Xpand Rally - Test, Rennspiel, PC, XBox

Xpand Rally
23.09.2004, Paul Kautz

Test: Xpand Rally

Großartige Optik, abwechslungsreiche Spielmodi - kann es der Frischling mit der gestandenen Rallye-Konkurrenz aufnehmen?

Gegenwärtig herrscht Rallye-Fieber: Vor kurzer Zeit erschien Richard Burns Rally, just dreht Colin McRae neue Runden und ab Anfang Oktober mischt sich auch noch Xpand Rally (ab 11,02€ bei kaufen) in die Runde – ist noch Platz für einen Frischling, der von einem Ego-Shooter-Team entwickelt wurde? Unser Test birgt die Antwort.

Fetzig, fetzig: Eure Ohren werden von einem erstaunlich technoiden Song von Ärzte-Bandmitglied Rod Gonzalez gekitzelt, im Hintergrund läuft ein rasantes Rallye-Video ab, während ihr euch durch das Hauptmenü hangelt. Soll es die Rennkarriere sein? Eine schnelle Runde oder zwei im Einzelrennen? Oder Mehrspielerspaß im Multiplayermodus? Fangen wir mit der Karriere an.

Aus Löwe mach Löwe

Die Automodelle sind klar zu erkennen, tragen aber nicht die bekannten Namen.
Im Gegensatz zum typischen Rallye-Spiel fahrt ihr in Xpand Rally nicht nur um Ruhm und Ehre, sondern auch um klingende Münze. Jedes gewonnene Rennen bringt euch Geld ins Haus, welches ihr in eure Kiste investieren dürft. Am Anfang reicht das Kleingeld gerade für einen Kleinwagen. Im Laufe des Spiels schaltet ihr nicht nur immer mehr der insgesamt knapp 60 Levels frei, sondern verdient auch genug, um euch  bessere Karren in die Garage zu stecken: gut drei Dutzend Rennwagen warten auf eure Zähmung. Realismus-Freaks mögen bemängeln, dass ihr nicht hinter das Steuer echter Lizenzen dürft – statt eines Peugeot 206 gibt es z.B. einen »Lion«. Spielerisch und vor allem optisch macht das allerdings keinen Unterschied; alle Wagen ähneln ihren realen Vorbildern bis zur letzten Schraube.

In den Rennen erwartet euch vorbildliche Abwechslung: Die meiste Zeit werdet ihr mit Checkpunkt-Rasereien gegen das Ghost-Car der bisherigen Bestzeit verbringen. Doch wie in DTM Race Driver werdet ihr regelmäßig von einem besonders guten Fahrer herausgefordert. Gewinnt ihr, gehört euch sein Auto. Später gibt es noch »freie Rennen«: In denen seid ihr nicht an Wege oder Straßen gebunden, sondern könnt und sollt nach Lust und Laune quer durch die Pampa heizen, um Checkpunkte zu erreichen. Außerdem finden sich noch Rundenrennen und kurze, aber schnelle Zeitmessungen im Spiel.

Rabiate PS-Zicke

Im freien Rennen braust ihr ungehindert durch die Pampa.
Habt ihr genügend Geld eingesackt, geht es ans Tuning: Euch erwarten etliche mehr oder weniger teure Einzelteile, die euren Karren mehr Power entlocken, sie beherrschbarer oder schlicht komfortabler machen – das GPS-Navigationssystem, das eine grobe Umgebungskarte ins Bild projiziert, sollte z.B. eine der ersten Investitionen sein. Darüber hinaus könnt ihr an Motor, Auspuff, Bremsen, Stoßdämpfer oder dem Getriebe herumschrauben. Besonders wichtig sind die Reifen: Davon gibt es jede Menge, und jeder einzelne hat je nach Straßenbelag Vor- und Nachteile. Tretet ihr mit den falschen Pneus an, kommt eure Kiste nur schwer vom Fleck, oder schliddert herum wie auf Eis.    

Auch mit dem Tuning solltet ihr es nicht übertreiben, denn genauso wie man das Auto optimieren kann, kann man es auch übertunen: Wer nur das Teuerste und Beste kauft bekommt es ruckzuck mit einer schwer kontrollierbaren PS-Zicke zu tun, die zwar schnell ist, aber auch genauso flott im Straßengraben liegt. Deswegen solltet ihr im Zweifelsfall eure neu erschaffene Kiste in einem Testlauf ausprobieren, bevor ihr euch mit ihr in den Ernst des Rennlebens stürzt - gerade angesichts des stetig wachsenden Schwierigkeitsgrades. Denn schließlich müsst ihr auch ein Auge auf eure Schäden werfen: Jede Beule, jeder kaputte Stoßfänger, jeder zerfetzte Reifen kostet euch nach dem Wettbewerb bares Geld für die Reparatur – Straßenrambos sind schneller pleite als sie Geld einnehmen.

Bei zu rabiater Fahrweise verwandeln sich die Schmuckstücke schnell in Wracks, die teuer zu reparieren sind.

Im Einzelrennen könnt ihr euch auf den freigespielten Strecken mit allen Fahrzeugen austoben, und einen heißen Gummi auf die Straßen legen; Tuning und eventuelle Schäden spielen hier keine Rolle, Vollgas ist angesagt. Hier könnt ihr auch sehr schön das coole Schadensmodell ausprobieren, das sich nicht nur optisch, sondern auch spielerisch stark  auswirkt: In Verbindung mit der realistischen Physik-Engine poltert euer Wagen ansehnlich über die hügeligen Landschaften, umgefahrene Schilder holpern eine Weile herum und ziehen einen Funkenregen hinter sich her. Bei einer Kollision platzen Scheiben Mitleid erregend auf, der Rahmen verzieht sich, Scheinwerfer zerbersten, abfallende Reifen hopsen munter an euch vorbei.

Sensibler Fahrer

Als absolutes Rallye-Novum wird hier nicht nur der Wagen, sondern auch der Fahrer in Mitleidenschaft gezogen: Jeder größere Crash wirkt sich direkt auf Kopf, Brust, Arme oder Beine aus; bei heftigen Stößen wird das Bild für eine Weile verzerrt, mit angeschlagenen Beinen fällt das Gasgeben deutlich schwerer. Und man kann es natürlich auch übertreiben: Zuviel des Guten und der Fahrer ist stark verletzt – Karriere vorbei, zurück zum letzten Speicherpunkt. Dankbarerweise ist die Steuerung einfach genug, dass man sogar per Tastatur einigermaßen gut um die Runden kommt. Mit analogen Joypad oder Lenkrad macht das Ganze natürlich viel mehr Laune, bei Letzterem besonders dank der gut fühlbaren Force Feedback-Effekte. Einsteigern kommt Xpand Rally mit der Wahl eines Schwierigkeitsgrades entgegen: In der »Arcade«-Variante bleibt die Kiste recht sicher auf der Straße, schöne Schliddermanöver und waghalsige Sprünge sind leicht auszuführen, das Schadensmodell ist moderat.

Rabatz! Jeder härtere Aufprall lässt eure Einzelteile zersplittern.
Auf der Stufe »Realistisch« wird aus dem Game nicht gerade ein zweites Richard Burns Rally, aber der Anspruch steigt merklich: Die Kisten driften besser, Schäden sind leichter erzeugt, riskante Manöver nicht mehr mit links auszuführen. Nichtsdestotrotz ist hier über weite Strecken Vollgas angesagt: Die Straßen sind in der Regel breit, die Kurven großzügig bemessen. Das kommt besonders dem Mehrspielermodus zugute: Bis zu vier Spieler dürfen sich hier in einem Rennen via LAN oder Internet austoben; wahlweise wie in einem »normalen« Rennspiel mit gegenseitiger Kollision oder wie bei Trackmania als unberührbare Geisterwagen.   

Optisch ist Xpand Rally schlicht und ergreifend das momentan am besten aussehende Rallye-Spiel überhaupt: Ob Kenia, Arizona, Deutschland oder Finnland - alle Strecken verzücken das Auge mit idealer Weitsicht, endlosen Details, realistischer Umgebung und unterschiedlichen Wetterbedingungen; der Regen fällt sogar in verschiedenen Stärken. Über dem Bild liegt die ganze Zeit ein leichter Blend-Effekt, der die Umgebung sachte verschwimmen lässt – dadurch wirkt alles weich und harmonisch. Am Straßenrand stehen Passanten herum, winken euch zu oder hopsen im letzten Moment von der Strecke. In Arizona springen Hirsche an euch vorbei, in Kenia schauen euch einige gelangweilt an Blättern herumkauende Giraffen beim Rennen zu.

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen

Aus der Cockpitperspektive gewinnt Xpand Rally an Dramatik, ist aber schwerer zu steuern.
Wolken werfen einen realistischen Schatten, die Umgebung spiegelt sich in Echtzeit auf dem Lack der perfekt ausmodellierten Wagen. Überhaupt sind es die kleinen Details, die die Optik perfekt machen: Ihr zieht dicke Staubwolken bzw. fluffig aufgewirbelten Schnee hinter euch her, in den kleinen Außenspiegeln wird die Umgebung reflektiert, Gräser und Bäume sind realistisch animiert, und werden durch euren Luftzug verbogen. Bei all der Pracht bleibt die Grafik geradezu unheimlich schnell, ein Mittelklasse-PC reicht völlig aus, um das kleine Wunder zu erleben – und zwar aus fünf wählbaren Perspektiven. Nach dem Rennen beginnt der Spaß erst richtig: Denn dann könnt ihr euch mit den speicherbaren Replays amüsieren. Die zeigen das Geschehen nicht nur aus vielen aufregenden Perspektiven, sondern lassen euch auch mit verschiedenen Grafikfiltern herumspielen. So gewinnen die Farben an Kraft, wird das Bild in Kacheln unterteilt, werden die Kanten wie in einem Cartoon verstärkt oder das Ganze krümelig wie bei einem alten Fernseher gezeigt – toll! Bei der Gelegenheit dürft ihr außerdem eure Fahrtzeit als Ghost speichern, und später entweder gegen euch selbst antreten, oder die Files mit einem Freund tauschen.

Die Replays lassen sich mit allerlei coolen Grafikfiltern verschönern.
Akustisch ist das Spiel bis auf den angesprochenen Titelsong von Rod und allgemeiner Menümusik recht melodiearm. Im Spiel erwarten euch fette Soundeffekte und etwas dünne Motorensound nebst eurem laberfreudigen Co-Piloten. Dessen Stimme gehört keinem Geringeren als Rallye-Altmeister Peter Diekmann, der für seine Co-Piloten-Dienste schon etliche Auszeichnungen kassiert hat. Nichtsdestotrotz ist der Sprachfluss sehr abgehackt und deutsch-englisch durchmischt, so dass man sich im Zweifelsfalle lieber an die stets eingeblendeten Schilder hält, die zuverlässig Richtung und Winkel der kommenden Kurven anzeigen. Bastelfreunde dürften über den beiliegenden Editor erfreut sein: Mit dem lassen sich nicht nur die vorhandenen Strecken editieren, sondern auch komplett neue erstellen. Selbstverständlich sind auch Mods, Total Conversions, neue Texturen, eigene Sprachsamples und sogar neue 3D-Modelle möglich – alles lässt sich importieren. Das macht die Bedienung natürlich recht kompliziert.

Mächtige Werkzeuge an Bord

 

Fazit

Xpand Rally ist das Need for Speed: Underground der Rallye-Spiele: Optisch weit besser als die Konkurrenz, spielerisch trotz aller Realismus-Ansätze doch eher simpel gestrickt und dank allerlei Tuning-Möglichkeiten ein Fest für Schrauber und Bastler. Dank der sowohl nachvollziehbaren als auch zugänglichen Fahrphysik haben auch Einsteiger Freude mit dem Game; Profis hingegen sind bei Richard Burns Rallye besser aufgehoben. Xpand Rally ist einfach keine schraubengenaue Simulation, macht dadurch aber auch einfach mehr Spaß – nicht zuletzt dank der abwechslungsreichen Spielmodi, von denen es mir die Freifahrtvariante am meisten angetan hat – es ist einfach befriedigend, mit einem 300 PS starken Monster wild durch die Pampa zu heizen, ohne Rücksicht auf Straßen oder Verluste. Allerdings sind die etwas dünne Umgebungsauswahl (gerade mal fünf verschiedene Settings) und die trotz Profi-Einsatz abgehackte Sprachausgabe bedauerlich. Da wäre durchaus mehr drin gewesen! Nichtsdestotrotz eine klare Empfehlung an alle Rallye-Freunde, die weniger Realismus, aber umso mehr Fahrspaß suchen.

Pro

  • motivierender Karrieremodus
  • guter Soundtrack
  • phantastische Grafik
  • detaillierte Wagenmodelle
  • umfangreiches Schadensmodell
  • zwei Spielmodi
  • vielerlei Tuning-Möglichkeiten
  • einfache Steuerung
  • gute Fahrphysik
  • spaßiger Freeride-Modus
  • fetzige Replays
  • beiliegender Editor
  • einfaches Tuning
  • gute Steuerung

Kontra

  • dünne Streckenauswahl
  • abgehackt klingender Co-Pilot
  • keine echten Wagenlizenzen
  • Editor recht kompliziert zu bedienen
  • lange Ladezeiten

Wertung

PC

Optisch herausragender, leicht zugänglicher Rallye-Spaß.