Die Geistervilla - Test, Action-Adventure, PlayStation2, XBox, GameCube

Die Geistervilla
31.03.2004, Jens Bischoff

Test: Die Geistervilla

Survival-Horror für Sechsjährige - geht das überhaupt? In Disneys Geistervilla bzw. Haunted Mansion schon, allerdings ohne Splattereffekte à la Evil Dead oder Psychoterror à la Silent Hill. Dezente Schockeffekte, Nervenkitzel light oder familiengerechte Panikmache haben aber auch die Disney-Untoten drauf, was sie nicht nur in den Freizeitparks, sondern seit kurzem auch im gleichnamigen Videospiel unter Beweis stellen wollen. Wie hoch der Gruselfaktor dabei wirklich ist, klärt der Test.

Mit dem gleichnamigen Kinoflop mit Eddie Murphy hat die Konsolen-Geistervilla zum Glück nicht viel zu tun. Zwar basieren beide auf Disneys legendärer Freizeitpark-Attraktion, die Handlung ist jedoch eine völlig andere. So übernehmt ihr in der Videospielumsetzung die Rolle des stummen Schriftstellers Zeke Holloway, den es anno 1879 auf der Suche nach einem Nebenjob bis in die Sümpfe Louisianas verschlägt, wo er in einer alten Villa unfreiwillig als Geisterjäger verpflichtet wird. Allerdings soll er die ätherischen Gesellen nicht zur Strecke bringen, sondern ihre geknechteten Seelen aus den Fängen des finsteren Atticus Thorn befreien, der das Anwesen für seine okkulten Zwecke unter Beschlag genommen hat.

Gespenstische Jobsuche

Es werde Licht: Nur mit einer Laterne bewaffnet soll Zeke dem bösen Spuk in der Villa ein Ende setzen (Xbox).

Dazu vermachen euch die guten Hausgeister unter Führung der in einer Kristallkugel gefangenen Hausbesitzerin Madame Leota eine heilige Laterne, mit der ihr die Seelen sammeln und euch zugleich gegen böse Geister und Thorns Schergen zur Wehr setzen könnt. Ganz so einfach ist das Seelensammeln jedoch nicht, denn fangen lassen sich die kleinen Spukteufel erst, wenn ihr die Räumlichkeiten der Villa ausreichend mit Licht geflutet und die Schlupflöcher der lichtscheuen Poltergeiste ausfindig gemacht habt. Leider ist das Anwesen mit gerade einmal zwei Dutzend Zimmern nicht gerade riesig und die insgesamt 999 Seelen sind schon nach wenigen Stunden aus Thorns Klauen befreit.

Ich geh‘ mit meiner Laterne...

Winzling auf der Flucht: Auf dem Billardtisch wird Zeke plötzlich zur Zielfigur der Geisterspieler (Xbox).

Zwar wiegt die extrem kurze Spielzeit durch den geringen Preis des Spiels nicht ganz so schwer, aber Punktabzug gibt es dafür trotzdem - vor allem, da der Wiederspielwert trotz dreier Schwierigkeitsgrade und freispielbarer Cheats relativ gering ist. Im ersten Durchgang wird man allerdings von Anfang bis Ende gut unterhalten. Zwar nutzt sich das Grundprinzip -Raum betreten, Lichtschalter suchen, erreichen und aktivieren, Geister suchen und fangen, Raum verlassen- auf Dauer etwas ab, aber da jeder Raum ein völlig eigenständiges Rätsel- und Geschicklichkeitsuniversum darstellt, ist das nicht weiter tragisch.

Kurz, aber preiswert

Gefährliches Gebläse: Dieser Beethoven-Verschnitt macht mit seiner Orgel ganz schön Wind (PS2).

Zwischen dem Lichtschalter und euch liegen nämlich meist sehr abwechslungsreiche und teils auch recht knifflige Aufgabenstellungen. So müsst ihr etwa in Schrumpfform auf einem Billardtisch den heranrollenden Kugeln entkommen, auf einem Schachbrett den Blicken der Figuren ausweichen oder auf einer Murmel einen Bauklotzparcours meistern. Des Weiteren mimt ihr den Kerzenfänger von Hameln, verschwindet in dreidimensionalen Ölgemälden oder lasst euch von klebrigen Spinnenfäden durch einen windigen Ballsaal zerren. Der Ideenreichtum der Entwickler verdient jedenfalls Lob und richtet sich von der Schwierigkeit her nicht nur an Kinder.

Abwechslungsreiches Rätselraten

Gruselstandard: Natürlich gibt es auf dem verlassenen Anwesen auch eine Familiengruft (PS2).

Auch bei den Kämpfen gerät man je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad teils ganz schön ins Schwitzen - vor allem, wenn mehrere Widersacher auf einmal im Spiel sind. So kommt man manchen Gegnern nur mit der richtigen Schusstaktik bei, muss geschickt zwischen verschiedenen Zielen hin und her wechseln und auch Ausweichmanöver rechtzeitig vom Stapel lassen. Zwar habt ihr das ganze Spiel über nur eine Waffe; die lässt sich aber mit gefundenen Seelensteinen so modifizieren, dass sie immer mehr Durchschlagskraft und Streuweite bietet und je nachdem wie lange ihr den Abzug gedrückt haltet auch spezielle Explosiv- und Blitzgeschosse verschießt. Schade nur, dass die Zielerfassung dabei immer wieder hakt und euch unnötig in Bedrängnis bringt.

Taktisches Geballere

Neue Kampfstrategie gefragt: Bei größeren Brocken reichen normale Lichtblitz-Angriffe nicht aus (PS2).

Etwas hakelig sind auch die gelegentlichen Sprungpassagen, die teils ganz schön an euren Energie- oder Extraleben-Reserven zehren können. Na ja, wenigstens kann man nach einem Ableben stets an Ort und Stelle weitermachen und seine Fortschritte jederzeit an einem der drei Speicherpunkte im Haus sichern. Die zur Verfügung stehenden Räume hängen dabei übrigens von der Anzahl der bisher gesammelten Seelen ab und schreiben nur eine ungefähre Reihenfolge vor. Eine Übersichtkarte, auf der ihr alle betretbaren Zimmer erkennen könnt, gibt es aber leider nicht. Zudem werden besiegte Gegner beim Verlassen des jeweiligen Raumes reanimiert und verwickeln euch gerade auf den Fluren immer wieder in lästige Geplänkel.

Seelenzahl statt Zimmerschlüssel

Wohlklingender Spuk: Im Musikzimmer halten die guten Hausgeister Zeke ein Ständchen (Xbox).

Das Gegnerdesign wirkt im Gegensatz zu den Rätseleinlagen eher einfallslos. Spinnen, Geister, Skelette und Ritterrüstungen dürften auch jüngeren Spielern kaum noch einen Schrecken einjagen. Erschreckender sind da schon die besonders auf der PS2 ungemein langen Ladezeiten, die einen auf Schritt und Fuß verfolgen und den Spielfluss immer wieder hemmen. Technisch ist der Titel aber ohnehin nicht sehr ausgereift. Die Grafik ist auf beiden Konsolen relativ blass und detailarm, wobei die Xbox-Version dank aufwändigerer Effekte sowie stabilerer Framerate etwas besser abschneidet. Dennoch versprüht das düstere und spärliche Ambiente einen gewissen Charme, was wohl vor allem an den vielen originellen Ereignissen und gelungenen Animationen liegt. Da huschen Kakerlaken über die Dielen, schweben Bücher durch den Raum, laufen Uhren rückwärts, werden Gänge immer länger, brechen Treppen plötzlich ein, versuchen Arme nach euch zu greifen, verfolgen Gipsbüsten euch mit ihren Blicken oder erwacht Mobiliar unvermittelt zum Leben.

Hilfe, eine Spinne!

Huch, wer sitzt denn da im Dunkeln - viele Hausbewohner wissen gar nicht, dass sie tot sind (PS2).

Die akustische Seite der Geiservilla präsentiert sich spärlich, aber effektiv. Die Sound-FX sorgen jedenfalls für gepflegte Gruselatmosphäre in Dolby Digital 5.1 (Xbox) bzw. Pro Logic II (PS2) und die professionellen deutschen Synchronsprecher leisten ganze Arbeit. Noch mehr Lob verdient jedoch die vorbildliche Übersetzung, die trotz eingedeutschter Reimhinweise weder gekünstelt wirkt noch irgendwelche Missverständnisse aufkommen lässt. Trotzdem lässt sich die deutsche Geistervilla über das Sprachmenü eurer Konsole auch jederzeit ins englische Haunted Mansion verwandeln.

Das Werk eines (Übersetzungs-) Künstlers

Fazit

Eigentlich ist Disneys Geistervilla ja ein gelungener Gruselspaß für Jung und Alt, der nur leider viel zu kurz geraten ist. Die genauso originellen wie abwechslungsreichen Rätsel- und Geschicklichkeitseinlagen sorgen jedenfalls von Anfang bis Ende für Stimmung, welche durch die humorvolle Präsentation und hervorragende deutsche Lokalisierung noch deutlich aufgewertet wird. Schade nur, dass der Spielfluss immer wieder durch verhältnismäßig lange Ladezeiten und das Fehlen einer Übersichtskarte gebremst wird und sowohl Kamera als auch Zielerfassung des Öfteren Zicken machen. Auch technisch macht der Titel trotz einiger liebevoller Details nicht allzu viel her. Angesichts des günstigen Preises sollten sich Luigi‘s-Mansion-Veteranen sowie jung gebliebene Ghosthunter- oder Alone in the Dark-Fans davon jedoch nicht abschrecken lassen und dem stummen Zeke ruhig eine Chance geben - ein Resident Evil im Disney-Universum dürft ihr allerdings nicht erwarten.

Pro

  • günstiger Preis
  • vorbildlich lokalisiert
  • humorvolle Präsentation
  • abwechslungsreiche Rätsel
  • variabler Schwierigkeitsgrad
  • stimmungsvolle Soundkulisse

Kontra

  • viel zu kurz
  • zickige Zielerfassung
  • keine Übersichtskarte
  • unspektakuläre Grafik
  • hakelige Hüpfpassagen
  • relativ lange Ladezeiten

Wertung

PlayStation2

XBox