Call of Duty: United Offensive - Test, Shooter, PC

Call of Duty: United Offensive
22.10.2004, Paul Kautz

Test: Call of Duty: United Offensive

Haut das CoD-Add-On selbst gestandene WW2-Recken aus den Socken?

Neues Jahr, neues Glück: Vor ziemlich genau elf Monaten konnte uns Call of Duty nicht restlos begeistern. Ob das Add-On das schafft, was dem Hauptprogramm nicht gelang? Wir haben uns von den Ardennen bis nach Kursk durchgekämpft, um mit militärischer Präzision nachzuforschen.

Genau wie Call of Duty folgt auch United Offensive dem Credo des Multifrontenkriegs: So beginnt ihr als amerikanischer Soldat in der Schlacht in den Ardennen, wechselt dann als Brite an die Küste Siziliens, und landet im letzten Spieldrittel als Russe im Gemetzel um Kursk. Insgesamt erwarten euch 13 Missionen, die ihrerseits noch in bis zu 14 kleinere Aufträge unterteilt sind.

Im Osten nichts Neues

Das Missionsdesign ist zwar abwechslungsreich wie eh und je, bietet aber keine Überraschungen: Ihr müsst Gebäude oder Städte sichern, Artilleriestellungen zerstören, einen Panzerangriff abwehren oder eine Brücke mit Sprengsätzen verzieren, die dann im richtigen Moment aktiviert werden. Gelegentlich findet ihr

Am Geschütz eines Bombers haltet ihr die deutschen Jäger fern.
euch auch an Bord eines kleinen Schiffes oder im Heck eines brummeligen B-17-Bombers wieder, wo ihr dann das stationäre MG heißlaufen lasst. Kleinere Touren an Bord eines Panzers runden das Frontprogramm ab.

Eine weitere aus Call of Duty übernommene Eigenart ist die extreme Linearität der Levels: Es gibt immer genau einen Weg zum Ziel, auf den ihr auch immer wieder zurückgeführt werdet – oft genug mittels unlogischer und unsichtbarer Mauern. Warum kann ich z.B. nicht von einer halb zerstörten Brücke ins Wasser hüpfen und mich den Feinden von der Seite nähern, und werde statt dessen gezwungen, mitten durch das gegnerische Feuer zu laufen? Netterweise seid ihr nie allein, sondern immer in der Gruppe unterwegs, die dank heftigem Scripting auch ziemlich gute Distanzkämpfer bietet. Nur auf nähere Entfernung offenbaren sowohl Freund als auch Feind ihre künstliche Dummheit: Oft genug sieht man zwei Krieger, die sich auf wenige Meter gegenüber stehen und fleißig feuern, sich aber einfach nicht treffen.

Künstliche Lemminge

Wer denkt, dass er einfach die KI für sich kämpfen lassen kann, irrt sich mächtig: Zum einen wachsen Gegner stetig nach, bis ihr (und nicht ein virtueller Kämpfer) bestimmte Zonen erreicht. Zum anderen werden Feiglinge über kurz oder lang automatisch tödlich getroffen – so erzwingt

Die dicken Explosionen wirbeln ordentlich Staub und Dreck auf.
United Offensive Aktivitäten des Spielers. Habt ihr ins Gras gebissen, erwarten euch die üblichen Zitate großer Denker oder Kriegsherren wie Bertold Brecht oder Napoleon.

Auch optisch bleibt das Add-On dem Hauptprogramm sehr treu, allerdings mit einigen Verbesserungen: Z.B. erzeugen Granaten- oder Bombeneinschläge beeindruckende Explosionen mit ebenso beeindruckenden Rauchwolken, die die Sicht kurzzeitig verkleistern. Schön glitzerndes Wasser und verbesserte Partikeleffekte erfreuen das Auge ebenso wie die detailliert ausgearbeiteten Figuren – die allerdings gelegentlich an der Grenze zur Lächerlichkeit animiert sind; im Gänsemarsch laufende Soldaten sehen unfreiwillig albern aus. Auch die teilweise sehr kantigen Levels, die darüber hinaus mit Ausnahme von gescripteten Szenen kaum interaktiv sind, wirken nicht mehr zeitgemäß. Erstaunlicherweise sind trotzdem die Hardwareanforderungen happig; selbst moderne Maschinen oberhalb der 3 GHz geraten gelegentlich ins Stottern.

Licht und Schatten

Akustisch gibt es hingegen wie gehabt keinen Grund zur Klage: Alle Beteiligten melden sich in gut verständlichem Deutsch zu Wort, für alle Leseratten gibt es außerdem noch Untertitel. Während des Einsatzes dröhnt euch dramatische Orchestermusik entgegen; der wahre Knaller sind jedoch, durchaus wörtlich, wieder mal die Soundeffekte: es kracht, es scheppert, es wummert, es bebt – besonders

Ihr seid oft Beifahrer - hier ballert ihr einem britischen Kollegen den Weg frei.
die russische Kampagne ist akustisch extrem intensiv. Entsprechende Hardware vorausgesetzt, rumpelt es natürlich auch dreidimensional um euch herum, was speziell während der B-17-Mission einfach unglaublich realistisch klingt.

Einer der Schwachpunkte von Call of Duty war der sehr durchschnittliche Mehrspielermodus, woraufhin der neue Entwickler Gray Matter in United Offensive besonders stark den Verbesserungs-Hebel angesetzt hat: Euch erwarten jetzt satte neun Spielmodi, von denen drei neu sind, und die das Add-On besonders im »Domination«-Modus etwas an Battlefield 1942 annähern. Frisch gebacken sind auch die Fahrzeuge, die ihr jetzt via LAN oder Internet nutzen dürft – und auch solltet, schließlich sind die elf mitgelieferten Karten um einiges größer als gehabt. Sonst ändert sich nicht viel, ihr habt dieselben Waffen und auch Beschränkungen wie im Solospiel: Maximal zwei Hauptknarren, dazu eine Pistole und ein paar Granaten. Ist die Munition aufgebraucht, oder findet ihr eine Waffe, die euch besser gefällt, könnt ihr jederzeit einen Austausch tätigen.

Mehrspielerfreuden

Zum Spielen wird natürlich das Hauptprogramm in der Version 1.4 benötigt – der Patch wird praktischerweise gleich mitgeliefert. Um die Parallelen zum Hauptprogramm nicht abzuschwächen, ist auch das Add-On wieder sehr kurz geraten: Trotz sehr langer Ladezeiten solltet ihr nicht sehr viel länger als sechs Stunden mit United Offensive beschäftigt sein.    

Fazit

Okay, es ist ein Add-On, aber das sollte dem Hauptprogramm normalerweise nicht derart ähnlich sein, dass ich den damaligen Test praktisch abschreiben könnte, und keiner den Unterschied merken würde. Handwerklich macht United Offensive nichts verkehrt: Die Schlachten sind nicht zuletzt dank massig gescripteter Sequenzen toll inszeniert, atmosphärisch dicht verpackt und abwechslungsreich genug. Und es spricht für eine Erweiterung, dass sie vom Spielumfang an das Hauptprogramm herankommt. Nur: Schon Call of Duty konnte das WW2-Shootergenre nicht um eine neue Idee bereichern. Und auch United Offensive präsentiert sich derart ideenlos und konservativ, dass ich schreien könnte. Es macht nichts wirklich falsch, es käut nur alles bereits restlos Bekannte noch mal wieder – wem es nichts ausmacht, dasselbe Spiel wieder und wieder zu zocken, wird mit dem Add-On zweifellos seine Freude haben. Wer genug virtuelle zerbombte Städte gesehen hat, sollte sich sein Geld lieber für kommende Perlen wie Medal of Honor: Pacific Assault aufheben, die nicht nur endlich mal ein neues Szenario präsentieren, sondern auch die Spielidee technisch intelligent fortführen.

Pro

  • sehr intensiv
  • hervorragende Scriptsequenzen
  • sehr gute Sprachausgabe
  • super Soundeffekte
  • exzellente Musik
  • angenehm unterschiedliche Kampagnen
  • verbesserte Mehrspielermodi

Kontra

  • teilweise veraltete Optik
  • schwache KI
  • ausgelutschtes Spielkonzept
  • bekanntes Missionsdesign
  • recht kurz
  • extrem linear
  • künstliche Schlachtfeldbegrenzung
  • kaum Interaktion mit der Umgebung
  • streckenweise langweilig
  • gelegentlich alberne Animationen
  • keine zusammenhängende Story
  • heftige Hardwareanforderungen

Wertung

PC

Atmosphärisch dichtes, spielerisch altbekanntes Add-On zu Call of Duty.