GTR - Test, Rennspiel, 360, PC

GTR
12.11.2004, Paul Kautz

Test: GTR

Es röhren die Motoren, es brennt die Luft - kann GTR der gestandenen Rennkonkurrenz den Auspuff zeigen?

Mit den heißesten Kisten über die schnellsten Strecken der Welt heizen – wer wünscht sich das nicht? GTR gibt euch dazu mehr als genug Gelegenheit: Dank offizieller FIA-Lizenz, großartiger Fahrphysik und perfektem Sound dreht ihr hier eure Runden realistischer als je zuvor. Aber macht der Technik-Overkill auch Spaß?

Das mit brachialer Musik unterlegte Intro führt schnurstracks in das ernüchternd leblose Hauptmenü, in dem nicht etwa Auswahlmöglichkeiten wie »Schnelles Rennen« oder »Optionen« warten, sondern »Arcade«, »Semi-Pro« und »Simulation« - nanu, was soll das denn sein? Die Antwort ist einfach: Nicht mehr und nicht weniger als die Möglichkeit, sich GTR maßgerecht auf den Rennspiel-Leib zu schneidern.

Eines für alle

Fahrschüler finden im Arcade-Modus ein Sicherheits-Komplettpaket: Vier Schwierigkeitsgrade, die vor allem Zahl und Stärke der KI-Fahrer regeln, aber sich auch um die Rundenzahl und vor allem die Menge der aktivierten Fahrhilfen kümmern. Lenk- und Bremsunterstützung, automatische Ausrichtung, Schadensmodell und vieles mehr erleichtern Neulingen das Leben in der harten GTR-Welt. Allerdings gilt hier

Die Fahrzeuge sind ausgezeichnet modelliert.
das Auswählen-und-loslegen-Motto, einen Karrieremodus gibt es nicht. Unentschlossene bzw. Fortgeschrittene fühlen sich im Semi-Pro-Modus am wohlsten, der den Anspruch der Simulation mit dem leichteren Fahrverhalten der Arcade-Variante verbindet – außerdem darf man sich hier schon durch eine Karriere kämpfen.

Die Simulation schließlich ist sowohl Herzstück als auch der eigentliche Spielgrund von GTR. Hier haben die Entwickler aus dem Vollen geschöpft, was Profis zu schätzen wissen: Im leichtesten Arcade-Modus mit allen Hilfen ist GTR ein Augen-zu-und-durch-Racer, bei dem man außer Vollgas und ein bisschen Lenken nicht viel machen muss, um stets oben auf dem Treppchen zu landen. In der vollen Simulation darf man bei niedriger Geschwindigkeit an Vollgas nicht mal denken, sonst dreht die Kiste sofort ihre Kreise auf der Stelle. Ganz besonders in Kiesbetten sollte man aufpassen: Braust man da mit vollem Speed hinein, geht’s erstmal geradeaus und sonst nirgendwo hin – das unrealistische Schlenkern und problemlose Kurven anderer so genannter »Simulationen« gehört hier nämlich der Vergangenheit an. In GTR sind Kiesbetten das, was sie auch in der Realität sind: eklige Bremser, aus denen es nur langsam herausgeht. Genauso verhält es sich mit Gras: Wer denkt, dass er sich mit dem Überholen auf Gras ein leichtes Leben machen kann, wird sich sehr schnell an einer Wand oder in einem Reifenstapel wieder finden.

Im Meisterschaftsmodus spielt ihr eine komplette Rennsation auf Basis der 2003er FIA-Daten. Ihr habt die Wahl, entweder die GT- (plusminus 600 PS) und die (plusminus 450 PS) NGT-Serie zu steuern, oder es bei einer von beiden zu belassen. Ferner lassen sich noch Gegnerstärke und –aggressivität regeln, bevor es zur Wahl des Fahrzeugs geht: Euch erwarten 60 lizenzierte Rennmaschinen vom Ferrari F550 Maranello über Lotus Elise und BMW Z3M bis zum Lamborghini Murcielago R-GT. Jedes wurde auf Basis echter Baudaten modelliert und sieht atemberaubend echt aus – was sich im Schauraum auch überprüfen lässt. Steht die Wahl, geht es nach erheblicher Ladezeit auch schon auf die erste von insgesamt zehn Original-Strecken. Beginnend im noch eher gemütlichen Barcelona geht es schnell über Oschersleben und Enna nach Spa, Brno oder Magny Cours - jeder einzelne Kurs fährt sich dank GPS-Vermessung 100% originalgetreu.

Ohren gespitzt!

Um nicht ins kalte Rennwasser springen zu müssen, bietet GTR das volle Kursprogramm: zwei Trainingssessions, Warm-Up und umfangreiches Qualifying stehen vor dem eigentlichen Rennen; auf Wunsch lassen sich diese Zwischenschritte aber auch beschleunigen oder ganz überspringen. Und bevor die Motoren endgültig aufheulen, steht noch eine optionale Formationsrunde auf dem Programm, erst danach geht es wirklich los. Was spätestens zu diesem Zeitpunkt auffällt: Die Soundeffekte sind das Beste, was es bislang in einem Rennspiel zu hören gab. Vom aufjaulenden Motor über den klackernden Schalthebel bis hin zum kleinsten Stoßdämpfer-Ächzen erzeugen die

Der Cockpitperspektive mangelt es etwas an Übersicht, dafür ist hier die Soundkulisse fantastisch.
Effekte alleine eine perfekte Rennatmosphäre. Natürlich erklingen die Sounds je nach Perspektive anders: Während es im Cockpit röhrt und scheppert, was das Zeug hält, hört man in der Außenkamera ein distanziertes dumpfes Brummen – und natürlich alles in feinem 3D-Sound. Das ist angesichts des Ressourcen fressenden Rückspiegels umso wichtiger, da man dadurch jederzeit hören kann, aus welcher Richtung sich die Konkurrenten heranpirschen. Leider gibt es nicht viel Gutes über die deutsche Sprachausgabe zu berichten: Zwar klingt sie authentisch und bietet sinnvolle Informationen, aber sie ist viel zu leise. Selbst bei leise eingestelltem Motor vernimmt man die Box bestenfalls am Rande, wenn überhaupt. Untertitel wie bei NASCAR Racing Season 2003 fehlen leider.    

Die Optik von GTR fährt wie auch NASCAR Racing Season auf dem Realismus-vor-Effekthascherei-Zug: Neben dem unspektakulären Hauptmenü fällt dem verwöhnten DTM Race Driver 2-Auge vor allem die Umgebungsgrafik ins Auge. Schnell und realistisch, aber nicht wirklich schön – speziell in den mit vorbildlichen Kameraperspektiven versehenen Replays erkennt man die langweiligen und sich wiederholenden Umgebungstexturen sowie das platte Papp-Publikum. Im krassen Gegensatz dazu bewegen sich die Wagenmodelle am Rande der Perfektion: durchgestylt, authentisch beklebt, rund, glänzend; da gibt es nichts zu meckern. Nur das Schadensmodell wirkt etwas grob und weniger detailliert als beispielsweise bei Richard Burns Rally. Auch stehen mehrere Perspektiven zur Wahl, die mehr oder

Die Außenkamera bietet schicke Bilder, ist aber zum Spielen ungeeignet.
weniger zum Fahren geeignet sind: Während die Cockpit-Sicht am authentischsten ist, habt ihr von der Motorhaube aus den besten Überblick. Mehr Schein als Sein ist dagegen die Außenkamera – zwar bekommt man von da aus die Wagen am Besten zu sehen, aber zum Spielen ist diese Ansicht völlig ungeeignet, da sie kein echtes Kontrollgefühl vermittelt.

KI am Steuer

Das Wetter lässt sich entweder festlegen oder dem Zufall überlassen, was in der Konsequenz schon mal bedeutet, dass die Wolkenfront während eines kompletten Rennens mehrmals umschlägt. Allerdings hat das nicht nur grafische, sondern auch erhebliche spielerische Auswirkungen: Regen beeinflusst nicht nur das unmittelbare Fahrverhalten, sondern trocknet nur langsam wieder ab, neben der befahrenen Linie langsamer als mitten darauf, wodurch sich mitten auf der Straße das Grip-Verhältnis ändert, was komplett neue Fahrstrategien erzwingt. Habt ihr euch hoffnungslos verfahren, könnt ihr kurzzeitig der KI das Steuer in die Hand geben, die euch langsam, aber zuverlässig wieder auf den rechten Weg bugsiert - allerdings gewinnt sie nicht das Rennen für euch.

Wenn ein Spiel schon im Vorfeld als die neue Rennspielreferenz beschrien wird, sind die Erwartungen an die Fahrphysik natürlich entsprechend hoch. Und tatsächlich schafft es GTR, diese nicht nur locker zu halten, sondern auch im Simulationsmodus zu übertreffen. Kurz gesagt: Ein derartiges Fahrmodell hat es noch nie gegeben. Mit einem Lenkrad samt Pedalerie fühlt man sich schon nach kürzester Zeit in das Spiel hineingezogen, man spürt den Untergrund, erkennt sofort, wenn etwas nicht stimmt oder man kurz davor ist, den Grip zu verlieren – das Force Feedback ist einfach

Im Schauraum könnt ihr eure Boliden genau unter die Lupe nehmen.
grandios eingesetzt. Dieser Segen ist allerdings auch gleichzeitig Fluch, denn diese Wirkung entfaltet GTR ausschließlich mit entsprechendem Equipment. Wer es wagt, hier mit Tastatur oder Gamepad anzutreten, sollte wirklich besser bei NFS Underground und Co. bleiben – dann damit lässt sich GTR einfach nicht vernünftig spielen.

Hardware-Pflichten

Die Computergegner sind kein Meilenstein, reichen für eine kompetente Herausforderung aber mehr als aus – sie machen Fehler, drängeln fies, nutzen den Windschatten clever aus, allerdings verfolgen sie gerne die Ideallinie. Falls ihr dennoch kein Land gegen die vorgegebenen Rundenzeiten seht, kann das auch an euren Wagensetups liegen: Ihr könnt zwischen den Rennen an etlichen Parametern herumschrauben, um noch mehr Speed aus den Boliden zu kitzeln. Das ist auch für den Mehrspielermodus auf Dauer ein Muss: Online oder per Netzwerk dürfen bis zu 24 Raser gegeneinander antreten. Allerdings hat gerade online der Netzwerkcode noch ein erhebliches Problem: Auf freien Servern gibt es immer ein kurzes Lag, sobald ein neuer Spieler das Game betritt, bei zu vielen Piloten schmiert der Server schon mal komplett ab – ernsthaftes Spielen ist so momentan nur via Netzwerk oder auf passwortgesicherten privaten Servern möglich. Sollte sich das in der Zukunft ändern, werden wir die Mehrspielerwertung entsprechend nach oben korrigieren, im derzeitigen Zustand hat man aber auf freien Servern nur wenig Freude.  

Fazit

Allen Optionen zum Trotz ist GTR ganz klar eine Simulation für Profis. Klar können sich Rennspieleinsteiger das Game auf NFS Underground-Niveau herunterregeln, aber warum sollte man das tun, wenn sie dann doch gleich lieber zu NFS Underground greifen könnten, welches den eigenen Anspruch wesentlich besser umsetzt? Denn für Freunde von Arcade-Racern ist GTR (wie auch schon NASCAR Racing Season 2003) schlicht zu spartanisch und einfach viel zu anstrengend, frustrierend und kompliziert - hier geht es nur um das reine Rennvergnügen, den Kampf um die perfekten Rundenzeiten und das ideale Abfahren der knochenharten Kurse, nicht um eine glitzernde Racing-Welt mit Reifendurchdreh-Wettbewerben, Neonleuchten unterm Chassis oder hinternwackelnden Rave-Chicks. Habt ihr jedoch Freude an Games wie dem erwähnten NASCAR 2003 oder Grand Prix Legends, dann ist GTR der neue Stern am Rennspielhimmel. So realistisch und detailverliebt wie möglich, so präsentationsgewaltig wie gerade nötig – eine Hardcore-Simulation eben. Von Fans für Fans, ohne jegliche Kompromisse.

Pro

  • drei unterschiedliche Spielmodi
  • gut dosierbarer Schwierigkeitsgrad
  • hochrealistische Fahrphysik
  • super Force Feedback-Ausnutzung
  • tolle Wagenmodelle
  • authentische Strecken
  • gutes Handbuch
  • clevere Gegner-KI
  • fantastische Soundeffekte
  • groovige Menümusik
  • spannende Mehrspielerrennen

Kontra

  • <P>
  • Lag-Probleme bei Online-Rennen
  • lange Ladezeiten
  • Boxenstimme schwer zu verstehen
  • Ressourcen fressender Rückspiegel
  • optisch wenig aufregend
  • Optionen nicht im Spiel verstellbar
  • gelegentliche Schreibfehler</P>

Wertung

PC

Heißer Anwärter auf den Rennspielthron.