Pro Evolution Soccer 4 - Test, Sport, PlayStation2, PC, XBox

Pro Evolution Soccer 4
14.10.2004, Mathias Oertel

Test: Pro Evolution Soccer 4

Die Bundesliga ist in vollem Gange und auch auf der PS2 beginnt mit dem Release von Pro Evolution Soccer 4 (ab 29,99€ bei kaufen) der erneute Kampf um die Meisterschaft. Kann der alte Champion auch dieses Jahr seine Duftmarke setzen? Konnte das Spielgefühl nochmals verbessert werden? Nach nahezu zahllosen Partien finden wir im Test die Antworten!

PES 4 bietet nicht nur eine verbesserte Grafik, sondern vermittelt Dynamik und Dramatik wie nie zuvor.
Und spontan fielen uns all die neuen Features ein, die im Lauf der letzten Zeit ans Tageslicht gekommen sind: Was bringt der sichtbare Schiedsrichter für die Atmosphäre? Wie wirken sich die Lizenzen auf die Motivation aus? Hat Konami die Ballphysik wirklich nochmals verbessern können? Wie sieht es mit der KI aus? Sorgt die Meisterliga immer noch für die entsprechende Langzeitmotivation?

"Mach das Paket auf!"

Im Laufe des letzten Jahres hat uns Pro Evolution Soccer 3 nahezu jede Mittagspause versüßt. Dementsprechend groß war die Freude und Erwartungshaltung, als das Paket mit dem Nachfolger PES 4 in der Redaktion eintrudelte.

Und während uns diese Gedanken durch den Kopf strömten, waren wir vergeblich auf der Suche nach einer Schere, so dass schließlich der Haustürschlüssel zum gewaltsamen Öffnen des Paketes herhalten musste, bevor die PES 4-Disc endlich in die PS2 wanderte.

Nachdem wir das ansprechend präsentierte Hauptmenü durchgegangen sind, konnten wir erleichtert feststellen, das alle Spielmodi, die schon in PES 3 enthalten waren, auch hier wieder integriert wurden: Neben den obligatorischen Freundschaftsspielen findet sich die Meisterliga (dazu gleich mehr), nationale Ligen, diverse Pokale und Training mit Herausforderungen.

Das Umfeld stimmt

Training? Brauchen wir nicht – wir haben ja PES 3 ewig und drei Tage gespielt. Also gleich auf den Platz. Doch schon bei der Mannschaftsauswahl fiel uns bei den Club-Teams positiv auf, dass bei allen Ligen, die nicht wie Spanien, Italien und Holland die offizielle Lizenz präsentieren können, sich die Mannschaftsnamen zwar nicht mit der Realität decken, die Spieler auf nationaler Ebene jedoch alle mit Original-Namen und teilweise sehr gut erkennbar auftauchen.

Starspieler wie Nedved sind klar zu erkennen - bei vielen anderen ist jedoch nur ein ungefährer Erkennungsfaktor festzustellen.
Auf internationaler Ebene sieht es etwas anders aus: Hier braucht man schon viel Fantasie und ein wenig Fußball-Kenntnis, um die hieroglyphischen Namen den realen Fußballern zuzuordnen.

Doch da der Editor gleich mitgeliefert wird und sich die nötigen Veränderungen nur auf Team- und sporadisch Spielernamen beschränken, muss man wesentlich weniger Arbeit investieren, wenn man auch im deutschen Nationalteam mit Ballack, Kuranyi und Co antreten will.

Bereits mit den ersten Ballberührungen wird klar, dass die Steuerung zwar altbekannt belegt ist, das überarbeitete Pass-System jedoch eine neue Eingewöhnung erfordert. Der Clou: Konami setzt die Analog-Fähigkeit der Knöpfe zielsicher ein und gibt euch erweiterte Möglichkeiten in die Hand. Soll heißen: ein kurzer Druck auf die jeweilige Taste spielt einen relativ sicheren flachen Pass, hohen Ball oder Pass in den freien Raum. Drückt ihr jedoch stärker, wird auch das Abspiel stärker und damit risikoreicher.   

Alles beim Alten?

Zudem sind die Statistikwerte jedes Spielers in diesem Bereich deutlich zu spüren. Ein technisch versierter Fußballer wird weniger Probleme haben, einen stärker gespielten Pass zu erreichen und sicher anzunehmen als einer, dessen Stärken eher im Zweikampfverhalten liegen.         

Autsch! Die ausgefeilten Animationen lassen einen bei Fouls mitleiden!
In diesem Zusammenhang muss man auch die nochmals verbesserte Ballphysik erwähnen: Derart realistisch ist das runde Leder bislang in noch keinem Spiel in Szene gesetzt worden. Selbst kleine Unebenheiten auf dem Platz scheinen die Entwickler einfließen zu lassen und das Gewicht des Balles wird in allen Situationen akkurat vermittelt.

Doch so klein diese Änderung scheinbar auch sein mag, so sehr sorgt sie auf dem Platz für einen dynamischen und dramatischen Schlagabtausch, dessen Spielgefühl sich kaum noch in Wort fassen lässt.

So ist das Toreschießen natürlich ebenfalls etwas schwerer geworden, was nicht nur an den besser mitspielenden und reagierenden Torleuten liegt. Denn die Schüsse werden ebenfalls deutlich feinfühliger über den sensiblen Druck auf die Schusstaste gesteuert und sind zudem deutlich spürbar abhängig von Position des Spielers, seinen Fähigkeiten und nicht zuletzt auch, wie unbedrängt er den Torversuch ansetzen kann.

Doch die ganzen Verbesserungen in punkto Pass-Variationen und Physik wären nur halb so viel wert, wenn sich die KI sowohl im Angriff als auch in der Abwehr nicht ebenfalls stark verbessert zeigen würde.

Die eigenen Mitspieler suchen freie Räume, bieten sich zum Abspiel an und die Verteidiger machen genau diese Räume eng und spielen ihren Eigenschaften entsprechend gut mit.

Die Zeiten, in denen die Schiedsrichter wie in Teil 3 die Vorteilsregel pfeifen und bei einem entstehenden Nachteil weiterlaufen lassen sind vorbei. Und auch die unzähligen merkwürdigen Handspiele, die in PES 3 gepfiffen wurden, gehören der Vergangenheit an.

Schiri auf dem Platz

Die ausgeklügelte Ballphysik überzeugt mehr denn je und sorgt immer wieder für neue Situationen.
Insofern wird nicht nur durch den mittlerweile auf dem Platz dargestellten Schiedsrichter der Eindruck erweckt, dass tatsächlich ein fähiger Referee anwesend ist.

Mittlerweile wird der Vorteil wirklich abgepfiffen, wenn sich ein Nachteil aus der Spielsituation ergibt und Handspiel ist uns in den umfangreichen Testsessions nicht ein einziges Mal begegnet.

Doch auch sonst wurde viel an der Atmosphäre gearbeitet: Auswechslungen werden nicht nur durch Einblendungen der Namen, sondern auch optisch dargestellt. Und das i-Tüpfelchen bilden die verletzten Spieler, die erst einmal an der Seitenlinie behandelt werden, bevor festgestellt wird, ob sie weiterspielen können oder ausgewechselt werden müssen – klasse!

Und das Gefühl, wenn nach einem Tor urplötzlich der Linienrichter mit der Fahne winkt und das Tor nach einiger Diskussion doch noch aberkannt wird, lässt sich kaum beschreiben.

Das Highlight bildet jedoch wie letztes Jahr die Meisterliga, in der sich auf den ersten Blick nur die Menüführung geändert hat, die übersichtlich und gut zu navigieren ist.  Doch trotzdem ist auch hier ein Fortschritt zu spüren. Denn Spieler, die auf dem Platz ansprechende Leistung abliefern, werden mit einem Erfahrungspunkte-System belohnt, das einen Anstieg ihrer Fähigkeiten nach sich zieht.    

Was darfs denn sein?

Damit die vorbildlichen Spielmechaniken nicht ungenutzt bleiben, könnt ihr euch mit den diversen Pokalen und Ligen sowie dem Training gleich dutzendweise die Wochenenden und Nächte um die Ohren schlagen.

So seid ihr nicht nur auf den übersichtlichen Transfermarkt angewiesen, um eure Mannschaft zu verstärken, sondern könnt durch behutsamen Aufbau eurer Talente ein Team zusammenstellen, dass um die Meisterkrone mitspielen kann.

Der neue indirekte Freistoß gibt noch mehr Variationsmöglichkeiten.
Allerdings solltet ihr noch stärker als im Vorjahr auf die Fitnesswerte achten. Sowohl im Spiel als auch über den Saisonverlauf hinweg erschöpfen die Spieler stärker als im letzten Jahr, so dass ihr notgedrungen einen ausgeglichenen Kader benötigt, um während der Matches für Auswechslungen und ansonsten für eine Rotation sorgen zu können, ohne ins Hintertreffen zu geraten. Insofern ist auch von dieser Seite eine lang anhaltende Motivation garantiert.

Doch auch das Figurendesign wurde aufgepeppt. Starspieler wie Michael Ballack, Ronaldo usw. sind fast fotorealistisch getroffen und eindeutig identifizierbar. Dafür allerdings gibt es auch haufenweise Spieler, die ihren Vorbildern zwar ähnlich sehen, aber aus einem Texturpool geschöpft wurden, der frappierend an letztes Jahr erinnert. Doch trotz dieses immer noch vorhandenen Mankos ist ein deutlicher Fortschritt spürbar.

Natürlich bietet sich PES 4 auch weiterhin für gepflegte und spannende Mehrspieler-Duelle an, wobei leider anzumerken ist, dass im Vergleich zur für November vorgesehenen Xbox-Fassung keine Möglichkeit besteht, online gegeneinander anzutreten.

Grafisch aufgepeppt

Abgesehen von den Zuschauern, die hässlich wie eh und je ihr Dasein auf den Tribünen fristen, hat sich Konami gewaltig ins Zeug gelegt, um sich auch in punkto Optik langsam an die FIFA-Serie anzunähern.

Besonders hervorzuheben ist die umfangreiche Animations-Bibliothek, die jederzeit mit flüssigen und filigranen Bewegungen glänzen kann.

Aus Holland, Spanien und Frankreich gibt es echte Ligen. In Deutschland z.B. müssen aber nur die Teamnamen editiert werden - die Spieler sind alle original!
Die mehr als 25 Stadien wurden ebenfalls gut in Szene gesetzt und bieten einen ansprechenden Hintergrund für die heißen Fußball-Duelle.

Uns ist zwar vollkommen unerklärlich, wieso das Ruckeln beim scheinbar schwächeren 50 Hz-Modus nicht auftaucht, doch letztlich ist dies auch egal. Denn die PAL-Anpassung ist gut gelungen und ist nur durch kleine Balken erkennbar, die auf einem 16:9-Fernseher z.B. gar nicht zu sehen sind.

Als fanatische Vertreter der 60 Hz-Fraktion waren wir allerdings schockiert, dass die an sich überzeugende Spielgeschwindigkeit bei vielen Standard-Situation (allen voran Ecken) in der Weitwinkel-Kamera zu einer kleinen Ruckelorgie verkommt.

Da diese Kamera erfahrungsgemäß von vielen Spielern wegen ihrer Übersicht geschätzt und verwendet wird, nahm die Fassungslosigkeit kein Ende.

Doch es gibt zwei Lösungen. Erstens: Man schaltet auf eine etwas dichtere Kamera, was die Hardcore-Spieler sicherlich nicht befriedigen wird.

Insofern dürfte die zweite Variante auf breite Zustimmung stoßen: Einfach statt im 60 Hz-Modus zu spielen auf 50 Hz schalten und das Problem gehört der Vergangenheit an.

Ein Punkt, in dem PES der FIFA-Serie immer hinterher hechelte, war die Akustik. Im Bereich der Zuschauer ist man zwar immer noch zweiter (obwohl die Fans auf den Tribünen deutlich besser und lautstärker mitfiebern), doch die deutschen Kommentare sind dieses Jahr so gut wie nie zuvor. Das Sprecherduo liegt in etwa 95 Prozent der Fälle mit ihren Aussagen richtig und fiebert mit wie Werner Hansch in seinen besten Zeiten. Insofern dauert es im Vergleich zu den Vorjahren extrem lang, bis man der Kommentare überdrüssig wird.

Da hört man hin

An der übrigen Akustik gibt es erfahrungsgemäß wenig zu mäkeln: Die Ballgeräusche passen wie die Faust aufs Auge und musikalisch gibt es während der Menüs und Wiederholungen erfreulich unnervige Gitarrenmelodien, die sich ins Ohr säuseln.    

Fazit

Konami es tatsächlich geschafft, die Serie an allen Ecken und Enden zu verbessern – wenn man einmal das üble Ruckeln im 60 Hz-Modus außer Acht lässt. Und wieder einmal sind die Veränderungen so stark, dass selbst PES 3-Veteranen trotz der weitestgehend identischen Steuerung eine gewisse Eingewöhnungszeit benötigen. Ballphysik, Laufverhalten der Spieler und die KI im Allgemeinen wurden nochmals aufgebohrt, so dass sich schon nach kurzer Zeit ein äußerst realistischer Kick auf den Bildschirm zaubert. Natürlich findet durch diese Änderungen der PES-Einsteiger noch schwerer ins Spiel, doch sobald man sich an alles gewöhnt und sich im Training mit allen Finessen vertraut gemacht hat, nimmt der Spaß auch für Serien-Anfänger kein Ende. Dass die deutschen Vereine im umfangreichen Editor nachbearbeitet werden müssen und im Gegensatz zu den Clubs aus z.B. Italien und Spanien keine offizielle Lizenz vorliegt, kann verschmerzt werden. Denn dafür erspart ihr euch die Arbeit der Spieler-Editererei: auch die deutschen Teams sind mit den originalen Spielern besetzt. In punkto Präsentation ist Konami zwar immer noch nur guter Zweiter, doch spielerisch hebelt das Studio aus Tokyo die Serie auf ein Niveau, das der Konkurrenz den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte. Und bei der nächsten Auflage gibt es bitte schön auch einen Online-Modus für PS2-User…

Pro

  • zahlreiche Ligen
  • beispielhafte Ballphysik
  • gute KI
  • sichtbarer Schiedsrichter
  • überarbeitete Master-Liga
  • original Spielernamen
  • guter Editor
  • klasse Steuerung
  • realistisches Spielgefühl
  • indirekte Freistöße
  • diverse Spielmodi
  • umfangreiche Statistiken
  • gute PAL-Anpassung
  • über 25 Stadien
  • über 4500 Spieler
  • umfangreiche Wiederholungsoptionen
  • passende Kommentare

Kontra

  • üble Ruckler bis zur Zeitlupe (60 Hz-Modus)
  • teilweise ohne Lizenz
  • spröde Zuschauerakustik
  • hässliche Zuschauer-Pappkameraden
  • viele nicht erkennbare Spielergesichter
  • kein Online-Modus

Wertung

PlayStation2

Langsam wird`s unheimlich: Wo soll diese Fußball-Evolution hinführen? Reicht da auf Dauer die 100%-Skala?