Hitman: Contracts - Test, Action-Adventure, PC, XBox, PlayStation2

Hitman: Contracts
02.05.2004, Paul Kautz

Test: Hitman: Contracts

Gut anderthalb Jahre sind seit den letzten Aufträgen des glatzköpfigen Killers Nummer 47 vergangen. Anderthalb Jahre, in denen sich das Schleich-die-anderen-zu-Tode-Genre mächtig weiterentwickelt hat. Hat Eidos’ Mördermaschine immer noch Feuer in den Waffen, oder gehört er mittlerweile zum alten Eisen?

Keine Ruhe mehr in einem kleinen italienischen Kloster: Das Spiel beginnt mit einem zu Boden fallenden, blutüberströmten Hitman. Während er in einer Pariser Herberge um sein Leben kämpft, »erspielt« ihr euch die Hintergründe als Erinnerungen von Nr. 47 – wer den Film »Memento« kennt, dürfte mit dieser Erzählweise vertraut sein. Ihr beginnt in einem rumänischen Irrenhaus, sprengt eine S/M-Party in einem niederländischen Schlachthaus, ballert euch durch eine U-Boot-Werft auf der russischen Halbinsel Kamtschatka oder demoliert ein feines englisches Landhaus. Während ihr also mit jeder Mission die Vergangenheit näher kennen lernt, wird die Story in der Gegenwart mit Renderszenen fortgeführt.

Memento 47

Solche Situationen sollten vermieden werden - gegen eine Gegner-Übermacht hat Nummer 47 keine Chance.

Am Spielprinzip hat sich erwartungsgemäß nichts geändert: Noch immer übernehmt ihr die Rolle des düster dreinblickenden Auftragsmörders »47«. In jedem Auftrag habt ihr mehrere Ziele, die ihr auf viele verschiedene Weisen lösen könnt. Denn ihr könnt entweder auf die leise oder rabiate Methode vorgehen: Geduldige Spieler greifen nur im absoluten Notfall zur Pistole. Stattdessen meiden sie Wachen, strangulieren oder betäuben sie via Klaviersaite bzw. Beruhigungsspritze von hinten und verstecken tote Körper in dunklen Ecken. Wer lieber den Ballerfinger sprechen lässt, greift zu Scharfschützengewehr, vielerlei Pistolen (die immer noch den etwas albernen Namen »Ballers« tragen), MGs oder Fleischerhaken und geht nach der Metzgermethode vor.

Was dank der sehr simpel gestrickten KI auch kein wirklicher Beinbruch mehr ist – früher war diese Vorgehensweise schwerer. Wie gehabt passt unter euren dunklen Anzug maximal eine größere Knarre, ein paar Pistolen und zusätzliche Ausrüstung wie Dietrich oder Nachtsichtgerät.

Lebensnotwendiger Kleiderwechsel: Ohne den Strahlenschutzanzug würden wir schnell draufgehen.

Wer sich für die Schleichmethode entscheidet, wird über die Wandlungsfähigkeit des Hitman dankbar sein: Mit nahezu jedem Opfer kann er in Windeseile die Kleidung tauschen, wodurch etwaig auf ihn aufmerksam gewordene Wachen erfolgreich getäuscht werden können. Gelegentlich führt kein Weg um einen schnellen Klamottenwechsel herum, wenn ihr etwa radioaktiver Strahlung ausgesetzt seid, und ein Schutzanzug ganz praktisch wäre. Auch das Verstecken von Opfern ist mehr als nur ein grafischer Gag: Sobald eine Wache einen toten Kollegen rumliegen sieht, schlägt sie sofort Alarm, wodurch in den meisten Fällen auch eure Tarnung futsch ist. Ihr habt jederzeit Zugriff auf eine Karte, auf der jede Ebene eurer Missionsziele ersichtlich ist, inklusive aller Wachen, interessanter Gegenstände usw. Leider ist sie jedoch derart mit Icons überfrachtet, dass man sehr lange braucht, um darauf einigermaßen den Überblick zu behalten – das wäre wesentlich einfacher zu lösen gewesen.

Des Killers neue Kleider

In jedem Level habt ihr mehrere Aufgaben, die von »Erledige diese Person« bis »Sprenge das geheime Labor« reichen. Zu jedem Auftrag gibt es eine ausführliche Beschreibung, außerdem bekommt ihr von einer freundlichen Frauenstimme zusätzliche Informationen. Im Level seid ihr zumeist auf euch allein gestellt, nur in seltenen Fällen trefft ihr Informanten oder andere euch freundlich gesonnene Zeitgenossen.

Solange man sich unauffällig verhält und keine Waffen zeigt, hat man nichts zu befürchten.

Optisch wirkt das Spiel auf den ersten Blick sehr vertraut: Die Frisur von Kojak ist gleich geblieben, die Tätowierung im Nacken ebenso, die Lauf-Animationen sehen immer noch etwas ungelenk aus. Im Detail hat sich jedoch einiges getan, was man durchaus wörtlich nehmen kann – Figuren und Umgebung sind wesentlich feiner und liebevoller gestaltet, Wettereffekte und Reflektionen wirken realistisch, die obligatorisch ausufernden Blutlachen finden sich an jeder Ecke. Wenn ihr am PC genügend Rechenpower unter der Haube habt, könnt ihr auch einen »Post-Filter« aktivieren, der das Bild Anti-Aliasing-ähnlich leicht verschwimmen lässt und weichzeichnet. Ein schöner Anblick sind auch die Echtzeit-Schatten, die allerdings nicht immer realistisch gebrochen werden. Wie beim zweiten Teil dürft ihr auch in eine Ego-Ansicht schalten, die auf Dauer allerdings etwas zu sehr wackelt.

Vertraute Gesichter

Der Hitman verfügt zwar über viele Animationen, läuft aber etwas wackelig.

Die Musik stammt wieder aus der Feder von Jesper Kyd, der schon den zweiten Teil großartig vertont hat. Dieses Mal ist sie aber weniger orchestralisch, dafür treibend und düster – passt aber dennoch hervorragend zum Spiel. Das gilt auch für die sehr gelungene deutsche Sprachausgabe, in welcher der Hitman mit der coolen deutschen Synchronstimme von Wesley Snipes mordet. Auch die anderen Sprecher lassen keine Wünsche offen; Linguistiker bekommen außerdem viele Fremdsprachen zu hören.

Fazit

Auf den ersten Blick vermutet man ein etwas spät kommendes Hitman 2-Add-On – optisch hat sich oberflächlich nichts getan, der Missionsumfang ist derselbe, die Bewaffnung bis auf wenige Ausnahmen durch die Bank bekannt, die Karte leider unverändert unübersichtlich. Auch dass Nummer 47 immer noch nicht springen kann, und so selbst kleinere Vorsprünge, die der ungelenke Killer nicht automatisch erklettert, zum unüberwindlichen Hindernis werden, ist weder logisch noch dem Spielfluss förderlich. Doch unter der Decke des Bekannten lauert neben generalüberholter Optik auch wieder der gewohnt fiese Spielspaß, der sowohl Schleichern als auch Ballerfreunden viele Lösungswege offen hält. Atmosphärisch ist der Hitman also wieder auf der Höhe der Zeit, akustisch sowieso – nur das Spielerische setzt langsam Staub an. Persönlich finde ich auch die Abwesenheit einer Mehrspielervariante schade, Splinter Cell: Pandora Tomorrow hat erfolgreich vorgemacht, wie man so was in dieser Art von Spiel umsetzen kann.

Pro

  • verschiedene Vorgehensweise möglich
  • interessante Story-Erzählweise
  • cooler Soundtrack
  • interessantes Spielprinzip
  • gelungene Sprachausgabe
  • detaillierte Grafik
  • dichte Atmosphäre

Kontra

  • kaum Veränderungen zum Vorgänger
  • wenig intelligente Gegner
  • überladene Karte
  • viel Leerlauf
  • unbrauchbare Ego-Perspektive
  • keine Sprung-Möglichkeit

Wertung

PC

XBox

PlayStation2

Anspruchsvolle Killer-Action - etwas altbacken, aber spannend.