Richard Burns Rally - Test, Rennspiel, XBox, PC, PlayStation2

Richard Burns Rally
12.09.2004, Paul Kautz

Test: Richard Burns Rally

Richard Burns Rally hat sich bereits im Vorfeld selbst eine schraubengenaue Simulation auf die Fahne geschrieben. Wie weit es damit wirklich bestellt ist, erfahrt ihr aus unserem Test.

Während »normale« Rennspiele mit Games wie Grand Prix Legends oder Live for Speed prachtvolle Vertreter der Sparte »hart und realistisch« vorweisen können, dümpeln Rallye-Spiele immer in einer Zwischenwelt aus Arcade und Realismus – meist mit deutlicher Tendenz zum Fahrspaß. Richard Burns Rally (ab 4,04€ bei kaufen) hat sich bereits im Vorfeld selbst eine schraubengenaue Simulation auf die Fahne geschrieben. Wie weit es damit wirklich bestellt ist, erfahrt ihr aus unserem Test.

Ein mit fetziger Musik unterlegtes Intro mündet im klinisch sauberen Hauptmenü, in dem ihr außer dem Verstellen der Optionen nicht viel tun könnt – die meisten Modi maulen nach dem Anwählen, dass man doch bitte erst die Fahrschule aufsuchen solle, bevor man sich auf den Trampelpfad der Ehre begibt. Frohen Mutes drücken wir also unter der wachsamen Stimme des 2001er WRC-Champions Richard Burns die Rallye-Schulbank. In den ersten Lektionen lernen wir, dass Raser hier keinen Blumentopf gewinnen werden. In Richard Burns Rally dreht sich alles um perfektes Gasgeben, perfektes Bremsen und perfektes Ausrichten des Wagens. Ein Bleifuß endet hier nur in jedem verfügbaren Straßengraben. Habt ihr die ersten Lektionen bestanden und damit bewiesen, dass ihr des Lenkrads würdig seid, bittet euch der Meister auf seinen Beifahrersitz, und zeigt euch, wie man wirklich rasant und sicher fährt. Sitzt das grundlegende Handwerkszeug, könnt ihr euch entweder den fortgeschrittenen Lektionen wie richtiger Slide-Technik widmen, oder euch erneut auf das jetzt auswahlfreudigere Hauptmenü stürzen. Dort erwartet euch jetzt auch die »Rallye-Saison«, in der ihr das soeben Gelernte gleich in der Praxis ausprobieren dürft.

In der Fahrschule zeigt euch Richard Burns persönlich, wie man die Wagen perfekt lenkt.
Ihr wählt unter anfangs lediglich drei von acht Teams und vier Schadensstufen: von »aus«, wo euer Wagen einem Panzer gleicht, bis »realistisch«, wo schon ein böser Blick den Motor zum Abwürgen bewegt. Zu guter Letzt steht noch die Wahl des Schwierigkeitsgrades auf dem Programm. »Anfänger« toleriert Fahrfehler mit großzügigen Streckenzeiten, auf »Profi« ist die Rallye schon nach einer verpatzten Kurve verloren. Vor dem Rennen, das auf 36 unterschiedlichen Strecken in England, Finnland, Japan, Australien oder den USA stattfindet, dürft ihr noch kurz Hand an das Innere eures Vehikels legen: veränderte Aufhängung hier, anderer Reifentyp da, stärker eingestellte Bremsen dort – das Werk darf dann gleich in einem Testlauf ausprobiert werden.

Profi am Steuer

Wenn euch zwischendurch nach einer Herausforderung zumute ist, solltet ihr der »RBR Challenge« einen Besuch abstatten. Dort tretet ihr gegen Herrn Burns »Geisterwagen« und seine schon unmenschlich anmutenden Bestzeiten an. Um in diesen Herausforderungen zu glänzen, werdet ihr viele viele Fahrstunden investieren müssen, denn Richard Burns Rally wurde unter dem Credo des handfesten Realismus’ entwickelt. Das trifft zu weiten Teilen auch zu: Die Steuerung der PS-Monster fühlt sich speziell mit einem Force Feedback-Lenkradsystem unglaublich echt an; dank der fein dosierten Effekte spürt man jedes Loch, jede Bodenwelle, jedes durchdrehende Rad. Auf der anderen Seite steuern sich die Kisten gerade bei niedrigen Geschwindigkeiten wie trächtige Kühe, auch die Bremswege erscheinen für diese Art hochgezüchteter Rallye-Maschine viel zu lang – die Grip-Einstellungen wirken oftmals künstlich auf »schwer« getrimmt, um das Game realistischer erscheinen zu lassen.

Elegante Drifts benötigen einige Einarbeitungszeit.
Allerdings muss man der Fahrphysik zugute halten, dass sie gerade im Grenzbereich hervorragend funktioniert: Powerslides, weite Drifts und schräge Sprünge fühlen sich »echt« an, nach einiger Zeit (unter Mithilfe der Fahrschule) bekommt man das Gefühl, die Boliden einigermaßen im Griff zu haben. Dennoch sollten Fahranfänger oder Fans von Arcade-Racern wie NFS: Underground das Spiel mit Vorsicht genießen: Es gibt keinen Arcade-Modus mit einfacher Fahrphysik, keine zuschaltbaren Fahrhilfen, nichts, was einem das Einsteiger-Leben vereinfachen würde. Wer hier nicht die Zähne zusammenbeißt, wird RBR schon nach kurzer Zeit frustriert in der Ecke liegen lassen.  

Immer am Schlamm entlang

In diesem Zusammenhang ist es auch nachteilig, dass sich das Spiel so nüchtern und bieder präsentiert: Während z.B. Xpand Rally oder Rallisport Challenge 2 Optikfeuerwerke abfackeln, dümpelt RBR auf leicht erhöhtem Colin 4-Niveau herum.

Das Schadensmodell kann sich sehen lassen - nach einigen Pampa-Ausflügen zerfällt euer Wagen bemitleidenswert in seine Einzelteile.
Das bedeutet trostlose und detailarme Umgebungen mit platten 3D-Objekten, flimmernden Bodentexturen und ruckeligen Echtzeit-Reflektionen auf dem Lack der nett designten, aber kaum Aufsehen erregenden Wagen. Außerdem vermisst man eine echte Cockpitperspektive mit Armaturenbrett, so dass man immer mit einem Auge auf der Straße, und mit dem anderen auf den rechts unten befindlichen Tachometer fahren muss. Immerhin bleiben so die Hardwareanforderungen angenehm niedrig. Außerdem produzieren die Replays mit interessanten und realistisch verwackelten Perspektiven sehr interessante Bilder.

Zu einem realistischen Rennspiel gehört natürlich auch ein vorzeigbares Schadensmodell, und hier punktet RBR ganz gewaltig: Jeder Rummser, jeder Überschlag lässt die Scheiben springen, die Türen aus den Angeln baumeln, das Kühlwasser überkochen usw. Falls ihr eine Kurve verpasst und einen Hang heruntergeschliddert sein solltet, könnt ihr auf Knopfdruck Hilfe herbeirufen. In manchen Fällen kommt das allerdings zu spät; wie in einer echten Rallye bedeutet ein fetter Aufprall hier das Ende. Zwischen den Rennen dürft ihr Blessuren bereinigen, allerdings habt ihr dafür nur eine bestimmte Menge Zeit, die ihr auf alle Reparaturen verteilen müsst – oder automatisieren könnt, wenn ihr auf solche Details keine Lust habt.

Allein in der Wildnis

Die Landschaften sind realistisch designt, gewinnen aber keine Schönheitspreise.
Akustisch bleibt vor allem die fetzige Menümusik im Ohr. Im Spiel begleitet euch in erster Linie die Stimme eures Co-Piloten, die euch zuverlässig, wenn auch etwas abgehackt und leise, Richtung und Entfernung der nächsten Kurven ansagt – auf Wunsch in mehreren Sprachen, wobei die Bildschirmtexte immer deutsch bleiben. Dazu gibt es noch einblendbare Pfeile, die dieselbe Aufgabe optisch übernehmen. Herausragend sind die Soundeffekte, die besonders in der Cockpitperspektive die ganze akustische Action einer Rallye wiedergeben: röhrender Motor, quietschende Stoßdämpfer und ein ächzendes Chassis vermitteln das Gefühl, wirklich in einem Rennwagen zu sitzen – in Dolby Surround bzw. auf der Xbox in Dolby Digital. Der Mehrspielermodus soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden, denn unter demselben Motto wurde er wohl auch ins Spiel integriert: Vier Spieler dürfen ausschließlich im HotSeat-Modus (also hintereinander) um Bestzeiten im Zeitrennen oder einer kompletten Rallye ringen. 

Fazit

Richard Burns Rally ist ein heißes Eisen. Und zwar in dem Sinne, dass man sich daran schnell die Finger verbrennen kann: Wer einfach nur eine Runde drehen will, findet sich schon nach kurzer Zeit mit langem Gesicht und zerbröselter Windschutzscheibe am Baum seiner Wahl wieder – die Fahrphysik und das knifflige Handling der Straßenmonster vergällen jedem Neuling den Fahrspaß. Allerdings sollte hier »anspruchsvoll« nicht unbedingt mit »realistisch« verwechselt werden. Es ist natürlich sehr glaubwürdig, aber nicht in dem Maße, wie es propagiert wird. Das Game ist einfach bockschwer – und das macht es natürlich zum gefundenen Fressen für Fans und alle, die es werden wollen, denen das Fahrmodell von »Light«-Rallye-Spielen wie Rallisport Challenge 2 ein herzhaftes Gähnen entlockt. Alleine schon die Rallye-Schule stellt den typischen NFS Underground-Spieler vor ernsthafte Schwierigkeiten. Für Fans und Profi-Fahrer, die sich nicht daran stören, dass am Realismus des höheren Schwierigkeitsgrades zuliebe ein wenig getrickst wurde, eine klare Empfehlung. Alle anderen Schlammfreunde sollten dringend ein Probespiel wagen oder lieber gleich auf Colin 2005 oder Xpand Rally warten.

Pro

  • <P>
  • gute Rallye-Schule
  • anspruchsvolles Fahrmodell
  • schwieriges Streckendesign
  • gute Sprachausgabe
  • umfangreiche Rallye-Saison
  • schöne Wettereffekte
  • toller Cockpitsound
  • präzise Steuerung
  • gute Force Feedback-Effekte (PC)
  • herausfordernder Challenge-Modus
  • umfassendes Tuning
  • abwechslungsreiches Streckendesign
  • verschiedene Sprachen möglich
  • fetzige Menümusik
  • tolles Schadensmodell
  • niedrige Hardwareanforderungen
  • spannende Replays</P>

Kontra

  • <P>
  • teilweise schon sehr hart
  • nicht 100% korrekt platzierte Sprachsamples in der Rallye-Schule
  • durchschnittliche Grafik
  • keine richtige Cockpitperspektive
  • platte und farbarme Texturen
  • umständliche Menübedienung (PC)
  • liebloser Mehrspielermodus
  • leiser Co-Pilot</P>

Wertung

XBox

PC

PlayStation2

Realistisch, schwer, optisch mau - nur für Profis!