Viewtiful Joe - Test, Arcade-Action, PlayStation2, GameCube

Viewtiful Joe
24.10.2004, Mathias Oertel

Test: Viewtiful Joe

Vor gut einem Jahr sorgte ein kleiner, unscheinbarer Superheld namens Viewtiful Joe (ab 24,95€ bei kaufen) auf dem GameCube für Furore und kassierte mit seinem Retro-Gameplay in moderner Optik unseren Platin-Award. Und auch für PS2-User können mit dem Zeit manipulierenden Prügelmeister losziehen. Hat der Zahn der Zeit an Joe genagt oder legt der Spielspaß wieder einmal Überstunden ein? Der Test verrät die Antwort!

Eigentlich bräuchte man zu dem Phänomen Viewtiful Joe nicht mehr viel sagen. Der Zeit manipulierende und wild um sich schlagende Superheld hat vor gut einem Jahr den GameeCube aus seiner Lethargie gerissen und eine große Fangemeinde um sich geschart, die derzeit heißhungrig auf die Fortsetzung wartet.

Das Spielprinzip ist gleich, doch mit "Devil May Cry"-Dante ist ein neuer PS2-exklusiver Charakter hinzu gekommen.
Doch da der Titel in der schnelllebigen Softwarewelt bei einigen durchaus in Vergessenheit geraten sein könnte und andere der PS2-User möglicherweise selten über den System-Tellerrand schauen, laden wir euch auf einen kleinen Abstecher dorthin ein, wo alle Weltretter ihre ersten Schritte unternehmen… ins Kino!

Erklärungsnot?

Mit seiner Freundin im Kino sitzen und japanische Superhelden-Filme mit Captain Blue anschauen, ist für Joe das Größte. Doch dass Captain Blue geschlagen und zudem noch die Leinwand lebendig wird und ein fieses Monster seine Freundin in die Filmwelt entführt, hätte sich unser irgendwie an Limp Bizkit´s Frontmann Fred Durst erinnernde Joe sicherlich nicht im gewagtesten Traum einfallen lassen.

Alles gut im Movie-Land?

Schön zu sehen, dass selbst harte Action-Helden Sinn für Humor haben.
Retro ohne Rost

Doch Hilfe naht von Captain Blue, der Joe ebenfalls ins Movie-Land saugt und ihn unter seine lehrende Fittiche nimmt, um einen Superhelden aus ihm zu machen.

Ausgerüstet mit übermenschlichen Kräften und der Fähigkeit, die Zeit zu manipulieren, nimmt Viewtiful Joe den Kampf auf...

Im Kern ist Viewtiful Joe "einfach" ein seitlich scrollendes Prügelspiel. Doch nachdem Capcom bereits mit Spielen wie Devil May Cry gezeigt hat, dass man sich nicht damit zufrieden gibt, alte Spielelemente aufzuwärmen, hat man sich einige kleine Tricks einfallen lassen, die Joes Abenteuer deutlich von allen bisherigen Genre-Vertretern abheben.

Und das, obwohl Joe eigentlich nur drei Manipulationsarten sein Eigen nennt: Zum einen kann er die Zeit langsamer ablaufen lassen. Dadurch kann er eindrucksvolle Schlagkombinationen aufs Parkett legen und in bester Matrix-Manier abgefeuerten Projektilen ausweichen.

Zwar hat unser rot gekleideter Superheld Art nur die Möglichkeit, zu schlagen, zu treten und zu springen, aber zusätzlich kann Joe noch mit seiner VFX-Uhr die Zeit manipulieren.

Und prompt kommt ein innovatives Spielelement hinzu, das für einen massiven Motivationsschub sorgt.

Zeit-Manipulation

Denn nicht nur, dass es grafisch äußerst eindrucksvoll in Szene gesetzt wurde – auch das spielerische Element erfährt dadurch eine vollkommen neue Ebene.

     

Wer die Zeit verlangsamen kann, hat natürlich auch die Möglichkeit, die Uhr schneller ticken zu lassen. Und urplötzlich sehen die auf Joe zustürmenden Gegner kein Land mehr. Denn bevor sie sich versehen oder gar einen Schlag loslassen können, hat Joe sie mit seinem Trommelfeuer aus Angriffen schon in alle Einzelteile zerlegt. Und wer es geschickt anstellt, kann Joe auf diese Weise sogar mit einer Flammenaura versehen, die den Gegnern zusätzlich einheizt.

Der Comic-Look passt wunderbar zum Retro-Spielprinzip und überzeugt mit coolen Effekten und feinem Gegner-Design.
Und zu guter Letzt kann sich Joe noch ins Geschehen hineinzoomen, wodurch weitere eindrucksvolle und für die Feinde höchst zerstörerische Attacken möglich sind.

Einen großen Reiz erhalten diese neuen Angriffstaktiken durch die vielfältige Gegnerauswahl und vor allem die Bosskämpfe, die den gezielten Einsatz der neuen Fähigkeiten verlangen. Denn einerseits lassen sich die wunden Punkte, die man im Angriffsschema der Gegner und Bosse findet, nur in einem bestimmten Kampfmodus effektiv ausnutzen. Und zum anderen bringen Euch erst ausufernde Kombos die für den Erwerb von Power-Ups benötigten "Viewtifuls".

Die richtige Wahl

Da die Spezialfähigkeiten jedoch Energie konsumieren, deren Leiste sich unter normalen Bedingungen immer wieder auflädt, solltet ihr vorsichtig mit ihrem Einsatz sein und voraus denkend an die Sache heran gehen. Und ihr solltet tunlichst darauf achten, alle in den umfangreichen Abschnitten versteckten Items aufzusammeln.

Euer Lehrer naht, um euch eine weitere Nachhilfestunde zu geben.
Denn so könnt ihr nicht nur Eure Gesundheitsleiste wieder auffüllen, sondern nach und nach auch die VFX-Anzeige verlängern.

So könnt ihr z.B. neue Lebenspunkte erwerben, neue Angriffstechniken lernen oder euch Waffen anschaffen, um sie den Gegnern entgegen zu schleudern.

Und als ob das alles alleine nicht schon ausreichen würde, um die Spieler langfristig zu motivieren, gibt es auch noch feine Rätseleinlagen. Selbstredend spielen die VFX-Effekte auch hier eine entscheidende Rolle: Plattformen heben und senken sich je nach Zeitlupe oder Hypergeschwindigkeit. Und ein mit Raketendüsen versehener Bus (Spoiler-Warnung) hat es deutlich leichter, seinen Antrieb zu zünden, wenn man ihm im richtigen Moment die Zeit dafür gibt.

Und oben drauf gibt es für die PS2-User nicht nur einen günstigen Preis, sondern mit dem aus Devil May Cry bekannten Dante einen Bonus-Charakter, der ein nochmaliges Durchspielen zur Pflichtveranstaltung macht. Mit seinen Pistolen-Angriffen und seinen durchschlagenden Schwertattacken ist das Spiel zwar nicht mehr ganz so fordernd wie mit Joe, doch wen kümmert´s? Der Spaßfaktor ist in einigen Momenten sogar höher als mit dem ursprünglichen Hauptcharakter.

Fast in jedem Abschnitt findet man Futter für die kleinen grauen Zellen - eine höchst willkommene Pause von der intensiven Action.

  

Unter dem Strich bleibt nur eines festzuhalten: Wer an Viewtiful Joe achtlos vorbei geht, ist selber schuld. Denn so einfach das Spielprinzip im Kern ist, es ist fordernd, stets fair und überrascht immer wieder mit neuen Elementen und einfallsreichen Rätseln.

Man kann von Cel-Shading halten, was man will: Es gab nur einen Fall in der Spielegeschichte, in dem es so gepasst und qualitativ so gut umgesetzt wurde wie in Viewtiful Joe auf der PS2 – und das war in der GameCube-Version. Der B-Film-Touch wird durch die Comic-Grafik mit exzellenten und vielfältigen Animationen extrem gut transportiert und macht das Zuschauen zu einem wahren Vergnügen.

Comic par excellence

Denn bei all der Einfachheit, die man mit Comic-Stil verbindet, hat es Capcom geschafft, eindrucksvolle Effekte einzubauen.

Spielerisch (bis auf Dante) identisch, leidet die Grafik hin und wieder unter Schluckauf.
Allen voran natürlich die zahlreichen Specialmoves von Joe und seine Fähigkeit, die Zeit zu manipulieren. Vor allem in der Zeitlupe kann man die eleganten Bewegungen von Joe und seinen Gegnern in allen Einzelheiten studieren und genießen.

Allerdings ist die Umsetzung nicht ganz sauber: Vor allem in späteren Abschnitten kann es doch hin und wieder zu kleinen Slowdowns kommen. Diese wirken sich zwar nicht dramatisch auf das Gameplay aus, doch im Vergleich zur jederzeit flüssigen GameCube-Variante ist ein kleiner technischer Rückschritt zu spüren.

Auch die Entscheidung, den Helden durch eine eigentlich zweidimensionale Welt zu hetzen, die trotzdem mit gut platzierten 3D-Elementen angereichert wird, wurde wohlweislich getroffen und unterstreicht das Cartoon-Flair ungemein.

Akustisch präsentiert sich Capcoms neuester Mega-Held ebenfalls von seiner Zuckerseite. Die Soundeffekte passen wie die Faust aufs Auge, die Musik unterstützt unauffällig, aber extrem effektiv die Nonstop-Action und die Sprachausgabe ist schlichtweg grandios. Leider gibt es aber beim letzten Punkt einen kleinen Haken, der Abzüge in der B-Note nach sich zieht. Denn so klasse die Sprachsamples auch sind, werden sie nur Spieler mit Englisch-Kenntnissen vollends genießen können. Auf eine deutsche Synchronisation muss man wie seinerzeit auf dem Würfel verzichten. Stattdessen gibt es Untertitel, die wiederum sehr sauber übersetzt wurden – auch wenn nicht immer der Humor des englischen Originals erreicht wird. 

Cool, aber Englisch

Fazit

Auch auf der PS2 zeigt sich Joe als überzeugender Superheld, der mit seinem extravaganten Design und dem "Retro-ohne-Rost"-Gameplay für ungezwungenen, aber dennoch extrem fordernden Spaß sorgen kann. Dass der Titel trotzdem an dem Platin vorbei schrammt, das der GameCube kassieren konnte, liegt an technischen Unzulänglichkeiten: In späteren Abschnitten zeigt sich doch das ein oder andere Mal ein Ruckler, wo die GameCube-Variante weiterhin butterweich blieb. Dafür jedoch bekommen PS2-Spieler Devil May Crys Dante als Bonus-Charakter, der zusammen mit dem attraktiven Preis von etwa 30 Euro fast schon alleine als Kaufgrund ausreichen sollte. Das Spielprinzip ist zwar zugegeben nicht mehr das Neueste (immerhin ist die Würfelfassung schon ein Jahr alt), wurde aber kompromisslos auf die PlayStation 2 gepackt. Wer sich auch nur ein bisschen für clevere und darüber hinaus stylisch aussehende Action begeistern kann, sollte Joe zu sich nach Hause einladen.

Pro

  • fantastisch inszenierte Old School-Action
  • stets fairer, aber fordernder Schwierigkeitsgrad
  • Upgrade-Möglichkeiten
  • leicht zu erlernende Steuerung
  • feine Comic-Grafik
  • klasse Soundkulisse
  • fordernde Bosskämpfe
  • einfallsreiche Rätselelemente
  • 60 Hz-Modus
  • günstiger Preis
  • Dante als exklusiver Bonus-Charakter

Kontra

  • lahme Story
  • keine deutsche Synchronisation
  • ab und an Ruckler

Wertung

PlayStation2