Way of the Samurai 2 - Test, Action-Adventure, PlayStation2

Way of the Samurai 2
29.05.2004, Jörg Luibl

Test: Way of the Samurai 2

Guter Samurai oder böser Samurai? Geldgeier oder Rächer der Enterbten? Ähnlich wie in BioWares Top-Rollenspiel Star Wars: Knights of the Old Republic geht es in Way of the Samurai 2 (ab 69,95€ bei kaufen) um Moral, Kampf und das Schicksal vieler Unschuldiger. Allerdings entführt euch Capcom nicht ins All, sondern in den brodelnden Machtkampf einer japanischen Stadt.

Trotz der wunderbaren Artwork- & Gameplay-Collage des Intros, die mit schönen Renderszenen auf die edle japanische Kulisse der späten Edo-Periode (1600-1867) einstimmt, ist der Vorspann ebenso kurz wie knackig: Ein unbekannter Samurai bricht vor den Toren Amaharas zusammen.

Ins kalte Wasser

Er hat kein Geld, keinen Proviant und lediglich sein Schwert an der Hüfte. Nur ein kleines Mädchen hilft dem erschöpften Fremden und bietet ihm zwei Reisbälle an. Lehnt ihr ab? Lobt ihr die Reisbälle? Oder versprecht ihr der Kleinen großmütig, dass ihr euch revanchieren wollt?

Der fremde Samurai und das freundliche Mädchen: Mit dieser Situation beginnt das Abenteuer...

Schon hier deutet Way of the Samurai 2 (WotS2) seine offene Spielstruktur an, die auch schon den Vorgänger auszeichnete. Ihr müsst euch immer sehr gut überlegen, wie ihr in den englisch gesprochenen und deutsch untertitelten Dialogen antwortet. Denn jede noch so kleine Entscheidung wirkt sich auf das Machtgefüge und die Reaktionen der drei rivalisierenden Parteien aus.

Da gibt es z.B. die Aoto-Gang im besten Yakuza-Stil, die die Einwohner mit Überfällen und Erpressungen tyrannisiert. Ihr größter Feind ist die Stadtverwaltung, verkörpert durch die Magistraten. Diese stehen zwar auf den ersten Blick für Recht und Gesetz, sind allerdings bestechlich und greifen übertrieben hart durch. Und dann wäre da noch die verängstigte Bevölkerung, die ihre einzigen Helfer scheinbar im Rotlichtmilieu findet. 

Stadt am Abgrund

       Das Spiel gibt euch zehn in verschiedene Phasen unterteilte Tage Zeit, euren ganz eigenen Weg zu finden. Ihr könnt z.B. bei jedem Auftraggeber Geld scheffeln und euch um schwierige Entscheidungen drücken. Ihr könnt euch auch als brutaler Ronin mordend und stehlend am Chaos beteiligen. Oder ihr unterstützt gezielt eine der Fraktionen, um zu sehen, welches der acht Enden die Stadt letztlich erwartet.

Bis dahin dahin dauert es zwar manchmal nur vier bis sechs Stunden, aber dann hat man auch nur einen Bruchteil der Story-Verwicklungen und versteckten Schwerter entdeckt. Es gibt tragische, romantische, heroische und ernüchternde Abspänne. Daher ist der Anreiz für ein erneutes Durchspielen sehr groß.

Doch so offen wie die Story ist das Gelände leider nicht. Die zehn Stadtbezirke sind teilweise sehr klein und beschränken sich manchmal auf ein Haus oder auf einen Weg mit zwei Gassen – das ist schade, aber immerhin mehr als im ersten Teil. Die Viertel werden auf einer statischen Karte dargestellt und per Knopfdruck landet ihr mitten im Geschehen, während um euch herum nach einer kurzen Pop-up-Phase die Bewohner spazieren gehen.

Storyfreiheit in Levelgrenzen

Obwohl die Stadt architektonisch überzeugt, fehlt den Vierteln die Weitläufigkeit.

Zunächst fühlt man sich beim Flanieren durch die Gassen an Shenmue erinnert, denn es herrscht reges Treiben: Schurken, Händler, Frauen und Kinder sind unterwegs. Alle können angesprochen werden und in diversen Läden lassen sich aufputschende Pulver, Accessoires und Artefakte kaufen.

        

Aber dem großen Vergleich mit dem Dreamcast-Klassiker hält Capcoms Titel bei näherem Hinschauen nicht stand: Abgesehen von der fehlenden Levelgröße ähneln sich die Passanten oft wie eineiige Zwillinge. Sehr auffällig ist das bei Händlern, die scheinbar per Copy&Paste eingebaut wurden. Hier hätte etwas mehr Variation gut getan, um die Illusion einer in sich stimmigen Welt noch länger aufrecht zu erhalten.

Zwischensequenzen in Spielgrafik lockern das Abenteuer auf.

Trotzdem zeigt die Stadt je nach Tageszeit und Viertel ein anderes Gesicht: Der Schmied öffnet nur bei Tag für euch, manche Auftraggeber sind nur am Abend zu sprechen und bei Nacht kann man in den engen Gassen der armen Gegend auch mal einem Killer begegnen.

Um an Geld zu kommen, müsst ihr wie in einem Rollenspiel fleißig Aufträge erledigen. Jede der drei Parteien hat irgendwo einen Mittelsmann, der euch eine Tagesphase Zeit gibt, um z.B. ein Päckchen zu finden, ein entführtes Kind zu suchen, Abtrünnige zurückzuholen oder geheime Dokumente abzuliefern. Das ist teilweise recht knifflig: Mal müsst ihr jemanden in Multiple-Choice-Dialogen überreden; mal müsst ihr alle Schurken weiträumig umgehen, damit sie euch die Dokumente nicht stehlen; mal müsst ihr von einem kryptischen Hinweis auf einen Ort schließen.

Von Auftrag zu Auftrag

Da ihr beim Erkunden Erschöpfungspunkte verliert und eure Wunden nur durch Nahrung oder Schlaf heilen, müsst ihr euch früher oder später auch eine Bleibe suchen. Aber Gasthäuser sind ebenso teuer wie gegrillter Frisch oder eine Flasche Sake.

Habt ihr euch dank dieser Hol- und Bringdienste, die sich beim zweiten Durchspielen  leider schnell wiederholen, Vertrauen erworben, dürft ihr später auch eure Kampfkunst unter Beweis stellen und z.B. Aufstände niederschlagen, die sonst ein ganzes Stadtviertel ins Chaos stürzen würden. 

Das Blocken ist z.B. wesentlich durchdachter, aber auch kniffliger als in üblichen Hack`n´Slay-Orgien: Ihr könnt zwar mit der Standardverteidigung fast alle Hiebe parieren, aber auf Dauer belastet das nicht nur die Haltbarkeit eures Schwertes, ihr werdet in dieser passiven Stellung auch gnadenlos in die Ecke gedrängt.

     Blutiger Klingentanz

Auch wenn der ausgesprochen blutig inszenierte Klingentanz nicht ganz an die ausgefeilten Stile von Kengo herankommt, fordert er taktisches Feingefühl - wer schnell auf Buttons hämmert, wird auch schnell ins Gras beißen.

Um aus der Defensive direkt in die Offensive zu wechseln, gibt es jedoch die vertikale und horizontale Parade: Dazu müsst ihr den nächsten flachen oder hoch angesetzten Schlag des Gegners vorausahnen und beim Aufprall der Katanas den Analogstick in die entsprechende Richtung drücken.

Machtloser Riese: Wenn die Katana durch die Deckung kommt, spritzt Blut in Fontänen.

Habt ihr Erfolg, wird nicht nur der Hieb abgewehrt, sondern ihr bekommt eine einmalige Chance, den strauchelnden Angreifer tödlich in der ungeschützten Seite zu treffen. Im Angriff könnt ihr aber auch knackige Tritte und effektive Griffe ausführen, die euren Gegner zu Boden werfen.

Die KI macht bis auf einige Aussetzer, wenn sie die eigenen Leute attackiert, eine gute Figur. Sie setzt nicht nur auf die Überlegenheit der Zahl, sondern auch auf Psychologie: Solltet ihr nur decken und einfache Schläge austeilen, werden die Angreifer ermutigt; solltet ihr jedoch erfolgreich parieren und direkt tödlich treffen, ziehen sich die Entmutigten schon mal zurück.

Psychologie & Kombos

Trotzdem liegt der Schwierigkeitsgrad weit unter dem von z.B. Kengo oder gar Ninja Gaiden, denn gerade die einfachen Banditen fallen bei guten Paraden wie die Fliegen.    

Im Laufe des Spiels könnt ihr neben einem Repertoire an einfachen Hieben einen von drei Stilen mit diversen Kombos perfektionieren. Darunter der Kampf mit zwei Klingen, die schnelle Hiebtechnik und die etwas unkonventionellere Ninja-Art, die akrobatischer ausgelegt ist.

Wer auf die doppelte Klingentechnik setzt, kann elegante Wirbel-Kombos abliefern.

Die Kamera hat zwar ihre unglücklichen Momente, überzeugt aber selbst im Gemetzel dank der Fokussierung auf einen Gegner und gutes Schwenken: Ihr kämpft meist nur gegen einen Mann, und selbst wenn sich plötzlich mehrere auf euch stürzen, bleibt eine Seite im Visier. Hier ist wesentlich weniger Hektik und Frust im Spiel als z.B. in Ninja Gaiden. Geübt werden kann das Ganze übrigens im öffentlichen Dojo; dort hetzt der Meister auf Wunsch seine Schüler auf euch.

WotS2 bietet euch mehrere Dutzend Schwerter, die alle verschiedene Eigenschaften in Sachen Angriff, Verteidigung, Qualität und Haltbarkeit haben – darunter sogar einige legendäre Klingen mit besonderen Fähigkeiten. Auch Wolverine-Klauen und ein Hammer sind dabei. Allerdings müsst ihr die Besitzer töten, um sie einzusacken. Und das ist nicht imer einfach, weil nach einem Kampf manchmal zu schnell Zwischensequenzen eingeblendet werden, als dass man die wertvollen Klingen rechtzeitig aufheben könnte.

Schwertmeister-Eldorado

Falls ihr ein Schwert mit hoher Angriffskraft, aber geringer Elastizität findet, schafft der Schmied Abhilfe: Er kann aber nicht nur den Stahl härten, schärfen oder stärken, sondern auch etwas über die speziellen Eigenschaften und sogar den Namen verraten – gegen bare Münze versteht sich.          Authentische Kulisse

60 Hz-Modus, kein Flimmern mehr, detailliertere Charaktere, gute Echtzeitschatten - viele grafische Tücken des Vorgängers anno 2002 wurden ausgemerzt. Zwar stören immer noch einige Clippingfehler, der starre Himmel sowie die faden Wandtexturen, aber das alte Japan der Edo-Periode wurde gut eingefangen: Egal ob Kleidung, Bewaffnung, Frisuren oder Architektur – von Anfang an verströmt der Titel jede Menge authentisches Flair.

Auch die Figuren sehen nicht wie 08/15-Abziehbilder, sondern wie echte Persönlichkeiten aus: Es gibt den Running Gag der pöbelnden Dreierbande, den homosexuellen Magistraten mit viel Schminke, eine reizende Geisha von kalkweißer Schönheit und einen Arzt, der euch knallhart ins blutbesudelte Gewissen redet. Zwar ist der Ton mal witzig und ulkig, aber im Großen und Ganzen geht es ernst und pathetisch zur Sache.

Die Kämpfe sind schnell und intensiv. Nur die Bossgegner lassen sich nicht direkt töten.

Um am Ende eine gute Samurai-Wertung zu erhalten, müsst ihr mutig, ehrenhaft und ohne Rücksicht auf das eigene Leben agieren. Je nach Punktzahl werden dann neue Kostüme und Figuren freigeschaltet, so dass ihr später zwischen acht statt anfänglich drei Charakteren wählen könnt. Außerdem könnt ihr noch zwei weitere Schwierigkeitsgrade ins Menü zaubern, wenn ihr erfolgreich bis zu einem Ende gelangt; zu Beginn gibt´s nur "Leicht" und "Normal".        

Fazit

Hack`n´Slays in fernöstlichem Ambiente gibt es wie Sand am Meer – meist mit 08/15-Story und Dauergemetzel. Aber wer seine Katana auf erzählerisch höherem Niveau schwingen möchte, und sich dazu ein gutes Kampfsystem sowie jede Menge Rollenspielelemente wünscht, wird derzeit auf der PS2 nur mit Way of the Samurai 2 glücklich. Hier fehlt zwar trotz sehr lebendiger Charaktere und stimmiger Architektur der Reiz der pompösen Kulisse, aber dafür ist das Spiel mit seinen mehreren Enden herrlich offen: Je nachdem, welche Aufträge ihr annehmt und wie ihr euch als Samurai in der Stadt aufführt, verändert sich das verzwickte Machtgefüge. Auch wenn man manchmal weniger als ein halbes Dutzend Stunden bis zu einem Abspann braucht, erlebt man in der kurzen Zeit mehr als in manch aufgeblähten Levelmonstrum. Und das Kampfsystem ist mit seinen drei Stilen ebenso blutig wie ausgefeilt, denn nur kluges Blocken und Kontern bringt Erfolge. Leider sind die Stadtviertel schrecklich klein; auch die immer gleichen Gesichter der Händler nerven – technisch war sicher mehr drin. Aber wann ist einem nach einem Spiel schon zum Verzweifeln, zum Weinen oder zum Jubeln zu Mute?

Pro

  • + 60 Hz-Modus+ drei Kampfstile
  • gutes Zeitsystem
  • gute Spielbalance+ viele kleine Quests
  • offene Spielstruktur+ gutes Kampfsystem+ edles japanisches Flair+ interessante Charaktere+ viele Schwerter & Items+ authentische Architektur
  • acht mögliche Spielenden+ sehr gute Kamera im Kampf
  • jede Entscheidung wirkt sich aus
  • freispielbare Kleidung, Waffen, Schwierigkeitsgrade

Kontra

  • kleine KI-Aussetzer
  • einige Clippingfehler
  • sehr kleine Stadtviertel
  • einige fade Texturtapeten
  • nur englische Sprachausgabe
  • Quests wiederholen sich schnell
  • viele gleiche Gesichter & Figuren

Wertung

PlayStation2