Tenchu: Return from Darkness - Test, Action-Adventure, XBox

Tenchu: Return from Darkness
01.04.2004, Jörg Luibl

Test: Tenchu: Return from Darkness

PS2-Ninjas lassen die Klingen schon seit einem Jahr tanzen, jetzt dürfen sich auch Xbox-Assassine mit Katana & Co an der Kunst des lautlosen Tötens versuchen. Zahlreiche spielerische Verbesserungen sowie der neue Online-Modus sollten dieses Tenchu gehörig aufpeppen. Warum die japanischen Killer trotzdem nicht mehr Spielspaß entfachen als auf Sonys Konsole, klärt der Test!

Tenchu: Wrath of Heaven hat bei uns im März vergangenen Jahres 79% eingeheimst. Wenn man sich die Zusätze für die in "Return from Darkness" umgetaufte Xbox-Fassung anschaut, scheint man das PS2-Original locker zu übertrumpfen: Tote können weggeschleppt werden, es gibt mehr Zwischensequenzen, neue Lichteffekte, neue Endgegner, neue Gegenstände, zwei neue Levels, eine verbesserte KI, mehr Polygone, eine Restart- und Continue-Funktion sowie Xbox Live-Unterstützung. Wow, damit müsste die 80er-Marke doch spielend geknackt werden!

Hohe Erwartung

Die Story um drei magische Juwelen kann erzählerisch keine Klasse entfalten, wird aber von gut inszenierten Cutscenes vorangetrieben. Grafisch bieten die Filmchen nur Durchschnittskost.

Nein, wird sie nicht. Denn hinter dem Vorhang dieser pompösen Feature-Liste wartet leider kein frisch entfachter Spielspaß. Das ist zwar nicht tragisch, denn auch auf der Xbox gibt`s blutige Stealth-Action, die nicht zuletzt aufgrund des motivierenden Belohnungssystems, des freispielbaren Charakters und des Mehrspielermodus lange unterhält. Hier könnt ihr entweder kooperativ oder im Deathmatch online gegen Dutzende anderer Ninjas antreten – kurzweilig, spannend, gut. Aber erstens präsentiert sich Tenchu weit unter den grafischen und akustischen Möglichkeiten der Microsoft-Konsole, zweitens in Sachen KI und Steuerung immer noch unausgereift.

Zu schnell trifft man frustrierende Bekannte, die auch schon auf der PS2 nervten: Die Soundeffekte sind gerade im Wasser grausam, die Spurtanimationen sind zu steif und wirken unnatürlich, es gibt viele Clipping-Fehler und vor allem hässliche Texturfehler beim Klettern, Hangeln und Spähen. Angesichts der ansonsten stimmigen japanischen Architektur und der wirklich eleganten Martial Arts-Moves kann man das zwar verschmerzen, aber trotzdem hätten die Entwickler hier wesentlich sorgfältiger ausbessern müssen. Was nützen mir ein paar mehr Spiegelungen, Hochglanzböden und detailliertere Charaktere auf der Xbox, wenn ich gleichzeitig alle PS2-Schwächen schlucken muss?Die Steuerung ist zwar gut aufs Xbox-Pad abgestimmt, aber flutscht immer noch nicht optimal: Wer die Ninjas richtig gut beherrschen will, braucht wesentlich mehr Zeit als mit Sam Fisher. Das liegt zum einen daran, dass man die Laufrichtung während des Schleichens immer wieder manuell ausrichten muss. Und zum anderen daran, dass man die manuelle Kamera selbst beim Um-die-Ecke-Schauen erst durch Druck auf den weißen Button kontrolliert – das hätte man komfortabler lösen müssen.

Blutige Fehlersuche

Vor allem deshalb, weil man in diesen wichtigen Situationen auch noch manövrierunfähig ist. Und in manchen Nahkämpfen in Räumen schwenkt die Sicht plötzlich mal hinter eine Wand oder einen breiten Rücken, was schnell im Fiasko enden kann. Immerhin dürfen sich Einsteiger jetzt auf einem Übungsgelände warmspielen und profitieren allgemein von der Continue-Funktion, die einen frustrierenden Neustart des Levels verhindert.

Abgesehen von den Fehlerchen, die Auge, Ohr und Hand bemerken, wird auch das Zockerhirn schnell einen großen entdecken: die künstliche Intelligenz. Mit den mehrstufigen KI-Routinen in Splinter Cell: Pandora Tomorrow oder Metal Gear Solid 2 Substance kann Tenchu nicht mithalten.

Schleichen mit Nervenkitzel?

Schwache Texturen, die Hand nicht an, sondern klar über der Kante - im Detail finden sich auch auf der Xbox alle Fehler der PS2-Fassung. Nur die Figuren und Spiegelungen sehen besser aus.

Obwohl sich das Team von K2 bemüht hat, das Schleichen zu belohnen und die Wachen zu verbessern, ist es immer noch zu einfach, die dummen Krieger ins Jenseits zu befördern, da sie quasi nur auf Sichtkontakt anspringen: Sie reagieren nicht auf Lärm, sie verfolgen nicht konsequent genug, sie bleiben stecken, sie lassen sich von papiernen Schiebetüren aufhalten, sie arbeiten nicht effektiv zusammen, sie ignorieren teilweise sogar Pfeilangriffe und sind viel zu schnell wieder beruhigt. Es gibt wirklich einige frustrierende Situationen, in denen gerade verwundete Wachen plötzlich in aller Seelenruhe vor sich hinpfeifen, obwohl man nur kurz um die Ecke gehuscht ist.

Zwar ist die KI kein Totalausfall, denn jetzt wird Verstärkung per Pfiff angefordert, Krieger klettern sogar auf Mauern, um euch zu attackieren und ihre Patrouillenwege sind unberechenbarer. Aber echter Schleich-Nervenkitzel à la Splinter Cell oder die Alarmangst aus Metal Gear Solid stellen sich nicht ein, weil die Suchroutinen einfach zu schlecht sind. Warum soll ich mich großartig verstecken, wenn ich bloß ein paar Sekunden warten oder eine Tür zuschieben muss und dann für die eben noch alarmierte Wache quasi nicht mehr existiere?

Autsch: Die Stealth-Kills werden in famosen Zwischensequenzen dargestellt. Hier geht es noch relativ sauber zur Sache, ansonsten spritzt literweise Blut.

Dadurch verlieren auch die exzellent inszenierten Stealth-Kills an Reiz, denn sie lassen sich schon in den ersten Missionen am Fließband produzieren. Spielerisch bleiben sie trotzdem wichtig, denn wenn ihr eine bestimmte Anzahl dieser lautlosen Tötungen meistert, winkt eine neue Kampfkombination und eine klasse Bewertung am Levelende, die nützliche Items wie Brandbomben oder Giftklingen freischaltet. Außerdem sieht es einfach grandios aus, wenn ein Ninja mit gezückten Klingen an ein Opfer heranschleicht und seinen tödlichen Tanz vollführt. Je nachdem, ob ihr von hinten, von der Seite oder von vorne attackiert, wird eine andere Zwischensequenz gezeigt.

Martialische Todesboten

Tenchu ist hier allerdings nichts für Zartbesaitete: Lebenssaft spritzt in Fontänen, wenn Köpfe rollen; Körper bleiben entstellt liegen, wenn Genicke brechen. Falls ihr euch nicht um die blutigen Spuren kümmert, riskiert ihr die Alarmierung der Wachen, die am Ende eine schlechtere Note nach sich zieht. Ihr könnt die toten Körper jedoch wegzerren, was leider etwas fummelig ist, da ihr euch akkurat postieren müsst. Eigentlich würde dieser Zusatz dem Abenteuer eine realistischere Note verpassen, die man in der PS2-Fassung vermisste. Aber wenn ich ohnehin jeder Wache kurz und schmerzlos an die Kehle gehen kann, erübrigt sich die vorsichtige Reinlichkeit.Spannendes Abenteuer

Die Story kann mit ihrer Aneinanderreihung von fürstlichen Auftragsmorden, knappen Textpassagen und der englischen Sprachausgabe zwar keine epische Klasse entfalten. Aber dafür sind die Zwischensequenzen in Spielgrafik gut inszeniert und teilweise sogar mit interessanten Dialogen versehen. Außerdem erlebt ihr das gleiche Abenteuer je nach Figurenwahl aus einer anderen Perspektive, so dass sich erneutes Durchschlitzen lohnt. Auf lange Sicht stellt sich trotz all der angesprochenen Mängel ein solider Spielspaß ein.

Denn die martialische Handarbeit der japanischen Nahkampfexperten entfaltet immer noch ihren morbiden Reiz – egal ob mit Faust, Katana, Wurfstern oder Bogen. Die Ninjas beherrschen zudem zahlreiche akrobatische Künste: Neben dem einfachen Schleichen können sie Doppelsprünge, Salti samt Drehung und schnelle Rollen ausführen, sich an Wänden entlang hangeln und durch enge Korridore kriechen. Der Kletterhaken lässt sie schließlich wie SpiderMan über die Dächer flanieren.

Kung Fu für Profis: Diesen Charakter müsst ihr erst freispielen. Zwar benutzt er weder Katana noch Tanto, aber seine Fäuste sind ebenso tödlich.

Auch das gute Level-Design sorgt für Motivation: Trotz einiger unsichtbarer Wände ist es wesentlich offener als in Splinter Cell, denn meist führen dank der vielen Tunnel und Simse mehrere Wege zum Ziel. Und wenn ihr z.B. entdeckt und von Wachen umstellt werdet, habt ihr viele Möglichkeiten: Ihr könnt im Nahkampf euer Glück versuchen und dank geschickter Blocks, spektakulärer Salti und dem Einsatz tödlicher Klingenkombos den Sieg davontragen. Ihr könnt aber auch eine Rauchgranate hochgehen lassen und mit dem Kletterhaken flugs auf die Dächer verschwinden. Oder ihr nehmt die Beine in die Hand und lasst zwischendurch messerscharfe Klingen fallen, die die Verfolger mit bösen Verletzungen aufhalten.

Fazit

Unsere Preview-Skepsis war berechtigt. Ja, Tenchu inszeniert die Kunst des Tötens mit ebenso akrobatischen wie blutigen Klingentänzen. Ja, Tenchu motiviert dank des freispielbaren Charakters, der Belohnungen und des Live-Modus. Aber: Das kann die Xbox viel viel besser! Zwar schleichen die Ninjas auf Microsofts Konsole grafisch und spielerisch einen klitzekleinen Tick ansehnlicher als auf der PS2, aber das kann die alten Fehler nicht kaschieren. Denn was nützen mir neue Lichteffekte und eine Hand voll zusätzlicher Polygone, wenn man gleich die ganze Palette an Hässlichkeiten übernimmt, die letztes Jahr schon nervten: Kamera-Probleme, üble Grafikfehler, öde Texturtapeten, eintönige Magerakustik – das ist einer Xbox einfach nicht würdig! Viel schwerer wiegt, dass man die KI immer noch nicht für erstklassige Schleichabenteuer optimiert hat; gerade die spektakulären Stealth-Kills produziert man mühelos am Fließband. Aufgrund des guten Leveldesigns und der hervorragenden Kampfanimationen macht das zwar auch auf der Xbox im wahrsten Sinne des Wortes einen Mordsspaß. Aber nur die erhöhte Einsteigerfreundlichkeit und der Online-Modus adeln diese Umsetzung gegenüber dem PS2-Pendant. Ansonsten spielt Tenchu weiterhin in der zweiten Stealth-Action-Liga, hinter Metal Gear Solid und Splinter Cell.

Pro

  • gutes Kampfsystem
  • stimmige Architektur
  • hoher Wiederspielwert
  • spektakuläre Stealth-Kills
  • zwei Xbox Live!-Modi
  • ein freispielbarer Charakter
  • Story aus drei Blickwinkeln
  • motivierendes Belohnungssystem
  • einsteigerfreundlicher als PS2-Fassung

Kontra

  • schwache KI- magere Texturen
  • billige Soundeffekte
  • unausgereifte Kamera
  • schwach präsentierte Story
  • viel zu einfache Stealth-Kills
  • keine deutsche Sprachausgabe
  • viele Clipping
  • & Grafikfehler
  • Schleichen geht in der Action unter

Wertung

XBox