FIFA Football 2005 - Test, Sport, PlayStation2, XBox, PC, PSP, GameCube

FIFA Football 2005
14.10.2004, Jörg Luibl

Test: FIFA Football 2005

Fußball ist eigentlich ein schnelllebiges Geschäft: Völler und Sepp Maier waren gestern, Klinsmann und Köpke heißt die Zukunft. Aber wie sieht es auf dem virtuellen Rasen aus? Konami beherrscht den Spielspaß hier seit Jahren souverän mit Pro Evolution Soccer. Ernst zu nehmende Konkurrenten sind nicht in Sicht. Und auch dieses Jahr kann FIFA Football 2005 (ab 14,99€ bei kaufen) trotz positiver Ansätze nicht daran rütteln.

Auf den ersten Blick wird man von FIFA 2005 verzaubert: Da wären die professionellen Zeremonien vor dem Anpfiff, die sofort mit dem Einmarsch TV-Flair entfachen. Man ergötzt sich dank praller Lizenzen an 12.000 Originalnamen bis in die zweiten Ligen und freut sich über die herrliche Stadionarchitektur. Dann stimmen die Fans ihre Gesänge an und Spieler wie Makaay oder Kuranyi sehen ihren Vorbildern verdammt ähnlich. Selbst Schiri Markus Merk wird fast fotorealistisch dargestellt. Kurzum: die Präsentation ist klasse - egal ob auf PC, Xbox, GameCube oder PS2.

Traumhafter Einstieg

Pompöse Kulisse, klasse Stadien! (PC)

4P|Stream: BVB vs. MILAN (Laufzeit: 5:01 Min.)Wenn der Ball nach dem Anpfiff durch die eigenen Reihen rollt, sieht man nicht nur verblüffend geschmeidige Animationen, die Ronaldo tänzeln und Ballack wuchtig köpfen lassen, sondern auch die faszinierend realistisch wirkende Darstellung des Spielfeldes.

Aber die Weite hat ihren Preis: Der Spielaufbau wirkt trotz gut zu setzender Flankenwechsel und weiter Pässe auf Dauer wenig dynamisch. Das ist im Mittelfeld noch kein großer Kritikpunkt, denn FIFA wird seinem Simulationsanspruch mit diesem langsamen Tempo durchaus gerecht. Man muss das Spiel eben klug aufziehen, und hat mehr Zeit, um sich Chancen zu erarbeiten. Trotzdem wirkt dieser Aufbau zu pomadig, da nicht nur die Flügelspieler selten von alleine in den freien Raum vorstoßen, sondern auch die Verteidiger sehr träge agieren.

Denn im Gegensatz zu Konamis Vorzeigekick simuliert FIFA 2005 die Breite des Rasens besser: Man hat irgendwie das Gefühl, mehr Raum zur Gestaltung zu haben, Platz für weite Pässe und taktische Manöver.

Ruhiger Spielaufbau

Eleganter Flugkopfball. Der AC Milan gehört zu den Top-Teams im Spiel. (Xbox)
In der Defensive gibt es neben einfachen Tacklings und der Grätsche zwar auch die Möglichkeit, einen zweiten Abwehrspieler hinzuziehen. Allerdings dauert es viel zu lange, bis die KI den Verteidiger effektiv positioniert - er sprintet nicht, sondern joggt gemütlich Richtung Ballführer! Das sieht gerade bei berüchtigten Terriern wie Jeremies oder Tommasi zu lethargisch aus.

Und selbst bei aktiviertem "Pressing" stehen die Verteidiger einfach zu weit weg vom Mann. Überhaupt wird die taktische Komponente im Vergleich zum wesentlich komplexeren Konami-Konkurreten sehr stiefmütterlich behandelt: es gibt z.B. keine direkte Manndeckung oder spezielle Raumdeckung, keine feinen Tuningmöglichkeiten für Abwehrkette & Co.

         

Dafür hat FIFA insgesamt an Offensivqualitäten gewonnen. Nicht nur, dass flache Pässe in die Tiefe jetzt effektiver sind und Flanken schärfer in den Rücken der Abwehr gezogen werden, auch bei 1-gegen-1-Situationen gibt es dank des First Touch-Systems neue Möglichkeiten: Jeder Spieler kann Pässe jetzt antizipieren und bereits vor der Annahme des Balles eine Laufrichtung samt Körpertäuschung oder Trick bestimmen - klasse!

Neue Stärken

Scholes und Mutu im Zweikampf. (PC)
Ein Beispiel (4P|Stream: GER vs. BRASIL): Kurz bevor Ronaldo den hohen Pass von Lucio annimmt, könnt ihr den rechten Analogstick in eine Richtung drücken, damit der Brasilianer eine elegante Finte hinlegt. Das sieht aus der Sicht des überforderten Wörns dann so aus, dass er einen langen Ball kommen sieht, Ronaldo gewissenhaft abdeckt, dieser den Ball mit der Brust geschickt zum Strafraum hin abtropfen lässt, Wörns daraufhin nur noch den Rücken des Brasilianer und kurze Zeit später Kahns wutverzerrtes Gesicht sieht. Denn Ronaldo kann den Torhüter dieses Jahr auch noch elegant überlupfen - ein netter Zusatz, mit dem FIFA 2005 weiter Punkte sammelt.

Aber was sich nach purem Offensivspaß anhört, betrifft nur einzelne Szenen. Selbst bei den Dribblings über den rechten Analogstick hat man nicht das Gefühl der vollen Kontrolle, da Übersteiger und Zidane-Dreher nicht punktgenau ausgeführt werden. Und obwohl sich EA gegenüber dem Vorjahr verbessert hat, krankt das Spiel immer noch an drei entscheidenden Punkten: unbefriedigende Ballphysik, wenig überzeugende Offensiv-KI und Wiederholungslangeweile. Alle drei Punkte befinden sich zwar klar und deutlich über dem Niveau von Titeln wie TIF 2005 oder Club Football 2005, aber sie stehen ebenso klar im Schatten von Pro Evolution Soccer 4.

Flutlicht-Panorama pur auf der Xbox!
Problem: Ballphysik

Schauen wir mal genauer hin: unbefriedigende Ballphysik. Was heißt das? Das bedeutet, dass das Roll- und Flugverhalten des Leders sowohl bei Pässen und Schüssen kein authentisches Gefühl vermittelt. Der Ball wirkt immer noch zu leicht, ihm fehlt die Schwere. Obwohl EA hier gegenüber dem Vorjahr einen erkennbaren Fortschritt gemacht hat und Cruise Missile-Schüsse von der Mittellinie der Vergangenheit angehören, gibt es immer noch viele explosive Granaten aus dem Stand, die dann auch noch den Weg ins Tor finden. Man muss sich eine gute Schussposition also nicht unbedingt herausarbeiten.

Außerdem wirken die Kurzpässe immer noch wie am Faden gezogen, so dass das schnelle Hin- und Hergeschiebe stellenweise an Eishockey erinnert. Schließlich jagen auch die Flanken fast alle gleich scharf in den Strafraum - egal, ob sie ein Regionalliga-Spieler oder Nationalspieler schlägt. In Pro Evolution Soccer 4 sind die individuellen Stärken und Schwächen der Spieler viel besser herausgearbeitet.

   

Verbesserungswürdig sind auch die hohen Steilpässe, denn im Gegensatz zu ihren flachen Kollegen, die wirklich gut ankommen, versauern sie meist auf halbem Wege, anstatt wirklich effektiv in den Lauf zu fliegen - hier hätte man z.B. per Drucksensitivität manuell die Länge bestimmen lassen sollen. Gerade diese hohen Anspiele in den freien Raum sind beim Konami-Konkurrenten gefährlicher und ein Garant für die Dynamik des Spiels.

Das Auswechslungsmenü: Leider hat man nur fünf Mann auf der Bank. (PC)
Was verbirgt sich hinter diesem Kritikpunkt? Ganz einfach das immer noch wenig intelligente Stürmerverhalten im eigenen Team. Wer ohne die umständliche Off the Ball-Kontrolle spielt, die euch trotz ihrer Möglichkeiten immer noch kompliziertes Multitasking aufzwingt, ist darauf angewiesen, dass die Flügelflitzer und Keilstürmer von alleine in Räume vorstoßen, in die man dann Pässe spielen kann. Aber in FIFA 2005 gibt es immer noch zu wenig Bewegung in der Spitze. Hier hätte man die KI intuitiver und komplexer programmieren müssen.

Problem: Offensiv-KI

Dabei hat die KI der Computergegner durchaus aufgeholt: Wer auf dem vierten Schwierigkeitsgrad antritt, kann sehen, wie Verteidiger Räume eng machen und vor allem simple Flankenläufe verhindern. Auch in der Offensive zeigt die KI ihre Stärken in klugem Aufbauspiel und fantastischen Abschlüssen. Nur hat man aufgrund des fehlenden Pressings als Gegenspieler immer das Gefühl, dass man mehr zuschauen und zulassen muss, als man möchte. Man will seine Verteidiger fast anbrüllen, dass sie endlich mal das brasilianische Aufbauspiel mit Tacklings zerstören.

Alles dreht sich um das plastische runde Leder. (GC)
Viele gleiche Tore, viele gleiche Standards - das sorgt auf Dauer für Langeweile. Im Gegensatz zu Pro Evolution Soccer 4 hat man bei FIFA 2005 eher das Gefühl, dass sich Szenen wiederholen. Man kann z.B. sehr oft mit einem flachen Steilpass diagonal in den Strafraum spielen, wo ein Stürmer den Ball dann am Torwart vorbeischiebt. Insbesondere bei den Ecken ist das auf Dauer frustrierend, denn hier kann man mit ein wenig Timing immer dieselben Tore erzielen: Flanke auf den kurzen Pfosten, von außen reinlaufen, Kopfballtor.

Problem: Wiederholungslangeweile

FIFA bietet in Sachen Ecken und Freistöße keine nennenswerten Änderungen gegenüber dem Vorjahr - das ist schade. Erstens wirken manche Freistöße (4P|Stream: Freistöße) immer noch zu raketenhaft und werden aus skurrilen Lagen aufs Tor gezimmert - z.B. mit dem rechten Außenrist bei einem linken Vollspannanlauf; außerdem vermisst man eine Meteranzeige. Und die Ecken konzentrieren sich immer noch auf Duelle, womit es an Dynamik im Strafraum fehlt. Einzig die Einwürfe sind jetzt wesentlich intuitiver auszuführen, da man gezielt Spieler anwählen und sogar tief in den freien Raum werfen kann.

Statische Standards

     

Auf den zweiten Blick erkennt man weitere störende Kleinigkeiten: Nicht alle Spieler sind z.B. so gut zu erkennen wie Ballack & Co - Ewerthon und Wörns haben z.B. keine Ähnlichkeit zu ihren Dortmunder Vorbildern. Auch die anfangs berauschende Atmosphäre leidet, wenn man Ruhrpott- oder Deutschland-Rufe in einem italienischen Ligaspiel hört (ein akustisches Problem, das EA seit Jahren nicht ausbügelt!). Selbst die EA Trax sind kontraproduktiv, weil sie einen wilden Wust aus House und

Auf die Distanz wirken die Zuschauer noch gut. Nur bei Wiederholungen gibt es hässliche Texturtapeten. (PS2)
Pop abspulen, der teilweise gar nicht zum Fußball passt - thematische Hymnen einzelner Bands wären da die bessere Wahl. Und den Kommentatoren sollte man auch nicht zu lange lauschen: Spätestens nach drei Partien enttäuschen die Sprecher, da sie erstens fast jede gleich einführen, immer noch total abstruse Sätze (Tor des Jahrzehnts nach einem abgefälschten Glücksschuss; RW Essen als international agierendes Top-Team) von sich geben und viele Namen falsch aussprechen: Da ist nicht von Micoud, sondern "Mikut" die Rede; nicht von Koller, sondern "Kohler" - peinlich, peinlich. Das ist auch deshalb so fatal, weil Konamis Sprecherduo dieses Jahr enorm aufgeholt hat und auf Dauer besser abschneidet.

Alte Schwächen

Dafür wurden der Editor und der Managermodus aufgepeppt. Ihr könnt nicht nur Spieler (4P|Stream: Spieler-Editor, sondern auch einen Trainer erstellen und habt fünfzehn Jahre Zeit, um einen kleinen Club wie RW Essen an die Spitze des europäischen Fußballs zu bringen. Aber auch wenn die Sicherheit eures Jobs in Prozentpunkten angezeigt wird und ihr einen qualifizierten Trainer- und Helferstab auf einzelne Ressorts wie Spielerbeobachtung, Finanzen, Fitness, Abwehr etc. abstellen könnt, werden Managerprofis schnell die Tiefe im taktischen Bereich vermissen.

Managermodus

Außerdem gibt sich diese Karriere wie eine lockere Arcade-Variante ihrer großen Managerbrüder, denn ihr bekommt Punkte für bestimmte Ziele: Bleibt ihr ohne Gegentor gibt es z.B. 2000, die ihr wiederum in die Ausbildung eures Stabs investieren könnt, der Stufen von 0 bis 10 erreichen kann. Das motiviert Gelegenheitsmanager, dürfte Simulationsfanatiker aber eher abschrecken. Und obwohl Spieler viele individuelle Werte besitzen, die in Form, Fitness und Gesamtstärke zusammengefasst werden, hat man schnell das Gefühl, dass sie sich nicht so stark auswirken.

Mutu bei der Brustannahme; Scholes schaut hinterher. (PC)
Die Spiele könnt ihr entweder automatisch austragen oder selber führen. Sehr schön ist, dass ihr während einer automatischen Übertragung, die das Geschehen mit kleinen Textbrocken abspult, selber eingreifen könnt - etwa, um kurz vor Schluss noch mal Gas zu geben oder den Elfmeter selbst zu schießen. Schade ist jedoch, dass man nicht einfach wieder aus der Partie rausgehen kann, um den Rest wieder zu automatisieren.

Auch abseits der Liga- und Turnierspiele gibt es wenig Neues: Ihr bekommt weder kreative Trainingseinheiten mit bestimmten Zielvorgaben noch Taktikvideos oder spezielle Übungen für die neue First Touch-Kontrolle. Vergleicht man das mit den hauseigenen US Sports-Titeln, ist das mager. Allerdings zieht FIFA dieses Jahr den Multiplayer-Joker: Nicht nur auf dem PC, sondern auch auf PS2 und Xbox könnt ihr online knackige Freundschaftsspiele austragen oder gar Turniere erstellen bzw. an welchen teilnehmen. Nur die GameCube-Kicker schauen in die Offline-Röhre.

Online-Spaß für fast alle

    

Fazit

Wenn FIFA nicht diese immensen Verkaufserfolge verbuchen würde, könnte es einem schon fast Leid tun. Da investiert EA jedes Jahr harte Lizenzen, viel Herzblut und Optikpower in sein Fußballspiel und am Ende werden immer die Japaner gefeiert. Am Ende bleibt man immer nur Zweiter. Vielleicht nicht in Sachen Gewinn, aber in Sachen Qualität. Bei den Asiaten rollt der Ball einfach auf magische Art und Weise ins Herz der Fans. Alles wirkt runder, intuitiver und abwechslungsreicher. Aber man kann dem kanadischen Entwickler-Team nicht vorwerfen, dass sie es nicht versuchen würden. Und dieses Jahr haben sie tatsächlich ein Stilmittel gefunden, das ihr Fußballspiel aufwertet: das First Touch-System. Es bereichert den Titel um eine elegante Note. Auch die Flanken sind jetzt gefährlicher und die Ballphysik wurde etwas aufgepeppt. Jeder, der schnell und ansehnlich zum Goalgetter avancieren will, kann zugreifen. Trotzdem wird auf lange Sicht klar, dass man auch dieses Jahr nicht an die Hitqualitäten eines Pro Evolution Soccer 4 herankommt: der Spielaufbau ist zu pomadig, die Schüsse wirken immer noch zu raketenhaft, die Ecken sind grausam statisch, die defensive KI enttäuscht mit Lethargie, die offensive KI stößt zu selten in den freien Raum vor und man schießt viele gleiche Tore. FIFA 2005 ist dennoch ein gutes Fußballspiel, das zwischendurch richtig Spaß macht und weit über dem Niveau eines TIF 2005 oder Club Football 2005 rangiert! Vor allem, da man auf PC, PS2 und Xbox auch online loslegen kann.

Pro

  • tolle Atmosphäre
  • freiere Einwürfe
  • klasse Animationen
  • guter Spielereditor
  • freier Trainingsmodus
  • coole First Touch-Finten
  • neue Pässe in die Tiefe
  • endlich wieder mit Radar
  • knackige Manager-Karriere
  • 12.000 lizenzierte Fußballer
  • 20 Ligen & 40 Nationalteams
  • Online-Modus (PC, PS2, Xbox)
  • schöne Flankenwechsel möglich
  • fotorealistische Spielergesichter
  • fernsehreife Wiederholungen
  • zweiter Verteidiger aktivierbar
  • 350 offizielle Vereins- & Liga-Lizenzen

Kontra

  • viele gleiche Tore
  • statisches Eckensystem
  • keine Trainingsaufgaben
  • Spielaufbau zu pomadig
  • kein echtes Pressing
  • Freistöße zu raketenhaft
  • schwache Kommentatoren
  • wenig authentische Ballphysik
  • einige hässliche Jubeltexturen
  • kein Online-Modus (GameCube)
  • wenig überzeugende Offensiv-KI
  • Off the Ball-Kontrolle zu umständlich
  • nur 5 Mann im Freundschaftsspiel zum Auswechseln
  • Managermodus für Profis zu oberflächlich

Wertung

PlayStation2

XBox

PC

GameCube