True Crime: Streets of LA - Test, Action-Adventure, PlayStation2, XBox, GameCube, PC

True Crime: Streets of LA
24.06.2004, Paul Kautz

Test: True Crime: Streets of LA

Im Genre der Gangster-Simulationen hält Rockstar mit seiner GTA-Serie eisern das Monopol. Auf Next-Gen-Konsolen tummelt sich mit Activisions True Crime bereits seit einem halben Jahr der einzige ernst zu nehmende Konkurrent, der jedoch nicht wirklich etwas an der GTA-Vorherrschaft ändern konnte. Ob die erweiterte PC-Version das schafft?

Man nehme: Ein einigermaßen realistisches Stadtszenario voller Aufregung, einen toughen Cop, der sich nicht wirklich um Gesetze schert, jede Menge Action mit oder ohne Waffe und würze das Ganze mit einer brauchbaren Story. Zack, ein True Crime-Ragout.

Die Zwischensequenzen sind optisches und akustisches Highlight des Spiels.
Aber wie auch beim schmackhaftesten Gericht reicht auch hier etwas zuviel Salz, um das Ganze unappetitlich zu machen.

Eine leckere Mischung?

Habt ihr die schier ewig dauernde Installation der vier CDs überstanden, ist eure Festplatte zwar um drei Gigabyte ärmer, dafür werdet ihr später mit recht kurzen Ladezeiten belohnt. All der Trubel dreht sich um den Polizisten Nick Cage, der für seine lasche Befolgung der Gesetze in Kombination mit der Vorliebe für seine Waffe eigentlich suspendiert ist. Doch angesichts wachsender Bedrohung durch die chinesische und russische Mafia wird der nicht unbedingt sympathische Macho einem Sonderkommando zugewiesen. In dem bekommt er nicht nur eine neue Partnerin, die er nicht riechen kann, sondern er findet im Laufe des Spiels einiges über seine Vergangenheit und die seines Vaters heraus. Insgesamt kein Hollywood-Kracher, aber dank witziger Dialoge und gut gemachter Zwischensequenzen spaßig inszeniert, auch wenn etwas zu sehr auf Klischees herumreitend und zum Ende hin zunehmend abgefahren (Stichwort: mystische chinesische Dämonen).

Das Spielprinzip von True Crime stellt man sich am besten als eine Mischung aus GTA: VC und Mafia vor, mit starker Tendenz zu Letzterem: Nachdem ihr euren Auftrag bekommen habt springt ihr in euer Auto und zischt zum deutlich markierten Zielort. Auf diesem Weg eilt ihr mit Siebenmeilenstiefeln durch die Story, wodurch das Spiel in weniger als zehn Stunden ad acta gelegt werden kann. Wer etwas länger Spaß damit haben will, hält Augen und Ohren offen, während er durch das zu weiten Teilen recht realistisch nachgebildete Los Angeles cruist. Aller paar Minuten gibt es

So ist's brav: Ein guter Polizist verhaftet die Leute, statt sie umzunieten.
per Polizeifunk neue Zufallsmissionen zu lösen: Geiseln befreien, Straßenschlägerei beenden oder jemanden schnappen. Hier kommt mit dem »Rating« eine weitere Besonderheit des Spiels zum Tragen: Je nachdem wie ihr euch bei der Lösung solcher Probleme verhaltet, werdet ihr als besserer oder schlechterer Polizist eingestuft. Kopfschuss = schlecht; Warnschuss +  Verhaftung = gut; sinnlos über den Haufen gefahrene Zivilisten = schlecht; gezückte Polizeimarke = gut; uswusf. Im Endeffekt hat dieses Rating nicht nur Einfluss auf die Spiellänge (böse Buben bekommen bei weitem nicht alles zu sehen), sondern auch auf den Abspann. Viele Gefechte werden nicht mit der Waffe, sondern mit dem Körper ausgetragen: Als Meister der Kampfkunst legt Nick Gangster, Stripperinnen oder Autodiebe mit schnellen Kicks und Schlägen auf die Matte.  

Mortal Kombat

Ist der Kontrahent kurz benommen, könnt ihr ihm, wenn ihr schnell genug klickt, auch noch eine extra-schmerzhafte Kombo verpassen. Die Fights leiden allerdings an einigen Kinderkrankheiten: Zum einen tretet ihr ganz in Hollywood-Manier stets gegen einzelne Gegner an, selbst wenn ihr von Widersachern umringt seid. Zum anderen sind Kombos ja schön und gut, aber letzten

Nick ist ein Meister der fliegenden Fäuste; im Laufe des Spiels erweitert ihr eure Kampfkünste.
Endes drescht ihr doch nur wie wild auf die Mausbuttons ein, bis der Gegner am Boden liegt – und dank der misslungenen Kameraführung seht ihr oft genug nicht mal, auf wen ihr da eigentlich einprügelt.

Eine weitere Möglichkeit, sich die Zeit zwischen zwei Einsätzen zu vertreiben, ist das Herumfeilen an den eigenen Fähigkeiten: Auf der Mini-Karte sind mehrere Punkte deutlich eingetragen, in denen ihr euch gegen Gebühr nicht nur heilen lassen, sondern auch an euren Kampf- oder Schuss-Fertigkeiten arbeiten könnt. Erfolgreiches Training bringt hier neue Kampfmanöver, Zielhilfen oder ein schnelleres Nachladen. Habt ihr genug trainiert, schwingt ihr euch wieder ins Auto und düst weiter - entweder zum Zielort oder zur nächsten Mini-Mission. Gelegentlich müsst ihr auch Autodiebe verfolgen und stoppen, was einfach mit der Zerstörung ihres Fahrzeugs erledigt wird: Dank eines praktischen Auto-Targeting-Systems habt ihr die Gegner auch während der Fahrt sicher im Visier. Geht eure Kiste dennoch zu Schrott, könnt ihr wie in GTA jedes andere Auto kapern; allerdings müsst ihr hier wie im richtigen Straßenverkehr aufpassen, nicht gnadenlos überfahren zu werden.

Genickstarre

Leider war es das auch fast schon mit den außerdienstlichen Aktivitäten. Während ihr in der GTA-Serie an allen Ecken und Enden eine Aufgabe findet, gibt es hier lediglich ein paar Bonusfiguren freizuspielen (u.a. Snoop Dogg, Jeanette aus Vampire: Bloodlines oder Rikimaru aus Tenchu). Darüber hinaus fahren sich die meisten Kisten gleich hakelig, als Tastaturpilot müsst ihr euren Kurs dauernd nachkorrigieren.

Oft genug kommt ihr um einen bewaffneten Kampf nicht herum: Für den Standard-Gegner reichen eure unbegrenzt munitionierten Pistolen, für dickere Kaliber oder größere Feind-Ansammlungen sollte man schon Uzis, Maschinengewehre oder gar eine Armbrust dabei haben. Für präzisere Schüsse könnt ihr auch in eine Ego-Perspektive zoomen, allerdings dürft ihr euch währenddessen nicht bewegen. Aus der normalen Schulterperspektive kommt euch beim Sprung dagegen eine kurze Zeitlupe praktisch entgegen, dank derer ihr ganz maxpaynig eine gute Gelegenheit habt, eure Widersacher genau ins Visier zu nehmen. Ihr dürft allerdings nur zwei Knarren 

Wie in der GTA-Serie schnappt ihr euch einfach das Fahrzeug, das euch am meisten gefällt.
auf einmal tragen, gelegentlich müsst ihr sogar ganz auf sie verzichten: Genau wie bei Kollege Sam Fisher gibt es die eine oder andere Schleichmission, bei der ihr keine Aufmerksamkeit erregen dürft - gute Polizisten betäuben Wachen, böse Cops lösen das Problem per knirschendem Genick...

Optisch gibt sich True Crime erstaunlich bieder: Die Straßenzüge sind steril und größtenteils leblos. Dafür, dass es LA sein soll, herrscht außerdem praktisch kein Verkehr. Die meisten Viertel sind düster und dreckig und Nicks gebückter Laufstil sieht unfreiwillig komisch aus.   

Technisch solala

Neben den stylischen Zwischensequenzen erregt eigentlich nur die Interaktivität der Levels Aufmerksamkeit, wenn es um Kämpfe geht. Wo Nick hinschlägt oder –ballert, wächst tatsächlich kein Gras mehr: Bretter zerbrechen, Mauern bröckeln, jede Menge

Feuer frei: Die Explosionen sehen etwas ungewöhnlich aus.
Staub verdüstert die Szenerie. Auf der anderen Seite sehen die Explosionen merkwürdig flockig aus und es poppen Straßenschilder sowie Fußgänger regelmäßig aus dem Nichts auf – Erstere verursachen Blechschäden, Letztere nimmt man unfreiwillig aufs Horn, was sich wiederum negativ auf das Cop-Rating auswirkt. Auch die unsichtbaren Mauern innerhalb von Gebäuden haben in dieser Art von Spiel, das die Illusion von Freiheit zu erzeugen versucht, eigentlich nichts verloren. Akustisch ist True Crime ebenfalls ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite sind die Motorensounds nervend monoton, Nicks Sprüche während der Fahrt immer gleich. Andererseits ist die englische Sprachausgabe (optional mit dt. Untertiteln) größtenteils sehr cool, nicht wirklich jugendfrei und mit schönen Anspielungen versehen – wird sein Auto vor Nicks Nase geklaut, meint er schon Mal trocken »Grand Theft Auto – That sucks!«. Dafür gibt es nichts an der coolen Musik zu mäkeln: Zusätzlich zum Hip Hop-lastigen Soundtrack der Konsolen-Versionen gibt es hier noch jede Menge gitarrenlastiger Rocksongs von Nine Inch Nails bis Alice in Chains, die den Autofahrten gehörig Wind machen.

Die Missionstruktur von True Crime ist interessant, weil sie euch gelegentlich die Qual der Wahl lässt: Scheitert ihr an einem Auftrag, könnt ihr ihn entweder so lange wiederholen, bis ihr ihn geknackt habt, oder ihr pfeift drauf, und lasst die Story weitergehen. In diesem Falle verzweigt sich die Handlung, um

Dank brauchbarem Schadensmodell fallen die Autos einigermaßen realistisch auseinander - besonders unter Feindbeschuss.
sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Zwar klingt das cool, aber letzten Endes bringt euch das nichts außer einem verpassten Stück der ansonsten linearen Geschichte. Gespeichert wird ausschließlich automatisch und auch nur am Ende einer Mission. Allerdings könnt ihr hinterher jede Aufgabe einzeln anwählen, um etwaige Fehler wieder auszubügeln.

Vierfach-Dresche

Um den späten PC-Release wenigstens ein bisschen zu versüßen, haben Activision und Luxoflux einen frischen Online-Mehrspielermodus für bis zu vier Gesetzeshüter spendiert: Ihr könnt u.a. Straßenrennen fahren, um die Wette Zufallsmissionen lösen, ein klassisches Deathmatch austragen oder euch in einem Dojo die Hucke vollhauen. Leider wirken alle Modi übereilt eingebaut, keiner macht länger als die obligatorische Viertelstunde Spaß.

 

Fazit

Nein, True Crime kommt nicht gegen GTA 3 oder gar Vice City an – leider in keiner Hinsicht. Weder grafisch noch spielerisch oder gar inhaltlich kann sich Luxoflux’ Neuling mit der Rockstar-Garde messen, obwohl im Grunde alle Voraussetzungen vorhanden wären. Doch leider ist keiner der guten Ansätze wirklich zuende gedacht, das Spiel dümpelt so ein bisschen vor sich hin, keines der Features zündet wirklich. Und im Grunde sollte man sich als PC-User über neue Features wie den Mehrspielermodus freuen, doch ist gerade jener dermaßen unspektakulär ausgefallen, dass man ihn bei Abwesenheit kaum vermisst hätte. Nicht falsch verstehen: True Crime ist ein gutes Action-Game, wenn es die GTA-Serie nicht gäbe, wäre es sogar noch besser. Aber angesichts der übermächtigen Konkurrenz bleibt es doch nur zweite Wahl, mit der man sich die Zeit bis zum Release von GTA San Andreas ganz brauchbar vertreiben kann. Aber leider nicht viel mehr.

Pro

  • kurze Ladezeiten
  • relativ realistisch nachgebildeter Teil von LA
  • mehrere Schluss-Möglichkeiten
  • nette Story
  • schöne Zwischensequenzen
  • simples Kampfsystem
  • interaktive Umgebungen
  • coole englische Sprachausgabe
  • fetter Soundtrack
  • automatisches Speichersystem
  • einigermaßen freie Missionsstruktur
  • unterschiedliche Spielweisen möglich (gut/böse)

Kontra

  • sehr umfangreiche Installation
  • hakeliges Fahrgefühl
  • üble Kameraprobleme
  • sterile Stadt
  • relativ kurz
  • maue Mehrspielermodi
  • unspektakuläre Grafik
  • unschöne Pop-Ups
  • hässliche Lauf-Animationen
  • sehr kurze Missionen
  • viel Leerlauf
  • ungenaue Steuerung
  • monotoner Motorensound

Wertung

PC