, euer Freund Yasuhiko, in ein unerklärliches Koma. Es liegt nun an euch, das Geheimnis um den merkwürdigen robotischen Gegner aufzuklären und Yasuhiko zu retten. Und was hat es mit dem merkwürdigen Buch auf sich, das euch von dem mysteriösen weiß gekleideten Mädchen gegeben wurde und das euch in The World übernatürliche Fähigkeiten verleiht? Kann man den Hackern trauen? Oder sind sie vielleicht nur Schergen des Virus?

.hack bietet schönes Charakterdesign, das sich akribisch an die Serie hält und auch Spielern gefallen dürfte, die keine Anime-Fans sind.

Auf jedem der Server gibt es einen ganzen Haufen weiterer Spieler, die ebenfalls The World zu ihrem zweiten Zuhause gemacht haben. Und die Verhaltensweisen, die von den simulierten "menschlichen" Mitspielern an den Tag gelegt werden, könnten euch durchaus auch in echten MMORPGs begegnen. Es gibt in der schützenden Stadt Spieler, die euch anpöbeln; Gamer, die streng im Charakter bleiben und auch die Front der Mitstreiter, die sich nicht davor scheut, im privaten Slang mit euch zu chatten ist vertreten. Dabei fällt positiv auf, dass viele der Figuren mehr zu sagen haben als die üblichen zwei Zeilen Text, die meist aus "Hallo" und "Wie geht es dir?" bestehen. Manche menschliche NPCs haben bis zu einem Dutzend verschiedener Phrasen, bevor sich der Text wiederholt und einem klar macht, dass man trotz aller Illusion vor einem Offline-Spiel sitzt.

Online-Welt mit Macken

Die Fantasy-Online-Welt, die von .hack simuliert wird, verströmt nicht nur durch E-Mails in den Pausen und immer neue Einträge auf dem Message-Board, die euch auch Tipps zum Spiel geben, ein fast schon reales Spielgefühl.

Emoticons am Ende der Sätze und unabhängige Unterhaltungen zeigen ebenfalls, dass Cyber Connect das Ziel, eine Online-Welt zu simulieren, sehr ernst genommen hat. Auf Player-Killer und Spieler, die einen bewusst übers Ohr hauen oder hängen lassen, hat man allerdings verzichtet.

Sobald ihr euch jedoch in ein Gebiet außerhalb der Stadt teleportieren lasst, verfliegt das Online-Gefühl ein wenig. Zwar hat man im Hinterkopf immer das Wissen, dass The World ein Multiplayer-Spiel sein soll, doch wieso finden sich dann keine weiteren Mitspieler in den Außenzonen oder den Dungeons, die in den meisten Gebieten auf Erforschung warten?

Dass man sich online-untypisch keinen Charakter generieren kann und mit vorgegebener Klasse und Aussehen zufrieden sein muss, stört ebenfalls etwas. Doch angesichts der dichten Einbindung in das .hack-Universum und des durchweg gelungenen Charakterdesigns von Anime-Meister Yoshiyuki Sadamoto, kommt man schnell über dieses Manko hinweg.

Kleine Details wie Spiegelungen helfen, die auf Dauer etwas blassen Texturen zu akzeptieren.

Nahezu klassisch

In The World erwartet euch als Spieler weitestgehend klassisches Gameplay: Monster plätten, Items sammeln, aufleveln, Dungeons durchforsten und Bosse bekämpfen.

Denn da die Kämpfe dynamisch in Echtzeit ablaufen, könnt ihr bei einer feindlichen Übermacht schnell das Zeitliche segnen und müsst auf einen Speicherstand zurückgreifen. Und hier haben wir schon das größte Problem: Speichern ist nur in der Stadt möglich.

Und auch wenn ihr auf Solo-Pfaden durchaus Chancen habt, das Spiel zu bewältigen, solltet ihr tunlichst Freunde in eure Party einladen.

Die Spezialbewegungen und Zauber sind von der angelegten Ausrüstung abhängig.

Seid ihr in einem der zahlreichen Dungeon unterwegs (die im Übrigen auch immer wieder Erinnerungen an das erste Dark Cloud hervorrufen), gibt es keinerlei Möglichkeit, mal eben "auszuloggen" und das Spiel von dort fortzusetzen. Um so frustrierender ist es, wenn man durch die zahlreichen Kämpfe ein paar Level aufgestiegen ist, womöglich ein paar superseltene und nützliche Gegenstände gefunden hat, nur um dann von einem Boss umgenietet zu werden und wieder beim alten Spielstand zu landen. Mit einem etwas flexibleren System wie etwa bei Final Fantasy, wo vor gefährlichen Gegnern meist ein Speicherpunkt zur Datensicherung einlud, wäre man deutlich komfotrabler gefahren.

Diese besonderen Fähigkeiten bekommen die Figuren jedoch nicht durch Levelaufstieg, sondern mit der angelegten Ausrüstung. Daher solltet ihr sowohl beim Kauf von neuen Waffen und Rüstungen als auch beim Tausch mit anderen Spielern immer darauf achten, welche Zauber und Angriffstechniken ihr dazu gewinnt und welche euch abhanden kommen.

Doch andererseits geht man das drohende "Game Over" auch etwas vorsichtiger an die Kämpfe heran und nutzt die sich durch die Party-Interaktion anbietenden taktischen Möglichkeiten stärker.

Denn abgesehen davon, dass die KI der Mitstreiter auch ohne Vorgaben gut reagiert, könnt ihr eurer Party auch diverse Marschrichtungen vorgeben und sie sogar gezielt dazu auffordern, ihre Spezialbewegungen oder Zauber einzusetzen.

Die Ausrüstung machts

Und auch, wenn Final Fantasy Crystal Chronicles ein ähnliches System verwendet, ist dieses in .hack immer noch innovativ genug, um für eine willkommene Abwechslung vom üblichen Charakteraufstiegssystem zu sorgen – zumal Cyber Connect dieses Feature zuerst angeboten hat.

Bei den Kämpfen kommt auch wieder das ominöse Buch der 1000 Bücher ins Spiel, das euch besondere Fähigkeiten verleiht. Denn habt ihr den Schutzwall jedes Gegners durchbrochen, könnt ihr ihn mit einem Virus infizieren, der ihn zum einen schnell tötet und euch zum anderen häufig mit besonderen Items oder Viruskernen versorgt. Diese Kerne wiederum braucht ihr, um Zutritt zu bestimmten Gebieten bekommen, die von der eigentlichen Virusgefahr befallen sind. Und schon wird wieder die Fantasy-Ebene mit der Cyber-Ebene verknüpft, die untrennbar immer im Hintergrund lauert – zusammen mit der Frage, was nun wirklich real ist.

Die kleinen Chats eurer Partymitglieder sorgen trotz Wiederholungen für gelungenes Online-Flair!

Und so kompliziert sich die ganzen Steuerungsoptionen im Hinblick auf Echtzeitkämpfe und Party-Koordination auch anhört, haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet und eine einfache und intuitive Benutzerführung konstruiert, durch die man sich bereits nach kurzer Zeit so schnell manövriert, als ob man nie etwas anderes getan hätte.

So überzeugend und motivierend sich Gameplay und Story gestalten, so sehr wird die nach heutigen Maßstäben schwache Umgebungsgrafik die von Final Fantasy X-2 verwöhnte PS2-Rollenspiel-Gemeinde vermutlich abschrecken. Denn um wirklich vom Hocker zu reißen, kommt das Spiel hierzulande einfach zu spät – zwei Jahre, um genau zu sein. Damals hätten sich die zwar detaillierten, aber durchweg verwaschenen Texturtapeten in Dungeons und Städten durchaus im gehobenen Optik-Bereich platzieren können – auch wenn die Bodenspiegelungen und kleineren Effekte wie Staubwolken usw. auch nach heutigen Maßstäben noch gut aussehen.

Antiquiert, aber stilvoll

Ihr könnt der Party jederzeit Marschrichtungen vorgeben, die von der KI gut umgesetzt werden.

Ganz anders die Figuren: Insgesamt zwar nicht auf Square-Niveau, überzeugen sowohl Charakterdesign und Animationen. Wie dicht sich die Figuren an der Vorlage orientieren, könnt ihr übrigens auch der beigelegten DVD entnehmen, die euch mit einer .hack-Episode etwas weiter in das Universum einführt, als es dem Spiel möglich ist und so wieder den Schulterschluss zwischen Spiel und Realität herstellt – eure Realität wohlgemerkt, in der Anime mittlerweile zum ausgereiften Kulturgut geworden ist.

Die Virus-Exorzierung ist grafisch eindrucksvoll, kann aber auch spielerische Nebenwirkungen wie Erfahrungsverlust bewirken.


Die Spezialeffkte bei Magieeinsatz und speziellen Kampfmanövern sind ebenfalls ansehnlich, ohne jedoch an der Pracht der Final Fantasy-Beschwörungen kratzen zu können.

Leider ist die Kameraführung in den Kämpfen nicht immer überzeugend. Vor allem, wenn euch mehrere Gegner bedrohen, muss man ständig nachjustieren und nicht selten kommt es vor, dass Gegner euch aus einem toten Winkel angreifen. Da hilft es meist nur noch, die Kamera so weit es eben geht herauszuzoomen. Aus diesem Blickwinkel leidet der optische Gesamteindruck allerdings.

Abschließend möchten wir allen Sparfüchsen nochmals unser Gewinnspiel ans Herz legen, das wir in Zusammenarbeit mit Atari präsentieren: Fünf Pakete bestehend aus PS2-Konsole, .hack-Spiel und .hack-T-Shirt warten auf neue Besitzer.

Wahlweise Japanisch

Hardcore-Anime-Fans wird freuen, dass neben der englischen Sprachfassung (mit sauberen deutschen Untertiteln versehen) auch eine japanische Version auf der DVD Platz gefunden hat, um so für das absolute Anime-Feeling zu sorgen.

Zusammen mit guten Soundeffekten sorgt die schön komponierte Musik für einen unaufdringlichen Soundmix, der eingesessene Rollenspieler zwar kaum überraschen wird, aber wunderbar zum von der Story generierten Atmosphäre passt.

Fazit

Zugegeben: Die Grafik erreicht nicht die Opulenz eines Final Fantasy X-2 und lässt im Bereich der Landschaftstexturen Wünsche offen. Doch sobald man sich mit der ungewöhnlichen Ausgangssituation ein Online-Spiel offline zu simulieren angefreundet hat, zieht einen die auf mehreren Ebenen (Spiel-"Realität", Online-Welt) erzählte und spannende Story schnell in den Bann. Zudem ist es dem Team von Cyber Connect hervorragend gelungen, das Feeling von Online-RPGs zu replizieren. Im Detail können die Unterhaltungen und Interaktionen zwar nicht an die Atmosphäre echter Vertreter wie DAoC anknüpfen, doch das Gefühl, das beim Spielen entsteht, ist unvergleichlich und im Offline-Genre neu und unverbraucht. Selbst der mittelschwere Designmangel des fehlenden Speichersystems in den Dungeons kann den sich schnell einstellenden Spielspaß nicht ernsthaft in Gefahr bringen. Denn die Steuerung ist schnell erlernt und gibt euch viele Möglichkeiten in die Hand, die spannenden Echtzeit-Kämpfe zu bewältigen. Technisch ist das Alter deutlich spürbar (immerhin ist das Spiel in Japan seit fast zwei Jahren auf dem Markt), doch spielerisch bringt .hack Infection eine erfrischende Brise ins Genre, die nicht nur für ausgesprochene Anime-Fans interessant ist und neugierig auf die noch folgenden drei Teile macht.

Pro

  • packende und spannende Story
  • Offline-Simulation eines Online-Rollenspiels
  • schönes Charakterdesign
  • einfache Bedienung
  • Bonus-DVD mit .hack-Film
  • gelungene Verschmelzung verschiedener Spielebenen (Anime, "Realität, Online-Welt)
  • sehr schöne Einbindung in das .hack-Universum
  • gute Party-KI
  • ansehnliche Animationen
  • Echtzeit-Kämpfe mit Pausen-Möglichkeit
  • wahlweise japanische Sprachausgabe

Kontra

  • schwache Landschaftstexturen
  • Online-Thematik nicht bis zum Letzten ausgereizt
  • unglückliche Speicherfunktion
  • keine Charaktergenerierung
  • Kameraprobleme während der Kämpfe

Wertung

PlayStation2

Das perfekte Online-RPG für Offliner!