Grand Theft Auto: San Andreas - Test, Action-Adventure, 360, XBox, PlayStation2, PC, iPad, Android, WindowsPhone7, iPhone

Grand Theft Auto: San Andreas
05.11.2004, Mathias Oertel

Test: Grand Theft Auto: San Andreas

Mit der GTA-Serie hat Rockstar Games einen Kult geschaffen, der weltweit für Begeisterung und klingelnde Kassen sorgt. Und so ganz nebenbei sorgten die Abenteuer in Liberty und Vice City dafür, dass Spiele endgültig in die Pop-Kultur aufsteigen konnten. Dementsprechend groß ist die Erwartungshaltung gegenüber Grand Theft Auto San Andreas. Kann das Gangsta-Abenteuer den Hype rechtfertigen und sich tatsächlich als DAS PS2-Spiel schlechthin präsentieren?

Größer sollte es sein, ausschweifender sollte es sein, für ein Action-Spiel vollkommen neue Ansätze sollte es bieten. In der Berichterstattung kam man nicht ohne Superlative aus, um Grand Theft Auto San Andreas zu beschreiben. Und mit jeder Zeile Information, die von Rockstar Games Preis gegeben wurde, fingen die GTA-Fans an, mehr zu sabbern als ein Pawlowscher Hund.

Wer mit so einem Friedensstifter durch die Gegend läuft, hat nur Freunde!
Hat sich all der Speichel wenigstens gelohnt? Ja, hat es. Denn ihr könnt euch an einem an (fast) allen Ecken aufpolierten Gameplay-Erlebnis erfreuen, dass neue Maßstäbe setzt.

Grand Theft Auto XL

Dass sich San Andreas wie die Vorgänger auch des gleichen Spielprinzips bedient, ist keine Überraschung. Immer noch habt ihr eine immense Freiheit, ein offenes Missionsprinzip und zahlreiche Nebenaufgaben. Daher finden GTA-Veteranen schnell ins Spiel. Aber auch Neueinsteiger (ja, die soll es geben) werden unheimlich schnell in den Sog von Freiheit, Gewalt und Gang-Leben gezogen.

Mit ein Grund dafür ist die jederzeit überzeugende Story, die clever erzählt wird und ihre Atmosphäre nicht nur durch das gute Skript, sondern auch durch die fantastischen Sprecher aufbaut. Das Gang-Leben, wie man es aus einschlägigen Filmen der 90er Jahre wie Colors – Farben der Gewalt oder Blood In Blood Out kennt, wird von den Stimmen authentisch eingefangen. Doch nicht nur der Hauptcharakter Carl Johnson (CJ) und seine Gang werden akkurat porträtiert. Selbst kleine Nebencharaktere wurden wunderbar besetzt und überzeugen mit lebendiger Gestaltung. Ist allerdings auch kein Wunder, verstecken sich hinter den Figuren doch z.B. Sprecher wie Samuel Jackson als korrupter Cop, Peter Fonda als Edelhippie und James Woods als vollkommen abgefahrener Agent einer geheimen Regierungs-Organisation.

Boyz N the Hood

NfS Underground lässt grüßen. Fernab der Story könnt ihr euer Geld investieren, um Autos zu tunen.
Doch zuerst einmal heißt es für CJ trauern: Nach fünf Jahren in Liberty City kehrt er in seine Heimat Los Santos im Staat San Andreas zurück, um seine Mutter zu beerdigen, die umgebracht wurde.

Doch kurz nachdem er angekommen ist, wird ihm von Cops ein Mord angehängt. Und damit beginnt eine Reise, die ihn und euch vom verkommensten Viertel in Los Santos (angelehnt an Los Angeles) über die Küstenstadt San Fierro (San Francisco) bis nach Las Venturas (Las Vegas) führt, bevor er wieder nach Los Santos zurückkehrt.

Natürlich erwartet man von einem Spiel, das mit seinen abwechslungsreichen Landstrichen, diversen Kleinstädten und den drei Metropolen etwa sechs Mal so groß wie Vice City ist, ein umfangreiches Missionsdesign, das auch fernab der Story für die bekannt gute Langzeitmotivation samt Freiheitsfaktor sorgt.

Und mittendrin hagelt es ein Stakkato aus Verrat, Action, Liebe, Rache, fein eingesetztem Humor, Sex und Gang-Kriegen. Also genau der Stoff, aus dem zahllose Spielspaßträume gebaut werden.

Missionsflut

Und auch hier enttäuscht Rockstar nicht: Die Geschichte, die in etwa 40 bis 50 Stunden einnimmt, wenn man sich nur auf die Story-Missionen konzentriert, füllt die Fortschrittsanzeige bis rund um die 50 Prozent-Marke. Der Rest ist einfach nur Beigabe – aber was für eine: Die allseits bekannten und beliebten Fahrzeug-Missionen sind wieder vertreten, es gibt zahlreiche Gimmicks, die man finden und sammeln muss, der Auto-Im- und Export ist mit von der Partie und mit den waghalsigen Rennen alleine seid ihr Stunden beschäftigt.

    

In punkto Erzählweise hat Rockstar ebenfalls zugelegt: Hatte man bei Vice City bei einigen Missionen den Eindruck, dass sie zwar Spaß machen, aber für die Story weitestgehend unerheblich sind, zeigt sich hier ein rundum stimmiges Bild. Nahezu jede Aufgabe –ganz gleich, wann man sie angeht- passt nahtlos in den Erzählstrang, der die Reise durch San Andreas zusammen hält bis zum Schluss für Spannung und Überraschungen sorgt.

Die Straßen von San Fierro: Eines von insgesamt über 180 (!) Fahrzeugen in San Andreas.
Und so ganz nebenbei schließt sich der GTA-Kreis, wenn man etwa (Spoiler-Warnung!) den Helden aus GTA 3 trifft oder mit Kent Paul und Ken Rosenberg aus Vice City irgendwelche Deals laufen hat.

Und jedes Mal, wenn man glaubt, jetzt stelle sich etwas Leerlauf ein, holt Rockstar den Vorschlaghammer heraus und drischt euch entweder in der Story oder in der Missionsgestaltung einen weiteren Zweifel aus den Gehirnwindungen, dass es sich bei San Andreas nur um ein kleines Update mit größerem Spielgebiet handelt – so z.B. mit Stealth-Missionen, die eine leichte Anleihe bei dem ebenfalls von Rockstar produzierten Manhunt machen.

Im Vorfeld ebenfalls groß propagiert wurde die Charakter-Entwicklung von CJ, die tatsächlich leichte Rollenspiel-Einschläge in das Action-Spektakel bringt. Bei seiner Ankunft in Los Santos ist eure Figur ein durchschnittlich gebauter Afro-Amerikaner, der keinerlei Fähigkeiten besitzt.

Und nicht zuletzt finden sich immer wieder Icons, die beim Betreten eine Zwei-Spieler-Mission starten. Das kann zwar nicht einen kooperativen Multiplayer-Modus ersetzen, sorgt aber für angenehme Entspannung zu zweit.

RPG light

Und bringt ihr euer Pistolen-Geschick bis aufs Maximum, verlängert sich nicht nur die Schussweite, sondern ihr könnt auch in bester Gangsta-Manier mit zwei Knarren gleichzeitig im Anschlag durch die Gegend laufen.

Es gibt viel zu tun: Zahllose Nebenmissionen und Gimmicks wie Pool oder Basketball sorgen für grenzenlose Freiheit.
Dementsprechend könnt ihr in Fitness-Centern eure Ausdauer trainieren, um länger sprinten zu können, im Kraftraum arbeiten, damit eure Nahkampf-Angriffe effektiver sind und sogar neue Moves lernen.

Doch im Laufe der Zeit könnt ihr alle eure Fähigkeiten, angefangen von der allgemeinen Fitness über eure Fahrzeug-Kontrollmöglichkeiten bis hin zu den zahlreichen Waffen, steigern – meist durch aktiven Gebrauch.

Und natürlich bringt ein Fortschritt auch Vorteile mit sich: Steigert ihr z.B. euren Auto-Skill könnt ihr die Vehikel wesentlich leichter unter Kontrolle bringen, wenn sie ausbrechen sollten.

Bei alledem dürft ihr aber das Essen nicht vergessen. Wie? Essen? Keine Angst: GTA San Andreas ist keine Frittenbuden-Simulation. Denn die diversen Menüs, die ihr in den Fastfood-Ketten kaufen könnt, sorgen nicht nur für einen Fettzuwachs (der allerdings wieder abtrainiert werden kann), sondern füllen auch euren Energiebalken wieder auf, falls ihr aus den zahlreichen Gefechten nicht unbeschadet herauskommt.

Als Neuerung kann CJ als erster GTA-Charakter endlich schwimmen und tauchen. Und damit dieses Feature nicht untergeht, wurden auch einige Missionen darum gestrickt.

Zusammen mit diversen Klamottenläden, in denen ihr euch mit neuer Kluft und diversen Accessoires eindecken könnt, dem Besuch beim Friseur und im Tattoo-Studio habt ihr die Möglichkeit, CJ so weit zu personalisieren, wie es bislang in keinem Action-Spiel möglich war. Und das alles weitestgehend optional. Sicherlich macht es einen besseren Eindruck bei einem Date mit eurer Freundin, wenn ihr mit einem Edelzwirn ausgerüstet seid anstatt mit einem Billig-T-Shirt aus dem Grabbeltisch. Doch letzten Endes liegt es an euch. Ein weiteres Zeichen dafür, dass Rockstar das Freiheitsgefühl in Spielen neu definiert.

  

Doch man kann reden, so viel man will: Man kann einfach nicht alles beschreiben, was den Reiz von Grand Theft Auto San Andreas ausmacht. Und die zahllosen Spieler da draußen (die Verkaufszahlen in England sprechen für sich), die mit CJ sicherlich bereits zahllose schlaflose Nächte verbracht haben, werden zustimmen.

Die Städte sind ihren Vorbildern nachgebildet. Hier die Los Santos-Version des Capitol Records-Tower in L.A.


Die Freiheit nehm ich mir

Mit Gang-Kriegen, dem Erforschen der gigantischen Spielwelt, dem Erfüllen der jenseits der Hundertermarke liegenden Missionen, dem Kaufen von Eigenheimen und Flughäfen, dem Steuern von mehr als 180 (!) Fahrzeugen und dem Benutzen von mehr als 30 Waffen, hat man zwar alles Wesentliche angekratzt, doch das Spielgefühl lässt sich nicht in Worte fassen.

Jedes Fahrzeug steuert sich spürbar anders, die Zielerfassung wurde positiv verbessert, die elf Radiosender dröhnen euch mit lizenzierter Musik, zynischen Werbesamples und total abgefahrenen DJs zu und wer einmal den Sonnenaufgang in der Sierra Robada gesehen hat, wird seinen Zweitwohnsitz in San Andreas vermutlich nie mehr aufgeben.

Und über alledem habt ihr grenzenlose Freiheit. Ihr macht das, was ihr wollt, wann ihr wollt. Ihr wollt nur mal sehen, wie lange es dauert, eine Rundreise zu machen? Dann packt verdammt noch mal eure Koffer, klaut euch ein Auto und fahrt los. Ihr wollt mit der Story durchrauschen? Dann los! Man könnte noch zahlreiche Seiten füllen, wenn man alle Elemente auch nur ankratzen möchte...

Insofern hat es Rockstar geschafft, alle Erwartungen, die aufgebaut wurden, zu erfüllen – und noch eins draufzusetzen: GTA San Andreas ist ein spielerischer Action-Meilenstein, der zeigt, dass sich Kreativität und Kommerz nicht ausschließen müssen, gefüllt mit Gewalt, Humor, Sex, einem apothekenpflichtigen Suchtfaktor und einer perfekten Soundkulisse, die derzeit konkurrenzlos ist.

Gangsta 4 Life! Parallelen zu einschlägigen Filmen sind klar erkennbar und heben die Gesamtatmosphäre auf ein ungeahntes Niveau!
Grafikhighlight?

Sieht GTA San Andreas gut aus? Sind die Figuren gut animiert, mit schönen Texturen versehen und die Fahrzeuge samt überzeugenden (aber nicht gravierend das Fahrverhalten beeinflussenden) Schadensmodell auf Hochglanz poliert? Sind die Städte abwechslungsreich und mit eigenständigen Charakteristika versehen? Können die Landstriche dazwischen ebenso abwechslungsreich punkten? Gibt es Pop-Ups? Wie sieht es mit Rucklern oder Fade-Ins aus? Und gibt es womöglich Clipping oder Kameraprobleme?

Doch seien wir mal ehrlich: Sicherlich wäre es schön gewesen, wenn es Rockstar geschafft hätte, die angesprochenen grafischen Mängel zu beheben. Doch angesichts des gigantischen Umfangs sowie der minimalen Ladezeiten beim Betreten eines Hauses und Triggern einer Mission, nehmen sich die Mankos wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein aus.

Die Antwort auf alle diese Fragen lautet "Ja"!

Klar: Schöne Texturen und eine höhere Sichtweite (vor allem beim Fliegen) wären wünschenswert. Anti-Aliasing wäre ebenfalls eine sinnvolle Ergänzung in der Grafik-Bibliothek. Doch auch so zaubert das Grafikteam eine lebendige Welt mit Mondphasen, wunderschönen Sonnenaufgängen, Nebelwänden und einem optisch eindrucksvollen Regenfilter.

Upps, da ruckelt es schon wieder! Ist mir vollkommen egal – es sieht immer noch klasse aus! Und die Städte bersten vor Leben und verrückten Autofahrern. Aber es drückt die Gesamtwertung…  

Fazit

Kompliment an Rockstar North! Die Erwartungshaltung, die im Laufe des letzten halben Jahres durch die Berichterstattung geschürt wurde, wird vollends befriedigt. Angefangen von der Story über die glorreiche Soundkulisse bis hin zur gigantischen Spielwelt, die in punkto Größe selbst einige Rollenspiele in den Schatten stellt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Abwechslungsreiche Missionen, die allesamt wunderbar und glaubwürdig in die Story passen, werden ergänzt durch zahlreiche Nebenaufgaben, die einen Abstecher nach San Andreas auch nach den gut 40 bis 50 Stunden, die man für die Geschichte an sich braucht, lohnenswert machen. Insofern hätte sich CJs Abenteuer auch eine Wertung jenseits der 95 verdient. Doch die grafischen Mängel wie Ruckler, Pop-Ups und Fade-Ins verhindern Abstecher in höhere Dimensionen. Was bleibt, ist eines der inhaltlich durchdachtesten Action-Spiele der Softwaregeschichte, dass den Hype vollkommen rechtfertigt. Viel besser kann man nicht unterhalten werden.





San Andreas ist mit einem Wort am besten zu beschreiben: saugeil! Es gibt einfach kein anderes Spiel, welches so geschickt brillantes Missionsdesign mit einem fantastischen Freiheitsgefühl und coolen Charakteren verbindet. Hier bekommt ihr eine Spielewelt serviert, die diesen Namen auch verdient! Allerdings war ich nicht von Anfang an begeistert: Das dreckige Ambiente und die maue Grafik verleiteten mich dazu, etwas sehnsüchtig in Richtung der Vice City-Schachtel zu spähen. Dieser Moment der Schwäche hat allerdings nicht lange gedauert: Nach ein paar Missionen pfeift man auf die farbarmen und flimmernden Texturen, und sieht nur noch Hoods, Homies und Motherfucker. Und hört den genialsten Soundtrack, den es je in einem Spiel zu hören gab. Wer sich von San Andreas nicht freiwillig den Schlaf rauben lässt, muss entweder Actiongames oder Rapmusik hassen - alle anderen finden hier schlicht und ergreifend eines der besten Spiele aller Zeiten.

Pro

  • gigantische Spielwelt
  • abwechslungsreiche Missionen
  • jederzeit stimmige Story
  • überzeugende Steuerung
  • grandiose Sprachausgabe
  • cooler Soundtrack
  • feine Soundeffekte
  • über 30 Waffen
  • über 180 Fahrzeuge
  • Nebenaufgaben bis zum Abwinken
  • zahlreiche Gimmicks, Geheimnisse und Boni
  • fairer Schwierigkeitsgrad
  • Charakter-Entwicklung
  • gut funktionierende Zielhilfe
  • Hauptcharakter kann endlich schwimmen
  • diverse Zwei-Spieler-Missionen
  • viele kleine Insider-Gags
  • schöne Grafikeffekte
  • Ladezeiten nur beim Betreten von Häusern und bei Missionsstart
  • umfangreiche Statistiken

Kontra

  • grafische Mängel: Ruckler, Popups, Fade-Ins, Clipping
  • Fahrverhalten der KI nicht immer überzeugend
  • teilweise verwaschene Texturen

Wertung

PlayStation2