Halo 2 - Test, Shooter, XboxSeriesX, PC, XBox

Halo 2
15.11.2004, Mathias Oertel

Test: Halo 2

Die Spannung war kaum noch zu ertragen. Doch dann war es endlich so weit: Halo 2 (ab 39,99€ bei kaufen) lag in der Xbox und der Master Chief sollte eigentlich beginnen, den Spielspaß auf ungeahnte Höhen zu stemmen. Doch dem Microsoft-Kulthelden scheint die zweijährige Pause seit Teil 1 nur eingeschränkt gut getan zu haben. Denn der Test zeigt, dass nicht alles Gold ist, was aus Amerika mit großem Hype über den Teich kommt.

Die Zerstörung des Halo in Teil 1 war nur der Anfang: Die Allianz, deren Heiligtum vom Master Chief in seine Einzelteile zerlegt wurde, greift mittlerweile die Erde an und hat zudem einen weiteren Todestern, pardon: eine weitere Ringwelt ausfindig gemacht, die mindestens genau so viel Zerstörungspotenzial birgt.

Schöne Effekte, schöne Animationen, aber letzten Endes grafisch nicht so überzeugend wie gehofft.
Doch nicht nur der Master Chief hat es sich zum Ziel gemacht, auch diesen Ring zu zerlegen. Mit dem Gebieter (ein ehemaliger Elite-Kämpfer der Allianz) kommt eine zweite spielbare Alien-Figur hinzu, die nicht nur mit wesentlich mehr Tiefgang und Identifikationspunkten ausgestattet ist, sondern deren Geschichte weitaus interessanter erzählt wird als die des Helden der Erdförderation.

Master Chief auf Weltrettungstour

Und gerade angesichts der Euphorie, die der Master Chief in den USA entfachte, hätte ich mehr erwartet, als ein simples Run-and-Gun-Gameplay, das mich durch lineare Levels schleust, die abseits des vorgesehenen Weges mit absoluter Leblosigkeit enttäuschen.

Das geht sogar so weit, dass man sich bis zum im Endeffekt enttäuschenden Ende, das als Vorbereitung für weitere Teile dient, nur auf Grund der Story auf Alienseite durchackert.

"More of the same"

Denn spielerisch bleibt Halo 2 irgendwo im Mixmorast aus Reminiszenzen an Teil 1 und halbwegs neuen, aber in der Kampagne nicht komplett durchdachten Ideen stecken.

Man kann die neuen Ideen an einer Hand abzählen: So seid ihr in der Lage, zwei Waffen gleichzeitig zu führen. Im Halo-Universum mag dies ja neu sein und wertet das Gameplay auch dementsprechend auf, doch das Feature an sich gab es auch schon in Red Faction und wird z.B. auch in EAs Goldeneye Rogue Agent zu finden sein.

Der Master Chief ist zurück - und als Identifikationsfigur blasser als zuvor.
Neu ist auch, dass ihr in manchen Missionen in Raumschiffe einsteigen könnt, um heiße Dogfights zu erleben. Und auch das Feature, mit dem mächtigen Partikelschwert im Nahkampf die Feinde in ihre Einzelteile zu zerlegen, ist nett und für einen Ego-Shooter eher ungewöhnlich.

Denn all diese Elemente verpuffen angesichts des geradezu banalen Gameplays, durch das ihr von Bungie gelotst werdet. Man kämpft sich mit geradezu erschreckender Eintönigkeit, die nur durch neue Gegnertypen, die eine etwas andere Strategie erfordern, von einem Raum zum nächsten und hangelt sich monoton von einem Ziel zum anderen, die meist daraus bestehen, eine bestimmte Location zu erreichen. 

Die Möglichkeit, Gegner aus ihren Vehikeln zu kicken, bevor man es übernimmt, ist ebenfalls durchaus gelungen, kommt aber eher den Mehrspieler-Duellen zu Gute, als dass sie das Einzelspieler-Erlebnis aufwerten würde.

  

Und der Rest ist Halo, wie man es kennt: Unterstützt von einer meist guten KI und einer exzellenten Steuerung, die allerdings beim Aufnehmen der zahlreichen Waffen etwas überempfindlich reagiert, sind Shooter-Fans gefordert und erleben einigermaßen spannende Schlachten inmitten der galaktischen Auseinandersetzung zwischen Erdföderation und der in sich gespaltenen Allianz.

Das Dual-Waffensystem kommt wie alle Neuerungen hauptsächlich im Mehrspieler-Modus richtig zur Geltung.
Insofern hätte Halo 2 mit seinen knapp sechs bis sieben Stunden Spielzeit auch als Mission-Pack durchgehen können.

Und das ist angesichts des enormen Hypes, der aufgebaut wurde, einfach zu wenig: Ein blasser Held, der von seinem vermeintlichen Antagonisten an die Wand gespielt wird. Gameplay, das mit wenigen Ausnahmen so herkömmlich ist, wie es nur geht. Eine Aneinanderreihung von mit Gegnern gefüllten Orten.

Wäre es so schwer gewesen, dem Master Chief mehr Profil zu geben? Selbst Gouvernator Arnold als Conan der Barbar hatte mehr zu sagen als diese einsilbige Kampfmaschine. Wäre es so viel aufwändiger gewesen, den Spieler wenigstens ansatzweise zum Erforschen der Level zu animieren und ihm wenigstens halbwegs vorzugaukeln, dass er so etwas wie Freiheit hat, anstatt ihn mit leeren Flecken ohne Gegner oder sonstige Charaktere zu konfrontieren, wenn er sich mal vom vorgesehenen Weg abwendet?

Irgendwie wäre mehr drin gewesen.

Die im letzten Absatz gestellten Fragen scheinen sich allesamt relativ leicht beantworten zu lassen: Weil Halo 2 nach den obligatorischen Duellen über Xbox Live den Eindruck hinterlässt, dass die Entwickler vorrangig den Mehrspielermodus im Auge hatten und dann alle Ideen irgendwie in den Einzelspieler-Modus implementierten.

Und wieso bleibt nach Abschluss der als hollywoodreif bezeichneten Story ein dermaßen schaler Beigeschmack?

Xbox Live-Pflichtprogramm

Sieben Spielmodi und zwölf Karten laden zu Fragfesten über Xbox Live ein.
Denn alles, was in der Kampagne zwar nett, aber vollkommen unerheblich scheint, bekommt in den sieben abwechslungsreichen Spielmodi auf dem Dutzend gut designter Mehrspielerkarten zusätzliche Bedeutung: Das Dual-Waffensystem, das mächtige Partikelschwert und vor allem die Möglichkeit, seine Gegner aus Fahrzeugen zu kicken, öffnet Halo 2 im Xbox Live-Modus eine neue Dimension.

Schade ist allerdings, dass man keine Bots hinzufügen kann, wenn man z.B. nur mit acht Spielern aus dem Freundeskreis unterwegs ist. So bleibt dann bei Team-Spielen nur die Möglichkeit, vier gegen vier zu spielen, oder sich doch mit der Community zu beschäftigen.

Doch auch ohne CPU-Aliierte und ohne Möglichkeit, online mit einem Freund die Kampagne zu lösen, entfacht Halo 2 im Mehrspielermodus die Begeisterung, die man für die Einzelspieler-Missionen erwartet hätte. Zwar sind die Modi angefangen von Deathmatch (hier: Showdown) über Capture the Flag oder King of the Hill bis hin zum Territorial-Kampf (ähnlich Domination in UT) nicht neu, sorgen aber für gepflegte Unterhaltung.

 

Zusammen mit der Möglichkeit, Clans anzulegen und zu verwalten, sollte sich Halo 2 auch auf lange Sicht als einer der Mehrspieler-Titel schlechthin etablieren. Weiterhin dürfte in absehbarer Zeit mit herunterladbaren Zusatz-Inhalten zu rechnen sein, die die Spielzeit nochmals verlängern dürften.

Die Zwischensequenzen sehen klasse aus, bieten aber auch ein paar kleine Grafikbugs.
Die Xbox am Ende?

Doch dabei sollte man nicht vergessen, dass Halo 1 trotz sich wiederholender Leveltexturen bereits verteufelt gut aussah. Dementsprechend tut sich das neue Abenteuer des Master Chiefs schwer, diesen Standard zu überbieten. Und von dem propagierten "Ausreizen der Xbox an ihre grafischen Grenzen" ist wenig zu spüren. Sicher: Das gesamte Gameplay rutscht butterweich und ohne jegliche Ruckler über den Bildschirm und kann mit einigen feinen Grafikeffekten und ausgefeiltem Figurendesign samt schöner Animationen punkten.



Nachdem Halo 2 schon spielerisch nicht komplett überzeugen konnte, hatten wir die Hoffnung, das wenigstens die Optik den mittlerweile zwei Jahre alten Vorläufer locker in die Tasche stecken kann.

Das Partikelschwert ist extrem mächtig und kann dem Kampfausgang eine entscheidende Wendung verpassen.
Gelungen sind hingegen die stimmungsvollen Zwischensequenzen, bei denen sich allerdings auch ab und an leichte Grafikbugs zeigen. So wird zum Beispiel häufig die letzte Texturschicht mit einer leichten Verzögerung aufgekleistert, was immer wieder für unschöne Momente sorgt und an der Atmosphäre nagt.

Auch die Havok-Physikengine sorgt mit ihren rassig in Szene gesetzten Explosionen immer wieder für kleine Highlights.

Doch was Bungie hier an Umgebungsoptik bietet, erinnert fatal an Teil 1: Insgesamt auf sehr hohem Niveau wiederholen sich die Texturen in den meist sterilen Innenabschnitten genau so häufig wie in Halo.

Akustisch zeigt sich Halo 2 vor allem in punkto Musikuntermalung von seiner Schokoladenseite: Stimmungsvoll komponierte Melodien sorgen stets für das passende Soundambiente, erinnern aber andererseits wieder frappierend an Teil 1. Es scheint, dass man auch hier kein Risiko eingehen wollte, was aber in diesem Fall durchaus positiv zu werten ist, da die Musiken in Halo ebenfalls sehr gut waren.

Aliens mit Fremdsprachenkenntnissen

Bleibt noch die Sprachausgabe, die komplett lokalisiert und aufwändig produziert wurde. Und das ist leider schon das einzig Positive an den Sprachsamples. Denn die Sprecher lassen durch die Bank eine allgemeine Emotionslosigkeit erkennen, die den Figuren so ganz und gar nicht entsprechen mag.  

Bei den technisch sehr sauberen Soundeffekten gibt es ebenfalls keine Überraschungen.

Fazit

Zwei Fragen haben uns beim Test hauptsächlich beschäftigt: Ist Halo 2 eine angemessene Fortsetzung? Kann das Spiel den Hype rechtfertigen? Für Einzelspieler lautet die Antwort in beiden Fällen "Nein!". Denn abgesehen davon, dass der Master Chief mitsamt dem Gebieter extrem schnell (nach etwa sechs bis sieben Stunden) die Welt gerettet hat, spürt man die drei Jahre Entwicklungszeit kaum. Sicher: Das duale Waffensystem ist durchdacht und verleiht dem Spiel eine neue Note, ist aber seit Red Faction nichts Neues mehr. Und auch die Fahrzeuge überraschen die Halo-Fangemeinde nicht wirklich. Klar: Halo 2 sieht gut aus und kann mit einigen feinen Effekten punkten. Doch das ändert nichts daran, dass sich viele Texturen genau so häufig wiederholen wie im Vorgänger und die Abschnitte abseits der vorgegeben Route einfach leblos sind. Unter dem Strich ist der zweite Auftritt des Master Chiefs ein stinknormaler Run-and-Gun-Shooter mit nur wenigen spielerischen Höhepunkten, der sich nur durch die interessante Geschichte mit den zwei gegensätzlichen Hauptfiguren (besonders herausragend: der Gebieter) von der Konkurrenz abhebt. Aber es kann nicht sein, dass nicht das Gameplay, sondern die Geschichte den Hauptgrund liefert, weiter zu spielen. Ganz anders der Mehrspielermodus, der den Verdacht nahe legt, dass man die Kampagne als nettes Beiwerk mitliefert. Sieben Spielmodi auf leider nur zwölf Karten laden zu spannenden Gefechten, die allerdings ohne Bot-Unterstützung auskommen müssen. Wer also mit einem kleinen Freundeskreis unterwegs ist, muss wohl oder übel entweder in kleinen Gruppen spielen oder sich mit der Community anfreunden.

Pro

  • überzeugende Steuerung
  • Havok-Physikengine
  • nette Grafik
  • Dual-Waffen-System
  • interessante Story
  • nette Grafikeffekte
  • gute KI
  • zahlreiche Waffen
  • Fahrzeuge
  • überzeugende Mehrspieler-Duelle
  • guter Soundtrack
  • kooperativ spielbar
  • schönes Figurendesign

Kontra

  • extrem kurz
  • im Prinzip Halo 1.5
  • schwaches Ende
  • viele eintönige Texturen
  • schwache Sprecher in der Lokalisierung
  • kooperativ nur per Splitscreen
  • keine Bots
  • aufpoppende Texturen
  • lineares Missionsdesign
  • kein Leben abseits des Hauptpfades

Wertung

XBox

Eigentlich nicht viel mehr als ein Mission-Pack lohnt sich Halo 2 nur für Multiplayer-Gelage.